Nr. 228.
Erscheint täglich außer Montags. Brets pränumerando: Biertelfährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg- fret in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 8,30mt.proQuartal. Unter Kreuz band: Deutschland u. DesterreichUngarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.
Vorwärts
12. Jahrg.
Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins- und Bersammlungs- Anzeigen 20 Pig. Juferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn und Festtagen bis 9 Uhr Bore mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin !
Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Zum Parteitag.
Sonntag, den 29. September 1895. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
Die zum Parteitag in Breslau gewählten Delegirten, sowie die Kontrolleure und Reichstags- Abgeordneten, welche den Parteitag besuchen wollen, werden dringend ersucht, sich umgehend beim Botalt omitee in Breslau anzumelden. Die Adresse des
Romitees ist:
Diese Anmeldungen sind unbedingt nothwendig, da sonst das Komitee nicht in der Lage ist, für geeignete Wohnungen zu forgen.
"
Koalition wie das Kabinet Windischgrät, auf Polen , I auf Seite der Regierung den Polen gegenüberstanden, so Konservative und Liberale, nur mit dem Unterschiede, muß man es als eine der bemerkenswerthesten Thats daß Windischgräß den Liberalen noch Einfluß auf die Re- sachen betrachten, daß nunmehr die auswärtige und die gierung durch Ueberlassung zweier Ministerien einräumen innere Politit Desterreichs hauptsächlich vom polnischen mußte, der polnische Graf Badeni dies aber nicht mehr Adel bestimmt werden soll. sie haben sich ebenso unfähig zur Regierung wie zur Oppo Abel Desterreich nicht regieren können, so versklavt ist das nöthig hat. Die Liberalen sehen sich vom Volke verlassen, Freilich so leicht wie Galizien wird der polnische sition gezeigt, ihnen bleibt nur noch der eine Ausweg, fich deutsch - österreichische und böhmische Volk denn doch nicht, unter den Schuß jeder Regierung zu stellen, sich auf Gnade daß es sich ein despotisches Regiment und eine korrupte und Ungnade derselben zu überantworten. Verwaltung bieten lassen wird wie die armen Polen Während der Liberalismus in Desterreich sich selbst und Ruthenen, die sehnsüchtig über die Grenze aufgiebt, hat die polnische Adelspartei die Herrschaft nach Rußland sehen, weil sie unter der russischen Knute Desterreichs angetreten. In vier Wochen werden es noch mehr Schuß vor Ausbeutung und Unterdrückung sich Den Parteitagsbefuchern diene zur Notiznahme, daß sowohl 100 Jahre, daß das Königreich Polen aufhörte, ein selb- erhoffen als unter der Herrschaft des polnischen Adels. am Sonnabend, den 5., wie Sonntag, den 6. Ottober auf allen ständiger Staat zu sein, und wenn die Polen das Jubiläum Man lese nur, um dies zu begreifen, einige Bilder aus dem Bahnhöfen Breslaus und zu allen Zügen Genossen zum Empfang hierüber nicht zu trauern. Nein, er kann stolz darauf hinbegehen, so braucht ihr Adel wenigstens in Desterreich Wahlkampfe bei den galizischen Landtagswahlen, die das Volt" aus polnischen Zeitungen zusammenstellt, so z. B. der ankommenden Delegirten anwesend sein werden. Die weisen, daß der Unterdrückte zum Unterdrücker geworden diefe: Delegirten des Empfangskomitees tragen weißrothe Rosetten. ist, daß polnische Schlachzyzen heute in einem der größten Aus der Tschortkower Umgegend berichtet der Dim" un Auf dem Zentralbahnhof( Oberschlesischer Bahnhof) werden sich Reiche der Welt mächtiger und einflußreicher sind als die glaubliche Szenen bei der Durchführung der Wahlen, von denen die Mitglieder des Empfangskomitee's der Bahnsteig- Sperre Deutschen , die das Reich gegründet haben, daß er, der wir bloß den einen Fall der Wahlen zu Ulaschkowce anführen halber nicht in der Perronhalle, sondern in der Bahnhofs- Halle Adel eines in Desterreich blos drei und dreiviertel Millionen wollen. Dort waren die Wahlen auf den 11. b. M., um 7 Uhr vor dem mittleren Ausgangsportal aufhalten. Die