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�ochverratsprozeß Wilhelm Liebknecht   dem Staatsanwalt in seinem Schlußwort die Sätze entgegengeschleudert: Ein zwiefaches Ideal hat mir von Zugend an vorgeschwebt, das freie, einige Deutschland   und die Emanzipation des arbeitenden Voltes, die gleichbedeutend ist mit der Befreiung der Menschheit. 5ür dieses Ziel habe ich mit meinen besten Kräften gekämpft, und für dieses Doppelziel werde ich kämpfen, solange noch ein hauch in mir ist." Könnten diese Worte nicht auf den heutigen Tag geprägt sein? Wir müssen im Sinne unserer geschichtlichen Aufgabe unseren großen Kampf durchkämpfen für eine aktive Demokratie und einen lebendigen Sozialismus.(Lebhafter, anhaltender Beifall.) Tie Wahl des Bureaus. Otto Eggerstedt   und Otto Wels   Vorsitzende. hierauf erklärt Hermann Müller   den Parteitag für eröffnet. Als Vorsitzende werden dann der Führer der Kieler   Partei- organisation Otto Eggerstedt   und der Vorsitzende der Gesamt- partei Ot!!o W e t s gewählt.Wels erinnert andievielen im vergangenen Jahre verstorbenen Genossen aus der eigenen Partei und der inter  - nationalen Arbeiterbewegung und teilt dem Parteitag mit, daß in der vergangenen Nacht der alte Genosse Körner-Ludwigs- Hafen verschieden ist, der Weggenosse Franz Josef Ehrhardts, des Pfalzgrafen  . Dann wird die übliche Geschäftsordnung des Parteitages bestätigt und die Tagesordnung des Parteitages nach dem Vorschlag des Parteivorstandes genehmigt. Der Gruß der Internationale. Vorsitzender Wels richtet hierauf herzliche Worte an die Ver­treter der ausländischen Bruderparteien und erteilt ihnen das Wort zu ihren Ansprachen. Vracke-j?rankreich: Genossinnen und Genossen! Im Namen der französischen   sozio- listifchen Partei, im Namen der organisierten französischen   Prole- tarier, im Namen, so habe ich das Recht zu sagen, des wirklich arbeitenden Frankreichs  , begrüße ich herzlich die Sozial- demokratische Partei Deutschlands  , indem ich die lebhaftesten Wünsche für den Erfolg der Arbeiten dieses Parteitages ausspreche. Dreimal allerdings in einem Zeitraum von mehr als einem Vierteljahr- hundert habe ich die Ehre gehabt, solche Grüße in Ihrem Lande aussprechen zu können. Welch eine Fülle von verschiedenen Erleb- nissen ist nicht mit diesen Erinnerungen verbunden! In Lübeck   1901 vertrat ich nur eine der sozialistischen   Parteien, die um die Seele der französischen   Proletarier miteinander stritten, nämlich die Fran- zösische Arbeiterpartei, die sogenannten G u e s d i st e n. Zehn Jahre später war ich Vertreter der geeinigten Partei, wobei unsere unvergänglichen Führer Guesde, Vaillant und I a u r e s zu- sammenstanden, so daß ich auf dem deutschen   Parteitag erschien. Leider übte schon zehn Jahre später der Bolschewismus seine verderblichen Wirkungen aus. In Tours   fand die Spaltung der politischen Bewegung statt, und unsere Mitgliedschaft sank unter 30 000 Mann, heute, wenn ich zum drittenmal das Wort vor Ihnen nehme, bin ich glücklich, Ihnen sagen zu können, daß wir die Kraft wiedergewonnen haben. Wir marschieren vorwärts. Nur ein paar Daten möchte ich hier erwähnen. Jetzt ist unsere Mitglied- schaft über 110 000 Mann gestiegen.(Lebhafter Beifall.) 07 von uns sitzen in der Deputiertenkammer. Am Anfang des Jahres haben wir die Zahl unserer Vertreter im Senat mehr als ver- doppelt, 14 anstatt 6. Weit mehr als verdoppelt hat sich die Zahl unserer Stadtverordneten. Vor den letzten Kommunalwahlen gab es davon 4689, nun sind es 10 167. In fast allen größeren Städten, Lyon  , Marseille  , Toulouse  . Lille  , Roubaix  , Brest  , Limose, Grenoble. iit das Stadthaus gänzlich oder aber in Mehrheit von unseren Genossen besetzt. 