Schiele als Voltserzieher. Er will den Agrariern billige Landarbeiter besorgen Der Reichseniährungsminister des Rechtsblocks, der Fabrikant und Rittergutsbesitzer Martin Schiele , hat, wie sein letzter Vor» trag über das deutsche Ernährungsproblem(in der Weltwirtschaft- lichen Gesellschaft zu Berlin ) zeigt, in der letzten Zeit etwas hinzu- gelernt. Die peinlichen Korrekturen, die feine letzten Reden und die Ostlandrede seines deutfchnationalen Ministerkollegen Hergt durch die übrigen Mitglieder des Kabinetts erfahren haben, ließen ihm eine etwas größere Zurückhaltung geboten erscheinen. Er betrachtet es daher nicht mehr als die ausschließliche Aufgabe der heimischen Landwirtschaft, die volle ernöhrungswirtschaftliche Selbständigkeit Deutschlands —»ohlbemerkt hinter entsprechenden Schutzzollmauern — sicherzustellen, sondern er will nur durch Mehrproduktion im Inneren und Absperrung der Lebensmittcleinfuhr die böse Passivität der Handelsbilanz beseitigen. Er will auch nicht, wie sein Kolleg«, direkt gen Ostland reiten, sondern er will nur Bauern nach Ostdeutschland verpflanzen. Sein Hauptziel sieht er aber darin, das deutsche Dalk neuen Idealen und neuer Lebenskraft entgegen. zuführen. Eine großzügige Umsiedelung— etwa 500 000 Städter aufs Land und auf die eigene Scholle— soll alle unsere wirt« schaftlichen Nöte heilen und den bekannten Jungbrunnen deutschen Geistes wieder einmal so recht sprudeln lassen. Da aber oller Anfang schwer ist, macht Herr Schielt zunächst einmal den konkreten Bor- schlag, junge Arbeitslose aus den Städten in Tnipps zusam- menzufassen und sie als Ersatz für die polnischen Schnitter in den lierstehenden Schnittertasernen der ostelbischen Güter unterzu- bringen l Der Anfang zur Volksgejundung geht also nach Schieles Absicht zunächst einmal derart vor sich, daß den Gütern des Ostens billige und fügsame Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden sollen. Auf diesem Wege will er dann zur Ge- fundung der deutschen Seele kommen, die, wie er selbst glaubt, in den letzten 50 Jahren, also in der gloreichen Zeit des Kaisertums, durch den allzu schnellen wirtschaftlichen Aufstieg materialisiert und entwurzelt worden sei.
Um öas Reichsschulgefetz. Das Zentrum drangt— Volkspartei bremst. Auf dem preußischen Parteitag des Zentrums ist mitgeteilt worden, daß das Reichsschulgesetz in etwa drei Wochen fertiggestellt sein solle. Es ist bekannt, daß das Zentrum angesichts der gegenwärtigen Nehrheitsverhöltnisse auf«ine baldig« Ver- abschiedung des Reichsschulgesetzes drängt. Dieses Drängen find«! jedoch nicht bei allen Regierungsparteien Gegenliebe, und ins- besondere nicht— wie der.Demokratische Zeitungedienst* mitteilt— bei der Deutschen Volkspartei. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, ist mit einer schnellen Verabschiedung des Reichs- schulgesetzes nicht zu rechnen, schon deshalb nicht, weil die voraus- sichtlichen Verhandlungen de» Reichsinnenministeriums mit den Ländern sich sehr schwierig gestalten werden.
