Nr. 227.
Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertelfährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei tu's Haus. Einzelne Nummer 6. Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30Mt. proQuartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DesterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.
Vorwärts
12. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen. tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonne und Festtagen bis 9 Uhr Vormittags geöffnet.
Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse:
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Bum Parteitag.
Sonnabend, den 28. September 1895. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Die zum Parteitag in Breslau gewählten Delegirten, sowie die Kontrolleure und Reichstags- Abgeordneten, welche den Parteitag besuchen wollen, werden dringend ersucht, sich umgehend beim Lokalkomitee in Breslau anzumelden. Die Adresse des Romitees ist:
Gabigstr. 86, 1 Tr.
Diese Anmeldungen sind unbedingt nothwendig, da sonst das Romitee nicht in der Lage ist, für geeignete Wohnungen zu sorgen.
Den Parteitagsbesuchern diene zur Notiznahme, daß sowohl am Sonnabend, den 5., wie Sonntag, den 6. Dttober auf allen Bahnhöfen Breslaus und zu allen Zügen Genossen zum Empfang der ankommenden Delegirten anwesend sein werden. Die Delegirten des Empfangskomitees tragen weißrothe Rosetten. Auf dem Zentralbahnhof( Oberschlesischer Bahnhof) werden sich die Mitglieder des Empfangskomitee's der Bahnsteig- Sperre halber nicht in der Perronhalle, sondern in der Bahnhofs- Halle vor dem mittleren Ausgangsportal aufhalten. Die Delegirten werden sich von den resp. Bahnhöfen aus zunächst in das Empfangslokal Hotel zum blauen Hirsch", Ohlauerstraße 7, begeben, um dort ihre Quartierkarten 2c. entgegenzunehmen.
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Die Vorlagen und sonstigen Drucksachen für den Parteitag Tommen im Laufe der nächsten Woche und zwar so rechtzeitig zur Versendung, daß die Delegirten sie noch in ihrem Wohnorte empfangen.
Der Parteivorstand.
der kapitalistischen Wirthschaft andererseits auf, indem sie ihrem Programm eine sozialistische Färbung zu geben sucht, ohne dessen Grundcharakter zu ändern.
Dies Bestreben prägt sich auch in den Kommentaren aus, die dem neuen Programm in der demokratischen Parteipresse auf den Weg gegeben wurden. Allseitig wurde betont, daß man sich scharf geschieden fühle von der Sozialdemokratie, andererseits aber auch, ohne in deren ,, Utopistereien" zu verfallen, zur Hebung" der arbeitenden Klassen das Möglichste thun wolle. Eine Zuschrift aus Süd deutschland in einem hiesigen Blatte drückt das so aus, daß in dem neuen Programm der Volkspartei
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Ideen in bürgerliche Parteien zu Tage. Mehr äußerte sich das aber an einzelnen Individuen als an der Gesammtpartei. Für die Haltung der Gesammtpartei war es charakteristisch, daß die Generalversammlung dem freisinnig- demokratischen Rechtsanwalt Muser aus Baden zustimmte, den von Jacoby stammenden Ausdruck Befreiung der Arbeiterklasse" in Hebung der Arbeiterklasse" zu verwässern. Da das deutsche Proletariat längst das Werk seiner Befreiung in die eigene Hand genommen hat, braucht es sich nicht heben" zu lassen und sei es auch durch einen Muser'schen Börbaum. Diese volksparteiliche Bereitwilligkeit schmeckt zu sehr nach Suppenküchen- und Traktätchenpolitik.