832 Bürgermeister führen unter dem Banner der Sozialistischen Partei die Verwaltung kleiner oder bedeutender Ort- schasten. Daß wir unseren ganzen politischen Einfluß auf den Staat geltend machen, um der Sache des Friedens zu nützen, brauche ich Ihnen kaum zu sagen. Sie wisien, wie zäh wir für die Räumung des Ruhrgebietes erfolg- reich gekämpft haben.(Lebhafter Beifall.) Nun wird von einer weiteren Räumung geredet. Wir wollen es offen vor Ihnen er- klären, wie wir es offen vor unserer Regierung erklären: Es scheint uns eine Unmöglichkeit, daß, nachdem Deutschland  im Völkerbund seinen Platz eingenommen hat, große Teile seines Gebietes länger von fremden Truppen beseht sind.(Stürmischer Beifall.) Nichts wird uns daran hindern, die baldigste Räumung des Rheinlandes energisch zu fordern. Es müssen die letzten Reste der militärischen Gewalt beseitigt werden.(Wiederholter stürmischer Beifall.) Wir kennen die Unterstützung, die wir darin bei der deutschen  Arbeiterschaft finden, wenn wir sehen, mit welcher Tapferkeit sie die deutsche Republik, die sie geschaffen, zu bewahren und zu ent- wickeln bereit ist. Genossen, in dieser Stadt Kiel   muß man immer unwillkürlich an einen Wendepunkt der deutschen   Politik denken, und wie sollten wir dabei nicht unsere Gedanken auch auf das Blut richten, das wieder einmal aus den Adern unserer beiden Völker geflossen ist. Aber, Genossen, kein blutiger Fluß ist so tief und so breit, daß das gemeinsame Klassenbewußtsein ihn nicht überbrückt, das die Arbeiter von Frankreich   und Deutschland  miteinander verbindet. Mehr denn je, in einem Augenblick, wo Europa   im Zeichen der wirtschaftlichen und sozialpolitischen Reaktion steht, die unter den brutalsten sowie unter den maskiertesten Formen gegen die proletarischen Organisationen und auch die demokratische Freiheit stürmen, wenn in der ganzen Welt Konflikte und Gefahren keimen, wird die Verständigung beider Völker nöiig, um die allgemeine Verständigung aller Völker vorzubereiten. Genossen, hier die chand, wir wollen mit Ihnen eins sein und bleiben, wir wollen in Liebe und Treue, Schulter an Schulter für das gemeinsame Ziel des Weltfriedens und der Emanzipation des internationalen Proletariats zusammenarbeiten. Glück auf! Es lebe die deutsche Sozialdemokratie! Es lebe die sozialistische Arbeiterinternationale!(Lebhafter Beifall.) INöller-Schweden  : Wir haben jetzt in Schweden   von 230 Abgeordneten 103. Wir wollen alles daransetzen, bei den nächsten Wahlen die Mehrheit zu erobern. Die traurigen �Kriegsjahre haben der Welt gezeigt, daß nur eine Stärkung der Sozialdemokratie einer neuen Kriegsgefahr vorbeugen kann. Möge deshalb auch Ihr Parteitag die Entwicklung der Sozialdemokratie zu größerer Macht fördern.(Lebhafter Bei- fall.) Klara Kalnin-Lettland  : Wir. haben in den letzten Monaten trotz aller grundsätzlichen Bedenken uns zu einer Koalitionsregierung ent- schloffen, um die Gefahr eines faschistischen Putsches abzu- wehren, und das ist uns in vollem Maße geglückt. Wir blicken auf die deutsche   Bruderpartei als Vorbild für die Neinen Nachbar- Parteien.(Vielfaches Bravo.) Rlodigliani-Jtalien spricht französisch: seine Ansprache wird von Breitscheid   übersetzt: Ich komme nicht aus Italien  , sondern aus dem Exil. Wer in Italien   leben will, muh die Freiheit abschwören. Die deutsche   So- zialdemotratie hat alles getan, was mau ün Kampf gegen den Fa- schismus tun kann. Sie hat ihn studiert und ihn der Wert gezeigt, wie er ist. Wir kommen nicht als Bettler zu euch, sondern als Brüder, eure Sache ist unsere Sache, unser Kampf gegen den Faschismus ist euer Kamps gegen den Faschismus. Gemeinsam bekämpfen wir den Faschismus als schwerste Gefahr sür de« Weltfrieden. Die impofanten Demonstrationen der letzte«
