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Mittwoch

1. Juni 1927

Unterhaltung und Wissen

Der Graf aus dem Roman.

Von Ernst Hoferichter  .

Mitten im jungen Frühling ist's. Am Geburtstag der Mais fäfer und Bergißmeinnicht. Auf den Dächern liegen die Betten in der Sonne. Und die Bolten laufen mie luftige Sommerblusen darüber hin. Der Himmel ist mit Wasserfarbe milchkübelblau ausgemalt.

Drunten im Hof der Mietfaserne ein Ringelreihentanzen um die Kehrichttonne. Helle Kindergartenlieder.

Am offenen Küchenfenster näht Annie rosafarbene Flanellunter. hosen in Konfeftion. In ihrem apfelgrünen Wachsgesicht blühen die ersten Sommersprossen auf. Ein warmer Sonntagskinderglanz tommt aus dem Tiefsten ihrer Augen. Raum sechzehn ist sie alt, aber schon voll Mai...

Wenn von der Wirtschaft herauf das Xylophon spielt, ist es Abend. Dann läßt sie die Gaslampe zu einem dicken Mond auf­leuchten. Ueber ihr wohnt eine Hebamme. Jeden Abend klopft sie cuf den Fußboden. Da muß Annie herauffommen und Bier holen. Heute sind Vater und Mutter im Gesangverein. Singen Rad. fahrlieder und Pfingstchoräle. Und da fann fie wieder aus ihrem Roman lesen. Der heißt: Mag auch das Glüd verwehn.'

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Er besteht aus giftiggrünen Einzelheften in hundert Lieferungen und ist voll Revolverschüsse, geöffneter Gräber, barfüßiger Blumen­mädchen, schillernder Hofbälle und angerauchter Spelunten.

Und es tommt darin auch ein Graf vor, der alles bezahlt, allem entgeht und gar nicht so stolz ist, wie alle anderen feinen Herren um ihn. Und Annie hat ihn deshalb auch in ihr Herz eingeschlossen. Sie erlebt sein Leben mit und fann ihm vieles nachfühlen. Hört die Seftpfropfen knallen, wenn er in Bars sigt, zittert um sein Glück beim Roulettespiel und wernt ihn vor einer intrigierenden Zirkusdame. Nachts steckt sie die Hefte unter's Kopffissen und schläft auf ihnen. Neben dem Suppenteller und abendlichen Räje. broten liegen sie so wichtig, wie Löffel, Messer und Gabel herum. Und jetzt ist sie tlaftertief in jenes Kapitel versunken, wo der Graf im schweren Zehntausendmarkpelzmantel zur Dachlammer des frierenden Fabrikmädels emporsteigt. Und ihr alle Wünsche erfüllen wird.

...

Und Annie sieht durch die Seiten hindurch. Alles um sie her ist zugedeckt und weggetragen. Ganz verwischt und ausradiert. Aus dem Ausgußwechsel fallen schläfrige Wassertropfen.

Da hört sie es draußen vor der Tür läuten.

Und öffnet erwartend.