ein wirklicher und herzhafter Bruch mit dem schrankenlosen Individualismus sich vollzogen Die weiterblickenden Elemente der Partei haben denn hat. Nicht um einzelne gesetzgeberische Flicken und Lappen, auch eingesehen, daß damit ein böser Klecks auf das schöndie auf den sozialen Körper gesetzt werden sollen, handelt es geschriebene Programmkonzept gemacht wurde. Sie hätten fich, es muß ganze Arbeit gemacht werden. Das Interesse gerne eindrucksvolleres als die badisch- württembergische des Einzelnen muß sich unterordnen der sozialen Wohlfahrt Advokatenkoterie mit ihrer kleinbürgerlichen Gefolgschaft der Allgemeinheit, gerade so wie das Recht des Individuums beschränkt wird durch dasjenige der Allgemeinheit. Das wäre einfach sozialdemokratisch, hören wir ängstliche Leute ein wenden. Nichts weniger als das. Denn damit ist noch tein kommunistisches Glaubensbekenntniß ausgesprochen, nicht einmal der Satz aufgestellt, daß die Produktionsmittel demokratie. der Allgemeinheit gehören müssen. Es ist dieser Standpunkt Dieses Spiel mit Worten ist charakteristisch für die vielmehr gleich weit entfernt vom sozialdemokratischen bürgerlichen Ideologen, die allmälig durch die Erkenntniß wie vom manchesterlich tapitalistischen. Es ist vom Nahen der Weltwende überwältigt werden. Genau der Standpunkt derjenigen, die die Ueberzeugung gewonnen der nämliche Ton wie aus den Kundgebungen der volkshaben, daß, wie der schrankenlose Individualismus den Völkern
geschaffen. So versuchen sie denn jetzt wenigstens den schönen Schein zu retten und versichern in den ihnen zugänglichen Organen, daß die Volkspartei eine wirklich soziale Demokratie" sei, beileibe allerdings keine Sozial
zum Unfegen gereicht hat, auch der schrankenlose Sozialismus parteilichen Ideologen schallt aus einem ganz anderen Lager unheilvoll wirken muß, daß das Heil vielmehr in der Mitte herüber. Wie der demokratische Professor Quidde in liegt. Mag man diese Ansicht bekämpfen, wir sagen doch, München kündigt auch der christlich- soziale Prediger Hermann derjenigen Weltanschauung gehört die Zukunft, die Einzel- Kötzschke an, daß er und die Seinen die Sozialdemokratie freiheit und Gesammtwohlfahrt harmonisch zu verbinden weiß übertrumpfen würden. In einem„ offenen Brief an den und nicht die eine auf Kosten der anderen unterdrückt." Abg. Frhrn. v. Stumm und Gen.", in dem er den Frank furter Pastor Naumann und dessen Hilfe" gegen König Stumm vertheidigt, sagt Kötschke:
Wir Christlich- Sozialen sind an einem Wendepunkte angekommen. Wir stehen jetzt auf dem Punkte, eine reine Arbeiterpartei zu werden, die die Interessen der Arbeiter mit derselben Unerschrockenheit vertritt wie die Sozialdemokratie. Wir werden aus Schleppenträgern der Herren von Bildung und Besiz" zu ihren Gegnern. Ja, wir werden bald schlimmere Gegner sein, als die Sozialdemokraten."