Notruf aus öem Saargebiet. Eine Kundgebung der saarländischen Sozialdemokratie. Saarbrücken , 27. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Auf der Tagung des sozialdemokratischen Parteiausschusies für das Saargebiet wurde folgende Entschließung gefaßt: n.Parteivorstand, Parteiausschuß und Landesratsfraktion der So- zialdemokratischen Partei des Saargebiets lenken die Aufmerksamkeit der in Betracht kommenden Instanzen und der Oeffentllchkeit mit allem Nachdruck auf die zurzeit im Saargebiet bestehende soziale Krise, deren Umfang und Ausmaß beängstigend und deren Kon- sequenzen noch nicht abzusehen sind. Die Lebensmöglich- k e i t e n der von Lohnabbau, Feierschichten und Teuerung gleichmäßig betroffenen Familien sind auf das äußer st egefährdet. Allein die schon bis heute im Bergbau eingelegten Feierschichten be- deuten einen Lohnausfall von wenigstens 17 Millionen Franken. Der nach dem Urteil aller saarländischen pvlltischen Parteien u n-
| nötige Lohnabbau und die zurzeit einsetzende steigende Teuerung erhöhen dasElend. Es ist in erster Linie, ab- gesehen von der moralischen Verpflichtung der Arbeitgeber, die Aus- gäbe der Regierungstommission de» Saargebiets, dieser Notlage eines großen Teiles der Saarbevölkerung zu steuern. Wir fordern daher von der Regierungskommission die Sicherung des Exi- st e n z m i n i m u m s für die ihr zu treuen Händen anvertrauten werktätigen Dolksschichten. Angesichts der wachsenden Verelendung der Werktätigen und Sozialrentenempfänger im Bergbau, in allen Industrien, der Staats- arbeiterschaft und aller übrigen Arbeiterkategorien des Saargebiets aber halten wir es für unsere Pflicht, auch den Völkerbund auf die Zustände in dem ihm anvertrauten Gebiet aufmerksam zu machen und die von ihm selbst bei der Schaffung des Saarzebiets statuierte Aufgabe der Erhaltung der Wohlfahrt der Bevölkerung einer ein- gehenden Prüfung zu empfehlen. Endlich wenden wir uns an das Reich und die Länder- regierungen unseres Vaterlandes. Wir erwarten vom Reich wie auch von Preußen und Bayern schnelle und durchgreifende Hilfe.
Stahlhelm-/lmo?läufer. MildeS Urteil für einen rückfälligen Stahlhclmschützen. Düsieldorf, 27. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Ein« auffallend milde Sühne fand der versuchte Totschlag, den der Stahl- helmmann Christian Vobis beging, indem er ohne Grund einen Arbeiter durch den K o p f s ch o ß. Ehnstian Vobis war bereits wegen Teilnahme an der Schlägerei, in deren verlauf der Reichsbannennann Crdmonn erstochen wurde, zu zwei Iahren Ge- fängnis verurteilt worden. Jetzt hatte er sich wegen des neuen Tot- schlagversuches und wegen unbefugten Waffenbesitzes vor dem Schwurgericht in Düsieldorf zu verantworten. Die Anklage vertrat der wegen seiner hohen Strafanträge gegen Angeklagte der linksgerichteten Organisationen bekanntgeworden« Staatsanwalt- fchaftsrat Dr. Neugebauer. Die Stahlhelmer behaupteten in der Verhandlung, von Rotfrontleuten angerempelt und beschimpft worden zu sein. Vobis will von dem Installateur Schmitz einen Schlag erhalten und sich mit der Pistole schlagend gewehrt haben. Dabei soll ohne seinen Willen der Schuß losgegangen sein. Eine ganze Reihe Zeugen, darunter ein großer Teil solcher, die keiner politischen Organisation angehören, bekundet aber, daß von den Rot- frontleuten nur zwei auf der Straße waren, und zwar Schmitz, der einem auswärtigen