Tage und diese Riesenversammlung beweisen mir, daß kein Musso- lim stark genug ist, die Arbeiterbewegung zu überwinden. Auch Italien   wird wieder zur Freiheit gelangen!(Stürmischer Beifall.) Thorwald Slauning-Kopenhagen: Ich war einige Jahre verhindert, die deutschen   Parteitage zu besuchen, weil ich das erste sozialistische Kabinett unseres Landes leitete. Jetzt hat uns die Reaktion aus der Regierung geworfen, aber unsere Stellung als Partei wird gleich- wohl von Jahr zu Jahr stärker. Wir wollen mit der deutschen   So- zialdemotratie nachbarliche Freundschaft halten, ungestört durch die Streitigkeiten der Chauvinisten, und wollen gemeinsam an der Sicherung des europäischen   Friedens arbeiten.(Lebhafter Beifall.) Karl Renner  -Wien  : 3ch bin hier nicht zu Besuch, ich gehöre zum Haus.(Stürmischer Beifall.) Wir haben in einem wunderbaren Wahlkampf dem Besitz- bllrgerblock eine schwere Niederlage bereitet. Wir mustern jetzt 43 Proz. aller Stimmen. Wir haben uns seit 1919 um 7 Proz. ver- bessert. Noch 7 Proz. und wir haben die Hälfte.(Heiterkeit.) Aber die letzten 7 Proz. sind immer am schwersten.(Erneute Heiterkeit.) Das Rezept unseres Erfolges besteht erstens darin, daß das österreichische Proletariat einig ist.(Lebhaftes Bravo.) Da schreien manche Bravo  , die in echt deutscher Rechthaberei ihre Anschauung dem Interesse der Partei voranstellen.(Große Heiter- keit und Beifall.) Aber nicht der einzelne, sondern die Bewegung muß Recht behalten. Bei uns haben die Kommunisten in ganz Oesterreich nicht mehr ein einziges Mandat. Unsere Wehrmänner haben zu 80 Proz., Eisenbahn und Post zu 95 Proz. für uns ge- stimmt. Immer weitere Kreise der Intelligenz, der Kleingewerbe- treibenden und namentlich der Bauern haben sich uns angeschlossen. Nie haben wir an einen Wähler die Gretchenfrage gestellt: Wie hältst du es mit der Religion? Wir suchen nur Mitkämpfer sür den Ausbau der sozialen Demokratie. Ohne die Heranziehung der Grenzschichten wird es unmöglich sein, auf parlamentarischen! Wege die Mehrheit für die ArbeiterNasse zu erringen, und unser Ziel muß doch die Eroberung des Staates bleiben. Darum aus zur Er. oberung des Staates und aus zur.Eroberung der nationalen Einheit aller Deutschen   im Rahmen der Znlernationale.(Stürmischer, lang- anhaltender Beifall.) Vorsitzender Wels dankte hierauf den Rednern und teilte mit, daß mit Rücksicht auf die für den Abend angesetzte Demonstration die zahlreichen weiteren Begrüßungsansprachen auf Montag vormittag vertagt werden. Mit dem Vortrag des Ernteliedes und dem geinein- samen Gesang der Internationale schloß die Eröffnungs- sitzung des Parteitages. Sitzung vom Montag vormittag. Kiel  , 23. Mai.  (Eigener Drahtbericht.) Der Parteitag trat heute morgen im festlich geschmückten Saal des Gewerkschastshauses in der Legienstraße zusammen. Zunächst erhielten einige G ä st e das Wort zur Begrüßung. Abramowitfch überbringt die Grüße' der Sozialistischen Ar- beiterpartei Rußlands  : Wir können ebensowenig wie Modigliani  über Erfolge berichten. Die einzige Statistik, die wir Ihnen bringen könnten, wäre die der Verfolgung, der Eingekerkerten und Verbann- ten. Aber wichtiger ist die große, schicksalsreiche politische Entwicklung, die mit dem Namen Rußland   verbunden ist. Wenn wir die Bilanz der russischen Revolution ziehen, so sehen wir, daß Rußland   heute einer ungeheuren Krisis entgegengeht, die nzit dem bevorstehenden Bruch der englisch  -russischen Beziehungen verbunden ist. Die russische Revolution steht gegenwärtig so schwach und isoliert da, wie das eigentlich bisher noch niemals der Fall war. Die Bolschewiften haben geglaubt, die Kraft ihrer Revolution dadurch erhalten zu können, daß
