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Nr. 222 �44. Jahrgang 2# �00 �O�IDCJtt0 donnerstag. 12. Mai 1427
Der zweite Vorstoß öer Kulturreaktion. Das Jttgendschutzgesetz vor dem Reichstag  .
Der Reichstag   stimmte gestern ohne Aussprache dem inter  - nationalen Uebereintommen über die Eichung der Binnen- schiffe in ollen drei LesunAen$u( ebenso einem Eisenbahn- abkommen mit Polen   für die Strecke Firchau Marienburg. Es folgt die 2. Beratung der Reichshaushaltsrcchnung für 1324. Den Bericht über die Beratungen des Rechnungsausschusses, iier die Genehmigung beantragt, erstattet Abg. Simon-Schwaben <Soz.). Der Ausschuß legt eine Entschließung vor, wonach der Reichstag   erwartet, daß in Zukunft chaushaltsuberfchreitungen und außerplanmäßige Ausgaben vermieden werden. Finden dennoch chaushaltsüberfchreitungen und außerplan- mäßig« Ausgaben statt, so sind sie in der Haushaltsrechnunz besonders eingehend zu begründen. Die Entschließung wird angenommen, die chaushallsrechnung genehmigt, ebenso die für 1926. Eine Anzahl von Petitionen wird nach den Ausschuß- beschlllssen erledigt. Es soll nun die 2. Beratung des Gesetzentwurfs über den Schutz der Zagend bei Lustbarkeilen stattfinden. Da die Berichterstatterin, Frau Abg. M e n d e nicht zugegen ist, beantragt Abg. Siöcker(Komm.), die Borlage wieder abzuietzen. Abg. Schreck(Soz.) stellt den Antrag, den Gesetzentwurf an den Jugendausschuß wieder zurückzuverweisen. Es sind seit dem Abschluß der Ausschußberatungen sehr wichtige Aeußerungen wirtschaftlicher und kulturpolitischer Kreise zu dieser Vorlage bekamü geworden, die unbedingt gewürdigt werden müssen. Die Abgg. Brodaus und Rönneburg  (Dem.) unterstützten den sozialdemokratischen Antrag, die Abg. Brüninghaus(D. Vp.) und Mumm(vntl.) treten für sofortige Beratung ein: sie behaupten, daß die Linke nicht aus sachlichen Gründen die Absetzung durchsetzen wolle. Abg. Schreck(Soz.) weist die Unterstellung der Unsachlichkeit zurück. Auch aus Kreisen, die den Deutschnationalen nahe- stehen, sind Bedenken gegen die Vorlage vorgebracht worden, die noch einmal im Ausschuß nachgeprüft werden müssen. Der Antrag aus Absetzung von der Tagesordnung wird gegen die Linke abgelehnt. Bei dem sozialdemokratischen Antrag auf Zurückver- Weisung an den Ausschuß läßt sich zuerst nicht feststellen, wo die Mehrheit ist, da einige Mitglieder der Wirtschaftlichen Vereinigung mit den Linken stimmten. Die Auszähluna ergibt die A b l e h- nung des sozialdemokratischen Antrages mit 162 gegen 147 Stimmen. Das Haus tritt in die zweite Lesung des Entwurfs ei». Abg. Seydewih(Soz.): Roch hat sich die Empörung im Volke über das Schund- und Schmutzgesetz nicht gelegt und nun wird im Reichstag ein noch volksfeindlicheres reaktionäres Gesetz vorgelegt, das sich gegen die Kultur, die Geistcsfreiheit und die Jugend richtet. Unter dem Deckmantel, die Jugend zu schützen, wird eine Zensur über alle Veranstaltungen der Theater, alle sonstigen öffentlichen und nicht- öffentlichen Veranstaltungen geplant. Das«chund- und Schmutz- gesetz hat trotz der Reichsverfasfung schon die Buchzcnsur ein- geführt. Jetzt sollen auch die Theater unter die Vor- z e n s u r gestellt werden. Das verstößt zumindestens gegen den Geist und Sinn der republikanischen Verfassung. Die Väter dieses Gesetzes berufen sich auf den Schlußsatz des Artikels 118 der Ver- tafsung, wonach zur Bekämpfung der Schund- und Schmutzliteratur sowie zum Schutz« der Jugend bei össentlichen Schaustellungen und Darbietungen