Mit dem letzten Sage aber auch nur mit diesem Theile des volksparteilichen Rechtfertigungsversuches können auch wir uns einverstanden erklären. Auch wir glauben, daß Don Quidde bis Köhlchke. derjenigen Weltanschauung die Zukunft gehört, die EinzelDer Parteitag der süddeutschen Volkspartei oder freiheit und Gesammtwohlfahrt harmonisch zu verbinden Deutschen Volkspartei, wie sie sich nennt, ist mit seiner weiß". Wir sind aber überzeugt, daß diese erlösende Programmberathung fertig geworden. Alles ist glatt von Weltanschauung" nur die sozialistische sein fanu, jedes statten gegangen. Ohne tiefgreifende Meinungsunterschiede Klassengegensatzes Todfeindin, nicht aber die kapitalistische, zu tage zu fördern, tamen die Beschlüsse zu stande. In die Nährmutter aller Klassenunterschiede und der Klassenden meisten Fällen laufen die an dem Kommissionsentwurf herrschaft. Das sind schöne Worte, tapfere Worte! Aber Herr vorgenommenen Aenderungen auf eine schärfere Hervorkehrung Charakteristisch für die Denkverschwommenheit dieser Kößschke überschätzt die Wackern, an die er sich wendet, wie des Gedankens sozialer Reformen hinaus. In einem Falle, sicher wohlmeinenden bürgerlichen Demokraten und ihrer Herr Quidde und seine Freunde ihre Parteigenossen. und zwar keinem unwichtigen, hat dagegen die Betonung der Gesinnungsgenossen ist es, daß sie glauben, zwischen Sie laufen umher am Gestade eines reißenden Stromes sozialen Bestrebungen eine Abschwächung erfahren. Be- zwei so diametral entgegengesetzten sozialen Prinzipien, die und winken und schreien ihren Freunden zu, ihnen zu folgen, trachtet man aber das neue Programm nach seinem Ge- fie selber als Weltanschauungen charakterisiren, die gemüth- um am jenseitigen Ufer in den Kampf sich zu stürzen für sammteindruck, so muß man, wie wir das bereits bei der liche goldene Mittelstraße" einschlagen zu können. Was die Befreiung des Menschengeschlechts. Hin und wieder, Erörterung des Kommissions- Entwurfs ausgesprochen haben, sie Mittelweg nennen, ist allenfalls gemilderter Kapitalis- wenn er sieht, daß seine Worte wirkungslos verhallen, wirft zu dem Urtheil kommen, daß alles beim alten geblieben ist: ihrer einer sich hinein in die Fluth und schwimmt hinüber, Die bürgerliche Demokratie in Württemberg , wo besondere Dieses ängstliche Bemühen, wenigstens den Schein einer um die Schaaren des kämpfenden Proletariats zu verstärken, wirthschaftliche und politische Verhältnisse ihren Nährboden, Arbeiterpartei zu retten, da sie doch zur Sache sich nicht aber allein. Seine früheren Gesinnungsgenossen bleiben das Kleinbürgerthum und Kleinbauernthum, lebenskräftiger er verstehen kann, ist indeß das interessanteste an der zurück, ziehen sich die Mügen über die Ohren, stecken die halten haben, rafftsich, unterstüßt von verwandten Elementen in vollzogenen Programm- Verschönerung der Volkspartei. Hände in die Taschen und schleichen sich dahin, wo ihnen die den Nachbarländern, zu einem letzten Widerstande gegen die Es trat auch hierin wieder die Wirkung der fortschreitenden fapitalistischen Fleischtöpfe winken unter der fürsorgenden zersetzenden Einflüsse der proletarischen Bewegung einerseits, sozialistischen Endosmose, der Einsickerung sozialistischer Obhut der Stellvertreter Gottes auf Erden."
Skizzen[ Nachdruck verboten.
aus dem füdamerikanischen
Hinterlande.
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„ Ja so," sagt Herr Ramirez zurück, Sie haben wirklich recht. Wenn Sie zu Hause bleiben, komme ich lieber auf einen Augenblick in Person zu Ihnen." Und er schließt die Verbindung.
