-Unterhaltung unö Wissen
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Kreislauf der Schnelljustiz. 1
/>uf Tippelei. Bon Älax Doctn. Anton und Waldemar find Freund«. Waldemar nennt feinen Freund Toni. Und Anton nennt seinen Freund Wald«. Toni und Walde sind Bäcker. Junge Bäckergesellen, so an die zwanzig Jahre all. Toni und Walde lernten ta der Großstadt, in kleinen Betrieben, in Qehrlingezlichtereien. In solchen Bäckereibetrieben, wo der Meister und die Meisterin auf Kosten der Lehrling« dick, rund, fett und gut»national� werden, auch fromm. Seit Jahr, Monat und Tag waren der Toni und der Wald« arbeitslos. Sie wohnten bei den Eltern, lieferten pünNich ihre Er» werbslosenunterstüdung ab, und zogen in der Freizeit auf Cot» deckungsreisen durch die Großstadt. Solche Entdeckungen hier machten der Toni und der Wald« Di« Großstadt ist ein Bauch, ein Bauch mit einem fetten kopito - listischen Herzen. Ein Bauch, in dem der arme Mann als Gedärm« sich quält, plagt, ringt und sorgt,— um da» fette Herz de» Groß. stadtbauches zu ernähren. Kam ein roter Zettel ins Hau» de» Toni und de» Walde geflogen, drauf stand:.Ausgesteuert� Es gab keine Erwerbslosen - Unterstützung mehr. Die Ellern machten schiefe und lang« Gesichter — statt Margarine gab's nur noch Marmelade Nr. Z auf» Brat. — Weißte was, sagt« der Tom zum Walde— weißte wa», wer zehn auf Tippelei. Gedacht, gesprochen, getan. Eltern, lebt glücklich, wir nrifen. Und so sind der Toni und der Walde nun auf Wanderschaft. Jeder nahm'nen Taler mit. da» Abschiedsgeschenk vom Vater. Und jeder nahm eine Träne mV. den Abschiedsbrillanten von der Mutter. Durch die Eben«. Ueber Bergland hin. Drei Wochen lang tippeln nun der Walde und der Tont schon. Da» waten neu« Eni- deckungsreisen. Ein Dorf. Monat März. Die Stare pfeifen von den roten Ziegeldächern. Ein Bach singt den weißen Gänsen ein silbern Lied. Der Himmel ist grün. Die Sonne spiell auf der goldenen Flöte. Aber— Toni und Walde— wie ist euch?— Hunger.— Dann geht.umschauen�. Das Dorf. Dort ist'ae Bäckerei..Zwei fremd« Bäcker sprechen um Arbeit an.* Der Steiften Harn mer nicht. Da habt ihr'nen Pfennig. — Gib uns auch'ne Säge, rief der Tont dem Bäckermeister zu.—'ne Säg«?— Sicher, wir woITn den Pfennig teilen, wir sägen Ihn mitten durch. Das Dorf. Der Kaufmann.— Zwei arm« Handwertsburschen sprechen zu.— Was! Tagedieb«, ich zahl« in den Armenverein, nix wie'naus aus'm Laden!— Walde spuckte dem Kaufmann vor die Tür «, da brannte dann ein schwefelgelbe» kleine, Flämmlein auf. Ein Hund sah da», und der Hund heulle ganz gottsjämmerlich Laut schnatterten am Bache die Gänse. Das Dorf. Die Apotheke. — Bitte, zwei Wanderburschen.-» Ei,«i, sagte die goldene Brill« hinter den Salbenbüchsen—. na. Jungen«, da habt ihr was.—'s wa? ne Tüte, drin roch es nach Lorbeerblättern, leider roch es auch ein wenig schimmelig. Lorbeer- blatt als Unverkäuflichkeit, da» war die Apotheke. Schimmellger Lorbeer: gut genug für walzende arme Bäcker.