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wiesen. Nach dem Kriege wurde eine solche Theorie hauptsächlich| durch die Bolfchemisten vertreten, die meinten, daß wir jetzt vor dem unmittelbaren Zusammenbruch des fapitalistischen Systems ständen. Ein solcher Zusammenbruch ist nicht erfolgt. Wir haben teinen Grund, das zu bedauern.

schen Wirtschaft zu organisieren und die fapitalistisch organisierte und geleitete Wirtschaft umzuwandeln in die vom demokratischen Staat geleitete Wirtschaft.

Das bedeutet nichts anderes, als daß unserer Generation das Problem des Sozialismus geftellt wird.

Wir sind von jeher der Meinung gewesen, daß der Sturz des tapitalistischen Systems nicht fatalistisch zu erwarten ist, auch nicht eintreten wird aus inneren Gesehen dieses Systems, son­dern daß er die bewußte Tat des Willens der Arbeiterklasse sein muß.( Sehr richtig!) Margismus ist nie Fatalismus gewesen, sondern im Gegenfämpften. Denn auch in ihnen fahen wir nichts anderes als weg teil höchster Attivismus.( Sehr richtig!) Das Wort: Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Wert der Arbeiterklasse selbst sein" hat doppelte Bedeutung: das Wert der Arbeiterklasse im Kampf gegen die Bourgeoisie, aber auch das Wert der bewußten Tat der Arbeiterklasse. Im ersten Augenblick, wo die Anzeichen einer Besserung des kapitalistischen Systems zu verzeichnen waren, hat der unbelehrbarste Teil der bürgerlichen Wissenschaft wieder vom Ende des Marrismus gesprochen. Andere haben einen neuen Höhenflug des fapitalistischen Geistes vorausgesehen. Sombart und auch Professor Geiler vertreten die Meinung, daß der Kapita lismus in seine Spätperiode eingetreten ist. Wie liegt es in Wirt­lichkeit?

Staat und Wirtschaft.

Das Entscheidende ist, daß wir im Augenblick in der Periode des Kapitalismus angelangt sind, wo die Aera der freien Konkurrenz des Kapitalismus der rein durch das Walten blinder Marktziffern be herrscht wird, überwunden ist und wieder zu einer tapitalistischen Wirtschaft tommt, also von der Wirtschaft des freien Spiels der Kräfte zur organisierten Wirtschaft. Diese Wirtschaft ist technisch da­durch ausgezeichnet, daß neben Dampf und Elektrizität immer mehr die synthetische Chemie in den Vordergrund tritt. Die An­mendung dieser Chemie bedeutet prinzipiell etwas Neues. Sie macht einmal die kapitalistische Wirtschaft unabhängig von den einzelnen Rohstoffvorkommen, wenn sie wichtige Rohstoffe aus an­organischen Stoffen, die überall in Massen vorhanden sind, künstlich herstellt. So erzeugt sie Del aus der überall in Masse vorhandenen Kohle, und wenn man gesagt hat, daß der neue Weltkrieg ein Kampf der Delquellen werden wird, so gerät diese Theoric in tödliche Verlegenheit, wenn das Del in Merseburg

Wenn wir anfangs um die politischen Rechte und die So zialpolitit gefämpft haben, so jezt um den Sozialismus. Die Formel von Löbe, daß jest Sozialismus und Kapitalismus fich in offenem Gegensatz gegenüberstehen, ist also richtig. Aber fie war schon richtig, als wir noch um die ersten sozialen Reformen bereitung zum Sozialismus, und diese Formel erschöpft nicht den Gehalt der Zeit. Wir müssen als Massenpartei möglichst einfache Formeln prägen, aber uns immer vor der Gefahr hüten, uns durch diese Formeln bestimmen zu lassen, fie unmittelbar an­zuwenden. Wegweiser für die Politik sind diese Formeln nicht. Der Einfluß des Staates auf die Wirtschaft war immer vor­handen. Ich erinnere an den Geldmarkt, wo wir jüngst das Schauspiel erlebt haben, daß eine tapitalistische Regierung fünstlich an die eine Börsenpanit erzeugte.( Seiterfeit.) Ich erinnere Handelspolitit. Die Brot und Steuer und Getreidepreise sind nicht nur ein ökonomischer Preis, sondern auch ein politischer Preis, bestimmt durch die politischen Machtver hältnisse. Die Massen müssen die Alenderung der Verhältnisse selbst herbeiführen. Neu aber ist die Staatsregelung auf dem Gebiete des unmittelbar proletarischen Schicksals, die Regelung des Arbeits­marktes, die Arbeitslofenversicherung, Tarifvertrag und Schieds­gerichte, staatliche Arbeitszeitregelung usw. Sie laffen das Schick al des Arbeiters als Lohnarbeiter völlig durch die Bolitik bestimmen. Wir haben in der kapitalistischen Wirtschaft legthin bei über zwei Millionen Arbeitslosen den Real lohn im allgemeinen gehalten, lediglich weil der politische Einfluß der Arbeiterklasse groß genug war.

