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Donnerstag

19. Mai 1927

Unterhaltung und Wissen

Fata Morgana.

Bon Georges Pourcel.

Haben Sie Steingut, Porzellan zu kitten?... Der Kitter ist da!" Er wunderte sich, daß bei dieser professionsmäßigen Anfrage weder seine Stimme noch sein Herz gezittert hätte. Das Haus, vor dem er stehengeblieben war, war das erste des Dorfes; ein Stech­palmenzweig an einem der Fenster kennzeichnete es als Schenke. Der Restaurateur trat auf die Schwelle und nach kurzem Zögern winfte er den Geschirrausbesserer heran.

,, Die Wirtin ist augenblicklich nicht da. Aber kommen Sie nur; es ist reichlich viel zerbrochenes Zeug da; Sie haben einen guten halben Tag zu tun."

Er mies auf allerhand in Scherben gegangene Schüsseln und Teller im Wandschrank und trug sie dem Reparateur zu, der sich auf cinen Stein neben der Haustür setzte.

Der Mann hatte einen Schlapphut auf, dessen herabgefallene Krempe einen guten Teil des von einem dichten Bart überwucherten Gesichts verdeckte. Seine durch langes Tragen abgenutzte Kleidung hatte die Farbe der Landstraße. Der Bagabund pflegt redselig zu sein; dieser mar still und schien vor sich hinzuträumen.

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,, Sie sind zum erstenmal in dieser Gegend?" fragte der Wirt. ,, Ich bin früher vor 15 Jahren. hier durchgekommen und fehrte damals wohl hier ein. Sie kenne ich nicht; die Leute haben gemiß gewechselt."

,, Die Besizerin ist noch dieselbe, Frau Albin. Aber der Mirt

Ist der frühere tot?"

,, So gut mie tot; er hat eines Tages zum Wandersteden ge= griffen und nie wieder von sich hören lassen... Nach einem Streit mit seiner Frau ist er Knall und Fall fort... Es ist mit ihr nicht gar so leicht auszukommen!"

Er lachte verbittert auf.

Und sagte leise: Sehen Sie, die meisten dieser Teller

PP.

hat sie Ihnen an den Kopf geworfen; ich verstehe." Wenige Augenblice später stieß eine große, magere, schwarz­haarige Frau die Tür zu dem kleinen Hofe auf. Die Anwesenheit des Geschirrausbesserers schien ihr nicht zu behagen.

,, Wer hat dich denn geheißen, daß du den sollst eintreten lassen?" fuhr sie ihren Mann an.

Der Mann machte Miene, wegzugehen.

,, Nein; bleiben Sie, da Sie nun mal da sind.

Hast du mit

ihm vorher ausgemacht, was er zu bekommen hat?" Dann fügte sie leiser hinzu: Mit solchen Herumlungerern weiß man nie, mie man dran ist. Die wollen einen nur ausbeuten

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Der Landstreicher versprach, daß er sie nicht überteuern werde, mas sie einigermaßen beruhigte. Und mun schleppte sie noch anderes ichadhaft gewordenes. Porzellan herbei.

Hier, dieser Lampenschirm! Der Tölpel hat ihn zerbrochen; vielleicht können Sie ihn wieder ganz machen

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Sie brachte auch eine eingerahmte Photographie, auf der eine Staubschicht lagerte. Hinter der geborstenen Scheibe fah man ein. junges. Ehepaar, das ziemlich blöde lächelte.

Der Mann betrachtete das Bild und verglich es mit der vor ihm stehenden Frau.

,, Sind Sie das? Sie sind mal sehr hübsch gewesen!"

Trotz der Ungeschicklichkeit des Kompliments geruhte sie zu lächeln und auf den schon alten Gesicht tauchten unzählige fleine Fältchen auf.

fragte der Flicker.

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D, ich war, mas man ein hübsches Mädel nennt." ,, Und der neben Ihnen das ist ohne Zweifel der Gatte?" Sie lächelte spöttisch: Nein, sehen Sie nur genau hin; das mar ein anderer Mensch Ein Dickschädel, aber das mein Erster Herz hatte er auf dem rechten Fleck. Sie wandte sich dem zweiten Ehegespons zu: ,, Im fleinen Finger war er mehr wie du!"

