Abendausgabe
Nr. 260 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 128
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10 Pfennig
3. Juni 1927
Vorwärts=
SW
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Drohung mit der Völkerbundskontrolle. Südflawische Sozialdemokratie.
Verstimmung wegen der Festungsbauten.
Paris , 3. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) In zahlreichen offi-| bunden ist, der nach dem Recht des Stärkeren gefchloffen ziösen Aeußerungen des Quai d'Orsay fommt eine immer größer werdende Verstimmung darüber zum Ausdruck, daß Deutsch land nach wie vor eine letzte Nachprüfung der von der Botschafterfonferenz verlangten Zerstörungen an den deutschen Offfeffungen ablehnt. Gleichzeitig drückt man im französischen Außenminifterium ein gewisses Erstaunen darüber aus, daß Stresemann über diese Frage vor Beginn der Völkerbundstagung nochmals gütliche Berhandlungen mit Briand und Chamberlain beginnen wolle. Man erklärt in Paris , daß derartige Verhandlungen feinen großen 3wed hätten, da Frankreich fest entschlossen fel, auf einer Nachprüfung der Durchführung der Zerstörungen zu bestehen.
Im übrigen habe aber die Weigerung Deutschlands den Erfolg gehabt, daß sie selbst die versöhnungswilligen Kreise Frankreichs entrüstet. So schreibt 3. B. am Freitag das„ Oeuvre" unter der Ueberschrift:„ Deutsche Schikanen, daß die Haltung Stresemanns außerordentlich unglüdlich sei und nur den Nationalisten auf beiden Seiten des Rheins Waffer auf ihre Mühlen gäbe. Die Sache der deutsch - franzöfifchen Annäherung werde dadurch nicht gefördert, sondern der Versöhnungswille in Frankreich werde dadurch nur geschwächt. Deutschland fete fich der Gefahr aus, daß irgendein interessierter Staat, vor allem Polen , im Bölkerbundsrat eine offizielle klage einbringe und daß dann anstatt einer diskreten Inspektion durch alliierte Militärfachverständige eine offizielle Investigations- Kommiffionsbesichtigung durch den Völker
bund erfolgen werde.
Bolen besitzt die volle Freiheit, seine Grenze gegen Deutschland zu befestigen wie es will. Deutschland ist auch hier, wie in den Vorbereitungen seiner Verteidigung überhaupt, durch den Vertrag von Versailles gebunden. Ueber das Maß dessen hinaus, was der Vertrag erlaubt, soll Deutschland nach dem Urteil der Interalliierten Militär. fontrollkommission seine Ostgrenze befestigt haben. Die 3er ftörung einer Anzahl von befestigten Unterſtänden wurde von ihm gefordert. Die Reichsregierung mit den Deutschnationalen erfüllte diese Forderung.
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Damit hat sich Deutschland in der Hauptfache gefügt. Die Frage, ob die vorgenommenen Zerstörungen tontrol. fiert werden sollen oder nicht, ist eine ebenfache Deutschland hat sich gefügt, weil es an einen Vertrag ge
Konsequente Personalpolitik.
Die Republikanisierung der preußischen Verwaltung.
Die Presse der Rechten steht den Personalveränderungen In der preußischen Verwaltung fassungslos gegenüber. Sie wärmt die alte phrase vom Parteibuch auf, das mehr gelte als die fachliche Eignung, ohne zu bedenken, daß das Tempo der preußischen Personalpolitit durch den Beamtenschub im Reichsinnenministerium beeinflußt worden ist. Hat bei der Maßregelung von Dr. Brecht und der Uebernahme von Herrn von Kamete etwa nicht die republikanische Gesinnung des einen und die monarchisch- deutschnationale Gesinnung des anderen eine Rolle gespielt?
Wir begrüßen es, daß die republikanische preußische Regierung mit ihrer Bersonalpolitik für die Feftigung der Berfassungstreue des Verwaltungsapparates, für die Republikanisierung und Demokratisierung der Verwaltung sorgt. Sie dient damit wahrhaft der Republik und der Verfassung und kompensiert die Schwächung des republikanischen Geistes in der Verwaltung, die durch die deutschnationale Personal politik im Bürgerblock herbeigeführt worden ist.
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Wir begrüßen vor allem das Tempo dieser Personalpolitik. Es fann gar nicht rasch genug fein mag auch gerade das Tempo den Deutschnationalen Beklemmungen bereiten, die selbst gerne die Verwaltung in Preußen in ihre Hände bringen möchten.
des
In unserer Mitteilung über die Personalveränderungen im Bereich Innenministeriums ist leider ein Versehen unterlaufen. Ministerialdirektor Brand, der dem Zentrum angehört, behält die Leitung der Personalabteilung, während Ministerialbirigent Dr. Steinbrecher die Verfassungs- und Rechtsabteilung übernimmt.
