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Nr. 22S 44. Jahrgang

1. Heilage ües vorwärts

Sonntag, 15. Mal 1427

Die Theaterausstellung, die gestern in Magdeburg eröffnet wurde, will mehr fein, als die trockene Darstellung der Theatergefchicht«. Theatertultur aller Zeiten, vor allem aber auch unserer Zell , kann und soll hier Gestalt gewinnen. Wenn so die Ausstellung da» tote Theater, die technischen Einrichtungen und die Ausstattungsmittel zeigt, und als wesentlich« Ergänzung die lebendig« Aufführung, so klafft doch ein« Lücke. Wie das tote Thealer aus der Theatermaschinerie und dem Manuskript zum Leben erwacht, kann nur der erfahren, der einmal der Einstudi«xung eines Stückes vom Anfang bis zum Ende beiwohnt«. Es hat«inen unendlichen Reiz, zu sehen, wie der geistige Gehalt einer Dichtung allmählich Leben gewinnt, die Menschen und Dinge de» Theater » m sich verschmilzt, um schließlich, nn idealen Fall«, als große Einheit dem Publikum das zu werden, was es unter Theater versteht. Doch vom Bühnemnanuskript bis zur Premiere ist ein weiter Weg, er begiimt mit der Rollenbesetzung. Das ist der Fall, wenn das Werk bereits an anderen Bühnen erprobt ist. Im Falle einer Uraufführung bieten stch noch zahllos« Borarbeiten, aus die aber hier nicht weiter eingegangen werden kann. Man kennt also bereii» Kritiken sowohl üb«r die Dichtung, wie über die einzelnen Rollen, und man weiß auch, wie dos Werk auf da» Publikum wirkte. Direktor und Regisseur versuchen das TBrrf mit den Schauspielern des Ensembles zu besetzen. Oft zeigt sich oubci, daß für eine wichtige Rolle ein Darsteller oder eine Darstellerin felstt. Man wird dann versuchen, eine geeignet« Kraft als Gast zu gewinnen. Doch auch den bedeutenderen fest angestellten Kräften mutet man im allgemeinen nicht zu, eine Roll« zu spielen, die ihnen nicht zusagt. Häufig aber ist der Direktor sehr überzeugt, daß die Rolle dem Betreffendenliegt", während der Darfteller sich ent- schieden sträubt, sie anzunehmen, sei es, daß sie ihm zu kurz oder zu nichtssagend erscheint, oder aus irgend einem anderen Grunde. Da ist dann oft sehr viel Ueberwindungsgabe und sehr viel Takt-

gefühl nötig, die Widerstrebenden mindesten» zu einem Versuch zu bewegen. Sind Hauptrollen und wichtigere Nebenrollen vor- läufig in festen Händen, so wird die erste Prob«, die sogenannte cesoprobe" abgehalten, bei der es im wesentlichen noch nicht auf eine Gestaltung des Werkes ankommt, sondern auf«in vorläufiges Festlegen der Rollen. Denn dos Werk wird ja selten ganz text- getreu ausgeführt. Streichungen sind last immer nötig. In der Lese- prob» wird nun da» Werk durchgesprochen und die Stichworte werden festgelegt, wobei die Hauptdarsteller meist nur markieren, d. h. leise und unbetont ihre Rolle rasch herunterlesen. Bisweilen wird über den Sinn oder die Berechtigung einer Streichung diskutiert, doch verläuft die Leseprobe, die häusj� noch gar nicht auf der Bühne abgehalten wird, im allgemeinen am wenigsten aufregend. Dann aber beginnen die ersten öühnenproben. Sie beginnen gewöhnlich morgens um 10 oder 11 Uhr. Damit nicht alle im Stück tätigen Darsteller zu erscheine,» brauchen, ist ein Plan der zu probenden Szenen aufgestellt, der amSchwor- zen Brett" de» Theater » bekanntgegeben wird. Aus der Bühne sind seht provisorische Szenenbilder ausgebaut, die allerdings den Laien seltsam genug anmuten würden. Da stehen irgendwo«ine Anzahl gewöhnlicher Holzstühle, groß« und klein«, oerschieden ge- formte Holzblöcke, eine Säule, eine Treppe, und es ist in keiner Weise ersichtlich, daß das Ganze etwa einehügelige" Landschaft mit großen Eichen im Bordergrunde" darstellen soll. Bielleicht bedeutet es aber auch einenFestsaal mit Belustrade rechts seitlich". Darauf kommt es vorläufig noch nicht an. Die Hauptsache ist, daß durch die Bersetzstücke ein« ungefähre Gruppierung der Darsteller onge» deutet und die Richtung ihrer Bewegung festgelegt werden kann. Zu diesem Durcheinander wird geprobt, und die Darsteller müssen sich die finstere Rocht oder den lachenden Sonnenschein ebenso nach Bedarf vorstellen, wie die freundliche Landschaft oder den glänzenden Festsaal. Daß sie«» sich vorstellen können, ist wichtig: denn sie sollen ja jetzt bereits allerdings noch immer mit dem Manuskript in der Hand spiele«. Born an der Rampe oder im Parkett sitzt der Regisseur mit dem Bühnenmaler. Ganze Bilder werden noch umgestellt. Das sieht leicht aus: denn von den richtigen Dekora- tionen ist ja noch nichts fertig. In Wirklichkeit aber bedeutet jetzt jede Umgruppierung schon eine recht beträchtlich« Mehrarbeit, da die Skizzen und Berechnungen der einzelnen Bilder notürsich all« bereits hergestellt sind. Wenn die Proben so weit fortgeschritten sind, daß die Besetzungen olle in festen Händen sind, wird auch wegen der Sostüme verhandelt, di« sich in Form und Farbe dem Ganzen einfügen müssen. Die Proben verlaufen oft recht stürmisch. Die Schauspieler bringen ihre Auffassung vom Werk mit und sollen diese Auf-