usw. aus Braunkohle fabriziert wird. Ferner ist die Technik dazu ist gekommen, Rohstoffe in solcher Form zur Verfügung zu stellen, daß sie für industrielle Zwecke besser verwertet werden, oder ihnen ganz neue Eigenschaft zu geben. Danach erzeugt man jetzt tostbare organische Stoffe aus billigen, anorganischen Stoffen. Ich erinnere an den kolossalen Aufschwung der Kunstseide, die an Stelle der Seide, die die Maulbeerwürmer ergeben müssen, ein chemisches Ver­fahren, das Seide aus billigen, überall vorhandenen Rohstoffen

herstellt.

Durch diefe Entwicklung der Technit wird die gefamte Grundlage unferer fapitalistischen Produktion mit einer toloffalen Explosio­fraft umgewälzt.

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Wir müssen in jedes Arbeiterhirn einhämmern, daß der Arbeitslohn ein politischer Lohn ist, der abhängt von der Stärke der Arbeiterklasse, von der Organisation und der sozialen Macht der Arbeiter innerhalb des parlamentarischen Staates. Die Arbeiterfrauen müssen endlich begreifen, daß fie, wenn sie zur Wahl gehen, die Lohnhöhe bestimmen, den Brotpreis und den Fleischpreis.( Sehr wahr!)

Daraus ergibt sich unsere Stellung im Staat. Die Arbeiterschaft von Anfang an gegen den Liberalismus als Träger des Gebankens des Staatseinflusses auf die Wirtschaft gewesen. Jetzt fordert fie über die Sozialpolitik hinaus Wirtschafts- und Betriebs= führung durch die Gesellschaft. Die Gesellschaft hat aber keine andere Organisation bewußten Handelns als die Staats­organisation. Wir müssen dabei von jeder Staatsphilosophie ab­sehen und den Fetischismus der gesellschaftlichen Erscheinungen durch die Analyse der Realitäten auflösen. Der Staat ist felbftver fändlich die Organisation der herrschenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Klassenherrschaft. Aber gerade im morri ftischen Sinne ist das feine Staatstheorie, weil es auf alle Staats­formen zutrifft, und der Marrismus gerade den Unterschied der einzelnen Staatsformen zu erfassen sucht. Die Engländer philofo­Charakteristisch ist, daß die tapitalistische Industrie in organisierter phieren gar nicht über den Staat, sondern über die Regierung. Weise die neuen Möglichkeiten ausnügt, daß neu entstehende In- Uns Organisationspraktikern ist ohne weiteres klar, daß die Organi­dustrien sich gleich über die ganze Welt ausbreiten. Die Kunstfation besteht aus ihren Mitgliedern, ihrer Leitung und ihrem Ber­seidenindustrie z. B. stellt einen einzigen großen fapitalistischen maltungsapparat. So ist der Staat nichts anderes als Regierung, internationalen Konzern dar, der mit anderen Trust Verwaltungsmaschine und Staatsbürger. Ein wesentliches Moment bildungen wie mit der Chemie eng verbunden ist und von da Ber- des modernen Staates find infolgedessen die Parteien, genau wie bindungen hat mit Textiltonzernen usw. Wie die Konzern Regierung und Berwaltung. bildung, so ist die Internationalisierung jegt der Großindustrie erstes Wort. Wer in tapitalistischen Kreisen verkehrt, wie ich und es ist nützlich, die Tatsachen des Gegners studieren zu können staunt immer wieder, wie diese Kreise, die vor dem Krieg auf national abgeschlossene Wirtschaftsführung ein- Erst in diesem Zusammenhang erhellt die ganze Genialität gestellt waren, jetzt ununterbrochene Beziehungen zum der oft zitierten Säge von Karl Marg, daß der Sieg des Zehn­Ausland suchen und pflegen und den Drang zur internatio- stundentages in England ein Sieg der politischen Dekonomie der sation der Arbeiter entstand, dann die ersten organisierten Wirt- Bum ersten Male hat sich da im hellen Tageslicht gegen die Bour­schaftselemente im Reich der freien Konkurrenz, dann aber die Unter- geoisie durchgefeßt das politische Prinzip der Arbeiterklasse, den nehmer in ihrer geringen Zahl und ihrem größeren Klaffenbewußt- taat als Mittel der Beherrschung und Leitung sein unsere Organisation eingeholt, ja vielleicht über holt haben, so erleben wir es heute auf internationalem

Gebiet.