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Er rief sodann einen Beamten herauf und sprach lange und leise mit ihm. Es war derselbe, der unten gesagt hatte, daß das Gold auf 400 steigen würde. Der Mann sah seinen Chef mit betroffener und ängstlicher Miene an. Herr Winterfeld setzt seinen Spaziergang in seiner Thun Sie genau das, was Sie hören," sagte An dem Telephon flingelt es. Er tritt an den Apparat, Stube fort. Er kommt auf wunderliche Pläne und Gedanken. Winterfeld am Schluß zu ihm, und machen Sie alles um zu hören, was es giebt. Eine bekannte Stimme, die des Bei so großen Ereignissen sind auch die Gedanken immer| mobil..." Herrn Juan Ramirez, seines zukünftigen Schwiegervaters, groß oder sehr, sehr klein. Er denkt über vielerlei, über Der Mann ging, und wer ihn genau beobachtete, hätte erzählt ihm, daß man soeben in einer geheimen Sigung einen letzten großen Schlag, einen Meisterschlag. Er will bemerken müssen, daß er ein ganz klein wenig mit dem des Ministeriums beschlossen habe, den Goldhandel an noch einmal wagen, viel wagen, alles wagen, alles wagen Kopfe schüttelte. der Börse gänzlich zu verbieten. Bei strenger Strafe. was er besitzt. Solche Beiten sind verführerisch. Wenn ,, Also Sie glauben, daß die Sache so weiter geht," Man würde sogar die Börse schließen, wenn die Valuta steigt und fällt wie die Springfluth, kann sagte Herr Ramirez, als er draußen war. die Makler ungehorsam sein wollten. Ein vor man mit ihr hoch kommen, sehr hoch; aber auch tief trefflicher Rath, entsprungen dem Gehirn eines gefallen. Wenn man genau abpaßt, daß man auf man dann wird wiegten Ministers. Der Finanzminister ist es dieses Mal die Spize fommt, weithin ins gewesen in eigener Person, nicht der Kriegsminister oder Land getragen und bleibt vergnügt im getragen und bleibt vergnügt im Trockenen Polizeiminister. Morgen schon werde das Gold fallen fitzen . Wer es verfehlt, kann aber nicht mehr zum Vorinfolge dieser vernünftigen Maßregel. Ob er nicht noch in schein kommen, und den fressen dann die Fische auf dem später Stunde Papiere kaufen wolle und Gold abstoßen. Grunde des Meeres.
Das Gold müsse dadurch unbedingt hinuntergedrückt Herr Ramirez kam nach einer Weile und entschuldigte werden, vielleicht sogar auf 120. An pari sei aller sich, daß er so unvorsichtig gewesen und durchs Telephon dings nicht zu denken. Er solle sich beeilen. Morgen eine so wichtige Angelegenheit besprochen habe. wisse es bereits alle Welt und augenblicklich Thut nichts," sagte Herr Winterfeld, mögen sie es nur die Herren Minister und ihre Gevattern. Eine kluge auch alle wissen.. Maßregel, nicht wahr, mein lieber Don German
Also glauben Sie nicht, daß das Gold fallen wird " Ja, eine durchaus verrückte... in der That...", danach sagt Winterfeld in das Telephon hinein, übrigens vergessen Nein, durchaus nicht..." Sie ganz, Don Juan, daß man die vernünftigen Maßregeln" Aber alle Welt meint, daß die Sache nur vorübernicht durch das Telephon verbreiten darf. In der Zentral- gehend sein kann, und Sie glauben das nicht.. station tann man jedes Gespräch hören, wenn man es will,„ Nein, es wird steigen." und dann fügte er das und wenn jemand mit dem Haus Winterfeld, oder gar mit felbe hinzu, was fast im nämlichen Augenblick sein Kollege, dem Chef in Person spricht, giebt es gewiß Neugierige der Dr. Fernandez, in dem fernen Asuncion sagte, nämlich: genug, die gerne hören mögen." „ Es ist zu sehr geschwindelt worden."
Herr Winterfeld setzte sich auf einen Sessel, faltete die Hände über seinen Leib und streckte bequem seine Beine aus. " Ja," sagte er, Argentinien wird bankrott gehen und noch einige andere Staaten hier herum..."
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Und Sie... was thun Sie in der Lage..." " Ich habe eben dem Geranten den Auftrag gegeben, mein ganzes Kapital mobil zu machen und Papier zu kaufen..." Herr Ramirez sprang auf, wie von einer Tarantel
gestochen.
blick
" Bapiere verkaufen, wollen Sie sagen. Nein
"
•
nein.. kaufen.
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Aber Sie sagten doch in diesem nämlichen Augen
„ Halt...", entgegnete Winterfeld mit leuchtenden Augen, nur der ist ein Mann, der eine solche Situation genau beurtheilen kann und sie zur geeigneten Zeit wahrnimmt. Allerdings wird ein Orkan kommen, der allen alles wegfegen wird ohne Barmherzigkeit Schwindel... alles... der Bankrott der Privatleute wird kommen und der des Staates... er ist im Beginnen