Delegirten zählenden Volksstammes, den mehr als 24 Millionen Ein- früh, angesetzt worden, obwohl sie nicht rechtmäßig veröffentlicht werden sich von den resp. Bahnhöfen aus zunächst in das wohnern Gisleithaniens Gesetze giebt. Der Einfluß des gannen eine förmliche Jagd auf die Wähler, die zur Organisation Empfangslotal Hotel aum blauen Hirsch", Ohlauer- mente, er hat das Dhr des Monarchen, der Chef der ge- Gaffe, die andern im Hause verhaftet und auf Wagen zur Empfangslotal Hotel zum blauen Hirsch", Ohlauer: polnischen Adels ist maßgebend im österreichischen Parla- der Wahlen beigetragen haben. Die einen wurden auf der straße 7, begeben, um dort ihre Quartierkarten 2c. entgegen- meinsamen Regierung von Desterreich- Ungarn, der Minister Bezirkshauptmannschaft nach Tschortkow abgeführt. Man hieft des Auswärtigen ist ein polnischer Graf: Goluchowski, der Chef fie dort so lange internirt, bis die Nachricht anlangte, daß die Die Borlagen und sonstigen Drucksachen für den Parteitag der cisleithanischen Regierung wird ein polnischer Graf: Wahlen schon durchgeführt und die von Oben bestimmten Wähler tommen im Laufe der nächsten Woche und zwar so rechtzeitig Badeni , in den höchsten Beamtenstellen, in den höchsten Gerichts gewählt feien. Man reichte einen Protest ein, aber man hofft zur Versendung, daß die Delegirten sie noch in ihrem Wohnorte höfen haben polnische Adelige in von Jahr zu Jahr faum auf eine Erledigung, empfangen. Aus der Tarnopoler Umgegend führt das Blatt die Wahlen fteigender Bahl die alte deutsche Bureaukratie ver- im Dorfe Ladzayn an, wo die Wähler für den 12. d. Mts. für Berlin , 27. September 1895. drängt, in Galizien herrschen sie unumschränkt, keine Bentral- 2 Uhr nachmittags zur Wahl eingeladen wurden. Die Wahlregierung hat seit 1867 gewagt, den polnischen Adel in der männer sammelten sich schon vor 11 Uhr vormittags und erSelbstverwaltung Galiziens , in der Unterdrückung der Ruthenen fuhren, daß die Wahlen schon durchgeführt seien. Die Wahlen zu stören, in jedem Ministerium hat er seine Vertreter neben waren in der Schule durchgeführt worden, in die der Kommissär Die Tage in Gefferreich. Fachministern, sogenannte Minister ohne Portefeuille, die sich durch eine Hinterthür begeben hatte, während die Gendarmen teine andere Aufgabe hatten, als die speziellen Interessen den vor der Kanzlei Bersammelten fagten, daß der Kommissär In wenigen Tagen wird das provisorische Beamten- der Schlachta zu wahren; diese Interessen waren aber nicht und sich in die Schule begaben, erklärte der Kommiffär, daß die ankommen werde. Als trotzdem die Wahlmänner etwas merkten minifterium Rielmannsegg von dem hocharistokratischen die nationalen, denn in dieser Richtung hat der Wahlen schon geschlossen sind, obwohl es noch nicht einmal 12 Uhr Rabinet Badeni abgelöst sein. So politisch farblos das ab- polnische Adel alles erreicht, nur fordern war. Die erbitteeten Wahlmänner übersandten sogleich ein Tele
zunehmen.
"
=
Der Parteivorstand.
wurden. Um 6 Uhr kamen vier Gendarmen in den Ort und be
tretende Minifterium war, so deutlich ist die politische fonnte, es waren die wirthschaftlichen Juteressen, die gramm an den Statthalter." Stellung des neuen Ministeriums durch die Namen diese Sippe sich besonders wahren ließ, und auch hierin An die höchste Macht ist nun der polnische Adel, der der Portefeuille Inhaber charakterisirt. An die hatte sie vollen Erfolg. Galizien ist nächst Dalmatien die den anderen Adel im Schlepptau führt, gelangt. Auch Spize des Kabinets tritt der Führer der polnischen Adels- passivste Provinz Desterreichs, d. h. seine Einnahmen bleiben hier wie in Preußen das merkwürdige Bild: Erben partei Graf Badeni , ihm werden zur Seite stehen ein anderer stets weit hinter den Ausgaben zurück, in allen möglichen Formen des Feudalismus fast ausschließlich an der Herrschaft in polnischer Parteiführer Herr v. Bilinski, dann zwei Ge- mußten da die aktiven Provinzen, vor allem Wien und Böhmen , unserer bürgerlichen Gesellschaft!
