für seine Politik inbezug auf Ostpreußen den Dank aussprechen. Zn vielen dieser Zuschriften werde gesagt, daß das groß« Interesse des preußischen Ministerpräsidenten für Ostpreußen bekannt sei. Es könne auch keine Rede davon sein, daß sein«, des Ministerpräsidenten, Ausführungen von heute die Tendenz gehabt hätten, den Landtag in ein Gefecht gegen die Reichsregierung zu führen. Der Redner betont, daß er in der Anterftühung der Reichspolitik oft bis an die Grenze dessen gegangen sei. was das Interesse Preußens erlaubte, und in den schwierigsten Situationen habe Preußen der Reichsregierung schützend zur Seite gestanden. In den schwierigsten innen- und außenpolitischen Situationen habe die Reichsregieruna ihre stärkste Stütze noch immer an der preußischen Regierung gesunden.(Lebhaste Zustimmung links und in der Mitte.) Er bedaure lebhast, daß er in einzelnen Fragen den Staatsgerichtshof habe anrufen müssen, und er hoffe, daß es möglich sein werde, diese Dinge zukünftig in loyalen VerHand- lungen zu bereinigen. Wenn der Abg. o. Campe den Ton seiner, de» Ministerpräsidenten, Rede kritisiert habe, so müsse er darauf erwidern, daß man einem Menschen den Ton nicht vorschreiben könne. Ihm komme es darauf an, daß er von anderen verstanden werde, und daß er wahr und deutlich spreche.(Sehr gut! links.) Gerade mit dem Reichskanzler Hobe er in der konziliantesten Weise gesprochen. Leider habe man im Reich mit einem überaus schnellen Wechsel an Ministern zu rechnen und nur die retardierenden Elemente der Ministerialbureaukratie blieben und sehten ihren widerstand immer von neuem in Bewegung. Zurückweisen müsse er den Vorwurf des Abg. v. Campe, daß der Ministerpräsident zuviel schreibe. Wenn in einem Schreiben von Nrüskierung die Rebe gewesen sei, so halte er diesen Ausdruck auch heute noch aufrecht. Im Landtagsausschuß lzabe gerade der volks- parteiliche Abg. Dr. L e i d i g den Vorwurf erhoben, daß der preußische Ministerpräsident nicht energisch genug die preußischen Interessen gegenüber Bayern vertrete. Der Landlag habe sich damals einstimmig hinter den Vorschlag der Staatsregierüng gestellt. Daß damals nicht ein Beamter, sondern ein freier Mann aus der Wirt- lchaft auf den Posten im Verwaltungsrat gekommen fei, sei eine Brüskierung gewesen. Hoffentlich würden die neuen Ver- Handlungen nicht zu demselben Ergebnis führen. Wenn der Abg. Schlange-Schöningen auf die Verdienste der preußischen Staats- männer zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hingewiesen habe, dann müsse man dock, darauf aufmerksam inachen, daß die größten Wider- stände gegen die Bemühungen dieser Männer um einen Aufbau Preußens von den damaligen Konservativen ausgegangen sind, und auch Bismarck habe feine größte Gegnerschaft bei den Kreisen gesunden, die heule die Deutschnationalen darstellen. � Auch treffe der Vorwurf nicht zu, daß die preußische Regierung sich mit ihren vielen Verboten lächerlich mache. Gerade in dieser Be- ziehung sei es im alten Reiche besonders in Ostpreußen viel schlimmer gewesen. Da» habe er, Redner, selbst am eigenen Leibe erfahren können. Rur aus würdeloser Liebedienerei gegen den russischen Zaren seien damals Verfahren gegen Staatsbürger eingeleitet worden und diese aus Monate ins Gefängnis geworfen worden. Unter dem Schutz der damaligen Konservativen hätten in Ostpreußen russiiche Spitzel, die später Spionage trieben, eine verderbliche Rolle spielen können.(Sehr wahr! links.) Die Deutschnationalen hätten heute kein Recht, davon zu reden. daß die preußische Regierung eine hysterische Angst vor der Ge- fährdung der deutschen Republik habe. Die sfeme- prozeste. Ministermorde und Putsche hätten auch bewiesen, daß man gegen unvernünftige Leute immer noch rechtzeitig vorgehen müsse, um vorzubeugen, damit der Staat nicht gefährdet werde: besonders, da es noch viele politische Kreise gebe, die sich dieser Unvernünftigen Leute bedienen. Wenn er, Redner, in seiner Rede vor Studenten theoretisch über die Idee de» Einheitsstaates gesprochen habe, so könne das nicht so beanstandet werden, wie die Verunglimpsung der Staatssorm und ihrer Repräsentanten durch Beamte, die von der Rechten des Hauses in Schutz genommen worden sind. Der Ministerpräsident betont, daß er das über die Reichswehr Gesagte aufrechterhalte. Es stehe im Ein» klang mit dem, was der preußische Vertreter im Reichsrat bei Beratung des Wehretats zu erklären hatte. Der Chef der Heeresleitung habe auch selbst erklärt, daß er nach Durch- ficht de«(Etats festgestellt habe, daß man 20 Millionen ersparen könne, ohne daß die Wehrmacht darunter leide.