Nr. 249 ♦ 44. �ahrgaüg
2. Seilage öes Vorwärts
Sonaabevö, 2S. Mal 1927
Der Schluß öes Parteitags. Das Agrarprogramm einstimmig angenommen.- Begeisternde Schlußrede von Otto Wels .
Nachdem die Debatte über da, Referat über die Sozialistische Arbeiter-Internationale, über die wir im Abendblatt berichteten, be- endet war, erhielt das Schlußwort Crlspien: Niemand ist mit der Arbeit der Sozialistischen International« zu» frieden. Aber daran ist nur ihre mangelnde Stärke schuld. Don einer Ohnmacht der Internationale darf man freilich nicht sprechen. Wäre die Regelung der Reparationsfrage, die Räumung des Ruhrgebietes und die Räumung Kölns ohne den Einfluß der Internationale mög- lich gewesen?(Sehr wahr!) Die vollständige Abrüstung können wir nicht fordern. Wir müssen jede imperialistische Rüstung bekämpfen. Oder oerlangt Petrich etwa von unseren österreichischen Ge- Nossen , daß sie ihre Volkswehr beseitigen, damit die ungarischen Reaktionäre über sie herfallen können? Auch die russischen Genossen lehnen jede Koalition mit bürgerlichen Regie- rungen gegen Sowjetruhland ab.(Bravo I) Wir stehen gegen jede bürgerliche Regieruno, die zum kriegeri- schenk Konflikt treibt. Nicht wir, sondem Karl Marx hat schon ge-
ien. Die beste llnlerstühung für die Völker und Arbeiter st der geschlossene Kampf des europäischen Proletariats gegen die Reaktion!(Lebhafter Beifall.) In der Abstimmung wird die Resolution Lreilscheld-Crispien einmütig angenommen. Damit sind die übrigen Anträge erledigt. Der Wunsch, das Problem der Verhinderung des Krieges auf die Tagesordnung des nächsten internotlonalen Kongresses zu setzen, wird dem Internationalen Bureau überwiesen. Es folgt der Bericht der Agrarkommifsion. Georg Schmidt: fi't Agrarkommifsion hat in mehrstündiger Sitzung mit dem Genossen Kretzen-Leipzig« i n st i m m i g den vorliegenden Entwurf genehmigt. Es ist nicht alles in den Entwurf aufgenommen worden, was Kretzen und seine Freunde gewünscht haben, z.B. nicht die M o n o p o l f r a g«. Aber auch unsere Wünsche sind nicht alle befriedigt, hinzugefügt ist, daß der Wald, der nicht im staatlichen Besitz ist, auch einer Staatsaufsicht zu unter- werfen ist. Das ist wichtig, weil wir auch in der F o r st w i r t- f ch a f t zu einer rationelleren Wirtschaft in den kleinen und großen Betrieben kommen müssen. Weiter ist vorgesehen, daß bei der S i e d l u n g die bisherige bäuerliche Wirtschaft in ihrem Bestand zu schützen ist. Sehr wichtig sind die Ausführungen, daß die auf enteignetem Boden beschäftigten Arbeiter, Angestellten und Beamten bei der Siedlung bevorzugt und
berücksichtigt sind. Das wird der Bekämpfung der Landflucht dienen. Bemerkenswert ist eine Schrift des Landarbeiterverbandes:„Agrar- reform und Landarbeiterschutz in der Tschechoslowakei ". Durch die nationalistische Einstellung bei der Siedlung ist dort ein Teil der Landarbeiter zur Flucht in die Städte veranlaßt worden. Eine geldliche Entschädigung der Landarbeiter in solchen Fällen nützt nicht viel. wir wollen, daß die Landarbeiter aus dem Lande bleiben. Weiter begrüßen wir die Einfügung: Enteignete Großbetriebe können auch in öffentliche Regie oder genossenschaft- liche Bewirtschaftung übernommen werden, wenn eine sachliche Bewirtschaftung gewährleistet ist. Fest- gelegt ist dann, daß bei der Verwertung des enieigneten Bodens und der sonstigen Siedlung nicht nur„nach �Röglichkeii" die Rechts- form der Erbpacht, des Erbbaurechts, des Rentenkotes und der Reichsheimstätten anzuwenden sind, um der Gesamtheit die Grund- renten zu sichern. Eine sehr wichtige Ergänzung ist bei den Forde- rungen für die Land- und Forstarbeiter erfolgt. Im Namen der Kommission will ich unterstreichen, daß die Land- und Forstarbeiter noch