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Und im Türrahmen steht wahrhaftig der Graf aus dem Roman. Voll Ladstiefelglanz und frischrasiertem Gesichtserglühen. Wie von einem Kinoplafat ausgeschnitten. Er riecht nach Juchtenleder und hat am rechten Auge ein Monokel fleben, so groß wie ein Taschenspiegel. Daran erkennt sie, daß er ein ganz echter Graf ist. Und alles fommt ihr mit einem Male wie ausgemacht vor. Auf schweigsamen Gummisohlen tänzelt er in die Küche hinein und setzt fich auf das geblümte Ranapee wie in eine Frühlingswiese. Ganz so hatte sie sich ihn vorgestellt! Wie das Titelbild eines Toiletten feifentatalogs! Und jest spricht er mie aus einem Grammophon trichter: Gnädigstes äh, müffen vergeben, daß ich mir... ah... fozusagen erlaubte, eine Visite, äh, äh, äh..." Unb bann fragt es wie eine abgespielte Platte. Aber Annie versteht alles nur zu gut. " Oh mei, Herr Graf, i hab' Ihna   ja schon 985 Seiten lang erwartet." Da lacht er wie ein Teddybär, wenn man ihn auf den Bauch drückt. Und sie sieht in seinem offenen Mund alles poll Gold, als wär's ein Juwelierladen. Sie tocht ihm Tee, holt Wurst herbei und wärmt geröstete Kartoffeln auf. Und immer füßt er ihr die Hände über den Tisch hin und nennt sie Allinde. Da münscht sie sich sp­gleich zehn Meter Seidenblumenstoff, ein türkisblaues Himmelbett und einen Laubfrosch. Und der Graf deutet nur auf seine Brief­tasche. Die ist so did wie ein Meßbuch. Und da quirlt ihr Herz. als wär's eine frisch geöffnete Brauselimonade. Bor Freude und vorauseilender Dankbarkeit zeigt sie ihm ihre Sonntagsschulzeugnisse und das Photographiealbum mit allen Verwandten. Und mit den Blizlichtaufnahmen von einem Vereinsausflug mit Glückshafen und

Taubenstechen.

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Von der Straße herauf surrt das gräfliche Auto. So als flögen Hummeln gegen eine Fensterscheibe. Sie denkt mit Froh loden:" Jetzt fommt die Entführung auf ein Schloß, wo die Grafen, fronen wie Christbaumschmuck herumhängen. Und einmal entführt zu werden ist füßer als Giraffetorte.

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Und sie muß nur noch die Wärmflasche füllen. Der Vater hat auch im Mai falte Füße. Dann nimmt sie den Käfig mit ihrem Ranariennogel untern Arm, stedt Kamm und Zahnbürste ein. Und schon treten sie verschränft wie ein Brautpaar unterm Tannenbaum über die Schwelle. Draußen am Gang riecht es nach rauchigen Lappen und angebranntem Abendessen. Der Graf hält sich die Nase und sie zeigt ihm, wie man an einem Stiegengeländer herunter

rutscht.

Vor der Haustür liegt mit einem Male ein honiggelber Nach mittag. Um das Auto stehen alle Einwohner des Hauses als Knäuel beisammen. Im Glanz seines Zylinders geht Annie blicklos durch die zwitschernde Menschengasse. Und ein schwer versilberter Lakai reißt den Bagenschlag wie einen Eilbrief auf. Ans Wagen. fenster schwirren betrunkene Maitäfer und von Kaftanienbäumen wiegen Blütenkerzen herein.

Und da! Liegt ein schreiender Jahrmarkt draußen. Boll Kindertrompeten, Orgelwalzer und Schießstandknallen. Eine fledfig ausgefüllte Malvorlage. Zerfließende Wasserfarben. Bitt' schön, ich möcht gern a biffert aussteigen..." Und der Graf nidt lächelnd in ihren Wunsch hinein.

Da gehen sie wie Königssohn und Gänsemädchen durch Blech mufit, Sonnenstaub und schreiende Schnellphotographen. Der Latai wie ein falsch gefeßtes Ausrufezeichen drei Schritte hinterher. Und sie sagt zu ihm, er solle doch näher fommen, damit die Leute es merten, daß er zu ihr gehört. Denn auf ihn sehen sie noch viel mehr hin. Sie fauft Luftballons und Lebkuchenherzen und bindet fie dem Grafen und dem Lakai ans Knopfloch. Und immer, wenn fie einen Wunsch in ihrem Herzen wachsen hört, greift sie in die gräfliche Manteltasche, die voll von Banknoten angestopft ist.