nerale, ein viertel Dugend Großgrundbesizer ohne weitere mit ihren Steuerüberschüssen die leeren polnischen Kassen Ob es den polnischen Adel nicht schwerer werden wird, Bedeutung als ihren Besitz, Gautsch, der Unterrichtsminister füllen; aber dafür einen politischen Einfluß auf die feine außerordentliche Machtstellung in Desterreich zu bedes Ministeriums Taaffe , ein persönlicher Vertrauter galizischen Verhältnisse zu fordern, war ihnen versagt. wahren, als sie zu erringen, wird die nächste Zukunft des Kaisers, und endlich als Handelsminister Erwägt man, daß die zweite Hauptstadt Desterreichisch- lehren.
ein Beamter des Auswärtigen Amtes. Von den Polens , Krakau , noch nicht ein halbes Jahrhundert zu Schwere Aufgaben sind dem neuen Ministerium gestellt. Ministern ist faft keiner Mitglied des Abgeordneten- Desterreich gehört, daß noch im Jahre 1846 ein polnischer Die Wahlreform läßt sich nicht mehr aufschieben, eine hauses, ihrer Parteistellung nach sind sie Schlachzyzen oder Aufstand in Galizien mit Waffengewalt niedergeschlagen Steuerreform wird für nöthig gehalten, der AusgleichsFeudale, stügen wollen sie sich auf die gleiche werden mußte, daß in den Jahren 1848/49 die Ruthenen vertrag mit Ungarn , der stets auf 10 Jahre geschlossen wird,
Skizzen[ Nachdruck verboten. aus dem lüdamerikanischen Hinterlande.
52
blindem Glase und unzähligen Sprüngen, und er lachte er ihr selber gegeben hatte. Dann glitten seine Gedanken, schwach über die Einbildungskraft seines damaligen jugend- ohne daß er ihnen hätte Einhalt gebieten können, in eine lichen Hirns. Es war immer und von jeher ein alter andere dunkle Ecke, wo noch viel Uurath aufbewahrt lag; garstiger Spiegel gewesen aus irgend einer Humpelkammer, all der Unrath, der in den letzten Jahren aufgehäuft war, dieser sogenannte Spiegel der Ideale, der ihm einst zu und wer diese Ecke hätte ansehen können, hätte sich wundern Die ganze Vergangenheit steigt auf, grau, aschgrau, feiner Toilette gedient hatte. Wie konnte das Spiegelbild da mögen, was in einem so reinen und saubern Hause, in dem schwarz, grün, blau oder roth; je nachdem sie gewesen ist. rein sein! Ob es überhaupt in der Welt Reinheit, Tugend nur Geldmänner und der Präsident der argentinischen ReSünden und Fehler, gute Thaten und schöne Erinnerungen, und Edelmuth giebt in idealer Gestalt; und ob nicht einer publik, Exzellenz in Person verkehrten, für Unrath und all' das, was man niemals, auch nicht dem ver- den anderen nur betrügt und sie zu erblicken vorgiebt, zusammenkommen kann. Da waren Fälschungen dabei, trautesten Menschen beichtet, nicht der geliebtesten Gattin; während er vor demselben alten zersprungenen Spiegel steht Betrügereien, Diebstähle, Morde, Vergehen und Vernoch viel weniger dem Priester; jene dunkeln Regungen, die und genau dasselbe sieht, wie der, dem er es weismachen brechen gegen alle Gebote und Gesetzesparagraphen; zwar Geheimniß bleiben in der einzigen Menschenbrust, in der sie will! Herrn Winterfeld's Gedankengänge nahmen ihren feine, die das Gesetz bestraft mit Haft und Kerker und aus der unbekannten Tiefe tauchten, und die der Tod ver- Lauf in düstere Ecken; in jene Ecken, in denen man nicht beren brave und fromme Christen sich auch selber ver Gott hüllt für immer. Was man wollte und konnte und was gerne umher zu stöbern pflegt. Er begann sich eines nicht anzuflagen pflegen; aber doch Fälschungen und derlei man wünschte und nie erreichte, das ganze Meer