gesetzliche Maßnahmen zulässig seien. In diesem Absatz steht aber kein Wort davon, daß unsere Jugend auch vor nichtöffentlichen Lustbarkeiten geschützt werden soll, wie es diese Vorlage will. Künftig könnte die Betelligung von Jugendlichen sogar an Hochzeiten und Geburtstagsfeiern verboten werden. Ich frage die Väter dieses Gesetzes: was wollen sie eigentlich erreichen? Bei den ersten Beratungen wurde gesagt, die Jugend müsse vor den Gefahren auf den Rummelplätzen geschützt werden. Herr Mumm hat im Februar dieses Jahres in einem Artikel derLcip- ziger Neuesten Nachrichten" die Aufgabe dieses Gesetzes so um- ichrieben, die Jugend müsse geschützt werden vor dem Anblick tätowierter Damen, vor 300 schönen Beinchen usw. Sind aber die Rummelplätze für unsere Jugend wirklich so gefährlich, wie es von den Machern dieses Gesetzes dargestellt wird? Wenn alle diejenigen, die in ihrer Jugend auf Rummelplätzen gewesen sind, untaugliche Menschen geworden wären, dann säße wohl niemand von Ihnen in diesem Hause.(Zuruf links: Nur Herr Mumm!) Das schlimmste an dieser Vorlage ist, daß mit Ihr die Mögllch- ' keil geschaffen wird, da» deutsche Theater entgegen den Be­stimmungen der Verfassung unter Vorzensur zu stellen. Hat man auch daran gedacht, daß schließlich sogar Schaufenster- ausstellungen verboten werden können? Auch in den Schau- fcnstern werden doch oft Dinge ausgestellt, die nach der Meinung der Väter dieses Gesetzes das sittliche Empfinden der Jugend ge- fährden können. Unsere Bedenken richten sich ja gerade vor allem dagegen, daß entgegen der ursprünglichen Absicht, einen Schutz vor Rummelplätzen zu schaffen, setzt auch die Theater und alle wert- vollen künstlerischen Veranstaltungen getroffen werden können. Künftig wird jeder Theaterdirektor, der irgendein modernes Stück aufführen will, bei der Polizei anfragen müssen, ob es nicht geeignet fei, die Jugend zu gefährden. Wir werden dahin kommen, daß in der Provinz kein Theaterdirektor mehr wagen wird, ein Stück aus der jüngeren noch umstrittenen Dichtung in seinem Spielplan auf- zunehmen. Unsere Befürchtungen werden auch von den deutschen  Iugcndverbänden geteilt, eine Organisation, zu deren Schutz diese- Gesetz gemacht werden soll. In einer Eingabe beantragen sie/ daß bei diesem Gesetz jede Möglichkeit ausgeschlossen werden muß, die zu einer Beschränkung unseres geistigen und politischen Lebens führen könne. Die Jugendverbände schlagen einstimmig einen Zusatzantrag vor, wonach k ü n st l e r N ch e und wissen- schaftliche Veranstaltungen von Kunst- und Bildung?- Organisationen, Jugend- und Sportoerbänden nicht unter dies Gesetz fallen sollen. Wenn Sie(nach recht») wirklich die Jugend nur vor den Rummelplätzen schützen wollen, dann müssen Sie für diesen Antrag stimmen. Diese» Gesetz wird aber auch zu ollen möglichen politischen Schikanen Veranlassung geben. Wenn nur irgend jemand, der die Entscheidung darüber hat, be- fürchtet, daß die Jugend durch eine Veranstaltung geschädigt werden könne, so ist ihm dl« Möglichkeit zu einem verbot gegeben. Wir befürchten, daß bei Veranstaltungen der sozialistischen   Arbeiterschaft, bei Maifeiern usw. wo ein Chor der Kinderfreunde oder einer Jugendorganisation mitwirken soll, unter den nichtigsten Vorwändcn Verbote erlassen werden. Einen Borgeschmack haben wir bereits bekommen a!- das Organ des Iungdeutschen Ordens, von einem im Verlag der Arbeiterjugend erschienenen»prechchor- w»rt von Schölllank, dessen dichterisch« vualttäten anerkannt