Delegierten das Quartier zeigen wollte, und daß Rabis ohne jede Veranlassung geschossen hat. Trotzdem fand der Staatsanwalt für den Stahlhelmer noch ein- mal mildernde Umstände, und zwar darin, daß der junge Stahlhelmer durch seine Organisation maßlos»erhetzt sei, daß er sich gereizt fühlte, und zum Schluß betonte der Staatsanwalt, daß man ihm seine polltische Ueberzeugung zugute halten müsse. Er beantragte wegen»ersuchten Totschlags und unbefugten Waffenbesitzes, in der Absicht, mit den Waffon Gewalttätigkelten zu begehen, eine Gesamtgesängniestrafe von 2% Jahren an Stelle einer eigentlich verwirkten Zuchthausstrafe. Das Gericht ging im Urteil, obwohl auch es Vobis mildernde Umstände zubilligte, über den Strafantrag hinaus und verurteilte ihn zu einer Gefängnis st rafe von drei Iahren und drei Monaten unter gleichzeitiger Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zwei Iahren. In der Urteilsbegrün- dung hob es hervor, daß asoziale Elemente wie Vobis, die be! jeder Gelegenheit blindlings um sich schießen, eigentlich überhaupt nicht In die Freiheit gehären. Zugute müsse ihm allerdings gehalten werden. daß er durch die pol itische Organisation des Stahlhelms, dem er angehöre, maßlos verhetzt worden sei, ferner daß er in der fraglichen Nacht durch Rotfrontkämpfer provoziert worden sei.(?) Die Familie des Vobis. Ein Bruder des so milde Verurteilten ist der früher der KPD. angehörend« und jetzt mit dem Stahlhelm sympathisierende Anstreicher Joseph Vobis, der ebenfalls kürzlich wegen der Vorgänge, in
deren Verlauf der Reichsbannermann Erdmaun er- st o ch e n wurde, zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden ist. Dieser kam setzten Sonntag abend gegen Vil2 Uhr in ein Verkehrslotal des Rotfrontkämpferbunde�>im Vorort Bilk . Mehrer« Rotfrontleme erkannten ihn und forderten ihn auf, das Lokal zu oerlassen. Als Vobis in die Hosentaschen faßte, griffen einige Gäste zu und zogen ihm die Hand mit einer mit sieben Schuß geladenen Armeepistole aus der Tasche. V. erhielt einige Ohrfeigen und wurde auf die Straße gesetzt. Er stellte sich gegenüber dem Lokal aus und feuerte kurz darauf aus einem zweiten Revolver, den er bei sich getragen hatte, mehrere Schüsse auf Passanten, die er an den Vorgängen in der Wirtschast für beteiligt hielt. Einer dieser Schüsse traf den erwerbslosen Arbeiter Hötterges, der an der Sache völlig unbeteiligt ist, in die Brust. Als Passanten den Re- volverhelden fassen wollten, ergriff er die Flucht und feuerte weiter auf sein« Verfolger. Durch einen dieser Schüsse wurde ein Arbeiter Relles am Oberschenkel schwer verletzt. Außer- dem erhielt Relles«inen Schuß in den Unterleib. Schließlich wurde V. ergriffen und, ziemlich übel zugerichtet, der Polizei übergeben, die ihn vor der erregten Menge schützen mußte. Vobis sowie seine beiden dem Stahlhelm angehörenden Brüder sind in Düsseldorf als gewalttätige Burschen bekannt. Seit der Zugehörigkeit zum Stahl- Helm waren die Vobis ständig im Besitz von Massen. Aufsälligerwelse hat die Polizei nie bei den Vobis Haus- suchung nach Waffen gehalten, obwohl ihr all diese Vorgänge bekannt waren. Obwohl den Gebrüdern Vobis«in Waffenschein verweigert worden ist, hat sie auch nie Recherchen angestellt, wie diese Burschen, die der Schrecken der Arbeiterviertel sind, in den Besitz der Waffen gekommen sind und immer wieder kommen. Hoffentlich faßt die Polizei diesmal zu.
