T. 232 44. Jahrg Ausgabe A nr. 118
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Mittwoch, den 18. Mai 1927
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Banktonto: Bant ber Arbeiter, Angeftelten und Beamten, Ballr. 65: Diskonto- Gesellschaft, Depoktentasse Sindenftr. 8.
Das Antikaisergesetz angenommen.
Aber 36 Deutschnationale, darunter ein Minister, haben sich gedrückt.
Der Reichstag nahm gestern in drifter Cefung den Initiativantrag West arp und Genossen, der die Geltungsdauer des Gesetzes zum Schuhe der Republik um zwei Jahre verlängert, gegen 41 völkische und kommunistische Stimmen mit 323 Stimmen aller anderen Parteien an. Damit ist die verfaffungsändernde Mehrheit erreicht, die Verlängerung beschlossen.
Der Schmerz war furz. Wenige Minuten nach Eröffmung der Sigung ist man schon bei dem entscheidenden Punkt der Tagesordnung angelangt. Im Hause wird inzwischen der Tert einer Erklärung folportiert, die Graf Westarp angeblich abgeben will. Es ist darin gesagt, das Gefeß mache die Rückkehr des Kaisers von der Zustimmung der Reichsregierung abhängig, die deutschnationalen Minister würden aber niemals diese Zustimmung verweigern. Man lacht. Präsident Löbe eröffnet die allgemeine Aussprache und schließt sie, da keine Wortmeldungen erfolgt find. Bis dahin vergehen einige spannungsvolle Augenblicke. Wo bleibt Westarp mit seiner Erklärung? Sein Platz ist leer, er ist nicht im Saal. Er hat draußen noch irgendeine Benjur zu passieren. Löbe ruft den§ 1 auf da kommt Bestarp mit wehenden Rodschößen herbeigestürmt. Man lacht herzlich. Westarp lieft: Man merkt, das Manuskript ist. torrigiert! Bon der Tapferfeit, mit der sich die Vier im Kabinett gegebenenfalls für Wilhelm einsehen würden, ist nicht mehr die Rede. Das hat also die interfraktionelle Zenfurbehörde gestrichen. Dagegen hat sie ihm erlaubt, von ,, unserem grundsäglichen Standpunkt" zu sprechen. Man lacht Tränen.
Nur Löbe figt oben, ohne eine Miene zu verziehen. Als Präsident muß er das fönnen. Nun geht Genosse Hermann Müller hinauf und Nun geht Genoffe Hermann Müller hinauf und schmettert den ,, Grundfäßlichen" ein paar Säge ins Gesicht, über die sie erröten müßten, menn sie das noch fönnten. Noch eine kleine Kommunistenrede, dann ist es so weit.
Die Schriftführer sammeln die Stimmfarten ein. Man fieht im Saal erhebliche Lücken, die sich nach rechts hin start verbreitern. Auf der Regierungsbant wie gestern ergt und v. Keudell allein. Eine kleine Pause der Spannung, ob es reichen wird. Es reicht! Löbe verkündet das Er gebnis. Es wird mit Stillschweigen aufgenommen.
Sachlich ist nichts geändert, die Geltungsdauer eines Gesetzes ist verlängert, es bleibt also alles beim alten. Aber politisch hat sich etwas geändert, da ist etwas ins Rutschen gefommen, da hört man es fnistern und fnarren. Die Frage des Tages lautet: Wie haben sich die Deutschnationalen bei der Abstimmung im einzelnen verhalten, und wie werden sie diese Belastungsprobe bestehen?
Die Abstimmungsliste wird indes erft lange nach Sigungsschluß in den Abendstunden bekannt. Aus ihr ergibt sich, daß
36 deufschnationale Abgeordnete, unter ihnen der Reichsverkehrsminister Koch, nun nicht mitgestimmt haben. Außer dem Verkehrsminister Koch nahmen folgende deutschnationale Abgeordnete an der Abstimmung nicht teil: Behrens, Berndt, Biener, Dieße, v. Dryander, Eggers, Ever ling, v. Frentagh Loringhoven, Gerete, Got, v. Gold ader, Graef ( Thüringen ), Haag, Hugenberg , Hülser, Julier, Rönne, Körner, Lambach, Lejeune- Jung, v. Lindeiner Wildau, Lohmann, Frau Mueller- Otfried, Neuhaus ( Düffeldorf), Breyer, Qua a h, Rademacher, Sachs, Schlange- Schö ningen, Schmidt, Strathmann, Stubbendorff, v. Tirpig, Ball raf und Werner.