sind, behauptete, es träufele politisches Gift in die Herzen der Jugend. Bei der Beratung des Schund- und Schmutzgesetzes hat der M i n i st e r i a l r a t G ü r i g erklärt, er könne auf die Be- stimmungen, daß auch aus politischen Gründen eine Schrift ver- boten werden könne, nicht verzichten, da sonst das Gesetz seinen Sinn verloren häte. Bei der jetzigen Vorlage ist die Gefahr der politischen Schikane noch größer, weil keine Prüfungsaus- schösse eingesetzt werden, sondern ein Poli�eibeamter die Entscheidung hat und kein Einspruch erfolgen kann. Verschlimmert wird es noch dadurch, daß nicht das Reich, sondern die L än d c r und die zuständigen Behörden die entscheidenden Be- stimmungen treffen. Selbst ein Vertreter der Deutschen Volkspartei, Herr Runkel, hat im Ausschuß erklärt, daß dieses Gesetz zur Schikane der Jugend führen muß, wir wundern uns darüber, daß er aus dieser Auffassung nicht die notwendigen Schlußfolgerungen gezogen hat. Die wirklichen Quellen der sittlichen Gefährdung für unsere Zugend soll man nicht aus den Rummelplätzen und nicht in Theatern suchen, sondern sie finden sich in den surchlbaren Gesundheitszuständen, in der Erwerbslosigkeit, im Wohnung». elend, im Mangel und in der Armut unsere» Volkes.(Sehr richtig b. d. Soz.) Diese Quellen können nicht mit Verboten, mit politischen Gesetzen verstopft werden, sondern dazu sind durchgreifende soziale Maßnahmen notwendig. Schaffen Sie Wohnungen, Jugend- Heime, Jugendbibliotheken, gute Theater und Kinos für die Jugend und Sie brauchen kein Gesetz zu ihrem Schutze. Nicht solche Der- böte helfen unserer Jugend, sondern positive Maßnahmen! Sobald wir Sozialdemokraten aber Anträge einbringen, die die Schaffung solcher Maßnahmen bezwecken, wird von den Vertretern der Re-
gierung erklärt, es sei t e i n G e l d da. Herr Mumm Hot in seinem Artikel selbst ausgeführt, daß im Etat für die sittliche Hebung der Zugend ganze 300 M. eingestellt sind.(Hört, hört, links.) Gerade die Parteien, die sich so sehr für dieses Gesetz erwärmen, haben alle unsere Anträge auf Schaffung positiver Maßnahmen für die Jugend abgelehnt. Der Reichsausschuß der Jugendoerbände, dem auch die evangelischen Verbände angehören, hat an die Regierung den Antrag gestellt, auf Ausdehnung der Schutzbestimmungen für alle Arbeitenden bis zu 18 Jahren auf Gewährung von drei Wochen Ferien, und er hat noch weitere soziale Maßnahmen dieser Art gefordert. Alles das ist von den Parteien der Rechten abgelehnt worden. Weil wir unsere Jugend nicht schikanieren lassen, sondern ihr wirklich praktisch helfen wollen, darum stimmen wir gegen dieses Gesetz. Die Jugend muß vor diesem Gesetz geschützt werden.(Leb- haster Beisall b. d. Soz.) Abg. Frau wurm beantragt nunmehr, da das Haus auf der Rechten fast leer ist, trotzdem diese Parteien für die Beratung ge­stimmt haben, die Absehung der Vorlage Abg. Runkel(D. Vp.) ist für Weiterberatung. Mit den Stimmen der gut besetzten Linken wird der sozial. demokratische Antrag angenommen. Präsident Lobe vertagt die Sitzung um eine dreiviertel Stund«, damit der Aeltestenausschuß die weiteren Dispositionen treffen könne. In der neuen Sitzung wird nur die Tagesordnung für die Sitzung vom Donnerstag, die um 2 Uhr beginnt, festgesetzt. Ein kommunistischer Antrag, die Anträge gegen die Portoerhöhung und gegen die Einschränkung der Krisenfürsorge zu beraten, wird von der Mehrhett der Regierungsparteien abgelehnt, dagegen die Fort- setzung der zwetten Beratung des Jugendschutzgesetzes beschlossen.