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Der Gatte fiel ihr ins Wort: Wenn du glaubst, daß dein Quatsch den Mann interessiert

Den ganzen. Nachmittag sah der Arbeiter ihrem Treiben zu: er sah sie gehen, fommen, hörte ihr unermüdliches monotones Gefeif. Der Abend begann zu dämmern. Er gab sich seinem Frieden hin. Der riesige Nußbaum, der das Haus überragte, ließ das ein­fchläfernde Rauschen der Blätter vernehmen, und der Wind trug feinen zarten Duft herein. Der Sonnenuntergang übergoß den Hügel wie einst mit dem Purpur seiner Lichtreflege. Die Dinge. hatten sich nicht geändert; nur die Menschen...

Wie die Essenszeit herantam, sagte er:

,, Gute Frau, ich habe Spaß gemacht. Ich tittete einige Ihrer Porzellanfachen; aber Sie hatten die Freundlichkeit, mich an Ihrem Tisch mitessen zu lassen; ich bin eigentlich in Ihrer Schuld Nehmen Sie daher an, daß wir quitt sind!"

Sie versuchte zu widersprechen: ,, Das sahe ja aus, als wenn Sie mir eine Wohlfätigkeit erwiesen!"

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,, Odie Wohltätigkeit eines Landstreichers die hat nichts auf sich!" Er drückte die Hand seines Nachfolgers mit brüderlichem Mitleid, zögerte einen Augenblid, ob er auch der Frau die Hand reichen solle; dann verabschiedete er sich bloß mit einer unge­zwungenen Berbeugung vor ihr; sie war davon überrascht. Leichten Herzens verschwand er ohne es der Mühe für wert zu halten, sich ihr erkennen zu geben- in der milden Nacht.

( Berechtigte Uebersetzung von Joh. Runde.)

Die Bekehrung.

REPUBLIK

300000

DOOOOD

MARX

SCHUTZ

GESETZ

000

apribjec

KEUDELL Neige dein Haupt, stolzer Sigambrer. Verbrenne, was du angebetet hast, bete an, was du verbrannt haft!"

( Erzbischof Remigius von Reims 496 bei der Taufe Chlodwigs.)

Zur Kulturgeschichte der Spielfarten.

Von Dr. E. Huber.

Wer hat sich je einmal, wenn er eine Statkarte in der Hand hielt, die Fraeg gestellt, seit mann der Kulturmensch in den sarben­reichen Blättern dieses vielseitige Unterhaltungsmittel geschenkt ist? Es gibt faum eine zweite Kulturerrungenschaft, die derartig Allge: meingut aller Bölker und Menschen geworden ist wie die Spielkarte und von deren Entstehung und Geschichte wir so wenig wissen wie von dem Ursprung und der Heimat diejer geheimnisvollen Karten.

1379 fommen fie in Italien auf, gelangen durch die Landsknechte nach Deutschland , sind 1384 in Nürnberg belannt, 1392 in Frankreich und zu Anfang des 15. Jahrhunderts in England. Sicher ist, daß fie in Italien zum erstenmal auftraten und daß sie hierher aus dem Orient gekommen find. Italien war ja damals der große Zwischen­händler zwischen dem Orient und dem Abendland.

,, Da Sie ein Wirtshaus haben, geben Sie mir zu essen. Sie die vier Farben- und die drei Figurenbilder, waren bereits in der ziehen das von der Bezahlung ab."

Er saß neben ihnen. Eine trübselige Funsel erhellte das Zimmer. Die große Lampe mit der Glocke wurde für etwaige, fich aber nur spärlich einstellende Gäste reserviert. Der Krieg hatte Handel und Wandel der kleinen Leute vernichtet. Die Berbitterung der Frau machte sich während des Essens in unaufhörlichen Klagen Luft. Um Nichtigkeiten zeterte sie mit ihrem Mann, machte ihn ver­antwortlich für alle Uebel, die sie belästigten. Der Geschirrfitter hörte den Tonfall von einst, sah die gleichen Bewegungen wieder, diesen ganzen unerträglichen Zustand, der ihn zäh umflammert und seine junge Liebe zu Cis erstarrt hatte. Er aber, der Alternde, empfand dies alles nur noch schrecklicher Soviel Tage und Nächte während seines zigeunerhaften Um­während seines zigeunerhaften Um­herschweifens wenn der Regen auf ihn niedertroff und er in Scheunen nächtigte, hatte er sich nach einem warmen und behaglichen Asyl gesehnt, nach trautem Zusammensein bei Lampenschimmer, nach dem Glück eines wiedergenossenen Kusses... So hatte es ihn aus weiter Ferne hierhergetrieben..

