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Nr. 255 44. Jabeg. Ausgabe A nr. 130

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Mittwoch, den 1. Juni 1927

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Der Konflikt im Zentrum.

Der Brief des Reichskanzlers Dr. Mary an Dr. Wirth.- Dr. Wirths Antwort.

Die ,, Germania  " von gestern abend meldet unter der Ueberschrift ,, Das angebliche Parteigericht":

OP

Parteioffiziell wird folgendes mitgeteilt: Die Bresse   be­richtet, daß in dieser Woche eine Sihung des Reichspartei vorstandes einberufen worden sei, in welcher über Herrn Reichs­fanzler a. D. Dr. Wirth ein Parteigericht abgehalten werden foll. Es ist Tatsache, daß eine Sigung des Reichsparteivorstandes stattfinden wird. Die Einberufung dieser Sigung ist nicht durch die Erörterungen über die Königsberger Rede des Herrn Dr. Wirth, sondern durch laufende Angelegenheiten der Partei veranlaßt

worden. Die Angelegenheit Wirth steht nicht auf der Tagesordnung. Zugleich aber liest man in der ,, Kreuz- Zeitung  ": Der Reichskanzler hat in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Zentrumspartei   den Barteivorstand des Sentrums für Freitag, den 3. Juni, zu einer Sigung nach Berlin   einberufen. Bei dieser Ge­legenheit wird man fich mit dem Fall Wirth" beschäftigen. Ein Brief des Reichstanzlers an Dr. Wirth ist schon ab gegangen, in dem er aufgefordert worden ist, sich über seine Rede in Königsberg   zu äußern. Der Reichskanzler ist offenbar entfchloffen, dem auch für seine Partei auf die Dauer unerträglichen Zustand ein Ende zu machen.

Die Kreuz- Zeitung  " ist merkwürdigerweise in diefem Fall über die Borgänge im Zentrum besser unterrichtet als die ,, Germania  ". Der Konflikt zwischen Marr und Wirth ist in voller Schärfe entbrannt. Der Reichsparteivorstand des Zentrums wird wohl nicht darum herumfommen, sich in seiner Gizung am nächsten Freitag mit ihm ausführlich zu befassen.

Marx droht Wirth mit Maßnahmen".

Im nächsten Heft seiner Zeitschrift ,, Deutsche Republik" veröffentlicht Dr. Birth den vom 20. Mai datierten Brief, den er vom Vorsitzenden der Zentrumspartei  , Reichskanzler Marg, erhalten hat. Der Brief lautet:

Sehr verehrter Herr Kollege!

Zu meinem Bedauern bin ich genötigt, eine höchst unan­genehme Angelegenheit zur Sprache zu bringen. Es handelt sich um die Rede, die Sie am 15. Mai d. I. auf der Reichs bannerversammlung in Königsberg   gehalten haben. Nach den fast übereinstimmenden Berichten der verschiedenen Zei tungen haben Sie unter anderem mit Bezug auf die bevorstehende Abstimmung über das Republifschußgefeß geäußert, wenn die Mon­archisten für das Republitschutzgesetz stimmten, so würde das vom Standpunkt des Monarchisten aus eine Schande sein. Die Hand­lungsweise sei aber verständilch, wenn man die

Gesinnungslumperei zum polifischen Prinzip erhebe. An einer anderen Stelle sollen Sie nach den Berichten gejagt haben: Sorgen Sie dafür, daß die republikanische Regierung in Preußen bleibt, und daß die nichtrepublikanische Regierung im Reiche möglichst bald verschwindet. Das muß bei der nächsten Reichstagswahl entschieden werden. Wegen dieser Aeußerungen ift sowohl im Borstand der Reichstagsfraktion wie beim interfrattio­nellen Ausschuß, insbesondere

von den Mitgliedern der Deutschnationalen Partei, Beschwerde bei mir erhoben worden. Ich muß anerkennen, daß, wenn Sie diese Aeußerungen wirklich getan haben sollten, das vom Standpunkte der Zentrums partei auf das Tiefste zu beklagen wäre. Es geht nicht an, daß ein hervorragendes Mitglied der Partei Angehörigen einer anderen, mit der Zentrumspartei   in Koalition befindlichen Partei den Vorwurf einer Gesinnungslumperei macht. Ganz unbegreiflich ist, wenn Sie in der Tat die Aufforderung an die Bersammlung gerichtet hätten, die nichtrepublikanische Regierung im Reich möglichst bald zu beseitigen. Diese Bemerkung enthält einen

unerhörten Angriff gegen die Regierung,

die bis jetzt wirklich noch nicht im geringsten etwas getan hat, was den Vorwurf rechtfertigen könnte, fie verhalte sich feindlich gegenüber der bestehenden Staatsform der Republit. Die Bemerkung ist aber auch vom Standpunkt des 3entrums aus unerträglich, weil das Zentrum, nachdem die Sozialdemokratische Partei   die Bildung einer

geboten find. Würden solche Schritte von Ihnen nicht in Ansficht gestellt werden, dann würde ich mich zu meinem Bedauern, im Jntereffe des Ansehens und der Würde der Zentrumspartel, genötigt fehen, die mir erforderlich erscheinenden Maßnahmen zu treffen. In vorzüglicher Hochachtung!