— Aber backen die Bäcker uns nicht unser Brot? Ja, doch nicht auf der Walz «. Wal - zende Bäcker haben selbst kein Brot. Das Dorf. Die Kirche. Eine feine neue Kirche. Au» schwarz- gebrannten Ziegelsteinen. Ein Christus aus Beton. Da» Pfarr- Haus noch etwas größer als die Kirche selbst. Efeu um» Pfarr- Haus. Ihr Kunden, hinein,'s ist Mittag, der Herr Pfarrer speist. — Zwei fremd« Wandersleute bitten um Mittag. Ih du mein« Güte, sogt« Hochwürden, so jung und schon auf Wanderschaft, und betteln? Es wäre unchristlich, solche Landstreicherei zu unterstützen. Geht ihr bei Paswr Bodelschwingh, auf die Wanderarbeitsstätt«, da könnt ihr für gute Arbeit umsonst essen und schlafen. Im Hause gebe ich nichts. Punktum. Schluß. Ich bin der Herr Pfarrer. — Türe zu: schnippeschnappe das Schloß! Da zog der Toni die schimmelige Lorbeertüte au» dem Sack, die von der Goldbrille au» der Apotheke, und dl» Lorbeertüte slog in den Brieskasten vor der Türe de« Herrn Pfarrers, der Lorbeer soll im Dorfe bleiben! Bor dem Dorfe. Ein armes Kätnerhäuschen. Hier wohnt ein Gutsarbeiter. Ein Landprolete. Hinein, ihr walzenden Bäcker.— Bitte.— Ja. fetzt euch.— Fünf Kinder. Eine Katze. Drei Hühner. Vater und Mutter— alle« am Tisch, beim Mittagsmahl. Es gab Kartoffeln in Schale und einen sauren Walfisch, einen Hering— einen!— für die ganze Familie, der Heringswalsisch lag in einem schönen sauren Zwiebelbette. Es schmeckte, und siehe, sie wurden olle satt: die beiden Kunden, die fünf Kinder, die Katze, die drei Hühner, die Mutter und der Dater.— Wir danken bestens.— Die Kunden gaben dem Landproleten und seiner Frau die Hand, im Händedruck« bebte da» Herz: Gemeinschaft. Christus, Friedet Das war— ein— Tag. An diesem Tage war man sott ge- worden. Aber dann kamen für die beiden Tippelbrüder Tage des Hungers. Und kalte Nächte ohne Herberge kamen. Platte machen — im Freien schlafen, morgen» war man weiß von Reis. Und steif wie ein Brett oder Balken. Abend. Die Sonne geht unter. Der ganze Himmel ist voller Blut. Und im Magen der beiden wandernden Bäckergesellen knurren wilde Rudel von hungrigen Wölfen. Kein« Herberge, kein Geld, nicht- zu esien. Ist da» ein traurige» Leben!— Wir tippeln die Nacht durch.— Die Sterne gehen auf. kalte Sterne ohne Her» wie Nagelspitzen die Sterne, so scharf und stechend. Am Himmel ein goldene» Kreuz, drann nagell die harte kapitalisttsch« Well da» Herz der beiden armen Tippelbrüder. Eine Brück«, drunter hinweg rauscht der schwarz« Fluß. Die Welle gurgelt, die Welle lackt— Vergessen. Dergesien. Dergesien! Zwei Sprünge, plump»— und nochmals plump»— zwei junge Menschen suchen den Freitod, fort von dieser elenden Welt. Aber du stirbst nicht so leicht, besonder« nicht, wenn du jung bist. Das Wasier war kalt, und das Herz war noch wann. Di« beiden Freitöter schwammen ans Ufer. Da« war aber immerhin dem Tode in» Aug« geschaut!— Klappernd ziehen die pttschenassen Walzbrüder über die nächtlich« Landstraße weiter. Di« Nacht reifte es wieder. Die Hüte der beiden Waflerspringer wurden wie Stahl- Helme, so hart und so ka«— Cishelme, Eishüte,«we silberne gla- sig« Patina drauf: Reif und Eist Die Nein« Stadt. Da» Krankenhaus. Tont und Walde liegen trank. Lungenentzündung« da» kommt vom nächtlich« Schwimmen i
Der Walde stirbt. Gestern Hab« wir ihn beerbigt. auf fein Grab kam ein Strauß silberner Weidenzweige, der werdende Lenz gab dem Wien Menschenlenze den Abschied. Und der Toni, was ist mit dem? Der Toni wandert wieder. Wohin? In die Zukunft, er sucht was. Was denn? Ein Land. Welches? Das Land der Gemeinsamkeit. Gemeinsamkett? Sicher, das ist das Land des Sozialismus. Das Land, in dem es keine Lehrlingszüchbereien mehr gibt, wo der Dicke den Mageren nicht mehr ausbeutet, wo für alle Menschen Arbeit und Brot da sein wird. Und für alle wird sein Liebe, Friede und Eintracht. Auch Zwei- und Dreitrochtl Toni, wir alle wünschen dir eine gute glückliche Reise!