sie das internationale Proletariat spalteten und den einzigen wirklich Verbündeten, den die russische Revolution haben konnte, die inter  - nationale Sozialdemokratie, zugrunde richten zu müssen. Dieser ver- hängnisvolle Fehler hat zu der jetzigen Schwäche Rußlands   geführt. Wir haben von der deutschen   Sozialdemokratie theoretisch viel gelernt. Wir müssen jetzt noch aus ihren Kämpfen lernen, die sie zur Durch- setzung der Demokratie geführt hat. wir müssen das inter  - nationale Proletariat zur Klarheit darüber bringen, daß der Weg zum Sozialismus und zur Freiheit nur über die Demokratie führt. (Bravo  !) Chapinsky-Warschau spricht über die polnische Sozialdemokratie: Man hat Ihnen viel erzählt über die feindliche Stimmung des polnischen Volkes gegenüber Deutschland  . Ich kann Ihnen versichern, daß das werktätige Volk, welches in unseren Reihen steht, sich als Freund und Bruder der deutschen   Arbeiter fühlt.(Bravo  !) Wir kämpfen mit den reichsdeutschen Genossen gegen die polnische Reaktion. In Warschau   haben wir zusammen eine große Friedensdemonstration veranstaltet und ebenso in Lodz  , wo Genosse Löbe gesprochen hat. Diese Zusammenarbeit halten wir gerade in diesen Zeiten des reaktionären Bürgsrblocks für einen großen Faktor des Friedens in Zentraleuropa.  (Lebhafter Beifall.). Gewiß gibt es Streitfragen zwischen Deutschland   und Polen  . Aber wir sind überzeugt, daß sie auf friedlichem Wege er- ledigt werden können. Als ersten Schritt erachten wir dazu den Abschluß des deutsch  -polnischen Handelsvertrages. Kowall-Kattowitz  : Die deutsch  -sozialistifche Ar­beiters(Haft Polens   verdankt der deutschen   Sozialdemokratie ihre Schulung. Wir müssen zwar heute noch in Polen   um die deutsche   Schule und die deutsche Sprache kämpfen. Aber wir sind überzeugt, daß es uns gelingen wird, die der deutschen   Minderheit zustehenden Rechte zusammen mit der polnischen Sozialdemokratie zu erringen. Tomascheck, der Präsident der tschechischen Nationalversammlung, überbringt nachbarliche herzliche Wünsche der tschechischen sozial- demokratischen Arbeiterpartei: Wir sehen in der Geschichte Ihrer Partei die reine Tradition des Marxismus gewahrt, und Karl Kautsky   unseren Landsmann und ihren Senior verehren wir als ihren Interpreten. Im nächsten Jahr feiert unsere Partei ihr fünf- zigjähriges Jubiläum. Besonders interessant ist für uns Euer Agrarprogramm auch wir sehen in der sozialistischen   Tätigkeit auf dem Lande einen integretierenden Bestandteil unserer gesamten Parteitätigkeit. Auf den beiden Parteitagen der größten sozialistischen   Partei in der Tschechoslowakei  , der deutschen   und der tschechischen, hat sich unumgänglich die Notwendigkeit der gegenseitigen Annäherung erwiesen, wovon wir uns endlich die Herbeifüh- rung eines gesünderen Verhältnisses an Stelle des bisher nicht sehr erfreulichen Zuftandes versprechen. Ich bin überzeugt, daß beide Parteien den Weg zueinander finden werden, was um so notwen- diger ist, als wir gegen eine feste reaktionäre Mehrheit zu kämpfen haben.(Lebhafter Beifall.) vliesner-Prag  : Die übelste Errungenschaft aus dem alten Oester- reich, der nationale Streit, hat bei uns den Vormarsch des Sozialismus aufgehalten. Zwar sitzen bei uns Deutsche  , Tschechen  und Slowaken in der Regierung, aber an dem nationalen Streit hat sich nichts geändert. Erst die Arbeiterschaft wird die geschichtliche Aufgabe erfüllen und den nationalen Streit überwinden. Ist sie dazu nicht reif und vernünftig genug, so wird die Not sie zusammenführen. Die deutsche und die tschechische Sozialdemokratie müssen gemeinsam die Fahne des Sozialismus vorwärtstragen. (Lebhafter Beifall.) Vorsitzender Wels dankt allen Rednern namens des Parteitages. Genosse Eggerstedt verliest dann die aus allen Teilen der Welt ein- gegangenen Begrüßungstelegramme.