die öesserung am �rbeitsmarkt. Anhaltender Rückgang der Erwerbslosigkeit. Die Lage am Arbeitsmarkt hat sich nach den letzten amtlichen Berichten weiter gebessert. Nicht nur die Zahl der vom Reiche unterstützten Erwerbslosen , sondern diesmal auch die von der Krisenfürsorge erfaßten Arbeitslosen zeigen einen beachtlichen Rückgang. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfängcr in der Erwerbs- losenfürsorge betrug am 15. Mai 1927 rund 7 4 6 0 0 0(männlich 606 000, weiblich 140 000) gegenüber rund 8 7 0 0 0 0(männlich 716 000, weiblich 154 000) am 1. Mai 1927 und 983 000(männlich 816 000, weiblich 167 000) am 15. April 1927. Der Rückgang in der Zeit vom 1. bis 15. Mai 1927 beträgt also rund 124 000 gleich 14,3 Proz. Die Zahl de ? Zuschkagsempfänger(unterstützungs- berechtigte Familienangehörige) ist im gleichen Zeitraum von 987 000 auf 840 000 zurückgegangen. Auch die Zahl der Hauplunterstützungsempfänger in der K r i s e n f ü r s o r g e ist In der Zeit vom 15. April bis zum 15. Mai 1927 um rund 8000 zurückgegangen. Di« Gesamtzahl der Arbeitslosen zeigt einen Rückgang im letzten Monat um 245 000 gleich 20,1 Proz. Roch klarer wird die Besserung am Arbeitsmarkt erkennbar, wenn man die Zahlen der Unterstützungsempfänger zur Zeit des Höhepunktes der Krise und jetzt vergleicht. Am 15. Januar waren insgesamt 1 972 131 Personen entweder von der Arbeits- losenfürsorge des Reiches oder von der Krisenfürsorge der Gemeinden als voll erwerbslos erfaßt. Am 15. Mai ist die entsprechend« Zahl 972 000— immer noch ein gewaltiges Heer von unfreiwillig feiern- den Arbeitswilligen. Nachdem aber die amtlich kontrollierte Er- werbslosigkeit auf die Hälft« zusammengeschrumpft ist, hat die Industrie kein Recht mehr, über schlechten Geschäfts- gang zu klagen. Wenn sie es dennoch tut und neuerdings sogar wieder in Eingaben an Ministerien die Loge als kritisch hinstellt, so tut sie das lediglich aus dem durchsichtigen Grunde, um ihrer sozialreoktionären Absicht größeren Nachdruck zu oerleihen.
ver Hausierer. Von Joseph Roth . Zn einer Serie»Berichte«u»»er Wirklichkeit�, den der Berliner Berlaa»Die Schmiede" dereuoeibt, erscheint soeben ein Bändchen „Juden aus«»nderschaft", dessen Bersasser Joseph Roth ist. In sprühend lebendigen, scharf und doch liebevoll gesehenen, mit dem unseren Lesern»ohlbekonnten trockenen Rothschen Humor gl. jeichneten Bildern bietet dos kleine Buch«in« reiche Füll« packender Schilderungen»em Leben ber Ostjuden in der Heimat und in der Fremde,»tit Lrlaudni» de» Berlage» gel»«» mix au» dem Sapitel .Wien " die nachstehende Skizze wieder. ' Man kann ein Hausierer oder«in Ratenhändler sein. Ein Hausierer trägt Seife, Hosenträger, Gummiartikel, Hosen- knöpfe, Vleististe in einem Korb, den er um den Rücken um- geschnallt hat. Mit diesem kleinen Laden besucht man verschiedene Cafäö und Gasthäuser. Aber es ist ratsam, sich vorher zu überlegen, ob man gut dar«n tut, hier und d»rt einzukehren. Auch zu einem einigermaßen erfolgreichen Hausieren gehört eine j«hrelcinge Erjahrung. Man geht am sichersten zu Piowati, um die Abendstunben, wenn die oermögenden Leute koschere Würste mit Kren essen. Schon der Inhaber ist es dem jüdischen Ruf seiner Firma schuldig, einen«rmen Hausierer mit einer Suppe zu be- Wirten. Das ist nun«uf jeben F«ll ein Verdienst. Was die Gäste lu-urim. io il»tz wenn bereit» gesättigt, sehr wohltätiger Stim- mung. Bei niemandem hängt die Güte so innig mit der körper- lichen Befriedigung zusammen, wie beim jüdischen Kaufmann. Wenn er gegessen hat und wenn er gut gegessen hat, ist er sogar imstande. Hosenträger zu kaufen, obwohl er sie selbst in seinem Laden führt. Meist wird er gar nichts kaufen und ein Almosen geben. Man darf natürlich nicht etwa als der sechste Hausierer zu Piowati kommen. Beim dritten hört die Güte auf. Ich kannte einen jüdischen Hausierer, der alle drei Stunden in denselben Piowati-Laden eintrat. Die Generationen der Esser wechseln alle drei Stunden. Saß n»ch ein Gast von der alten Generation, so mied der Hausierer dessen Tisch. Er wußte genau, wo das Herz aufhört und wo die Nerven beginnen. In einem ganz bastimmten Stadium der Trunkenheit sind auch die Christen gutherzig. Man kann also am Sonntag in die kleinen Schenken und in die Easts der Vororte eintreten, ohne Schlimmes zu besürchten. Man wird ein wenig gehänselt und beschimpft wer- den, aber so äußert sich eben die Gutmütigkeit. Besonders Witzige werden den Korb»egnehmen, oerstecken und den Hausierer ein wenig zur verzweiflunz bringen. Er lasse sich nicht erschrecken! Es sind lauter Aeußeningen des goldenen Wiener Herzens. Ein paar Ansichtskarten wird er schließlich verkaufen. All« seine Einnahmen reichen nicht aus, ihn selbst zu ernähren. Dennoch wird der Hausierer Frau, Töchter und Söhne zu erhalten wissen. Er wird seine Kinder in die Mittelschule schicken, wenn sie begabt ssnd, und Gott will, daß sie begabt sind. Der Sohn wird einmal ein berühmter Rechtsanwalt sein, aber der Vater, der so
lange hausieren mußte, wird weiter hausleren wollen. Manchmal fügt es sich, daß die Urenkel des Hausierers christlich-soziale Anti- semiten sind. Es hat sich schon oft so gefügt.