gez. Marg,

Vorsitzender der Deutschen Zentrumspartei  . Wirth antwortet Marx.

gibt, trägt die Ueberschrift: ein Streit um Borte, Der Artikel, in dessen Rahmen Wirth seinen Brief wieber­Abwehr und Angriff". Zunächst verwahrt sich Wirth dagegen, daß die Streitfragen auf das formale Gebiet abge schoben würden. Es gelte vielmehr die Sache zu sehen, und die politische Lage sei nicht ohne Bedrohung. Persönliche Sympathien und Antipathien dürften feine Rolle spielen. Mit ihrem Kieler Parteitag hätte die Sozialdemokratie den Weg zu Koalitionsbildungen mit den bürgerlichen Bar­teien in aller Form neu geöffnet, auf der anderen Seite ver­fuchen die Deutschnationalen, um die Sozialdemokratie abzu­machen. Dann fährt Birth fort: wehren, das Zentrum im Bürgerblod für alle Zeiten festzu­

Herr Marg trägt etwas start auf. Er glaubt, daß ich in Königs­ berg  , nach seinem Briefe, den Satz geprägt habe: Sorgen Sie dafür, daß die republikanische Regierung in Preußen bleibt, und daß die nichtrepublikanische Regierung im Reiche möglichst bald verschwindet. Das muß muß in der nächsten Reichstagswahl entschieden werden." Ich streite vorerst noch nicht darüber, ob das der genaue Wortlaut aus einer meiner in Königsberg   gehaltenen Rede ist. Ich würde auch in diesem Wortlaut durchaus etwas politisch 3ufäffiges sehen.

Wie empfindlich find doch heute unsere Minister geworden! mein Hinweis auf die kommende Reichstagswahl sollte doch für

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jeben Rundigen die Frage, um die es fich handelt, genügend um­schreiben. Mehrmals schon habe ich, und erneut auch in Königsberg  , ausgeführt, daß die ganze Frage fich dahin tonzentriert, bei der nächsten Reichstagswahl zwei bis drei Dutzend entschiedene Republi­faner mehr in den Reichstag zu bringen. Glaubt jemand, daß dann noch im Innenministerium und im Reichsjuftizministerium ein Reaktionär fizzen tönnte? Ich mache eben aus meinem Herzens­wunsch teinen Hehl. Ich stehe der heutigen Reichsregierung ab­lehnend gegenüber. Ich stehe zu ihr in Oppofition. Dem wurde mehrmals deutlich Ausdruck gegeben.

Mein Mein" ist unwiderrufbar.

Benn man also zu einer Regierung in Opposition steht und das deutlich durch den Stimmzettel erflärt, jo ist es ganz selbstver ständlich, daß man diese Regierung möglichst bald gestürzt sehen will und alles tut, diese Regierung zu Fall zu bringen. Der Zeitpunkt ist damit noch nicht berührt, er liegt in der Entwicklung selbst beschlossen.

Wenn alfo die Zentrumspartei   glaubt, daß meine Oppofifions­ftellung mit der Zugehörigkeit zur Zentrumspartei   nicht vereinbar ist, fo bitte ich um eine einfache flare Mitteilung darüber. Was Herr Marg will, geht aus dem Brief, den ich hiermit der Deffentlichkeit übergeben will, far und deutlich hervor. Die nächsten Tage führen mich zu weiteren Versammlungen im Reiche. Ich werde jegt hon alles tun, um für die kommende Reichswahl. bewegung die Republikaner   zu weden und zum Auf­bruch zu mahnen und auch der Gruppe im Zentrum meine stüßende Hand zu leihen, die eine stärkere Bertretung ihrer Meinungen in der Fraktion erstrebt. Bon Herrn Marg stammt das interessante Mort: Die heutige Zentrumsfraktion entspricht nicht mehr der Zu­fammensehung ihrer Wähler!"

Dr. Wirths taum anders verstehen als so, daß der Reichs­Man kann den Brief des Reichstanzlers und die Antwort langler als Vorsitzender der Zentrumspartei Birth mit dem

Die Beschlüsse der Völkerbundsligen.

Der Berliner   Kongreß beendet.