Unter den 36 fehlenden deutschnationalen Abgeordneten mögen sich einige befinden, die an der Teilnahme verhindert maren. Aber der Reichsminister Koch gehört nicht zu ihnen. Er war im Hause anwesend, hat sich aber von der Abstimmung gedrückt. Wir haben also drei deutschnationale Minister Hergt, Reudell und Schiele die der die der Republik den notwendigen gesetzlichen Schuh bewilligen, und einen vierten, der das nicht tut. Der Reichsminister Koch hat gegen seine drei Ministerkollegen und gegen das Gesamt fabinett demonstrativ der Republik den gesetzlichen Schuh verweigert.
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Es gibt also von heute an einen Fall Roch. Es entfteht die Frage, ob eine Regierung möglich ist, die in einer politischen Frage von solcher Bedeutung vor der Deffentlichfeit nicht die Solidarität zu wahren imftande ist, und ob die Herren Marg und Röhler weiter auf der Ministerbant neben einem Mann fizen wollen, der soeben durch sein Ver halten als Abgeordneter feine erirem republiffeind liche Gesinnung betundet hat,
erbietung vor ihm erstorben seien, so sei das eine Erbärmlich feit und erschüttere den Redner tief.( Heiterfeit.)
Der Präsident fündet jezt als nächsten Redner den Abg. Graf eftarp an. Er ist aber nicht im Hause, so daß der Präsident die allgemeine Aussprache wieder schließt. Erst bei der Einzelberatung erscheint Graf Westarp im Hause, mit lebhaften Zu
Bon den anderen mag, wie gesagt, der eine oder der andere triftige Entschuldigungsgründe haben. Daß aber die Absentierung der Sechsunddreißig im großen und ganzen die Befundung einer von jener der Fraktionsmehrheit abweichenden Meinung darstellt, versteht sich von selbst. Es war bekannt, daß ein Drittel der Fraktion bereit war, es megen des Republitschutzgesetzes auf den Zerfall der Koalition anrufen von der Linken begrüßt. fommen zu lassen, die Zahl derer, die bei der Abstimmung fehlten, entspricht ziemlich genau diesem Drittel. Und es sind alle wilden Männer darunter, deren extrem republiffeindliche Gesinnung bekannt ist.
Handelt es sich diesmal nicht um eine Komödie mit verteilten Rollen wie bei der Abstimmung über die Dawes Geseze? Ist die Sache ernster? Man möchte es fast meinen, menn man gewisse Stimmen der deutschnationalen Presse ver nimmt. Es ist nicht nur der Abgeordnete ugen berg, der in seinem„ Tag" so nebenbei die Frage aufwerfen ließ, ob von feiner Partei nicht schon die Grenze der Berlumpung überschritten" sei; draußen im Reiche äußert man sich schon ausführlicher. So weiß das weftdeutsche Organ der Deutsch nationalen , die ,, Rheinische Tageszeitung", zu mel ben, daß We starps Parteiführerschaft start erschüttert sei, und sie sagt wetter:
Graf Westarp , der innerlich nach wie vor im alten fonfervativen Geiste Dentende, ist im besonderen Maße unzufrieden mit sich selbst, weil er, mie mir aus ganz bestimmter Quelle wissen, fühlt, daß es ihm auf die Dauer nicht möglich sein tann, die Bartei in dem Sinne zu führen, wie es die sogenannten Jungen des deutschnationalen Barlamentarismus vielleicht aus bester Ueberzeugung für richtig erachten. Es ist heute offenes Ge heimnis, daß Graf Bestarp gar nicht mehr der eigentliche Führer der Partei ist, sondern maßgebend bei den Deutsch nationalen ist eine Berbindung von nationalrepublitani schen Bolitikern und einigen sehr einflußreichen Männern der Wirtschaft, die den Ehrgeiz der Jungen" flug zu nügen wissen... Wenn aber Graf Westarp mit seinem Herzen und seiner tiefften lleberzeugung ganz anders steht, als ihn die engste Umgebung dahin drängt, so ergibt sich jener Widerspruch in Tat und Wort, der im Berliner vaterländischen Lager insbesondere nach der Rostoder Rede tief empfunden und beflagt wird. Weniger als die Frage