Otto Wels   erj Der Sericht ües parteivorftanöes. Anschließend tritt der Parteitag in seine Tagesordnung ein. Den Bericht des Parteioorstandes erstattet: Gtto Wels: In den Jahren nach der Revolution ist es üblich geworden, beim Bericht des Parteivorstandes alle grundsätzlichen und taktischen Fragen mitzubesprechen. Bon dieser Gepflogenheit wollen wir dies- mal ablassen und alles Grundsätzliche späterer Beratung überlassen. Dafür wird die Diskussion um so straffer zusammengefaßt werden können. Zwischen dem Heidelberger   Parteitag und heute liegen IX Jahre harter Arbett. Ein Blick in unser 500 Seiten starkes Jahrbuch gibt ein Bild davon, daß unsere Partei mit ihrer Organi» sation, ihrem Schul- und Lehrapparat, ihrer Presse und ihrer Ver- tretung im Reich, in den Ländern und Gemeinden in keiner Partei Deutschlands   ihresgleichen hat. Zusammen mit den Gewerkschaften, den Genossenschaften, der Arbeitersportbewegung usw. bildet die Partei einen re- waltigen Faktor zur Hebung der Kullur der Massen. Auf diese Stellung sind wir stolz, wenn wir auch nicht damit zufrieden sein dürfen. Die heftigste Kritik hat unsere Haltung in den Fragen des Volksentscheids und Fürstenausgleichs erfahren. Die«inen haben uns vorgeworfen, wir hätten uns von den Kommunisten und dem famosen Kuczynfki-Ausschuß den Rang ablaufen lassen. Die anderen haben uns nachträglich vorgeworsen, wir hätten übersehen, daß bei Gewährung einer geringen Entschädigung an die Hohenzollern   die notwendigen zwanzig Millionen Stimmen aufgebracht werden können. Alle unsere Kritiker haben vollkommen recht, und sie alle hätten in der gegebenen Situation nicht anders handeln können, als wir es taten, denn bei jeder anderen Haltung wäre die Zersplitterung viel größer geworden und der Riß wäre mitten durch die Partei gegangen. Unsere Haltung Holl uns den großen moralischen Erfolg des Volksentscheids ein­getragen. der auf die Dauer ein politisches Aktivum brachte. Der Flucht d er p r e u ßi s ch en L a n d ta g s s r a kt i o n v o r d e n preußischen Richtern, das war der Vergleich mit den Hohen- zollern, konnten wir nicht widersprechen. Oder hätten wir die Taktik empfehlen sollen, die preußische Re­gierung von den Sozialdemokraten stürzen zu lassen? So schnell haben wir die Zeit der Fememordprozesse, des Ludendorff-Aufzuges vor der Feldherrnhalle   in München  , den striner Putsch usw. nicht vergessen. Unter den An- trägen zum Parteitag befindet sich nicht ein einziger, der sich noch mit der Fürstenabfindung befaßt. Das kommt daher, daß niemand in der Partei, weder damals noch heute, einen Weg hätte weisen können, wie es anders hätte erledigt werden können. Der Zu- sammensall der Veraleichsvorlage mit der Werbewoch« war nicht vor- gesehen. Die Weroewoche hat trotzdem einen durchaus zufrieden­stellenden Erfolg gehabt. Sachsen   hat die Werbewoche noch einmal mit gutem Erfolg wiederholt. Da ich gerade von Sachsen   spreche, will ich feststellen: Dies ist der erste Parteitag seit der Einigung, der sich nicht mit dem Sachsenkonflikt zu befassen braucht. Der Fall ist erledigt. Wir bedauern wohl alle, daß der Konflikt nicht unter Aufrechterhaltung der Einheit der Partei beigelegt werden konnte. Der Partei blieb aber nichts anderes übrig, nachdem die 23 in Sachsen   sich nicht der Parteidisziplin fügten. Sie haben damit der Disziplinlosigkeit und Desorganisation Tür und Tor geöffnet. Der Versuch der besonderen Parteibildung hat auch in Sachsen   keinen Erfolg gehabt. Das hätten so alte Parteigenossen we« Buck usw. sich vorher sagen müssen. Die politische Be-
r