Grzesinski   über den Stahlhelmtag. Das Polizeibeamtengesetz vor dem Landtag.
In der fortgesetzten Aussprache über das Gewerbeschulwesen setzte sich in der Mittwochsitzung des Landtags Abg. Dr. Dotezich (Dnat.) ebenfalls für den obligatorischen Berufsschulunterricht«in, der dem Handelsministerium unterstellt bleiben müsse. Ueber die Einführung des Religionsunterrichts in den Berufsschulen müsse der Minister bald eine Entscheidung treffen. Abg. Frau Dr. Lauer(Z.) erklärt: Der. Religionsunterricht müsse im Interesse der 9� l i g i o n s l e h r e r als gleich­berechtigtes Lehrfach in den BeruMhulen eingeführt werden. Abg. Heideareich(D. Vp.) wirnicht hinter den Religionsunter­richt Zwang oder Polizeibüttel stellen. Abg. Merteu(Dem.) fordert ein Reichsberufsausbildungs» und Schulgesetz. Nach kurzen Ausführungen des Ministerialdirektor» von Seefeld  und der Abgg. Eolosser(Wp.), Manlke-Gleiwig(Z.) und Longe- Dittersbach(Z.) schließt die Aussprache über das gewerbliche Schul- wesen. In der nun folgenden Einzelberatung setzt sich Abg. Frau Hanna(Soz.) für die Besserstellung sowohl der weiblichen Beamten der Gewerbeaufsicht als auch für die aus der Arbeiterschaft hervor- gegangenen Hilfskräfte ein. Ein Regierungsvertreter bestätigt die Angaben der Frau Hanna: dos Unterlassen wichtiger Kontrollreisen sei eine bedauerliche Folge der Sparmaßnahmen des Landtags. Ein« Reihe von Einzelwünschen wird von den Abgg. Hartteib (Soz.) und Frilsch(Soz.) vorgetragen. Abg. Haas(Soz.) fordert die Verbesserung des Flugnetzes im Interesse der Wirt- fchaftlichkeit des Flugverkehrs. Der Etat wird bewilligt. Das polizeibeamtengefetz. Es folgt die erste Lesung des Pol-zeibeamtenge- s e tz e s. Zur Begründung nimmt das Wort Innenminister Grzestnski: Di« Ereignisse des Stahlhelmtages haben mir Recht gegeben, daß ich ein Verbot dieser Demonstration abgelehnt habe. Leider hat zum Schutze der Demonstration die Polizei außerordentlich angestrengt werden müssen. Diese Intoleranz ist sehr bedauerlich. Sie zeigt, daß der wahre'Sinn kür die freiheitlichen Bestiminungen der Verfassung weiten Kreisen der Bevölkerung noch fehlt. Die Berliner   Polizei hat ein« ungeheure organisatorische Aufgab« gelöst und es drängt mich, den Herren vom Kommando wie allen beteiligten Beamten meinen aufrichti­gen Dank auszusprechen.(Beifall.) Leider hat die Beamtenschaft hier in Berlin   kaum noch einen freien Sonntag. Der Sonntagsdienst betrug im Zonuar bei 47 Bolizeibereilschaflen 42414 Stunden, im Februar bei 67 Be- reilschaften 167 Stunden, im März bei ISS Polizeibereitschaflen 420 Stunden, im April bei 60 Bereitschaften 252 Stunden. In ähnlicher Weise ist die Revierpolizei in Mitleidenschast gezogen worden. G e k o st e t hat dem Staat die Demonstration der Rechtsverbande gegen den Locarno  -Vertrog am 16. November 1926 die Summe von 4100 M., der Rote Frontkämpfer- tag