(Hört, hört! links.) Der Ministerpräsident betont, daß er nichts gegen die Wehrhaftigkeit des Landes gesagt habe, sein Standpunkt sei der, daß wir unsere Kraft auf die Verständigung ein- stellen müssen und nur das Aeußerste für die Wehr-
macht ausgeben dürfen. Cr habe auch kein Work gefagt und nichts getan, um den Staatssekretär Brecht in preußische Dienste zu nehmen. Außer dem Staatssekretär habe man im Reichsinnen- Ministerium noch einen Ministerialdirektor zur Disposition gestellt, und man könne nur annehmen, daß dies nicht wegen mangelnder Eignung, sondern wegen seiner republikanischen Gesinnung geschehen ist.(Sehr richtig! links.) Der Nachfolger des Herrn Brecht habe ihm zugestanden, daß es ihm schwer fiel, bei seiner ehrlichen konservativen Ueberzeugung im preußischen Ministe. rium tätig zu sein, und er sei dem Ministerpräsidenten dankbar gewesen, ein anderes Amt antreten zu können. Ministerpräsident Braun betont, daß er auf dem Standpunkt stehe, wenn die Reichsregierung glaube, lleberfluh an tüchtigen Beamten republikanischer Gesinnung zu haben, könne man in Preußen solche Beamte noch gebrauchen. (Lebhafter Beifall links und in der Mitte.) Deshalb habe die preußische Regierung sich die wertvolle Kraft Brecht » gesichert. Der Ministerpräsident betont, er würde es bei einer Weiter- führung einer solchen Taktik des Reiches, republikanische Beamte zu beseitigen, für eine Ehrenpflicht und für im Interesse Preußens liegend halten, daß Preußen dann diese Beamten bei sich aufnimmt.(Lebhafter Beifall links.) Ein« Brüskierung der Reichs- regierung komme im Falle Brecht nicht in Frage. Man werde nach der Erklärung des Innenministers v. Keudell, wonach ihm daran liege. Brecht nicht auf die Straße zu setzen, für die Anstellung Brechts dankbar sein müsien. Man habe auch genau im Sinne der Empfehlung der Reichsregierung gehandelt, da der frühere Reichs- innenminister Külz seinerzeit Preußen nahegelegt habe, mehr als bisher Beamte der Reichsregierung in den Staatsdienst zu nehmen. Der Ministerprästdent erklärt zum Schluß, daß man ein endgültiges Urteil über seine Amtstätigkeit seines Erachtens heute noch nicht fällen könne.(Zustimmung links und in der Mitte.) Er bitte die Deutfchnaiionale Bolkspartei, mit dem abschließenden Urteil solange zu warten, bis er seine Tätigkeit an dieser Stelle abschließe.(Stür- mischer Beifall link» und in der Mitte.) Abg. Riedel(Dem.): Wenn die Rechtsparteien die Persona l- politik in Preußen kritisieren, will ich nur die Frage auf- werfen, ob das Reichsministerium des Innern dazu da ist, d i e B e r- wandten deutschnationaler Führer unterzubrin- gen.(Sehr gut links.) Je mehr die Reaktion im Reich« vorwärts dringt, desto stärker muß das Bollwerk der Republik in Preußen be- festigt werden. ckBravo links.) Abg. Dr. Klomps(Wirtschaftspartei) äußert die Meinung, daß durch das unerhörte Beförderungssnstem im Reichsministerium des Innern Preußen zur Uebernahme Brechts direkt provoziert worden sei. Der Mittelstand werde an der Republik Freud« haben, wenn man ihm nur«in wenig entgegenkomme. Abg. Dr. Körner(Dölk.) beschwert sich über die Maßregelung des Abg. G i e s e l e r und von ihm selbst. Der Jude Spinoza habe die Charakterlosigkeit gepredigt, die jetzt in der Iudenherrfchaft in der Republik sich auswirke. Er schließt mit einem Hoch auf das er- wachende Deutschland. (Lachen links.). Wg. Dr. Hamburger(Soz.) Trotz Spinoza steht im Mittelpunkt de» völkischen Denkens doch die verlorene Ministerialzulage.