G ch Wertung ihres Vorgehens aber könnte ihnen ein Artikel der, q Deutschnationalen Korrespondenz" klarmachen, der den Redakteur ihres Blattes, desVolksstaates", Niekisch, als den Bahnbrecher des deutschnationalen Einflusses in Sachsen   be- zeichnete. Es ist nicht meine Aufgabe, auf die Fragen der K o a l i t i o n s- bildung oderRegierungsbildung einzugehen. Das wird Hilferding   in seinem Referat erörtern. Wenn aber ein Antrag die würdelose" Art verurteilt, in welcher der preußische Innenminister, Genosse G r z e s i n s k i aus Anlaß der Wrisbevg-Affäre im Land- tag gesprochen haben soll, so hat der Berlauf der Debatte im Preußischen Landtag die Antragsteller eines anderen belehrt. Man sollte sich allgemein hüten, auf Grund von Zeitungsberichten, ohne Rückfrage nach Monaten solche Anträge zu stellen. Ich habe mich nach jeuer Rede Grzesinskis sofort darüber informiert, daß die Verschärfung seiner Rede auf Grund einer Information erfolgte, die ihn geradezu dazu zwang. Vogelfrei sollten die Genossen, die das Unglück haben, Minister zu sein, doch nicht sein. Draußen kann ihnen ja passieren, daß sie abgeschossen werden, wie das dem Genossen Seoering so oft angedroht worden ist. Aber untereinander wollen wir unsere Gesinnungsgenossen doch nicht immer angreifen. W i r sollten nicht die Arbeit unserer Gegner besorgen." Die Herausgeber und Mitarbeiter einer gewissen Kor- r e s p o n d e n z, die ja jetzt schon eine ausgewachsene Zeitschrift ge- worden ist, haben die erfreuliche Absicht, die Partei zu bilden und zu erziehen. Aber woher nehmen jene Genossen das Recht, die Partei in so absprechender Weise zu kritisieren? Sind sie an Sachkenntnis, an Parteierfahrung, an ehrlichem Wollen, an innerer Ueberzeugung, an wahrem proleta- rischen Klassenbewußtsein, an Opferbereitschaft und Stetigkeit der von ihnen vertretenen Auffassung wirklich dazu berufen, in der schärfsten und herabsetzendsten Weise Institutionen, Parteiinstanzen in diesem Ton zu bekritteln? Gewiß, Meinungsfreiheit muß es geben, sie darf aber nicht der Deckmantel für andere Absichten sein, wenn nicht gar für solche, die von außen in die Partei hinein- getragen werden sollen. Opposition haben wir in der Partei genug. Auch im Parteivorstand gibt es eine Opposition, allerdings bei erfreulicher Homogenität der Meinungen. Neulich ist sogar eine Zettelwahl bei der Beratung einer Frage, die das weibliche Geschlecht betraf, im Parteivorstand notwendig geworden.(Heiterkeit.) Aber was es nicht in der Partei geben darf, ist das Hei- matrecht einer geschlossenen Opposition um ihrer selbst willen! Dem Richtung? st reit wollen wir in der Partei keinen Platz mehr einräumen, nur damit zerschlagen wir die Hofs- nung der Kommunisten auf Erfolg ihrer Zellenbildung. Nur so können wir den verschiedenen Ausschüssen und Gesellschaften in Deutschland  , die nichts hinter sich haben, die immer wieder dieselben Personen sind, welche in anderer Firmierung und Kostümierung über die politische Bühne laufen, um viel Volk vorzutäuschen, die Illusion rauben, daß sie imstande wären, auf die Haltung der Partei einen Einfluß auszuüben. Ein anderes sehr ernstes Problem, möchte ich als das Problem der Ueberorganisation bezeichnen. Es werden stets Klagen geführt, daß sich unsere Mit- glieder nicht in dem Maße mehr zur Parteiarbeit zur Verfügung stellen wie früher. Das liegt auch daran, daß der Arbett der Ge- Nossen   Nebenarbeit zugute kommt, die früher nicht in dem Maße vorhanden war. Eine Unzahl von Organisationen sind auf dem Boden der modernen Arbeiterbewegung erwachsen und nehmen die Kraft des einzelnen in Anspruch. Sa beansprucht das Reichs- b a n n e r einen großen Teil der Arbeit, vor allem der jungen Ge- nossen, ohne daß sich bisher der Gedanke durchgesetzt hat, daß der Schutz der RepubLt. sür de» das Reichsbanner ins Leben gerufen