fassung häufig zugunsten einer anderen aufgeben, müssen sie auf- geben, wenn ein Zusammenspiel Zustandekommen soll. Wie schwer es oft ist, gerade bedeutende Darsteller dazu zu bestimmen, davon wissen Theaterdirektoren und-regisseure«in Lied zu singen. Hier gibt es Zusammenstöße und Auseinandersetzungen, die im schlimmsten Falle dazu führen, daß der oder die Betrcssende die Rolle zurückgibt. Im allgemeinen wird aber der Regisseur, der überhaupt neben seinen sonstigen Eigenschaften die eines vollkommenen Diplomaten besitzen muß, es soweit bringen, daß sich der Darsteller seiner Auffassung anpaßt. Aber selbst wenn im großen Einigung erzielt worden ist, geht es nicht ohne weitere Kämpfe ab. Hier soll noch aus einem Monolog etwas gestrichen werden und der Darsteller verteidigt Satz um Satz so leidenschaftlich, wie eine Mutler ihr Kind. Dort soll eine veränderte Betonung einen neuen Sinn in eine Wendung hineinlegen und der Schauspieler kann ihn nicht darin empfinden. Dann kommt die Kleidung hinzu. Das Bild verlangt, daß die Heldin in der großen Liebesszene ein kornblaues Kleid trägt und ihr ist tornblau zuwider, well es ihr nicht steht. Sie wollte ein weißes Gewand von ganz besonderem Schnitt haben. Vielleicht liegt der Fall so glücklich, daß man sich zur allseitigen Zufriedenheit auf hellblau«inigen kann. Wer aber glaubt, daß alle diese, oft sehr lebhast und dramatisch geführten Auseinandersetzungen auf nichts anderem als auf.Launen" der Schauspieler beruhen, der irrt sich. Der Schauspieler ist selten boshaft, aber er glaubt an seine Rolle, er muß an sie glauben, wenn er sie ausfüllen soll. So, in dieser Form, durch diese Farbe weckt sie seine Illusion. Er kennt ja den ganzen Bühnenapparat, er weiß, wenn er schmerzverzweiselt über den Tod seiner Geliebten aus der Kulisse tritt, daß sie frisch und gesund hinter diesem Gebilde aus Latten und bemalten Lein- wand steht, und außerdem wahrscheinlich gar nicht seine Geliebte ist. Trotzdem muß er von ihrem Tode wie von ihrer Liebe überzeugt Sein in dem Augenblick, wo er die Szene betritt. Wird dieser Glauben mrch irgendeine Kleinigkeit, die keinem anderen wesentlich erschien, unterdrückt, so ist es mit feiner Ausdrucksfähigkeit vorbei. So muß immer wieder geschlichtet werden, immer wieder dafür gesorgt werden, daß das Spiel der einzelnen Darsteller zusammenklingt. Am aller- schwierigsten ist das oft in Massenszenen, wo häufig genug Statisten undkleine" Schauspieler durch ihre Teilnahmlosigkeit den Re- gisseur zur Verzweiflung bringen. Die letzten proben. Haben die Proben anfangs höchstens bis 3 Uhr etwa gedauert, so dehnen sie sich im Lause der Zeit oft so lange aus, wie es irgend für den folgenden Theoterbeginn möglich ist: bis L, bis 6, sogar bis 7 Uhr. Allmählich sind auch die Dekorationen hergestellt, man probt