der Hoff jungen schönen Mädchens zu erinnern, die er einst Dinge, wenn man sie beim falben Kerzenlicht einer nungen mit seinen unbegrenzten Ufern, die ewig fernbleiben im Stiche gelaffen hatte. Es war eine garstige, schmutzige, Träumerei betrachtet. Da gab es Thränen von Waisen und ewig erstrebt werden auf der gebrechlichen Lebensbarke, stinkende Ecke, in denen er seine Ideale gelaffen hatte. Es und Wittwen, Hunger und Elend von armen Handwerkern, und nach denen das Kind auslugt und der altersschwache lohute sich zwar nicht mehr, sie da heraus zu ziehen. Sie Jammer und Noth von vielen, vielen Menschen; mancher Greis mit der ewigen stets getäuschten und doch wieder mochten schon lange in dieser Ecke selber schmutzig geworden von ihnen mochte schon verdorben und gestorben sein auf erwartenden Ausdauer. Herr German Winterfeld begann sein. Ein junges, schönes Mädchen, die niemand weiter ge- den weiten Kämpen und in den schweigenden Wäldern des sich selber zu beurtheilen und zu charakterisiren in habt hatte auf der Welt, als seine einzige Person, und die großen Südamerika ; mancher mochte sich gerade zur selben seinen Träumereien; was er war und was er sich ihm hingegeben hatte mit Leib und Seele, und die Stunde zu Tode quälen und stammelnde Flüche über den nicht war. Er war so wie eine unendliche Anzahl hatte er verlassen, schmählich, wie ein Dieb ein beraubtes unbekannten Räuber und Dieb ausstoßen, der ihn betrogen anderer Menschen, die er kannte oder nicht kannte. Viel Haus verläßt, ohne noch einen einzigen Blick darauf zu an der Hand von einer Menge von Dingen, die man nennt leicht war er so wie überhaupt jeder andere beliebige werfen. Es mischte sich etwas Bitteres in diese Gedanken Diskont, Provision, Kurtage, Hausse, Baisse, Spekulation, Mensch, sagte er sich, wenn er zurückdachte und den matten hinein, er ertappte fich auf einem Gefühl, das ihm herb Kurs, Wechsel und wie sonst noch bezeichnet. Und wie viele Reflex besah, den er jetzt zurückstrahlte in dem Spiegel, der vorkam.. warum, wußte er sich nicht zu sagen, aber es mochte es noch geben, die heute in allem Frieden ihre ihm wie jedem andern vorgehalten wird, der Spiegel des war so. Es waren ja auch nur Träumereien schattenhafter Hentersmahlzeit hielten, ohne zu wissen, daß in demselben Jdeals. Hatte er eigentlich Schuld, daß der Reflex nun Art, denen er nachhing und keine strengen Gedanken. Denn Augenblicke Herr German Winterfeld mit seiner Speku matt war! Man hatte ihn ihm vorgehalten in der Jugend ein strenger logischer Gedankengang eines Mannes, wie lation auf vorübergehendes Fallen des Goldes ihren Lebenss und ihm erzählt, daß er ein einziges Stück reinsten Krystall- German Winterfeld einer war, hätte sofort beweisen faden abschnitt. Herr Winterfeld schüttelte sich unruhig glases sei, und er hatte es damals geglaubt, wie jeder müssen, daß ein armer, bankerotter Advokat auch in Süd- zwischen seinem halben Wachen und halben Schlafen. Daandere dumme Junge, der wunder was zu sehen glaubt, amerifa nicht zusammen bleiben könne mit einem kleinen bei verschwanden wie durch einen Bauberschlag die dunkeln wenn ihm irgend ein glitzerndes Spielzeug vorgehalten wird. braunen Mädchen, die nichts war, als das wenige, was Ecken und er sah plöglich nichts weiter als sein eigenes Heute fam er ihm aber vor, wie ein blinder Spiegel mit er aus ihr gemacht hatte, und weniger besaß, als Abbild, sich selber in Person, wie er leibte und lebte,