mehr als bisher die gleichen Wege in ihrem Befreiungskamps beschreiten müssen, wie die industriellen Arbeiter. Der vesreiungskampf des Landprolclarials wird um so mehr von Erfolg begleitet sein, wenn die politische wacht der Ar- beiterklasse stärker wird. Aber auch der gewerkschaftliche Kampf kann erheblich zur Verbesserung der Lage der Landarbeiter beitragen. Wenn die Osteroder Genossen in einer Resolution aussprechen, daß die im Ent- wurf für die Landarbeiter erhobenen Forderungen nicht ausreichen, so wissen wir das auch genau. Aber das Agrarprogramm beschränkt sich im wesentlichen auf Gegenwartsforderungen. Im übrigen unterscheiden sich unser« Forderungen grundsätzlich von der liberalen Einstellung, die glaubt, allein dadurch, daß man den Land- arbeitern Haus und Land gibt, sei die soziale Frage gelöst. Wir sind der Ueberzeugung, daß die Land« und Forstarbeiter den Klassenkampf genau so führen müssen, wie die industriellen Ar-
beiter. Wenn die Großgrundbesitzer sich einbilden, daß ihre Existenz auf der Grundlage niedriger Landarbeiter. löhne gesichert werden soll, so werden sie darin in uns schärftte Gegner finden. Das unterstreich« ich noch ganz besonders für den Deutschen Landarbeiterverband, der in erfreulicher Weise immer mit der Partei Hand in Hand gegangen ist, weil die Landarbeiter- forderungen zugleich wesentlich eine politische Frage sind. Die Landwirte müssen durch höhere Löhne und bessere Behand- lung der Landarbeiterschaft gezwungen werden, ihre Betriebe rationeller zu bewirtschaften. Können sie das nicht, dann müssen sie anderen Kräften Platz machen, die in die neue Zeit passen. Wenn dabei Siedlungsland frei wird, auf dem Landarbeiter und Kleinbauern angesiedelt werden, so be- grüßen wir das. Die Landarbeiter wollen vor allem in den W o h- nungsverhältnissen unabhängig werden, heraus- kommen aus den Werkwohnungsverhältnissen. Wir müssen den Ar- bsitern die Grundursachen ihrer schlechten Lage klar machen. Wir haben bereit- einen Stamm von Vertrauensleuten auf dem flachen Lande, die mit euch allen zusammenwirken werden bei den kom- Menden Wahlen und bei jeder Gelegenheit.(Bravo.) Vor allem müssen wir den Landarbeitern auch sagen, daß sie sich befreien müssen von der übermäßigen Arbeit, die sie selbst und ihr« Familienmitglieder leisten auf dem sogenannten Deputatplatz der sogenannten Eigenwirtschaft. Unser Ziel muß sein, Landarbeiter in Wohnungen, die nur mit Gartenland ausgestattet sind, unter- zubringen, wo sie nicht mehr abhängig sind. Für eine schematische Anwendung des Acht- st u n d e n t a g e s in der Landwirtschaft sind die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften niemals eingetreten. Es sst eine dumme und einfältige Behauptung unserer Gegner, daß wir die eigentlichen Verhältnisse des landwirtschaftlichen Betriebes nicht be- achten, der abhängig ist vom Zklima, von den Witterungs- und Wegoerhältnifsen. Leute, die das behaupten, lügen bewußt. Landarbeitertarife gibt es erst, seitdem die Sozialdemo- kratie und der Landarbeiteroerband sich der wirtschaftlichen Be- freiung der Landarbeiter angenommen hatten.(Sehr wahr!) Unser Programm ist zweifellos unseren Gegnern sehr unbequem. Das hat der Landbund schon gefühlt.(Sehr richtig.) Unser Kampf geht in der Hauptsache um den Großbetrieb. Auch in der Landwirtschaft haben wir eine Rationalisierung zu verzeichnen. Die letzten Berufs- Ziffern weisen«inen Rückgang der Arbeiterträft e, auf Hektar gerechnet, nach, und wenn heute eine geringere Arbeiter- schaft die gleiche Fläche rationeller bewirtschaftet, so ist damit der angebliche Rückgang der Arbeitsleistung widerlegt. Alle Forsschritte in der Technik müssen dazu dienen, die Aus- beulung der menschlichen Arbeitskraft einzuschränken. Darum gilt es auch für den landwirtschaftlichen Betrieb, die Ar- beitszeit weitgehend zu verkürzen. Auch der kleine und mittlere Betrieb muß sich an fortschrittlichere Methoden im Interesse aller im Betrieb Arbeitenden gewöhnen.(Sehr gut.) Geht das nicht, dann wird der Mangel an Arbeitskräften für die bäuer- lichen Betriebe noch größer werden, als er heute schon ist. Unter