Damit gewinnt die Handelspolitik ein ganz neues Geficht. Bir haben sie immer schon als Mittel zur Preiserhöhung der agrarischen Produtte angesehen. Aber das eigentlich Revolutionäre in der Handelspolitik der letzten Jahrzehnte waren die in du. ftriellen Schutzölle, der stärkste Antrieb für Organi sation, Kartellierung und Bertrustung der In­dustrie. Man hätte annehmen können, daß mit der internatio­nalen Kartellierung die Schug zollbewegung abflauen würde. Aber im Gegenteil, sie hat neue Funktionen bekommen. Der Abschluß des deutschen Marktes durch hohe Eisenzölle bedeutet die Sicherung der Quote des inländischen Eisenverbrauchs bei inter­nationalen Kartellverhandlungen, für die deutschen Produzenten. Je höher der Schuzzoll, desto größer die gesicherte Quote, desto ficherer das nationale Monopol auf dem internationalen Markte.

Es geht nicht mehr um den fogenannten Schutz der Arbeit, sondern um den Kartellschuh, um die Erleichterung des Ab­schluffes internationaler Kartellverträge.

Es geht um den Schuß der franzöfifchen, belgischen, polnischen und tschechischen Eiſenindustrie, die der Abschluß internationaler Kartelle viel sicherer stellt als die freie Konkurrenz mit der vorgeschrittenen deutschen Eisenindustrie. Auch die Handelspolitit hat alfe ein Auch die Handelspolitit hat alfo ein doppeltes Gesicht. Die reaktionäre Seite ist die Preiserhöhung, die Auswucherung der Konsumenten; die revolutionäre Seife ble Förderung der Konzentrationstendenz in der fapitalistischen Wirt­schaft. Privatbetriebliche Wirtschaftsführung des einzelnen Unter­nehmens hat aufgehört, seine Brivatsache zu fein. Die Gesellschaft hat begriffen, daß es ihr Interesse ist, die Produktivität möglichst zu steigern. Darum bemühen sich eine ganze Anzahl von Institu­tionen halb behördlicher Art, wie das Sturatorium für Wirtschaft­lichkeit, um die Förderung der Rationalisierungsbestrebungen.

Das bedeutet nichts anderes, als daß die Gesellschaft erklärt: die Führung eines Unternehmens ist gesellschaftliche Ange­legenheit!( Sehr wahr!)

Bisher hatte der Kapitalismus gelehrt, daß nur der 3 mang der freien Konturrenz die Wirtschaft fördern tann. Der Vor­wurf gegen den Sozialismus lautete: 3hr schaltet die Privat initiative aus und könnt an Stelle von Eigennutz und Ehrgeiz für den Fortschritt der Wirtschaft keine genügenden Antriebe feßen. Jept aber sucht die moderne Betriebswissenschaft den Betrieb missenschaftlich, planmäßig zu leiten. Der Konzern leiter braucht eine Methode, um in jedem Augenblic festzustellen, ob die einzelne Unternehmung des Konzerns den höchsten Muzeffett erzielt.

Damit fällt der lehte psychologische Einwand, den der Kapi­talismus gegen den Sozialismus erheben könnte.( Sehr wahr!)

Der Parteikampf ist im fapitalistischen Staat nichts anderes als Klaffenkampf. Der Kampf der Parteien geht um den Staatsinhalt und den Einfluß auf die Führung des Staates.

der Wirtschaft zu verwenden im Dienste des allgemeinen Interesses. Daß das nicht bloß eine theoretische Einsicht ist, zeigt gerade die Entwicklung der Gewertschaften, die in ihrer Aufgabenstellung immer mehr politisiert werden. In der Gesellschaft der freien Konkurrenz konnten sie nur den unmittel­baren Klassentampf zwischen Unternehmern und Arbeitern um den Ertrag der Produktion, um die fürzere Arbeitszeit und höhere Löhne führen. Jetzt stellen sich die Gewerkschaften immer mehr andere Auf­gaben. Jetzt gehen die herrschenden Ideen um die Betriebs­Demokratie, um die Wirtschaftsdemokratie.