, Meinungsverschiedenheiten."

Die Drücke im Dschungel. Sitten- uni» Stimmungsbild aus dem Innern Mexikos . 2] von B. Trauen. Copyright 1927, dy B,Tra*en, Tamaulipas (Mexiko ). Ich ritt zur Hütte bis ich in respektvoller Entfernung der Tür war, wo ich ruhig hielt, ohne die Bewohner durch Rus�n zu stören. Eine Tür war es ja eigentlich nicht, sondern es war eine türgroße Oeffnung in der Wand. Aber da die Leute eine solche Oeffnung Tür nennen, fühle ich mich nicht berechtigt, ihr einen anderen Namen zu geben. Nachdem ich eine Weile gewartet hatte, kam eine Frau, eine Indianerin, heraus und sagte:Päse, Senjorl" Ich stieg ab und alz ich in die Hütte trat, fand ich, daß die Frau die Gattin meines alten bekannten Sleigh war. Sie begrüßte mich mit großer Herzlichkeit, lud mich zum Nieder- sitzen auf einem ächzenden Korbstuhl ein und sagte mir, daß ihr Mann gleich kommen würde, er sei aus der Pastura, um einen Stier hereinzubringen, der gedokiort werden müsse, der Stier sei von einem anderen Stier gespießt worden und nun könne man in die Wunde schon die gan.ze Faust tief hinein- stecken und es seien bereits fingerdicke Würmer drin. Es dauerte auch nicht allzu lange, da kam Sleigh an mit seinem Stier, den er mit 5)ilfe eines Jndianerjungen in die Corral trieb. Dann stieg er vom Pferde und schüttelte mir die Hand. Haben Sie nicht vielleicht ein« Zeitung bei sich?" fragte er gleich darauf. ,Lich habe sxit acht Monaten kein Stück Zeitung in der Hand gehabt und manchmal möchte man ja doch gern wissen, was lo ist." Ich habe denBrookleyn Eagle" hier, ist aber auch schon fünf Wochen alt, alles, was ich habe." Geben Sie her, der ist ja noch ganz warm von der Presse, wenn er erst fünf Wochen alt ist." Er setzte sich seine Brille auf. Das tat er sehr bedächtig und umständlich, denn sie war für ihn wenigstens mehr wert als ein dicker Brillantring. Während er sie an den Ohren zurechtrückte sagte er:Rosita, gibt dem Senjor etwas zu essen. er hat Hunger. Von jeder Seite las er zwei Zeilen, dann nickte er, um seine volle Zustimmimg mit dem darin Gedruckten zu be- künden, sehr nachdenklich, fastete die Zeitung zusammen, setzt«