(Große Heiterkeit.) Darum kann ich mir eine Erwiderung auf die völkisch« Rede schenken. Wenn das Verhältnis zwischen dem Reich und Preußen sich m letzter Zeit verschärft hat. so haben wir uns nicht geändert.(Sehr gut.) Die Berufung des Herrn Schlange-Schöningen auf Stein und Bismarck gibt uns die tröstliche Gewißheil, daß sich die Söhne der jetzt lebenden preußischen 3unker aus Otto Braun 'berufen werden.(Sehr gut links.) Herr Schlange sprach viel von nationaler Revolution. In Ober- schlesien haben sich die Deutschnationalen zu einem WahldiZndnis mit Kommunisten' und Polen verstanden, um dem Zentrum ein Mandat abzunehmen.(Hört, hört!) Hergt» Beuthener Rede war um so auffallender, als er sich tags zuvor m Hirschberg zur Ver- ständigungspolitit bekannt hat. Aber länger als 24 Stunden hält der staatspolitische Gesichtspunkt bei den Deutschnationalen noch nicht vor, und insofern war die Auffaflung des Kollegen Dr. Heß allzu optimistisch. Währen der Frontgeist des Stahlhelm Berlin ervbyrte, hatten sich die deutschnationalen Minister in die Etappe zurück- gezogen.(Heiterkeit und sehr gut.) Diese Doppelseitigteit charak- terisiert die ganze heutige deutschnationale Politik. Uebrigens braucht der Stahlhelm nicht stolz darauf zu fein, daß der vorbestrafte Prinz Eitel Friedrich
und Prinz Oskar, der Zlgorettenspender fllr dt« Stresemann-AUentäter in seinen Reihen marschiert sind.(Sehr gut links.) Brauns Rede in der Universität soll angeblich eine parteipolitische Entgleisung sein. Aber wie steht es dann mit den Reden des Außenministers über Kulturpolitik und des Reichsjustizministers über Außenpolitik?(Sehr gut links.) wir hallen an dem Gedanken de» Eluheilssiaate, durchaus fest, geben aber deswegen weder die Rechte Preußens andern Ländern gegenüber preis, noch die Interessen de» deutscheu Osten». Wir erstreben nach den Worten von Heinrich Mann die wahr« Republik , dos Vaterland ohne Grenzen zwischen seineu Ländern und seinen Menschen.(Lebhafter Beifall bei den Soz.) Abg. Schwecht(Dnat.) behauptet, daß die Geschichte der Mnister- Präsidentschaft Braun das traurigst« Kapitel in Preußens Geschichte bleiben werde. Abg. Dr. Leidig(Bp.): Die Sozialdemokratie kämpft im Reich für das Arbeitszeitgesetz und zwingt hier die Opposition'zu mehr als zwölfstündiger Arbeit. Es ist unverantwortlich vom Mimsterpräsi- denten, die einzelnen Reichsminister hier öffentlich zu kritisieren, und die Bevölkerung des Ostens aufzuhetzen. Cr hat damit Preußen und Deutschland im Inland und Ausland geschadet.(Lachen bei den Soz.) Abg. Grube(Komm.): An dem Uebermut der Reaktion ist nur die Sozialdemokratie schuld. Ministerpräsident Braun oerwahrt sich gegen den Vorwurf des Abg. Leidig, den Reichskanzler angegriffen und die Bevölkerung des Ostens aufgepeitscht zu haben. Er habe nur der sehr begreiflichen Er- regung der Bevölkerung der Ostmark Ausdruck gegeben. Seine Pflicht als Rtinisterpräsident habe er stets erfüllt. Sonst wäre nicht in den letzten acht Jahren Preußen von Krisen im wesentlichen verschont, in der Bahn ruhigen Fortschritts geblieben. Er brauche über seins Pflichten Belehrung vom Abg. Leidig nicht entgegenzunehmen. (Lebhafter Beifall links.) Nach weiteren Bemerkungen des Abg. hoff(Dean.) und der Abg. Frau Bogt(D. Bp.), wird der Etat des Etaatsministermms kurz vor 12 Uhr nachts bewilligt. Nächste Sitzung Freitag vormittag 11 Uhr. Etat des Finanz- Ministeriums._
Einstellung öes Verfahrens gegen dr. Vieh! Der Verdacht deö Verrats militärischer Geheimnisse nicht mehr gegeben. Wi« wir erfahren, ist jetzt die Begründung der Haftentlassung Dr. Dietz, in Berlin eingetrossen. Der Beschluhsenat des Reichsge- richts bringt in den Gründen zum Ausdruck, daß die Haftentlassung von Dr. Dietz erfolpt sei, weil nach dem Ergebnis der Voruntersuchung der bei Beginn des Verfahrens zugrunde liegend« Verdacht des Verrats militärischer Geheimnisse nicht mehr als gegeben angesehen werden könne. Daraufhin hat der Verteidiger Dr. Dietz', Rechtsanwalt Dr. Rübell-Berlin . den Antrag gestellt, das Verfahren gegen Dr. Dietz«inzustellen. Das Reichs- gericht wird sich bereits in kurzer Zeit mit diesem Antrag der Ver. teidigung zu beschäftigen haben.