des Verlängerungsgefeßes selbst bedrückt die nationale Hoffnung der faum noch zu verschleiernde Umstand, daß der großen vaterländischen und parteinationalen Bewegung in Deutschland der durchgreifende Führer fehlt, der aus fich selbst formieren und zusammenzufeßen weiß. Es werden in deutschnationalen führenden Kreifen Worte der Oppofition aufgegriffen und tatsächlich ernsthafte Erwägungen gepflogen, ob man nicht beffer ein offenes Programm der Bindung verkünden soll, to figteiten vorwerfen zu lassen. als sich von politischen Gegnern stets aufs neue Grundsay
Solche Stimmen lassen fast glauben, daß die deutschnationale Partei diesmal am Rande einer inneren Krise stehe. Man darf aber nicht vergessen, daß sich diese Partei schon manch mal in ähnlichen Situationen, wenn auch nicht ganz so schwe ren wie der gegenwärtigen befand, ohne daß ein Bruch nach außen in Erscheinung getreten wäre. Ihre letzte Spaltung hat sie bekanntlich vor fünf Jahren wegen des Mordes an Rathenau erlebt, damals löfte fich der ertrem rechte Flügel v. Graefe- Bulle Henning ab. Sein Schickfal mag auf die äußerste Rechte der deutschnationalen Fraktion einigermaßer abschreckend wirten. Räme es zur Bildung einer ausgesprochenen Rönigspartei, so fönnte ihre Pleite den Monarchismus nur noch weiter distreditieren. Diese Gründe mögen vielleicht bewirken, daß die deutschnationale Partei in ihrer äußeren Form trotz aller inneren Spannungen bestehen bleibt.
Bundesgenossen nicht weniger verachtet als von ihren Möge fie! Berlumpt bis auf die Knochen, von ihren Gegnern, wird sie ihr Dasein weiter fristen. Als Klassen partei des Besizes hat sie ja noch Funktionen zu' erpartei des Besizes hat sie ja noch Funktionen zu er füllen. Wie lange sie aber noch imftande sein wird, mit verlogenen Redensarten über ihre angeblich noch vorhandenen, in Wahrheit aber längst verschacherten Ideale" Wähler aus den breiten Boltsmaffen zu fangen, muß sich bald zeigen. Rampf gegen die deutschnationale Partei ist Rampf um die Reinigung des öffentlichen Lebens
schutzgesetzes endgültig zu verabschieden. Der Reichstag hatte gestern die Berlängerumg des Republit
Abg. Graf Westarp( Dnatl.): Eigentlich wollte ich nicht in die Debatte eingreifen, da die Rede der Opposition fachliche Gesichtspunkte nicht enthalten hat.( Lebh. Heiterfeit.) Vor der Abstimmung wolle er aber noch einmal den grundsäglichen Standpunkt seiner Fraktion darlegen. Die Stellungnahme seiner Fraktion sei unverändert die, daß dem Kaiser die Rückkehr ermöglicht werden müsse.( Heiterkeit.) Aber die dem Initiativantrag beigefügte Interpellation ftelle die weitere Prüfung der Frage in Aussicht, welche Einzelheiter gliedern, welche aufzuheben seien. Um diese Prüfung zu ermög aus dem Republitschuhgesez in das Strafgesetzbuch einzulichen, ftimmen die Deutschnationalen der Berlängerung des Republik . schutzgesetzes auf furze Frift zu.( Lebhafte Heiterkeit.)
Abg. Hermann Müller- Franken( Soz.): Ich gebe zu, daß die Rolle, die Herr Graf Westarp hier bei uns spielen mußte, teine beneidenswerte mar.( Sehr mahr lints.) Er mußte deshalb in dieses hohe Haus fast so hereinfommen wie der Privattläger, der zum Termin eine Minute& u pät tommt. Wenn Herr Graf Westarp seine Rede damit begann, daß er die Reden der Opposition als inhaltslos bezeichnete, so ist Inhalt als die Rede der Oppofition gehabt hat. Graf Westarp hat zu prüfen, ob die Rede des Herrn Grafen Westarp einen sachlicheren feine Rede nur gehalten, weil er Oppofition in feiner eigenen Partei hat. Gewissensbisse dürften ihn gewiß nicht auf die Tribüne getrieben haben. Die Deutschnationalen haben feit Monaten das Bekennen unterlassen und nur in Taktik sich geübt und ständig Rückzugsbefehle erlaffen.( Hört, hört.)