di« Brille ab und sagte gedankenschwer:Es sst doch gut. daß man wieder einmal eine Zeitung gelesen hat." Sein Wunsch nach einer Zeitung war nunmehr voll- kommen befriedigt. Von den paar Zeilen, die er gelesen hatte, hatte er auch nicht einen einzigen Gedanken aufgenommen oder auch nur gefaßt. Was kümmerte ihn dieser Trubel der Welt, der sich in den Zeitungen austobte? Hätte er in der Zeitung gelesen, die ganzen Vereinigten Staaten und Kanada seien durch eine Wasserflut von der Erdoberfläche hinweg- gespült worden, so würde er gesagt haben:Wer hätte so etwas denken können, wir haben hier gar nichts davon gemerkt. Ich wollte vorige Woche noch an meine Schwester schreiben, die, ist Sekretärin bei einer Methodistengemeinde, aber das ist ja nun nicht mehr notwendig. Wer hätte auch so etwas denken können!" Dabei würde er auch nicht ein« Miene seines Gesichts verzogen haben. Ich bin hier auf Alligatoren." sagte ich. Großartig, Mann! Massenhast. Die können Sie hier herdenweise schießen. Aber wir könnten ja erst einmal auf einen Hirsch gehen." Warum nicht. Haben Sie denn viel Wild hier?" Massenhaft! Bleiben Sie nur ein paar Tage hier und sehen Sie sich um. Was haben wir denn heute? Donnerstag. Da kommen Sie gut. Meine Frau geht morgen früh mit den Kindern auf Besuch zu ihrer Mutter. Ich bringe sie bis zur Station. Den Morgen darauf bin ich wieder zurück, dann sind wir hier ganz allein und haben die ganze Hütte für uns. Eines von den Nachbarmädchen kommt herüber zum Kochen. Da können wir hier angenehm hausen." 2. Am Samstagmorgen kam Sleigh zurück. Ich hatte inzwischen ein wenig gefischt und alle Hütten gut versorgt. Heute abend ist Tanz," sagte Sleigh..drüben an der Pumpe. Der Pumpmeister hat Musik bestellt. Er hat auch einen Kasten Bier und zwei Kasten Limonade herangeschafft, damit er die Kosten für die Musik herauskriegt." Wie stark ist denn das Orchester?" Ein Geiger und ein Gitarrespieler." Die können doch soviel nicht kosten." ,Lg denken Sie denn, daß er an dem Bier und der Limonade viel verdient?" Das Indianermädchen kam, um für uns zu kochen. Si«

brachte ihren Säugling mit, obgleich sie selber kaum aus den Säuglingsjahren heraus war. ,I)er Mann ist ihr davongelaufen, dem armen Ding," sagte Sleigh. Sie war sehr häßlich und das ist eine große Ausnahme hier unter den indianischen Mädchen, die an Schönheit mit- einander wetteifern. Ihr Mann hat sie sicher nur des Nachts gesehen und als er sie bei Tageslicht betrachtete, da ist er so aus allen Himmeln gefallen, daß er sich in Nebel oerflüchtete, so will mir scheinen," sagte ich.Sie soll eigentlich jener Nacht dankbar sein, denn auf andere Weise wäre sie nie zu einem Kinde gekommen und seit sie nun ein Kind hat, findet vielleicht ein anderer Gefallen an ihr unter der Suggestion, daß sie ver- borgene Schönheiten haben müsse." Sie haben ganz recht," erwiderte Sleigh.Ihren Spaß hat sie gehabt und sie ist eigentlich nicht darum mißgestimmt, daß der Bursche abgezogen ist, als vielmehr, daß der Spaß nicht dauernd ist." Dann aßen wir unser« Tortillas und Frijoles. Nachmittags ritten wir auf die Prärie hinaus, um uns das Jungvieh anzusehen und nach frischen Antilopenfährten zu suchen. Am Abend, als wir wieder bei unseren Tortillas und Frijoles saßen, fragte ich Sleigh, ob an dem Tanzvergnügen nur die Leute teilnehmen, die hier herum wohnen. Er erklärte mir aber, daß wenigstens hundert oder hundcrtzwanzig Per- sonen anwesend sein werden die aus allen Richtungen her­kommen, aus den verstecktesten Hütten im Dschungel und von den schmalen Flußarmen und Standpfuhlen, fünf bis achl Meilen im Umkreise. Wir gingen nun rüber zur Pumpstation. Als wir an einer der armen Nachbarhütten vorüber kamen, sahen wir, daß vor dem Eingang an einem Pkahl eine Laterne hing, die den sandigen Platz vor der Hütte hell erleuchtete. Auf einer rohen Bank saß ein etwa vierzigjähriger Indianer mit einem dünnen Vollbart und spielte aus einer Geige Tanzmusik. spielte herzlich schlecht, hielt aber gut den Takt. ,Ia, ist denn der Tanz hier?" fragte ich Sleigh. Das glaube ich doch nicht." Die haben doch hier aber den Platz gefegt und da hängt doch eine Laterne. So großartig gehen die ooch nicht mit dem Petroleum unh daß sie aus purem Vergnügen hier Licht machen." (Fortsetzung folgt.)