Serufe ohne Sonntag. Von Walter Anatole Persich. Religiöse Gesichtspunkte haben vor Zeiten die Woche in sechs Tage des Schaffens und einen der Feier geteilt. Aus praktischen Gründen lebt auch heut« noch der unreligiöse Mensch in diesem Rhythmus, tut vom Montag bis Sonnabend, was feines Amtes ist und läßt am Sonntag das Wert ruhen. Angesichts der Bestrebungen, ein frühzeitigeres Weekend einzuführen, sei einmal— unter bewußter Ausschaltung jeder Tendenz— all jener gedacht, die überhaupt keinen Wochenschluß im allgemeinen Sinne kennen und keine oder ungemein seltene Feiertage mit den anderen gemeinsam feiern können: all der Tausende, die am Sonntag auf dem Posten stehen, zu ihrem persönlichen Nutzen, selbstverständlich, aber nicht zuletzt zur Bequemlichkeit oder zur Ermöglichung des Vergnügens Feiernder. Wir sehen k»um noch diese Dinge, wie wir allmählich alles Gewohnte nicht mehr für bemerkenswert halten, wir betrachten es als selbstverständlich, wenn uns Alltags und Sonntags der gleich« Türschließer im Theater den Platz anweist, wenn am Alltag und «m Sonirtag der Portier des Kinos und de» Ballhauses, des Re- staurants und Hotels seinen Platz einnimmt, wenn der Musiker im Lichtspieltheater, der Straßenbahnschaffner und-führer, der Chauffeur und ber Kellner, die Toilettenfrau und der Zigarettenverköufer im Kaffeehaus, der Geschäftsführer eines s»lch«n Unternehmens und der Zeitungshändler auf der Straße, der Maschinenmeister im Elektrizi- tätswert und das gesamte Personal eines Ozeandampfers zu unserem Vergnügen, zu unserer Bequemlichkeit bereit sind, und vielleicht sind wir zuweilen in Mißachtung dieses Umftandeg allzu unfreundlich gerade an Festtagen gegenüber diesen Dienern einer sonntäglichen Welt! Gewiß, viele der genannten Berufe kennen den Wechsel der Arbeilschichten oder dos Aushilfsperfonol, so daß der, der uns am Sonntag bedient oder in anderem Sinne für uns arbeitet, manchen Alltag, wenn wir den Kreis der Woche durch unser Tun runden, sonntäglich gestalten kann.�■ Aber selbst dann muß man berück- sichtigen, mit welch zwiespältigen Gefühlen jener neben der Fest- sreude eines Sonntages als Tätiger stehen mag, daß die Welt für ihn immer irgendwie verkehrt eingeteilt bleiben muß— und zwar zu seinem Nachteil. Nur in den seltensten Fällen gleicht sich dieser durch ein nennenswertes Plus in der Berdienstquote aus. Alle abhängigen Berufe— und das muß einmal gesagt werden — verdienen nie viel Geld durch wenige oder gering anstrengende Arbelt. Mag dieser oder jener Stand mit größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten z» kämpfen haben als ein anderer, mag hier oder dort ein höheres Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten vorausgesetzt werden und doch der Verdienst niedriger als da sein, wo scheinbar nur geringe Anforderungen gestellt werden, so steht dem einen Vorteil ein Rachieil mit Sicherheit gegenüber, und sei es der eines gesteigerten Verbrauchs an Nerventrast. In diesem Zusammenhang