Zwei Wochen Rummelplatzausrufer. Bon Hanns-M. Tarun. Ueber die Stadtbahnbrücke rassln die Züge. Autos hupen, ge- schäftige Menschen hasten durch ein Gewirr sich zusammenballender Fahrzeuge, bleiben mitunter einen kurzen Augenblick stehen und eilen dann weiter, bis sie wieder in dem allgemeine» Strudel unter» getaucht sind. Da» kleine Lokal, in dem ich mein nicht gerade sehr üppiges Mahl perspeise, ist gedrängt voll. Ich winke den Kellner herbei, da» liHte Zweimartstück, das ich in der Tasche habe, klimpert aus dem hölzernen Tisch, es verschwindet zwischen einem Hausen anderer Geldstücke in der Hand des �Ober* und vor mir liogen jetzt ein paar Zehner und Fünfer, die ich zögernd einstecke. Dann schiebe ich den Stuhl zurück und trete durch die Drehtür ins Freie. Ich habe kein Ziel, denn es wird heute ebenso sein wie an den sonstigen Tagen auch Berlin ist groß, sagt man und fügt immer hinzu, daß niemand zu verhungern brauchte. Aber ich habe an den verschiedensten Stellen Nachfrage gehalten und meine Arbeitskraft angeboten und überall den gleichen entmutigenden abschlägigen Be- scheid erhallen. Schon stammen hier und da die ersten Bogenlampen auf. schon schließen sich einzelne Geschäfte und müde Anoestellt« streben ihren Wohnungen zu. Der Strom der Vielen reißt mrch mit. Ich sehe und höre nichts. In meinem Hirn hämmern tausend lächer- liche Gedanken und unwillkürlich ziehen an meinem inneren Auge die aneinandergereihten Bilder der letzten Wochen vorüber: der plötzliche Abbau, da» Suchen nach einer neuen Stellung, da» bedauer. liche Achselzucken, die Not, die mit sedem Tage größer und größer wnrde, da» drohende Elend und schließlich Das Unterkommen in einem kleinen Hotel als Abwäscher. Nach kurzer Zeit jedoch saß ich wieder auf der Strohe, man brauchte mich nicht mehr und die alte Sorge begann von neuem. Und was wird morgen sein? Ueber- morgen? Wo werdk ich wohnen, wo essen, wo schlafen? In der „Palme* vielleicht, zwischen all den anderen Armen. Elenden, Be- dürstigen und Heruntergekommener. Die Bilder reißen ab. Ich bleibe stehen. Der Menschenstrom schiebr mich noch ein paar Schritte vorwärts und dann befind« Ich mich plötzlich Inmitten de» Häuserchao» am Eingang« eine» frei« Platzes, der von einem morschen Bretterzaun umschlossen wird. Ein Orchestrion dudelt eine Schlagermelodie, grellbunte Plakate schreien nie geahnte Sehenswürdigkeiten hinaus und, ehe ich noch recht überlege, ob ich weitergehen soll, befinde ich mich auch schon unter der schaulustigen Menge, die von der Straße hereinströmt und an den einzelnen Buden vorüberzieht. Rummelplatz I— Ich zünde die letzt« Zigarette an und blick« mich um. Menschen. Menschen, Menschen. Sie alle haben ihr Tagewerk hinter sich und wollen sich hier für billige» Geld vergnügen. Und' wie ich dann weiter denke, daß ich morgen nicht mal mehr mein kleines Lokal werde aussuchen können und nur immer durch die Straßen dum- meln. vielleicht sogar betteln muß. kommt mir ein ganz absurder Gedanke. Kann ich nicht hier vielleicht etwa» verdien«? Hier Arbeit find«?