Jegt steigen fie zur Kaffe eines Baubertheaters hinauf. Sezen fich in die erste Reihe. Und Annie spürt die neidischen Blicke von den schlechteren Blähen her mit behaglicher Wärme auf ihren Rüden scheinen. Der Vorhang fliegt wie eine Lerche nach oben und ein Magier erbittet sich vom Bublifum einen Hut, um damit zu zaubern. Da nimmt sie von des Grafen Kopf den Zylinder ab und reicht ihn hinauf zur Bühne. Und jetzt werden darin Eier gefocht... Dann wird eine Dame gezeigt, deren ganzer Rörper farbig wie eine Blatatsäule angemalt ist. Und da Annie hört, daß nichts davon abfärbt, macht sie ihren Finger naß und reibt damit an dem Ge

malten, ob es auch wahr ist. Der Budenbesitzer erflärt mit einem

Bellage des Vorwärts

spanischen Rohr die Bilder auf dem ganzen Körper. Auf die Border. Wie ernährt China   seine 400 Millionen?

seite, um den Nabel herum, ist ein Bad im Harem gezeichnet, auf der Rückseite die Eroberung von Konstantinopel  . An beiden Seiten ber Theaterbude sind Frühgeburten in Spiritus aufgestellt. Und junge Menschenherzen. Und der Kopf eines Raubmörders. Und an allerlei Eingeweiden erblickt sie zum erstenmal, wie ein Mensch von innen aussieht. Da hat sie plötzlich Graf und Lakai verloren, und sie läßt sich durch einen Trompeter ausblajen. Bor einem Affenzirkus treffen sie sich wieder. Gehen auch hinein. Ein Schoß affe in lila Unterhose grüßt militärisch in den Zuschauerraum. Annie fühlt es auf sich bezogen und läßt ihn, darüber hocherfreut, von ihrem Räsekuchen abbeißen. Den Rest steckt sie den Grafen in den Mund.

K.P.D.  

Bundesbrüder.

D.Nar

Der Deutschnationale: Wadrer Freund, mit dem Sturz der Preußenregierung ist es nichts geworden, mit Medienburg auch nichts. Aber wenn du mir nur tapfer weiterhilfft das Reich muß mir doch bleiben!"

Und da über ihren Einfall eine größere Lache ausbricht, als über des Affen Kunststücke, fühlt sie sogleich in sich Talent fürs Theater und denkt schon daran, irgendwo dramatischen Unterricht zu nehmen. ,, Eine Schiffsschaufel!" schreit fie. Und schon steigt sie mit Graf und Latai in einen Kahn, der heißt Himalaja  ".

Auf der Brust eines Schaufelburschen sieht sie die Göttin Venus eintätowiert. Rundherum das Sternenbanner und Frisch, fromm, fröhlich, frei!" Die Orgel singt heiser das Bienenhaus.

Sie schaufeln Löcher ins Blaue des aufgespannten Himmels hinein. Dazu ißt sie aus der Tasche des Grafen türkischen Honig, Waffeln und Malzzuder. Und hat alle Finger flebrig wie Fliegen hüte. Unten liegt die Welt als umgekehrter Baukasten. Wie eine buntfchedig gefleckte Bettvorlage.

"

Und ihre Wünsche werden wie junge Pferde. Ganz unbändig. Der Graf muß aus seiner Brieftasche alle Banknoten hinunter­schütteln. Da springen unten die Menschen mit heraushängenden Augen, wie Hunde nach der Wurst am Faden, in die Höhe. Und stoßen sich gegenseitig die Mahlzeiten aus dem Magen heraus. Bis ein Betiler, der blind ist, einen Schein gegen die Sonne hält. Und schreit wie ein Weltuntergang: Gefälscht!".. Und Tausende heulen im Chor, als ständen sie auf einer Theaterprobe: Banfnotenfälscher! Banknotenfälscher! Falschmünzer!" Und alle rennen im Bettlauf auf das fliegende Schiff zu, auf dem mit gol­denen Buchstaben geschrieben steht: Himalaja  ". Ein Schußmann zieht aus den Rippen seiner Brust Notizbuch und Bleistift hervor und fragt den Grafen freuz und quer aus, als wollt' er ihn aus dem Katechismus verhören. Und es jah aus, als frigle er dazu in sein Schreibbuch lauter fleine Käfer und Schmetterlinge hinein. und des Grafen Ausweispapiere sieht er wie Heiligenbilder an. Bis er mit einem Male herauszischt: odytapler!". Und den Arm auf seine Schulter legt, wie ein Zugjoch. Da steht Annie, wie dem Grafen aus Angst das Monokel wie Mörtel   abspringt, auf [ einem Kopf die Haare ausgehen und in der Nachbarschaft herum fliegen. Ein Glasauge und ein Kautschufgebiß retten sich, über Bord springend, in eine Wasserpfüte. Der Lakai hat sich zu einem Warenhausportier abgefärbt. Und die Herumstehenden fingen auf sie das Lied vom dreckigen Menschert, wie ein lang eingeübtes Ver­