streichen will ich noch unsere Forderung zugunsten der Frauen und Jugendlichen in der Landwirtschaft. Das sind Kultur. fragen, deren Durchsetzung ein gangbarer Weg für die agitatorische Betätigung auf dem Lande ist. hier können wir an herz und Mut der Landarbeiter- und Kleinbauernfamilien appellieren. Wenn sie sehen, daß wir ihnen helfen wollen, werden wir sie auch für unsere Ziele gewinnen. Für diese Arbeiten brauchen wir noch viele Mitarbeiterinnen. Die h o f g än ge rf rag e ist eine spezifisch ostelb i sch e Frage. Diese kulturunwürdigen Zustände, wo in einer Wohnung mit einem Zimmer und einer Küche 6, 7, 8 Menschen und dazu noch die fremden Arbeitskräfte wohnen, verdienen größte Beachtung.(Sehr wahr!) Die Steuerleistung der Großgrundbesitzer bringt dem Staate lange nicht das, was die Kleinbauern heute leisten.(Sehr richtig!) Viele große Güter zahlen noch nicht soviel Steuern, wie die bei ihnen beschäftigten paar Verwalter und Administratoren. Die Kommission hat den Wunsch, daß der Parteitag einstimmig das Agrarprogramm unter Verzicht aus jede Debatte annehmen möge. Dann hinaus auf das flache Land für den Sozialismus mit dem Agrarprogramm des Kieler Parteitages! Die Lorlage der Kommission wird einstimmig ange- nommen. Unter dem letzten Punkt der Tagesordnung werden die in sehr großer Zahl vorliegenden Anträge, die sich auf den Ort des nächsten Parteitages beziehen, dem Parteivorstand und-ausschuß zur Berücksichtigung bei seiner Beschlußfassung im kommenden Jahre überwiesen. Wels teilt mit, daß den Teilnehmern des Parteitages heute abend bei Beginn des Frauentages ein Film vorgeführt werden wird, der sämtliche Eindrücke vom Kieler Parteitag im Bilde vorführt und der auch von der Bildungszentrale für die Berichterstattung über den
Parteitag entliehen werden kann. Damit find die Arbeitende» Parteitage» beendet. Vels dankt zunächst unter stürmischem, anhaltendem Beifall der Dele- ierten den Genossen von Kiel und vom Bezirk Schleswig-Holstein
ür all das Schöne und herrliche, das sie für diesen Parteitag getan haben. Aus all diesen Veranstaltungen klang die tiefe Liebe zur Partei heraus, die innere Verbundenheit mit unserer Be- wegung. Bei dem Empfang am Bahnhof am Freitag der verflossenen Woche erlebten wir Eindrücke, die sich tief eingruben in unsere herzen und die sicher auch eine Lebenserinnerung sein werden für die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen, die daran teilnahmen. Gestern war der Tag des Mysteriums der Himmelfahrt. Der Tag der immer- währenden Sehnsucht de» Lebens in ein Leben voll Glück und Freude, und gestern kam sie zu uns, die Jugend von Kiel . Wir alle fühlen. aus dieser Zugend wächst der Arbeiterbewegung Kraft. Sie haben alles, um ihr Ziel zu erreichen. Unvergessen wird uns allen auch der Ausflug nach Eckernförde bleiben und die freundlich« Aufnahme durch die dorttgen Parteigenossen. Auch ihnen den Dank des Parteitages und Dank auch für das große Schauspiel der Ufer- beleuchtung beim Empfang des Reichsbanners. Das war nicht das Werk eines Pyrotechnikers, da» war«ine Feuerfäul« der Lieb« und Begeisterung für die Partei. Jeder der Fackelträger war sich bewußt, nur ein Punkt zu sein in dem ganzen Bilde. Es war sich auch jeder bewußt, daß er nicht fehlen dürfe, und alle waren von dem Gefühl ihrer Unersetzbarkeit durchdrungen und nahmen nur die Strapazen auf sich. um dieses einzigartigen großen Verbundensein». Das war das Entscheidende des Heldentums der vielen Auge- nannten, die die große Partei geschassen haben und ihre Grund- tage bilden. Die zwei leuchtendsten Namen, die ich noch einmal nennen mutz, sind Molkenbuhr und Adolf Braun . Ihnen noch einmal zu danken, ist mir Herzensbedürfnis.