Bei der Beratung des Berliner   Bölferbundstongresses über politische Fragen legte der deutsche Vertreter, Graf Bernstorff  , eine Entschließung vor, in der die Rückkehr Argentiniens   in den Völkerbund gefordert wurde. Der argentinische Delegierte hob in feiner Erwiderungsansprache hervor, daß nach Nachrichten, die er soeben erhalten hat, der argentinische Kongreß wahrscheinlich in den nächsten Monaten den dahingehenden Beschluß fassen würde. Sodann beschäftigte sich der Kongreß mit dem Problem der Gliederung des Bölferbundes. Er nahm Stellung zu der pan europäischen   Bewegung. Die angenommene Entschließung meist darauf hin, daß bei der wirtschaftlichen Verbundenheit der Welt jeder Krieg die Tendenz habe, zu einem Beltkrieg zu werden. So feien regionale Staatengruppen mit genau umriffenen Zielen durchaus berechtigt und sogar in gewissen Fällen als lleber universeller Bölferbund bleiben. Besonderen Wert legte der Jedoch muß das Ziel ein einiger, gangsstadien erforderlich. Rongreß auf die Tatsache, daß streng tontinentale Gruppen den tatsächlichen Begebenheiten in keiner Hinsicht entsprechen und daß durch fie Rivalitäten hervorgerufen werden könnten, die leicht zu einem neuen Weltkrieg führen würden." Bei dieser Entschließung handelt es sich nur um eine Stellungnahme zu den Staaten handelt es sich nur gruppierungen. Die Gruppierung von Parteien und Ge­und Industriezweigen wertschaften, Wirtschaftsverbänden und hat mit dieser Entschließung nichts zu tun, die sich allein auf Staaten bündnisse   bezieht.

Da seit dem Scheitern des Genfer   Protokolls noch immer die Lüde des Völkerrechtes nicht ausgefüllt ist, die den Krieg unter ge­

Regierung mit ihr unmöglich gemacht hatte, die jetzt im Amt befind. Kein Streik in der Metallindustrie

liche Reichsregierung aus wohlerwogenen, staatserhaltenden Gründen mitgeschaffen hat. Ich muß Ihnen, in meiner Stellung als Vor­fizender der Deutschen Zentrumspartei  , die Bitte vortragen, mir

Die dreiviertel Mehrheit nicht erreicht. Das Abstimmungsergebnis in der Berliner   Metallindu­

umgehend eine Mitteilung darüber zugehen zu lassen, ob Sie die oben ftrie lag gestern in später Nachtstunde noch nicht vollständig angeführten Aeußerungen tatsächlich gemacht haben. Für den Fall vor. Doch ergibt die bisherige Zählung, daß die zum Streif der Bejahung müßte ich Sie um eine gefällige Aeußerung darüber bitten, welche Schritte Sie zu tun gedenten, die in notwendige Dreiviertelmehrheit nicht erreicht ist. solchem Falle mit den Pflichten eines Zentrumsanhängers von selbst

Ausführliches fiehe vierte Seite des Hauptblattes.

wiffen Bedingungen gestattet, nahm der Kongreß eine Entschließung an, einen allgemeinen Vertrag abzuschließen über das Verbot des Angriffstrieges, die Feststellung des Angreifers und die endgültige friedliche Regelung aller Streitigkeiten". Desgleichen sollen überall da in der Welt, mo Spannungen entstehen können, nach dem Beispiel von Locarno  Nichtangriffs- und Schiedsverträge abgeschlossen werden. Da der Balkan   durch Stalien bedroht ist, wurde eine besondere Ent­schließung, trotz des offensichtlichen Widerstandes der italienischen Delegation, beschlossen, in der der Erwartung Ausdruck gegeben wird, daß sich alle Mitgliedsstaaten des Böllerbundes auch Italien   den Balkanvölfern gegenüber sich von dem Grundsatz der politischen Unabhängigkeit und der unversehrt­heit des Gebietes leiten lassen.

Die

darauf hin, daß es sich nicht nur um eine Begrenzung, Zur Abrüstungsfrage weist eine Entschließung des Kongresses sondern auch um eine herabfegung der Rüstungen handelt und daß die Locarnoverträge ausdrücklich abgeschlossen sind, um die Sicherheit zu erhöhen und so die Abrüstung zu erleichtern. Entschließung forbert ferner, daß ein Verfahren zur Ueber­wachung der Abrüftungsverträge und zur Entscheidung über Ber­legung der Abrüftungsverträge geschaffen wird. Die Völkerbunds­gesellschaften werden aufgefordert, die Propaganda für die Ab­rüstung energisch zu betreiben.

Der Kongreß schloß mit einer von stürmischem Beifall auf­genommenen Dantansprache des Borfizenden Prof. Aulard an die deutsche Delegation und nicht minder beifällig aufgenommenen Dantesworten des deutschen   Delegierten an den französischen  Präsidenten.

Stresemann vor den Völkerbundfreunden. Auf einem Festbankett der Deutschen   Liga für den Bölferbund erklärte Dr. Stresemann in einer Rede u. a:

Die große Mehrzahl der führenden Männer Deutschlands  mitzuarbeiten. Der Weg habe von der Ablehnung zur Stepsis, von sei aufrichtig gewillt, an den Aufgaben des Bölkerbundes Stepfis zu Vertrauen geführt. Freuen wir uns, so erklärte Dr. Stresemann, daß Deutschland   den Weg zum Völkerbund und der Bölkerbund den Weg zu Deutschland   gefunden hat.