einslieb.

Und sie wäre noch so gern mit dem Grafen ins Kino ge­gangen.... Hätte sich noch mit ihm photographieren lassen wollen! Bom Himmel herunter tlopft es vernehmlich.

Um sie her wird alles zu fahrenden Karussells. Und die blizende Helmipiße des Schußmanns verfinft wie ein Bapierschiff. Aus dem Boden wachsen Wände herauf. Mit Küchengeschirr angehängt. Und da Annie noch denken fann: Grad seinen Charakter möcht' i fennen, grad seinen Charakter

"

Aber Freilein Annie, was ist denn heit mit dem Bierholen?" Und noch einmal schreit die Hebamme..

Langsam und ganz mechanisch steht Annie auf. Als hätte sie in fich einen heißen, übervollen Milchtopf durch die Küche zu tragen. und fnidst auf Seite 985 des Romans ein Eselsohr ein. Mag auch das Glüd verwehn

Und müde, als hätte sie eine Nacht lang auf einer Wagen. beichsel geschlafen, geht sie der Türe zu.

Der Mond flebt wie ein zu dünn gestrichenes Butterbrot am Himmel. Und fann lächeln, still und lang.

Mitten im jungen Frühling ist's.

Der Fremde, der das Reich der Mitte bereift, empfindet immer wieder Bewunderung beim Studium der Geräte und der Verfahren, welche die ältesten Acerbauer der Welt durch jahrhundertelange An­forderungen und Erfahrungen ausgebildet haben. Wer sich Mühe gibt zu erfahren, wie es die östlichen Völker zuwegebringen, nach zwanzig, dreißig, ja, möglicherweise vierzig Jahrhunderten Ader­fultur eine solche Ertragsfähigkeit ihrer Felder zu erhalten, daß sie ernähren können, wird überrascht sein von den Erfahrungen, die er eine so dichte Bevölkerung, wie sie jetzt in diesen Ländern besteht, auf Schritt und Tritt macht; er wird belehrt hinsichtlich der Methoden und dem Umfang, in dem die Nationen des fernen Ostens Jahr­hunderte hindurch ihre Naturprodukte ausgenugt haben, er wird überrascht sein von der Größe der Ernten, die sie aus den Feldern herausgeholt haben, und überwältigt von der Menge harter mensch­licher Arbeit, die sie für einen Tagelohn von 21 Pfennig mit Essen  oder 63 Pfennig ohne Essen leisten. Es ist für alle Nationen eine Frage von größter industrieller nud sozialer Bedeutung, zu wissen, wie China  , Korea   und Japan   eine so dichte Bevölkerung ernähren fönnen. Das einzig dastehende Produktionsvermögen besonders der chinesischen Landwirtschaft ist auf vier wesentliche Gründe zurückzu­führen: 1. Bewässerung in einer für europäische Begriffe fast unfaß­baren Ausdehnung. 2. Ausnutzung und Berarbeitung jedes Abfalls, der als Düngemittel dienen kann. 3. Mehrfache Ernten. 4. Unbe­grenzte Opferbereitschaft zu schwerster Arbeit.