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Das Leben greift tückisch unsere häßlichsten Erinnerungen auf, flärt und reinigt fie, vermengt sie mit unseren Wünschen und Träumen, zeigt sie unseren Augen im Schimmer trügerischer Reflere: das ist die Fata Morgana der Wüste! Die zerbrochenen Leben fie laffen sich nicht wieder zusammenkitten wie deine Porzellan­Scherben, Geschirrfitter!

Er stand auf, um fortzugehen.

Wir wollen abrechnen!" sagte er.

Sie wunderte sich, daß er ihre Einladung, zu übernachten, ab lehnte. In der Dachkammer das Bett kostete nur drei Franken. Und die Wanderer blieben sonst gern für das bescheidene Entgelt da. Sie schrie auf, wie er sagte, was er zu bekommen habe. Bollte er sie denn zugrunde richten? Nein, er mußte den Preis herab­jezen.

N

Et lächelte zugleich hochmütig und traurig. Und eigentlich freute er sich, daß fie fich fa benahm; er empfand meniger Reue...

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Die älteste italienische Karte, die sogenannte Trappolier- Karte, war wohl von den einzelnen, heute in den verschiedenen Ländern üblichen Karten verschieden. Aber die wesentlichsten Grundzüge, Trappolier- Karte vorhanden und sind auch bei allen einzelnen natio­nalen Abarten der Kartenblätter enthalten geblieben. Die ältesten Farbbilder waren Cupi Becher, Spadi Degen, Geld, Bastoni Stab. Die Figurenbilder waren Re König, Conte Graf, Cavallo Ritter. Aus diesen alten italienischen 72blätterigen Karten ist die deutsche und die französische nationale Abart entstanden. Wann sich diese Eigenarten heraus gebildet haben, läßt sich nicht mehr fagen. Die französische Karte ist jedenfalls 1422 unter Karl VII. bereits in der heutigen Forni

| Denari

bekannt.

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In der französischen Karte waren die Farben entsprechend der italienischen Ordnung: Coeur Herz, Pique Schippen, Carreau Eckstein, Trèfle Kreuz, die Figurenbilder aber bilden König, Dame, Junge. Die deutsche Karte lehnt sich enger an das italienische Vorbild an. Sie nennt die Farbenbilder Eichel( Cupi), Laub( Spadi). Echellen( Denari), Herz( Bastoni). Die Figurenbilder hat sie ganz von der italienischen Karte entnommen: König, Ober, Unter. Namen Naibisspiel bekannt. Der Name flingt persisch, ohne daß es Als das Kartenspiel in Viterbo auftauchte, wurde es unter dem bis jezt einem Orientalisten gelungen wäre, die persische Sprach wurzel für diese Wortbezeichnung aufzufinden. Aber der persische Antlang des Namens hat zu vielen geistreichen Kombinationen über den Ursprung und die Bedeutung des Kartenspiels geführt. So hat man eine Art Schachspiel in Bildern statt in Figuren darin finden Aber der Ent­wollen, einen Schachspielerfag für Reisezwecke. stehung des Kartenspiels selbst ist man durch diese Vermutung in

nichts nähergekommen.

Wir können heute die Geschichte der Spielkarten um dieles weiter zurückverfolgen. Wir wissen, daß die Chinesen und die Ja paner schon mindestens 5 Jahrhunderte früher, ehe die Spielkarten nach Europa tamen, mit solchen gemalten Elfenbein- und Holz­täfelchen sich die Zeit vertrieben, und in China war das mit diesen Täfelchen gespielte Spiel in der Tat eine Art Schachspiel. In China felbft ist dieses Spiel allerdings nicht erfunden worden, die chinesischen Annalen lassen es aus dem Westen" tommen. 3wischen Bersien, Indien und China bestanden ja in der Zeit vom fiebenten nachchrift lichen Jahrhundert ab sehr lebhafte Beziehungen. Seit der Buddhis. mus in China eingeführt worden war, lehte im Lande der Mitte starte Sehnsucht ein, das heilige Land der Heimat Buddhas tennen.