Pfingsten 1926 55 000 M. und der jüngste Stahl- h e l m t a g rund 100 000 M. Wieviel Besseres hätte der Staat mit diesem Geld schaffen können. Ob in Zukunft Demonstrationen gerade in Berlin   in diesem Umfange zugelassen werden können, bedarf sorg- fältiger Erwögung. Vielleicht verständigen sich die Parteien end- gültig gegenseitig ihre Umzüge nicht zu stören, damit die Polizei sich ihren anderen wichtigen Aufgaben zuwenden kann.(Sehr gut! links und in der Mitte.) Nun zum Polizeibeamtengesetz. Die Polizei ist das stärkste Machtinstrument des Staates. Ein« gut ausgebildete, gut disziplinierte, mit dem Volke verbundene Polizei wird die beste Stütze für den Staat und sein Ansehen sein. Auch das Wohl des Volkes hängt im weiten Umfange von der Arbeit der Polizei ab. Die Polizei muß sich ohne Rückhalt und Hintergedanken dem Dienst des Staate« hingeben. Der vorliegende Entwurf zieht die rechte Mittellinie zwischen den Wünschen der Beamtenschaft/ und den In- reressen des Staate». Bei der Aufstellung des Entwurfs sind wir durch außerpolitische Bindungen, durch den Stand de» allgemeinen Beamtenrechts und durch die schwierige Lage der Staatsfinanzen gehemmt worden. Trotzdem haben wir die zwei großen Grundgedanken durchgeführt: Schaffung der E i n h e i t s- polizei und lebenslängliche Anstellung. Der Polizei. bcamte wird vom Diensteintritt an unmittelbarer Staatsbeamter und bleibt dauernd in da» allgemein« Beamtenrecht und da» Be»
rufsbeamtentum eingefügt. Die Eigenart des Polizeidienstes ver- langt für den Chef der Verwaltung weitergehende Cntlassungsmög- lichkeiten als im übrigen Dienst. Diese Bewegungsfreiheit kann sich der Sem Parlament verantwortliche Minister unter kernen Um- ständen rauben lassen. Aber jede Beschwerde wegen ungerecht- fertigter Behandlung wird im Ministerium selbst aufs sorgfältigste nachgeprüft werden. Geben Sie dem Gesetz eine Form, die dem Staat und dem Volksganzen von Nutzen ist.(Lebhafter Beifalls Abg. hörsiug(Soz.): Dem Dank des Ministers an die Polizeibeamtenschaft und lernen Bemerkungen über die Demonstrationen im allgememen schließt sieb die sozialdemokratisch« Fraktion an. Zum Polizeibeamtengesetz habe ich folgende Erklärung abzugeben: die lebenslängliche An- st« l l u n g der Polizeibeamten erscheint un» als ein bedeutungs- voller Fortschritt. Wir werden versuchen, das Prinzip restlos durchzuführen und alle Ausnahmebestimmungen zu beseitigen. (Bravo  ! bei den Soz.) Mit der vorzeitigen Pensions- grenze von 60 Jahren sind wir einverstanden, wenn der Polizei» beamtenschaft dafür ein materielles Aequivalent geboten wird. Das Eheverbot wird bei der Eigenart des Bereitschafts- dienstes nicht völlig zu beseitigen sein, aber wir möchten es a u f die ersten sechs Dien st jähre beschränken. Die Sicherungen wegen ungerechtfertigter Entlassung müssen verstärkt werden, insbesondere verlangen wir vor der Entlassung die Anhörung der B e a m t e n v c rt r« t u n g. Der Staat braucht eine hochstehende, leistungsfähige und republikanisch zuverlässige Schutzpolizei. Wir werden deshalb beantragen, daß alle Angehörigen der Schutzpolizei entlassen werden müssen, die sich gegen die Republik  vergehen oder Untergebene schikanös behandeln.