Einer der leitenden Grundsäge für den chinesischen Ackerbau ist die Erzielung von zwei oder mehr Ernten während ein und derselben Begetationsperiode. Natürlich sind nicht in allen Teilen des Riesen­reiches die Verhältnisse dieselben. Aber man braucht nur nach Beting und Tientsin zu kommen, wo man sich ungefähr auf Meereshöhe be­findet, um echt chinesische Kulturverhältnisse anzutreffen. Man findet dort Bauern, die auf ihrem fleinen Feld nach Weizen Zwiebeln anpflanzen und nach den Zwiebeln Kohl und auf diese Weise durch ihre drei Ernten eine Ausbeute erzielen, die 163 Golddollars je Arce entspricht.. Andere pflanzen irländische Kartoffeln, ernten diese zeitig, pflanzen danach Radieschen und dann Kohl und kommen auf diese Weise zu einer Ausbeute von 203 Golddollars je Arce. In Schantung, so liest man in dem soeben bei F. A. Brockhaus in Leipzig   erschiene­nen, höchst instruttiven Wert des Schweden   Johan Gunnar Andersson  : Der Drache und die fremden Teufel", baut man Weizen oder Korn als Wintersaat, die im zeitigen Frühjahr geerntet werden; dann folgt eine zweite Ernte von Raoliang oder Hirse, süßen Kartoffeln, Sojabohnen oder Erdnüssen. In Südchina erzielt man zwei Reisernten, auf die während des Winters und zu Beginn des Frühjahrs eine dritte, bisweilen sogar eine vierte Ernte von Kohl, Raps, Erbsen, Bohnen u. a. folgt. Um sowohl Boden wie Zeit zu sparen, wird der Reis auf ein kleines Aterstück gefät, mo man burch starte Düngung und sorgfältige Bodenbearbeitung im Verlauf von 30 bis 50 Tagen auf einem Acer eine Menge junger Pflanzen aufzieht, die für 10 Aecker ausreichen. Die neun Aecker, die auf diese Weise frei waren, haben während dieser Zeit andere Kulturgewächse getragen; nachdem sie geerntet sind, wird dann der Boden für das Anpflanzen der Reisstecklinge bestellt.

Neben diesem System der aufeinanderfolgenden Ernten ver­mendet der Chinese in größtem Umfang das der gleichzeitigen mehr­fachen Ernten. Voraussetzung hierfür ist die Anwendung des Reihen­jäsystems für alle Bodenkulturen. Es ermöglicht, daß man in den verschiedenen Zeiten Kulturen von ungleichem Alter hat, die aljo zu verschiedenen Zeiten reifen und geerntet werden. Auf diese Weise erreicht man nicht nur die vollständigste Ausnutzung des Bodens und größere Mannigfaltigkeit im Ernteergebnis, sondern erzielt auch eine beffere Berteilung der Landarbeit auf die einzelnen Abschnitte der Begetationsperiode. So fann man z. B. auf demselben Acer   gleich­zeitig reife Weizen, reifende Bohnen und eben gepflanzte Baumwolle sehen. Dieser Erntewechsel während der gleichen Reifezeit dehnt sich in gewisser Weise auch auf die Tierweit aus. Der Ackerboden ist reich an Regenwürmern, die man gewöhnlich Angelwürmer nennt; fie voll­bringen eine nüßliche Arbeit, indem sie die Erbe auflodern und so die Durchlüfung des Bodens erleichtern. Diese Würmer werden bei der Bodenbearbeitung sorgfältig gefchont, da die Chinesen diesen nüß­lichen Helfern so wenig wie möglich schaden wollen. Wenn aber dann die Reisfelder unter Wasser gesetzt werden, fommen die Würmer in unglaublichen Mengen nach oben. Nun holt der Chinese große Scharen von Enten herbei, die sich an den Würmern sattfressen. Mit dem Wasser wiederum, das auf die Reisfelder gepumpt wird, gelangt Fischbrut auf den Acker, die zusammen mit dem Reis aufwächst. Aus dieser Darstellung läßt sich die unerhörte und für uns fast unbegreifliche Arbeitswilligkeit des Chinesen erkennen. Es hat den Anschein, als ob er mit allem ökonomisch umgehe, nur nicht mit der menschlichen Arbeit. Eine Getreideart so anzupflanzen, wie es der Chinese mit dem Reis fut, die Erde, die er zu seiner Kompostbereitung verwendet, mehrere Male zu transportieren, seine Ackerfelder so zu bearbeiten, zu bepflanzen und zu reinigen, daß sie wohlgepflegter aussehen als viele unserer Gartenbeete; all dies ist für ihn eine selbst­verständliche Sache. Einfach leben, vielen Händen Arbeit geben und vielen Mündern Speiss das scheint als Motto der chinesischen Lebens­meise zu gelten, eine Lebensregel, die, alles in allem genommen. gar nicht so übel ist. Man muß eben daran denten, daß große Teile Chinas   fo außerordentlich dicht bevölkert sind, daß die Aufgabe, für alle diese Menschen Rahrung und Arbeit zu finden, mehr als schwierig ist. Von dem ungeheuren Heberangebot von Arbeitskräften fann man fich in Europa   feine Vorstellung machen. Massen von Kulis reisen jedes Jahr auf dem Seeweg nach der Mandschurei  , um für einen uns unbegreiflich niedrig erscheinenden Tagelohn den reichen manbichurischen Grundbefizern ihre Dienste anzubieten.