Die Gewerkschaften müssen sich also im Zeitalter des organi­fierten Kapitalismus immer mehr unmittelbar sozialistische Auf­gaben stellen. Das ist nicht etwa nur das Ziel der freien Gewert­fchaften, fondern diefe Tendenz dringt auch bei den christlichen Ge­werkschaften durch.( Sehr richtig!)

Demokratie- die Sache des Proletariats.

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Diese reden zwar noch eine etwas andere Sprache als die Ar­beiter in den freien Gewerkschaften, aber diese Sprachverschiedenheit ist viel geringer als etwa die zwischen Bayern und Sahsen.( Heiter feit.) Der Kampf um das politische Endziel der Arbeiterstlase dient zunächst um die Beseitigung des Erbrechts der Befizprivilegien der monarchie, der Aristokratie und dann der Besizprivilegien beim Wahlrecht. Rein politisch find all diese Befizprivilegien gebrochen, und jetzt steht jeder Arbeiter vor dem offenkundigen Widerspruch, daß es trotzdem noch ökonomische Besiz privilegien gibt. Diese fönnen nur beseitigt werden, wenn der Arbeiter Hand an die Hebel der entscheidenden Staatsgewalt legen tann. Deshalb ist die Demokratie der beste Kampf­boden. Die beste Definition des sozialen Inhalts der Demokratie ist seinerzeit von den berühmten und besten Führern der Konserva tinen, dem Freiherrn von Heydebrand gegeben worden, als er bei der Beratung der Erbschaftssteuer den Saal mit den Worten überraschte:

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" Wir Konfervafiven werden uns unter feinen Umständen dulden, daß das Portemonnaie der Besibenden dem Reichstag des gleichen Wahlrechts ausgeliefert wird."

Der Mann hat verstanden, worauf es bei der Demokratie an­kommt, und wir haben feinen Grund, weniger Verständnis zu be meisen als dieser unser schärfster und gleichzeitig auch flügster Klaffengegner. Historisch betrachtet ist die Demokratie stets die Sache des Proletariats. Wenn in einigen Anträgen steht, daß die Demo­fratie Sache der Bourgeoisie geworden sei, so heißt das, die politische Geschichte der Bourgeoisie nicht zu fennen, es heißt, aus den Schrif ten einiger Leute die wirkliche Geschichte herauslesen zu wollen. In Wirklichkeit gibt es teinen schärferen politischen Kampf als den, den das Proletariat um die Demokratie gegen das Bürgertum ge­führt hat.( Sehr richtig!) Dieser Kampf gehört gerade zu den Großtaten des Proletariats, und es ist historisch irrefüh­rend, von bürgerlicher Demokratie zu reden. Ich erinnere baran, wieviel proletarisches Blut für die Erringung des Organisierter Kapitalismus . gleichen Wahlrechts geflossen ist. Das Wort ist auch falsch Dom Organisierter Rapitalismus heißt Erfaz des fapi. Standpunkt der sozialen Kritit und Analyse. Demokratie bedeutet talistischen Prinzips, des freien Wettbewerbs durch das sozialistische doch eine ganz andere Kenntnis der Bildung des Staates. Früher war der Wille des Deutschen Reichstags eine Bagatelle, wenn sich Brinzip der Planmäßigkeit, durch gesellschaftliche Regelung. Die organisiert geleitete Wirtschaft gibt nun in viel höherem Maße die ihm entgegenstellte der Wille des Militarismus, der hohen Bureau Möglichkeit bewußter Einwirkung durch die Wirt- tratie, des Monarchen. Jest ist tatsächlich die Bildung des Staats­millens nichts anderes als die Zusammenfassung, bie Komponente schaft auf den Staat. Es treten sich gegenüber auf der einen aus dem Staatswillen der Einzelnen. Seite die kapitalistisch organisierte Wirtschaft, auf der anderen Seite die Staatsorganisation. Das Problem der Zeit ist, wie wir die gegenseitige Durchdringung gestalten. Unserer Generation ist die Aufgabe gestellt, mit Hilfe des Staates die Regelung der fapitalisti­

Jetzt müssen sich die Herrschenden an den Staatsbürger wenden und müssen ihre Herrschaft im geistigen Ringen mit uns immer wieder neu von einer Majorität bestätigen laffen.