erwähnt sei eine moderne Tanzkapelle. Die ganze Struktur einer solchen macht es fast unmöglich, je ein Mitglied der Truppe an einem anderen Tage der Woche durch eine Aushilfe zu ersetzen, denn nur das restlose Aufeinandergespieltsein hält das den modernen Schlagern eigene Tempo: die zumeist der Willkür des einzelnen En- sembles überlassenen Abwandlungen der Technik würden durch ein fremdes Instrument zerrissen. Tag für Tag hämmert der Schlag- zeugmeister von 9 bis 3 Uhr nachts auf seinem Instrument, bläst einer Saxophon, einer spielt Klavier usw., Sonntags und Alltags das ewig gleiche, flirrende, rauschende, neroenfressende Bild des von Tanzenden überflutenden Parketts vor sich. Wenn der Konsum an Intensität dieser Arbeit nicht durch gute Einnahmen balanciert wird, wie soll erstens diese Arbeit nur möglich sein, wie soll zweitens ein vorzeitiges Altern erträglich gemacht werden? Wir können auch an unseren Feiertagen telephonieren, fahren, Licht und Gas benutzen, in Fahrstühle steigen, Telegramme ver» senden, erhalten in der Früh« unsere Post, unsere Zeitung, können Wasserleitung und Kanalisation benutzen. Unser« Welt ist ein Gefüg« aus sichtbarer Arbeitsleistung oder den Resultaten der Arbeit aller, und wir können ihrem Sinn und Wesen erst dann näher kommen, wenn wir aus jeder Emzelerschei- nung den U eberblick suchen aus die sinnvolle Zusammenfügung olles kleinen Daseins, das, geeint, das ewige Sein verkörpert. Dieses Ziel ist das eigentliche, von welchem Blickpunkt immer man ausgehen mag: wer ihm näherrückt, rückt dem Menschen näher, versteht den Nebenmenschen durch sich selbst und findet zur Menschheit! Warum soll man sich zu diesem Zwecke nicht einmal vergegenwärtigen, welche Arbeit unsere Festtag« von unseren Mitmenschen fordern?
Die Rückgabe der llyoner Ausstellungsgegenstände. Zu einer «an anderer Seite stammenden Meldung, wonach in verschiedenen deutschen Städten, so besonders in Nürnberg und in Frankfurt a. M.. bei der Nachprüfung der jetzt zurückgegebenen deutschen Aus- stellungsgegenstäno« aus der Lyoner Ausstellung erhebliche Mängel festgestellt worden seien, wird von gut informierter Seite niitgeteilr: Bekanntlich sind ein« Reih« von Ausstellungsgegenständen vor mehreren Iahreu anläßlich eines Brandes vernichtet worden, darunter auch eine Nachbildung des Schönen Brunnens in Nürnberg , deren Zerstörung für den Hersteller einen außerordentlichen ideellen und materiellen Verlust darstellt. Für dieses Stück hat die französische Regierung«in« Sondervergütung von 15 000 Franken gewährt. Klagen über neue Verluste bei Gelegenheit der Rückgabe sind an maßgebender Stelle bis jetzt nicht bekannt geworden. Die Be- hauptunq, daß die Gegenstände in fertig gepackten Kisten ohne die Möglichkeit einer Nachprüfung übernommen werden mußten, trifft nicht zu, da ein deutscher Vertreter bei der Verpackung und lieber- nähme in Lyon anwesend war.
va» devffche Sastlpiel k pari», daZ der Direktor der Diener Kammer» spiele, Wenzler, mit j>ieir.i!chem Nachdruck aiiqelündigt Halle, findet nicht Natt. Die deutsche Seteitigung an Gemier« Welltheatec scheint tibei Haupt gescheitert zu sejn. 20 Zahr« nissische» Ballett Da» rnssischc Ballett unter Leitung von D t a g h U« tv setcrt diese» Jahr sein zlvanzigjährlge» Bestellen. E» wird au» diesem Anlaß in Pari» eine Reihe von großen Vorstellungen gebe«.