Gesterreichisch-üeutsche Volksgemeinschaft. VolkSbundtagung in Berlin . Im großen Saal des Reichswirtschaftsrates eröffnete gestern abend der Oesterreichtfch-deutsche Volksbund seine Bundestagung. Nach einem Gesangsvortrag des Gesangvereins der Wiener Eisen- bahnbeamten sprach Genosse Reichstagspräsident Paul L ö b e. Er forderte unter Hinweis auf die Wellwirtfchaftskonferenz. wo die Wirtschaftler Zollschranken beseitigen wollen, Befreiung der Waren- Märkte von den Zollschranken. Wir sind dafür, daß zuerst einmal der große deutsche Markt geschaffen wird. Schon jetzt müssen die Regierungen in Berlin und Wien die Bürger des B ö h begrüßte im Namen der Stadt Berlin die Tagung. Walter anderen als solche des eigenen Landes behandeln. Oberbürgermeister o. Molo sprach über die österreichisch -deutsche Kullurgemeinschaft. Nach einem ScUußwort von Professor Bauer- Wien wurde dem Genossen L ö b e vom Vorsitzenden des Eisenbahnersängerbundes der Ehrenmitgliedsbrief überreicht.
Der«ugewählks Rcrkionalral tritt am 18. Mal in Men zu- fammen.
Montmartre. Von Adolf Abter. Paris . Eine Negerdirne im Maulwurfspelz und Lackschuhen stelzt über den Boulevard. Vor dem großen, weltbekannten Dergnügungspalast stauen sich bravo Pariser Bürger und genießen das Schauspiel der anfahrenden Autos. Taxis und Privatwagen in langen Reihen rollen vor. Fremdeninoasion. Amerikaner und Engländer in der Mehrzahl. Von wegen der Valuta: Ein Dollar= 25H Franken. Schlanke Frauen, strahlend in Juwelen und Straß, gepflegte Frauen, brillentragende Frauen huschen in den breiten Eingang und schweben die Treppen«mpor. Di« Männer, im Smoking, greisen in die Hosentaschen und ziehen Bündel Geldscheine hervor. Taxichauffeure schmunzeln.(Bei den Amerikanern.) Taxichauffeure schimpfen. (Bei den Engländern.) In der Hall« des Palastes stinkt es nach Geld. Psui Teufel, wi« schön— wenn man es hätte... Die Bogenlampen am Boulevard lachen mit strahlenden Kerzen auf die Menschen herniedör: Pariser Kokotten, rouge-manckanne und ocre, junge, alte und noch ältere. Bieten für zwanzig Franken Freuden— hm— und Leiden. Diese stellen sich nachtrögtich teurer. An den Ecken der Nebenstraßen dunkle Gestalten. Halstuch- kaoaliere. Hände in den Taschen. Stummel im Mund. Lassen ihre „Bräute" nicht aus den Augen. Ein besserer Herr ist mit einem Schutzmann in ein temperament- volles Wortgefecht geraten. Im Handumdrehen sind sie von einer dichten Menschenkette umschlossen. Der Herr:»Sie haben mir höflich zu antwortend Der Schutzmann:„Habe ich getan. Ihre Papier «, Herrd Der Herr:.Sie haben mir höslich zu antworten!" Der Schutzmann:.Ihr« Papiere, Monsieur!" Der Herr zum Publikum:„Wen von den Herren darf ich bemühen, mein Zeuge zu sein?" Ein Kerl mit Schirmmütze und schielenden Augen:»Wieviel zahlen Sie?" Es beginnt zu regnen. Aber die Menge läßt sich nicht stören im Auf- und Abfluten. Montmartre ist zum Vergnügen da. Ki bien... Dar den Kaffeehäusern schweigsame, ernste Kabylen in braunen und weihen Burnussen. Ordensgeschmückt. Betrachten aus wunder- vollen Augen das Treiben. Wenn der weißbärtige Scheik nach seinem Glas Kaffee greift, klimpert der Klempnerladen an seiner Brust.(Ich frage mich: Warum hat er nicht die Skalpe seiner erlegten Gegner am Gürtel hängen? Da wüßte man, wieviel Menschen er umgebracht hat. Daran würde man seine Heldentaten hochachtungsvoll ergebcnst bewundern können. Aber Orden? Pah! Wieviel tote Menschen kommen auf einen Orden?) Die»Tote Ratte" läßt Schilderträger herumlaufen, die ver- reilen Zettel mit dem Programm unter lautem Gebrüll:»Nur in der»Toten Ratte" amüsieren Sie sich!" Während das„Restaurant zur Ratte, die nicht tot ist", durch grelle Lichtreklame seine Speisekarte wirken läßt. »Die zwei Esel", das politische Kabarett, lockt durch die Namen seiner Vortragskunstler an.,. �__ u_