Ich frag«, ohne eigentlich recht zu wissen, was ich tue. Sehe drei-, vier-, fünfmal in verdutzte, ungläubige Gesichter, die mich vom Kopf bis zu den Füßen mustern, mich lachend weiterschicken und sich brummelnd umwenden. Aber dann bei den Ringkämpfern habe ich Glück. Vier kräftige, muskulöse Gestalten sind es, die mir erst er- staunt ins Gesicht schauen, plötzlich tuscheln und mich schließlich aus- fordern, in ihr Zell zu steten. Ihr Ansager— einen Tagedieb nennen sie ihn— ist heute nicht erschienen, ob ich seinen Platz aus- füllen will?— Mit Freuden, ja! Zehn Prozent Gewinnbeteiligung werden mir zugesichert, man schüttelt mir bÄde Hände, ich bekomme einige Instruktionen und muß sofost hinaus vor das Zell treten und mit meiner neuen Arbeit beginnen. Früher habe ich es mir immer sehr leicht gedacht, ein bißchen zu reden und ein paar Leute anzu- locken, aber jetzt merke ich, daß auch das Ansagen auf dem Rummel- platz eine Kunst sst. Mit weithin schallender Stimme preise ich viele, viele Male die Qualitäten meiner Ringkämpfer, stelle einen nach dem anderen der gaffenden Menge vor und fordere immer wieder zum Besuche der heutigen„Haupt- und Galavorstellung* auf. Es dauert eine geraum« Weile, bi» der kleine Innen ranm des Zeltes mit Besuchern— Eintritt pro Person 20 Pennige— gefüllt ist. Die Vorstellung nimmt ihren Anfang. Aber'während im »Ring* einer der Kämpfer kommandiert, Schiedsrichter ist und zugleich das Publikum im Zaume halten muß, das in allzu großer Sportbegeisterung des öfteren die Seile durchbricht, darf ich draußen nicht rasten und muß nach kurzer Atempaus« weiter schreien, eine große Glocke schwingen und bemüht sein, das Interesse der Um- stehenden nicht erlahmen zu lassen. Schließlich ist die allerletzte Vor- stellung beendet, die große Bogenlampe vor dem Leinwandzelt er- lischt, meine Ringer verwandeln sich wieder in zivile Menschen und bam gehen wir zusammen in das„Slstistenlokal*, das nicht weit ab liegt und in dem sich die Mehrzahl der Rmnmelplatzschaustellec nach Feierabend noch auf ein Stündchen zu treffen pflegt. Dort halten wir Abrechnung und der Senior der Ringer und Manager schiebt mir fünf Mark und dreißig Pfennige zu, die auf meinen Teil fallen.„So,* meint er,„nun komm man morgen wieder, deinen Vorgänger schmeißen wir ran». Willst du?*—„Und obl—* lache ich. Ein Handschlag und der Vertrag sst besiegelt. Nachts falle Ist todmüde ins Bett, das Schreien hat mich reichlich angestrengt, und ich träume in wirrem Durcheinander von Boxern, Gladiatoren, Schlangenmenschen, Akrobaten, Tänzerinnen, Schieß» Huden und Karussells. Am nächsten Nachmittag gehts um S Uhr weiter. Ich habe schon viel gelernt und erhasche ab und zu einen freundlichen Blick, meiner Ringer, die in großer Pos« vor dem Zelt sich aufgebaut haben und ihre mächtigen Bein- und Armmuskeln zeigen. Einmol helfe ich in einer Nachbarbud« aus. Es find zwei gutmütig« Kraft- menschen, die ich da zu annoncieren habe. Eine Weile spreche ich für sie, dann eile ich wieder zu dem Ringerzelt. Ein paar spöttische Bemerkungen fallen aus dem Publikum, aber meine Ringer passen auf und dann kommt der ein« zu mir:„Keine Angst! Die dürfen nichts.mehr sagen! Rede man weiter!* Er hatte den Spottenden einen deutlichen Wink gegeben. Nach zwei Wochen erhalte ich plötzlich einen Brief. Man anl- wartet mir auf meine frühere Bewerbung. Ich muß mich vor- stellen und versäume abends meinen mir liebgewordenen Dienst bei den Ringkämpfern. Ich kann sie nicht mehr benachrichtigen und denke, daß sie schön auf mich schimpfen werden und nun gewiß in mir auch einen Tagedieb sehen. Es vergehen drei Tage. Ich muß doch mal hinaus auf den Rummelplatz. Ganz hinten stehe ich. Meine Ringer haben noch kein« neuen Ansager gefunden. Einer von ihnen versieht dieses Amt. Er muß ringen und dann wieder draußen schreien und seine Simme klingt so heiser. Da zögere ich nicht lang«, dränge mich vor, werfe den Rock ab, besteige da« kleine erhöhte Podium, auf dem Ich während zweier Wochen Abend für Abend gethront Hab« und bin wieder ihr Ansager. Abends erzählen wir in dem„Arttstenlokal* und meine Freunde sind fast böse, al« ich diesmal meinen Anteil nicht nehmen will. Sehr sogt erst trenn« wir uns und ich habe ihn« versprochen. «cht oft wiederzukommen.