(Sehr gut! bei den Soz,) Wir bedauern, daß der Entwurf in der Oeffentlichkeit eine weit über das berechtigte Maß hinausgehende Kritik erfahren hat. Wir hoffen, daß«s uns gelingen wird, ein Polizeibeamtengesetz zustande zu bringen, das die Beamten befriedigt und das vor allem die hohen Interessen des republikanischen Staates an feiner Schutz- Polizeibeamtenschaft wahrt.(Leb. Beifall bei den Soz.) Die Weiterberatung wird auf die Abendsitzung vertagt. In öer Nachtsitzung sprachen die Vertreter der einzelnen Fraktionen Borck(Dnat.), Slieler(Z.), Mehenlhin(Vp.), Sasper(Komm.), Bartheld(Dem.) und Schwent-Oberhausen zu dem Schutzpolizeibeamtengesetz. Die Vertreter der Oppositionsparteien kritisch, Zentrum und Demokraten im wesentlichen zustimmend. Gegenüber verschiedenen Diskussionsrednern gab Innenminister Grzesinski   die Erklärung ab, das preußische Stoatsmjnisterium wünsche die Veamtenbesoldungsresorm so rasch wie möglich durchzu- führen. Um 3�11 Uhr kam es zu einer Kampfab st immun g. Die Regierungsparteien wollten die Vorlage dem Hauptausschuß über- weisen, die Oppositionsparteien dem Veamtenausschuß. Obwohl die Demokraten sich mit den Vertretern der Opposition für den Beamten- ausschuß erklärten, wurde mit den Stimmen des Zentrums und der Sozialdemokratie, die infolge starker Anwesenheit ihrer Abgeordneten allein die Mehrheit bildeten, beschlosien, den Gesetzentwurf wegen seiner politischen und finanziellen Tragweite dem Haupt- ausschuß zu überweisen. Nächste Sitzung Donnerstag vormittag 11 Uhr, völkische Inter- pellation wegen der Strafversetzung des Abg. Gieseler. Etat des Finanzministeriums.______ Die Gefrierfleisch einfuhr. Die Agrarier wollen das Gefrierfleisch verteuern. Wie der.Soz. Pressedienst" erfährt, werden die zu- ständigen Ressortminister sich noch im Laufe dieser Woche mit dem Gefrierfleischkontingent befassen, das am 31. Juli 1927 abläuft. Es liegen eine ganze Reihe von Vorschlägen vor. Landwirtschaftliche Kreise fordern die vollständige Aufhebung des Kontingents(120 000 Tonnen) und Verzollung des Gefrier- fleische« zum Satz de« Generaltarif,(46 M. pr« Doppelzentner). Reden dieser Hochschutzzöllnerischen Forderung wird von anderer Seite ein Satz von 40 M. pro Doppelzentner als durchaus aus- reichend angesehen, und zwar mit der Begründung, daß das Gefrier- fleisch eine Bel-istung von 6 bzw. 16 Ps. pro Pfund wohl ertrage» könne, da mit dem Wegfall gewisser Zwischenhändlerverdienste zu rechnen ist. Endlich liegt ein Antrag vor, das Kontingent ohne Ab- änderung zu verlängern.