Ein Bolf von Ringern. Der japanische Ringsport des Dschiu Dschitsu, ber ein so vortreffliches Mittel der Selbstverteidigung dar bietet, hat sich auch bei uns bereits eingebürgert und wird allent­halben gelehrt. Aber das echte Dichiu Dschitsu ist heute auch in Japan  nicht mehr modern, sondern durch eine andere Form des Ring­tampfes, das Judo, erfeẞt. Ueber diesen Nationalsport des moder­nen Japan   plaudert ein japanischer Champion des Judo, Y. Soma, in einem englischen Sportblatt. Die Rolle, die das Judo im Leben des Japaners spielt, fann kaum überschätzt werden", schreibt er. In den Ritterzeiten, waren Didhiu Dschitsu und Kendschitsu, die japanische Form des Fechtens, die wichtigsten Uebungen, die ein Samurai oder Ritter erlernen mußte. Auf diese Weise gewannen die Mit­glieder der herrschenden Klaffe die drei Haupteigenschaften, die sie auszeichneten: die Bereitschaft, das Leben für den Staat und das Recht zu opfern, den echten Kriegergeist und den vor nichts zurück­schreckenden Mut. Seit der Einführung der europäischen Ideen, die mit dem Jahre 1867 begann, blieb aber die Kenntnis des Dichi Dichitsu nicht mehr auf die Samuraiflasse beschränkt, sondern diese gefährliche und furchtbare Kunst drang auch in andere Kreise und murde sehr mißbraucht. Als mit Hilfe des Dschiu Dschitsu Gewalt taten und Verbrechen in Menge verübt wurden, verbot die Regie­rung gewisse Griffe, die den Tod oder das Brechen eines Gliedes zur Folge haben, und durch diese Milderung der Dschiu Dschitsuformen bildete sich eine neue Art des Ringens aus: das Judo. Das Ziel des Dischiu Dschitsu war der Tod oder die vollkommene Wehrlosmachung des Gegners. Beim Judo steht der Zweck des Selbstschutzes im Bordergrund, und es ist weniger eine Baffe als ein Sport, der den Körper vortrefflich ausbildet. Heutzutage muß jeder japanische Knabe in den Staatsschulen entweder Judo oder Fechten lernen, und Gewandtheit im Ringen gilt für den Japaner als so unerläßlich, daß feiner auf den Namen eines echten Mannes Anspruch machen kann, der nicht diese Kunst beherrscht."