»Die Hölle" überstrahlt in allen Lichterfarben den»Himmel". Und die»Schwarze Katze", da» älteste Pariser Kabarett, hat sich durch Neuanstrich der Fassade verjüngt. Aber der.Montmartreteller" liegt immer noch tu dunkler Gruselsensation für die Fremden da. Ein Jahrmarkt, Herrschasten, ist der Montmartre .., Aus einer Kneipe tönt Jazzmusik. Ich trete ein. Beißender Zigarettenrauch schwängert den Laden. All« Tisch « sind besetzt. Eine so zusammengewürfelte Gesellschaft findet man nur in Paris : Ehe- paare aus dem guten Bürgerstand neben Kokotten mit Anhang. Neger mit ihren weißen Freundinnen am gleichen Tisch mit Leuten der sogenannten besseren Stände. Hinter der Bar thront eine Schöne aus Algier . In einer Ecke steht ein Mann mit Halstuch und Mütze, auf einem Auge blind, und betrachtet unbeweglich die Beherrscherin der Bar. Ein Mulatte, Hausknechtschürze unterm Rock, wnckell gutmütig und heiter mit dem Kops nach dem Takt der Musik. Drei wüste Apachen flachsen sich mit dem Kellner. Die Tür geht auf, ein fleißiges Mädel tritt ein. Reicht dem einen Kerl einen Fünffrantenscyein und verschwindet wieder. Der Bravo bestellt: »Encore une linel" Di« Jazzband besteht aus drei Männern und vollführt auf allen möglichen Instrumenten und Gegenständen einen Musiklärm von zwanzig. Ein Iahrmarktsrummel diese Bude... Regen am Boulevard im Montmartre. Frech« Dirnen. Autos mit Ausland. Und dann: Zwei Individuen. Menschen. Männer. Hungernde, elende, verkommene, zerlumpte, bärtig« Gestalten. Herrgolt, man könnte schreien vor Weh.»Diner 20 Franken". Das Schild leuchtet unter gemeinem Licht. Da geben sie vorüber. Sehen nicht link», nicht rechts. Augen immer auf die Erde gerichtet. Bücken sich. Goeifea. Stecken in die Taschen. Sie sammeln Zigarettenstummel. »Zur Herberge". Ein Schlemmerlokal raffiniertester Art. Wo an primstiven Tischen auserlesene Leckerbissen für teures Geld serviert werden. Wo der Luxus vorgetäuschte HandVertsburschen- einfachheit genießt gegen sündhaftes Geld. »Zur Herberge." Da fahren die Autos vor. »Zur Herberge"— da wandern die beiden Menschen— vorbei. Im Regen. Im Elend. In schreiender Zerlumpthett. Hungernd. Augen auf die Erde gerichtet. Menschen— Menschen.— Ein Lebensspiegel der Boulevard am Montmartre, 3,
Sallettmuflk bei Kroll. Die zweite Ausführung der Balletts„Der letzte Pierrot" und„Die Erlösten" gehörte der B o l t s b ü h n e. Es ist über den tänzerischen Wert der Stücke an dieser Stelle schon eingehend und lobend gesprochen worden. Der Vorzug, daß der Ballettmeister einmal ohne Zwang von seilen des Komponisten und Kapellmeisters arbeiten konnte, wuchs sich zu einem doppellen Erfolg aus, weil der Musiker mit dem Tänzer zusammen die Fabel und ihre Entwicklung ersonnen hatte und weil im Gesangeinfall bereits alle choreographi- fchen und musikalischen Motive festlagen. Daher die wirklich große