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Benn nicht, so ist auf dem Boden der Demokratie ihre Herrschaft zu Ende. Es ist ein großes Mißverständnis, daß das zweifelhaft wäre, weil die Herrschenden, wie man sagt, die Demokratie nicht respektieren. Das ist für uns kein Problem, sondern das ist eine Selbstverständliche Auffassung jeden Republikaners, daß in dem Augenblid, wo man versuchte, die Grundlagen der Demokratie zu zerstören, alle Mittel angewandt werden müssen, um diese Grund­lcge zu sichern.( Sehr wahr!) Das ist keine Frage der Anwendung von Gewalt. Nach den Erfahrungen, die wir in Deutschland 1918 gemacht haben, und die in Rußland gemacht worden sind, ich spreche jetzt vou bedeutet Gewaltanwendung im Klassenkampfe nicht etwa wirklicher Gewalt, von Hauen, Stechen und Schießen einen vorübergehenden Putsch, sondern einen lang währenden, außerordentlich erbitterten und verlustreichen Bürgerkrieg.( Sehr richtig!) Ich sage: Wenn die Grundlage der Demokratie zerstört ist, dann sind wir in der Defensive, dann wenden wir unter Umständen alle Mittel an, dann haben mir feine Wahl.( Lebhafte Zustimmung) Es gibt fein schwereres Hemmnis der Berwirklichung des So­zialismus als den Bürgerkrieg. Wir stehen in einer ungeheuer schwierigen Situation als Sozialisten, wenn erst aus einem Bürgerkrieg die proletarische Staatsmacht hervorgeht.( Sehr wahr!) Deshalb haben wir ein unbedingtes Intereffe als Prote­fariat an der Erhaltung der Demokratie. Deshalb wollen wir fie verteidigen und wir danken dem Reichsbanner für seine Arbeit.( Stürmischer Beifall.)

Wir hoffen, daß ihm kein Opfer zu groß sein wird, um im Interesse der Arbeiterklasse die Republit, die Demokratie zu erhalten.( Burus: Und die Partei?)

Parteigenossen! Wenn Sie nicht verstanden haben, daß die Erhaltung der Demokratie und der Republik das wichtigste Parteiinteresse ist, dann haben Sie noch nicht das ABG der politischen Machtbildung begriffen.( Stürmische Zu stimmung.) Nicht nur historisch ist die Demokratie eine Sache des Proletariats, sondern auch soziologisch. Es ist eine lächerliche Intellektuellenvorstellung, daß es irgend eine Gemeinschaft gibt zwischen antifen und frühitalienischen Demokratien und unserer mo­bernen Demokratie. Unsere moderne Demokratie existiert nur, wo ein ftactes mit politischem Bewußtsein erfülltes Proletariat dahinter steht.( Sehr richtig!) Wo das nicht der Fall ist, geht die Demokratie zugrunde. Denfen Sie an den südamerikanischen Staat: famose Verfassung, alles demokratisch in Ordnung, aber keine prole­tarische Organisation. Cliquenwirtschaft, militärische Wirtschaft, kurz, Gewiß, darauf komme ich noc.

Ebenso falsch ist das Wort von der formalen Demo­fratie; denn es verkennt den inneren Zusammenhang zwischen Politik und ihren sozialen Wirkungen. Eine andere politische Macht­berteilung, eine andere Bestimmung des Staatswillens bedeutet auch, daß dieser Staatswille sozial ganz anders geformt wird, also auch von diesem Standpunkt ist politische Demokratie absolut eine Sache des Proletariats. Es ist falsch, da von demokratischen llufionen zu reden. Marg hat schon in seinen Jugendschriften barauf hingewiesen, daß die politische Emanzipation nicht ausreicht, daß dazu fommen müsse die menschliche Emanzi= pation. Wir würden das heute als soziale Emanzi= pation bezeichnen. Ist es nicht wieder eine blaffe Intellektuelien­vorstellung, daß wir den Arbeiter, der täglich in der Fabrik am eigenen Leibe spürt, daß politische Emanzipation noch nicht gleich­bedeutend ist mit sozialer Emanzipation, warnen müssen vor Illu fionen über politische Demokratie.