3n 3hren eigenen Reihen wird jeht geprüft, ob nicht dieje Taffit vom Sichbekennen zum Berlumpen führte.( Hört, hört! links.)
Das Nähere wird Graf Westarp vom Kollegen Hugenberg ertommt, ben Ruf eines Philosophen zu verlieren. Aber im Grunde fahren, der dem„ Tag" nicht ganz fernsteht. Herr Graf Westarp tonnte seine Rede ganz gut halten, weil er nicht in die Gefahr fommt, den Ruf eines Philosophen zu verlieren. Aber im Grunde genommen war das, was er sich hier aufgezeichnet hat, nichts als
Bas foll es heißen, daß die Deutschynationalen nach wie vor für ein schlecht gefchriebener Entschuldigungszettel. ihre Grundsäge zu arbeiten bereit sind, wenn sie das tun, was fie in den legten Tagen und Wochen immer getan haben. Die Tatsache bleibt, daß in diesem Gefeß, wenn auch nur eine Rannbestimmung in ihm ist, dem Kaifer die Rüdtehr ver Kabinett für die baldige Rückkehr des Kaisers arbeiten. In§ 23 wehrt wird. Nun wollen die deutschnationalen Minister im diefes Gesetzes heißt es aber:
Mitglieder solcher Familien usw. ist das Betreten des Reichsgebietes untersagt oder der Aufenthalt auf bestimmte Teile oder Orte des Reiches beschränkt, falls die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß andernfalls das Wohl der Republit gefährdet wird.
Ich frage die Regierungsparteien und die Reichsregierung, ob sie bereit sind, dem Drängen des Grafen Westarp und seiner Freunde in der Regierung nachzugeben, wenn die Vorausfegung, die hier im§ 23 festgelegt ist, nicht erfüllt ist. Es im Gesetz enthalten war, als dieses Gesetz eine scharfe Verurteilung handelt sich nur um eine Rannbestimmung, die auch im Jahre 1922 erfahren hat, die der Herr Abgeordnete Landsberg gestern hier in diesem hohen Hause in das Gedächtnis zurückgerufen. Das kann in feiner Weise für die Deutschnationalen entschuldigend sein.
Praktisch bleibt es aber dabei, daß Sie unter Führung der Herren Hergt und Kendell am Kyffhäuser die Republit schützen, während fich Wilhelm II. in Doorn den Bart bei lebendigem Leibe durch den Tisch wachsen lassen fann.( Pfui rechts, Heiterkeit bei den Soz.)
wähler sein wird. Aber deffen tönnen Sie versichert sein: Ich weiß nicht, ob diese Haltung, die Sie hier einnehmen, nicht eine zu starte Belastungsprobe für Ihre nationalen Benn Ihnen nach diefer Haltung die nationalen Bähler treu bleiben, dann wird keine Partei Sie um solche Wähler beneiden.( Lebh. Beifall bei den Soz.)
Abg. Hörnle( Komm.) führt aus, daß das Republikschutzgesetz schon deshalb beseitigt werden müffe, weil es von Beauftragten der Stahlhelmer ausgeführt werde.
Die Annahme des Gesetzes.
Die Schlußabstimmung ist auf Antrag der Sozialdemokraten namentlich. Gegen das Gesetz stimmen die kommunisten, die Bölkischen, die Nationalsozialisten und Ausgeburt non Angst und Unfreiheit. Ein Bolt, das Abg. Graefe- Mecklenburg( Bölf.) nennt diese Vorlage eine Deutschhannoveraner. Das Gesetz wird mit 323 gegen seinem monarchen eine Rüdfehr in die Heimat burch Gesetz Bräsident& be stellt die für Verfassungsänderungen erforber perbiete, und wenn bas auch Leute tun, die seither in Ehrliche qualifizierte Mehrheit fest.
41 Stimmen angenommen.