(Bravo !) Es war ein Glück, die beiden zu kennen, ein höheres Glück, mit ihnen beiden zusammen- arbeiten zu dürfen, diesen Männern von hoher Selbstlosigkeit und blühendem Idealismus. Was Molkenbuhr für die deutsche Sozial- olitik, was Adolf Braun als Journalist und Schriftsteller für die rtei geleistet hat, wird uns unvergeßlich sein. Dafür rufe ich Ihnen im Namen des Parteitages, nein, im Namen der Massen noch einmal zu: habt Dank!(Lebhafter Beifall.) Die Kieler Woche war ein Erlebnis für die Partei, ein Erlebnis für jeden von uns. Das Lob der Schleswig-Holsteiner Partei- organisation und ihrer Jugend muß in tausend Versammlungen widerklingen, in denen Bericht vom Parteitag erstattet wird. Dieses Lob ist wohl verdient: Schleswig-Holstein kann uns als Vorbild dienen.(Beifall.) Der Parteitag hat bewegte Diskussionen gehabt. In jeder De- batte ist das starke, in der Partei pulsierende Leben zum Ausdruck gekommen, am stärksten aber gestern, dem großen Tag des Partei- tagss. Das Pfinafssest, das seine Strahlen aus den Parteitag voraus- wirft, ist das Fest der Ausgießung des Geistes, der die Jünger Christi beflügelt hat, hinauszugehen und in tausend Zungen zu predigen. Dieser Pfingstgeist lebt schon in der großen Rede des Genossen Hilferdina, in feinem gewaltigen Hymnus auf die sozialistische Weltanschauung. Niemand vermocht« sich der Wucht dieser Sprache und der Tiefe dieser Argumentation zu entziehen. Jeder war durchlebt von der leidenschqftlichen Liebe zur Sache des Proletariats, von der diese Rede Zeugnis ablegt«. Diese Rede und die Auesprache muß tausende von Arbeitern wecken und zu Klassenkämpfern erziehen.(Sehr wahr!) Wir sind stolz darauf, u. a. auch eine so einzigartige Kämpfernatur wse S e o e r i n g und eine so starke Persönlichkeit wie Otto Braun zu besitzen. Wir bekennen uns insbesondere mich zu dem gegenwärtigen Staat, weil wir ihn besitzen wollen. Wir bekennen uns zu diesem Staat, weil wir ihn gestalten wollen zu einem ga st lichen Haus für die kommende Gebe- r a t i o n. Wir haben auf dem Parteitag die kulturellen Fragen erörtert im Sinne unserer Tradition, im Geiste der Zerstörung des» Glaubens,, daß die Kraft des Kapitalismus ewig fei, der Zerstörung des Glaubens, wonach es immer Herren und Knecht« geben muß. Wir haben uns ein Agrarprogramm gegeben und damit 30jährige Debatten zu einem gewissen Abschluß gebracht. Zu einein Abschluß, der doch für uns nur ein neuer Anfang der Arbeit und des Kampfes sein muß.(Sehr gut!) Wir haben unser Waffen- arsenal ausgenutzt zu Nutz und Frommen der Landarbeiterschaft, wenn wir den Geist des Sozialismus zum ersten Male in dieser programmatischen Form näherbringen wollen. wir wollen werben um die Seele de« Landvolkes mik der un- widerstehlichen Kraft, die der inneren Logik unserer Welt- anschauung Innewohnt. Wir haben uns unser Agrarprogramm in dieser landwirtschaftlichen Provinz Schleswig-Holstein gegeben und sein Name wird zum Donk für die prächtig« Aufnahme mit dem Namen der Stadt Kiel immer verbunden sein.(Bravo !) Wir haben uns auf diesem Parteitag auch der Erziehung des Nachwuchses eingehend gewidmet. Niemand hat daran geglaubt, daß auf dem Sozialdemokratischen Parteitag ein Mensch ist, der Schulmeistere! und Zwangeerziehung für glückliche Werbemittel hält. Auch in dieser Hinsicht hat der Parteitag unsere
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