Das ist eine Kinderei, mit der wir uns nicht herumschlagen wollen. Die wirkliche Gefahr, die leider in proletarischen Schichten ganzer Länder zu verzeichnen gewefen ist, ist, daß die Wichtigkeit der Freiheit, die wichtigkeit der Demokratie von den Arbeitern nicht erkannt wird.( Lebhafte Bustimmung.) Wir haben uns mit Recht immer über das Bürgertum entrüftet, das

seine liberalen Prinzipien aufgegeben hat. Ich bin etwas bescheide ner und vorsichtiger in dieser Kritif geworden, weil ich überlegtud habe, wie in Italien mussolini zur Macht gelangt ist, weil cas italienische Proletariat nicht gewußt hat, welches Gut die Frei­heit und die Demokratie ist.( Sehr wahr!) Dasselbe gilt noch viel mehr für den Osten. Die deprimierendsten Stunden in meinem Parteileben waren der Kampf, den ich in der Unabhängigen Sozial­demokratie gegen die Anhänger der 21 Punkte führen mußte. Gegen diese Genossen, die nicht verstanden, was sie preisgaben, was sie mit jenen diftatorischen Erwägungen aufgaben, nicht nur für das Staats­leben, sondern sogar für die eigene Partei. Seitdem haben wir erfahren, was für ein Unglüd der Bolichemismus gewesen ist. Ueber die Frage, ob der Bolschewismus revolutionär oder reaktionär gewirkt hat, wird später

einmal die Geschichte zu urteilen haben.

Für uns in Mitteleuropa ift es jedenfalls ein großes Unglüd, daß der Sieg des Bolschewismus vor dem Sieg der demokra­tischen Revolution in Deutschland fam. Wenn wir damals an der Demokratie festgehalten hätten, hätten wir sehr viel ffärker für den Aufstieg der Arbeiterklasse tämpfen und hätten viel größere Erfolge erreichen können, als jekt, wo ein Teil der Arbeiterklasse gegen die eigene Front gefämpft hat in Berkennung der politischen Rechte.( Stürmische Zustimmung.) Die Illusionen, die heute zerstört werden müssen, sind die anti­demokratischen Illusionen.

Republik oder Monarchie?

Nun zur Frage: Monarchie oder Republit. In einigen Anträgen ist davon die Rede, die Bourgeoisie habe sich mit der Re­ publik abgefunden. Das ist nichts als ein Freibrief für die Monarchisten in Deutschland. ( Lebhafter Beifall.) Richtig ist: Die Monarchisten haben eine schwere Niederlage erlitten. Richtig ist, daß ihr Anhang in den Massen zurückgehen muß, daß mon­archische Treue feine Heringsware ist, die man auf zwei Jahre ein­pöfeln fann, daß man das monarchische Prinzip nicht behandeln fann als Attie, die man auf die Bank gibt, um sie nach zwei Jahren zurückzufordern.( Heiterfeit und Sehr gut!)

Aber wenn der afufe Kampf gegen die Republit heute nicht mehr fo gefährlich ist, so folgt gerade daraus, daß, da diese Gegenfähe um die Staatsform im bürgerlichen Cager zurückgetreten find, mit der viel arößeren Gefahr zu rechnen ist, daß die gesamte Reaktion in Deutschland sich vereinigt im Kampfe gegen die Demokratie für den Faschismus.( Lebhafte Zustimmung.)

Das ist eine Gefahr nicht nur für die Republit, sondern für den wirklichen Inhalt der Demokratie, ja der Umfang der Gefahr ist sogar dadurch um so größer geworden, daß die Deutsch­nationalen ihr monarchisches Prinzip auf zwei Jahre eingepötelt haben.( Sehr wahr!) Also der Kampf um Republik oder Mon­archie ist ersetzt worden durch den Kampf um den Faschis­mus, und wir würden den schlimmsten Fehler begehen, wenn wir dem Proletariat sagen würden: Darum habt Ihr Euch weniger zu fümmern, jekt fommen nur die materiellen Interessen in Betracht. Diese Entwicklung zeigt auch die Gefahr, die die neue Rechts­regierung bedeutet. Das Zentrum ist sehr stolz, daß die Deutsch­nationalen die Richtlinien angenommen und für das Republitschuh­gefeß geftimmt haben. Bom Standpunkt der Republikaner aus find das gewiffe politische Erfolge, aber dieser Sieg ist trügerisch, denn es geht den Deutschnationalen vielmehr um die Wieder. erlangung ihrer fozialen Herrschaft über das deutsche Bolt.( Sehr wahr!) Wir müssen gerade die 3entrums= arbeiter über diese Täuschung aufklären.

Es besteht die Gefahr, daß der schwarzblaue Blod der Borkriegs­zeit sich unter Umständen für länger feftfeht und eine zeitweise Täuschung des Zentrums manifestiert wird, die im sogenannten Kulturkampf liegt.