Spannung dieser Bilder, bedingt durch eine ungewöhnliche enge Berwebung von rhythmischer Geste des Tänzers mit rhythmischer Geste der Melodie. Carol Rathaus hat in semer Partitur zum .Letzten Pierrot" mit großem Geschick das Alte mit dem Reuen ton- trastiert, hat die Idee der sterbenden Romantik kühn und eigenartig angepackt. Da er jung und modern sst, so fließt ihm die Jazzmusik und der Charleston besser, leichter, selbstverständlicher aus der Feder, als etwa ein seufzender Liebeswalzer oder ein verallefes Pas de Deux . Di« Substanz solcher antiquierten Tänze pflegte ja immer üppiger zu sein als es für die grotesken Tanzmanieren heutiger Ge- sellschaft notwendig ist. Hier genügt zuweilen das Klischee einer festgeprägtcn Rhythmik: all diese modernen Tänze sehen und hören sich daher im Endeffekt gleich an. In Zwischenspielen von klanglicher Eigensärbung sind die Erinnerungen an beide Tonzwelten von Rot- Haus noch einmal bloßgelegt. Auch hier oft verblüffende Kombi- Nationen und mehr als talentierte Satzarbeit. Wer genau horcht, lernt den Reiz solcher hingetupften, hingesungenen, ylngehauenen Tanzmusik stärker, als wer sich dem Szenarium und der Handlung aufmerksam hingibt. Und das ist vielleicht gerade dos für den Er- folg entscheidende: die Musik herrscht nicht, sie ist bei allem artistischen Reize bescheiden, unauffällig als Helferin der choreographischen De- wegung. Die„S kythische Su ite" von Protowieff war musi- talisch eine kleine Enttäuschung, weil die wenig kontrastreiche Partie tur dem dargestellten Mysterium nicht angepaßt war.(Oder um- gekehrt.) Merkwürdigerweise gefiel diese schwächere und dem Sinne nach weniger verständlich« Leistung dem Publikum besser als der „Pierrot". Weder die Werke, noch die Darstellung, noch die Leitung Szell » waren dafür verantwortlich zu machen. K. S.
hunderkjahrfeier einer Romangeslall. Ein eigenartiges Erinne- rungsfest wird dieser Tage in London gefeiert. Mr. Pickwick, der ehrwürdige Held der berühmten.Pickwickier", die bekannteste Ro- mangestatt von Dickens , tritt wieder in höchst eigener Figur jene Reise an, die in den„Aufzeichnungen des Pickwick-Klubs" unsterb- lich geworden ist. In der Dichtung ist es nämlich der Morgen des 13. Mai 1827, an dem sich Pickwick mit seinen Gefährten ver- einigt, um ihre Fahrt durch England anzutreten. Am ersten Tage fahren sie in ihrer statllichen Kutsche von dem„Goldenen Kreuz" zu Charing Eroß nach dem Gasthaus»Der Komodore" in Rochester . Dieselbe Fahrt wird nun zur Hundertjahrfeier des Reisebeginns unternommen. Mitglieder der Dickens-Gesellschast, die sich ganz in die Hauptfiguren des Romans eingelebt haben, verkörpern den wackeren Mister und seine Genossen, und die Kutsche, die in so ganz andersartiger Umgebung dieselbe Wegstrecke zurücklegen wird, ent- stammt noch den Zeiten des Biedermeiers. Eine gan�e Anzahl von Amerikanern, die große Dickens -Verehrer sind, sind eigens herüber. gekommen, um an dieser Festlichkeit teilzunehmen.
vie Galerie tviltschek, VIktoriaNr. 2, eröffnet am IS., nachmittag» 5 Uhr, eine ÄuSstelluna von Oclbildern de» in Berlin zum ersten Male lollevio gezeigten Pariser Maler» Per Krohg. ein neuer Znkendanl in Saflel Kultusminister Dr. vecker hat den Intendanten Ernst Legalm Darmstadt zum Intendanten des Staats- theater» in Kassel ernannt.