Beilage des Vorwärts

zulernen, die heiligen Stätten zu besuchen, die durch die Spuren seines Wandels geheiligt waren und heiige Reliquien und heilige Bücher aus den indischen Klöstern mit in die ferne Heimat zu bringen. Die Reisebeschreibungen chinesischer Indienpilger bilden eine der interessantesten Abteilungen der chinesischen Literatur. Der Pilgern neben vielen geistigen Schäßen noch viel mehr weltliche Weg nach Indien führte aber über Persien , und so sind mit diesen Dinge, Errungenschaften der westlichen" Kultur, nach dem fernen Often gewandert und dort als westliche Merkwürdigkeiten schnell in Mode gekommen. Das chinesische Kartenspiel gehörte auch zu diesen westlichen Modeartikeln. Sein Ursprung ist also sicher im Westen Chinas zu suchen, in Indien oder in Persien.

expeditionen reiches fulturgeschichtliches Material, das uns Aufschluß Wir besigen heute in den Ausgrabungen der deutschen Turfan­gibt über die Mannigfaltigkeit der fulturellen Beeinflussung Chinas durch den Westen, hauptsächlich durch Persien , das bedeutendste Kulturland an der Nordwestgrenze des chinesischen Reiches. In der Tarimebene, in Chinesisch- Turkestan, hart an der nordchinesischen Grenzprovinz Kan- Su, hatte sich zwischen dem vierten und fiebenten nachchriftlichen Jahrhundert unter Führung der indogermanischen Locharen ein Staatengebilde aufgetan, das rein westlich orientiert mar. Die Tocharen waren lange vorher Vasallen der persischen Könige gewesen und hatten sicher in ihrer sozialen Oberschicht die perfische Kultur in sich aufgenommen. Die Fürsten und Barone des Techarenreiches auf den Wandtafeln im Bölkerkundemuseum stehen por uns wie ftolze persische Ritter, im Schuppenpanzer oder Waffen­red, mit modischem Klappentragen, die Helmbrüne auf dem Stopf, den Schwertgurt um den Leib, das lange Schwert mit Kreuzgriff an der Seite, die Beine im Harnisch oder in langen Filzstiefeln. Die Pferde sind gewappnet und mit Straußenfedern geschmückt, die Mähne geflochten. Die Ritter tragen den pfeilbeschwerten Köcher auf dem Rücken und die Lanze in der Hand, mit dem wehenden Fähnlein daran. Neben ihnen stehen ihre Damen in kostbaren Ge­wändern mit ausgeschnittenen, schellenbesetzten Miedern und langem Schneppenrock, Herren und Damen wie Bilder aus der europäischen Ritterzeit! Alle diese hohen Herren und Damen der Tocharen tragen zweifellos persische Modelle. Aber die feinen Gewänder dieser vor­nehmen Herrschaften sind reich verziert mit allerhand abwechslungs­reichen Mustern, unter denen wir ohne Mühe die Farbenbilder unserer ältesten Spielfarten herausfinden: Cupi Becher, Spadi Degen, Denari Münzen, Baston Stab. Es scheinen also die Gemandmuster bestimmter persischer Gesellschaftsschichten die Vor­lagen für die Farbenbilder des Naibisspiels abgegeben zu haben, und die einzelnen Farben im Kartenspiel bedeuten naturgemäß nichts anderes als einzelne Abteilungen, Kompagnien Soldaten, die im Kriegsspiel gegeneinander zu Felde ziehen, und ein Sajachspiel in Bildtafeln. Jahrhundertelang mag dieses Kartenspiel in Persien stillen Zechern die Zeit vertrieben haben, ehe es nach Europa fam und von hier aus in furzer Zeit die Welt eroberte. Und während sich heute noch die ganze Welt am Kartenspiel erfreut, ist es in Berfien, seinem eigentlichen Heimatlande, vergessen.

Wenn der Mississippi ein anderes Bett sucht

Die Ueberschwemmungskatastrophe am Mississippi hat noch immer nicht ihren Höhepunkt erreicht. Coeben werden neue, schreckliche Einzel­heiten des furchtbaren Dramas gemeldet, aus denen hervorgeht, daß das Unheil immer größeren Umfang annimmt.

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matto!

Ein befannter amerikanischer Ingenieur, Carroll Rifer aus Washington , vertritt in amerikanischen Blättern die Ansicht, daß fich der Mississippi infolge der gewaltigen Ueberschwemmungen de legten Zeit in Zukunft ein anderes Bett suchen werde. Riker ist der Ueberzeugung, daß der Fluß in der Höhe von Baton Rouge , der Hauptstadt des Staates Louisiana seine Richtung ändern und sich in den merikanischen Golf ergießen werde, ohne, wie bisher, New Orleans überhaupt zu berühren. Zwar begegnet, man in Amerika dieser Ansicht mit einiger Stepsis. Aber es wäre nich: das erste Mal in der Geschichte des Vaters der Ströme", daß sich der Mississippi eine solche Eigenmächtigkeit erlaubte. Mark Imain, der unsterbliche amerikanische Humorist, der seine Kinderjahre an Mississippi verlebt hat und als Lotse den gewaltigen Strom be­fuhr, hat in seinem heute wieder so aktuell gewordenen Buch Auf dem Mississippi" von solchen Ereignissen berichtet. 2uch in folgen­der Beziehung," so schreibt Mark Twain ( mir folgen hier der im Robert- Lutz- Verlag zu Stuttgart erschienenen deutschen leber­segung), ist der Mississippi bemerkenswert: nämlich durch seine Reigung, wunderbare Sprünge zu machen und schmale Landzungen zu durchscheiden, um auf diese Weise seinen Lauf gerade zu richten und zu verkürzen. Mehr als einmal hat er sich mit einem derartigen Sprung um dreißig englische Meilen verkürzt! Diese Richtwege haben seltsame Folgen gehabt: es sind dadurch verschiedene am Fluß gelegene Städte mitten in ländliche Distrikte hineinversetzt und vor ihnen Sandbarren und Wälder aufgebaut worden. Die Stadt Delta hat sonst drei Meilen unterhalb Bicksburg gelegen; ein vor einiger Zeit von dem Fluß eingeschlagener Richtweg hat die Lage aber radikal geändert, denn Delta liegt jetzt zwei Meilen oberhalb Vicksburg ,

Beide genannten Städte sind durch jenen Durchbruch vom Fluß ins Land hineinversezt worden. Ein solcher Richtweg des Flusses zerstört zuweilen sogar die Staatsgrenzen: beispielsweise fann ein Mann, der heute im Staat Mississippi lebt, infolge eines über Nacht erfolgten Durchbruchs sich und sein Land morgen auf der anderen Seite des Flusses wiederfinden, wo er im Gebiet des Staates Louisiana ist und unter dessen Gesezen steht. Geschah derartiges in den früheren Zeiten am oberen Lauf des Flusses, so fonnte es porkommen, daß ein Sklave auf solche Weise von Missouri nach Illinois versezt und zum freien Mann wurde..

Der Mississippi verändert sein Bett aber nicht allein durch diese Durchbrüche, sondern auch noch in anderer Weise, und zwar da­durch, daß er sich seitwärts bewegt. Bei Hard Times" im Staat Lousiana fließt der Fluß jetzt zwei englische Meilen von der Stelle, die er früher einnahm. Eine Folge davon ist, daß sich der ursprüng­liche Ort dieser Niederlassung jetzt nicht mehr im Staat Louisiana befindet, sondern am anderen Ufer, im Staat Mississippi liegt. Fast die ganze 1300 englische Meilen lange Strecke des alten Mississippi , welche La Salle vor zweihundert Jahren mit seinen Kanoes befuhr, ist jetzt. ein guter, trockener, fester Boden. An einzelnen Stellen fließt der Mississippi jetzt rechts, an anderen links von seinem alten Bett. Während der Schlamm des Mississippi an der Mündung, wo die Wogen des Golfs ihn in Bewegung halten, nur langsam Land ansett, geschieht dies an besser geschützten Stellen weiter aufwärts um so viel schneller: beispielsweise maß die Propheteninsel vor dreißig Jahren nur 1500 Acres, die seitdem jedoch von dem Flusse um 700 vermehrt worden sind.

Nach den Berichten erfahrener Fachleute entleert der Mississippi alljährlich 406 Millionen Tonnen Schlammi in den Golf von Merito, ein Quantum, das zu einem festen Körper vereinigt, einen Flächen­raum von einer englischen Quadratmeile bedecken und eine Höhe von 241 Fuß haben würde. Die Schlammablagerungen lassen das Land allmählich anwachsen, doch geschieht dies nur sehr langsam, da dasselbe in den zweihundert Jahren, welche verflossen sind, seit­dem der Fluß seinen Platz in der Geschichte eingenommen hat, nur um eine Drittelmeile vorgerückt ist. Die Gelehrten meinen, daß die Mündung des Flusses früher bei Baton Rouge , mo das hügelige Terrain aufhört, gelegen habe, und daß die zweihundert Meilen Land zwischen dem genannten Bunft und dem Golf vom Flusse angeschwemmt worden seien. Daraus würde sich ohne Mühe das Alter dieses Landes auf 120 000 Jahre berechnen lassen."