Frankreich nähert sich Amerika . Die Entsendung eines Beobachters beschloffen. New Yort, 3. Juni. ( WTB.) Nach Blättermeldungen aus Baris über die Aufnahme der Borschläge Shotwells in Frankreich wartet Briand auf die Vereinigten Staaten . Er werde auch auf die leiseste Andeutung eines Rabinettsmitgliedes hin fontrete Borschläge zu einem Antikriegsvertrag unterbreiten. Briand habe jedoch keinen Zweifel gelaffen, daß ihm die Shotwell schen Entwürfe als zu weitgehend erschienen.
Briand erhoffe eine weitere Förderung des Planes auf der Dreimächtetonferenz, zu der einen Beobachter mit Bollmacht Bu Besprechungen zu entfenden, Frankreich sich iegt ent fchlossen habe.
wurde. Hat es viel Sinn, jetzt die Nebenfrage der Kontrolle zum Gegenstand eines erbitterten Streits zu machen? Hätte die Gegenseite auf eine Kontrolle verzichtet, so wäre das eine noble Geste gewesen. In Berlin mußte man sich aber klar darüber sein, daß es im deutschen Interesse nur zweierlei gab; entweder die Kontrolle, wenn es ging, ohne Lärm vermeiden, oder aber sie sich möglichst schnell, schmerz und geräuschlos vollziehen zu lassen. Statt dessen legte sich Berlin passiv auf seine Auslegung der Vereinbarungen fest. Weile diese eine Inspektion durch alliierte Offiziere nicht vorsehen, glaubte man folgern zu müssen, daß die andere Seite auf sie fein Recht habe. Die Alliierten", von denen nach Locarno nicht mehr die Rede sein sollte, haben sich auf die gegenteilige Auslegung verbissen: weil die Bereinbarungen eine Ententeinspektion nicht ausschließen, darum hätten. sie einen Anspruch darauf.
Zerstörende Spaltungen.
r. bn. Belgrad , Ende Mai. Wenn unsere Genossen in den Zentren der südslawischen Bruderpartei bereitwillig auf meine Fragen über die Stärte der Bewegung, die Verbreitung der Parteipresse, die Mitglieberzahlen mir Aufschluß geben, so erinnern ihre Angaben oft an Verhältnisse, wie sie in Provinzgebieten des alten Desterreich, aber Jahre vor dem Weltkrieg, bestanden haben. Die Parteiblätter in Marburg , Laibach, Agram, Serajemo, Belgrad und das nicht parteieigene Arbeiterblatt in der ehemals ungarischen Vojvoccina( zu Werschotz deutsch heraustommend) haben sämtlich nur Auflagen bis 3000 Stüd, erscheinen nur ein- bis zweimal in der Woche und können fich nur dadurch halten, daß fie z. T. eigene, gut mit anderen Aufträgen versehene Druckereien haben und im unbesoldeten Ehrenamt" redaktionell hergestellt und auch verwaltet werden nebenbei ein ehrendes Zeugnis für den Idealismus dieser Genoffen, die auf dem undankbaren Boden eines industriearmen Landes die Saat des Sozialismus betreuen. Wäre die Bewegung noch ganz jung, so fönnte ihre So taucht jetzt die unerfreuliche Möglichkeit einer Böl- Schwäche durchaus natürlich erscheinen. Aber in Serbien , terbundskontrolle auf. Briand hat sicherlich keine wo längst das allgemeine gleiche Wahlrecht für Männer Luft, eine solche Kontrolle in Genf zu beantragen. Das wäre bestand, gab es schon vor dem Weltkrieg sozialdemokratische ein unfreundlicher Akt, durchaus wider die Politik von Abgeordnete- von denen der eine, Tuzowitsch, noch Locarno . Aber es ist sehr zweifelhaft, ob Briands Einfluß 1914 gefallen ist, während der andere, Kuglerowitsch, heute auf Bolen groß genug wäre, um es von enem derartigen bei den Kommunisten tätig ist; auch die slowenische SozialSchritt zurückzuhalten. England wird Polen eher noch er bemokratie, wohl auch die kroatische, hatten damals Mandate muntern. Der polnische Nationalismus wird sich um die im Abgeordnetenhaus zu Wien bzw. in Landtag zu Agram. Unterstände besorgt zeigen, um mit dieser Besorgnis den Bei den ersten Stupschtinawahlen des neuen Staates 1919 Antrag einer Böllerbundsinspektion zu rechtfertigen. einer möglichen Völkerbundskontrolle gegenüber günstig zu weltfernen, analphabetischen Gebiete Montenegros und Es wäre eine große Illusion, die Lage Deutschlands 59 tommunistische gegenüberstanden; 22 davon hatten die gewannen unsere Genossen zehn Mandate, denen allerdings nennen. Im Gegenteil, sie ist rechtlich äußerst ungünstig. Mazedoniens den Mostauern als überraschendsten Erfolg Es genügt nämlich, daß eine Mehrheit des Völkerbunds- gebracht. 1920 stellte die Regierung die Kommunistische Partei rates eine Kontrolle beschließt, eine Einstimmigkeit ist nicht als putschverdächtig unter Ausnahmerecht, und als darauf nötig. Keine neutrale Macht fan einen Kontrollbeschluß des der Bontbenwurf gegen den Thronfolger und die Ermordung Bölkerbundsrates verhindern. Politisch sehen wir keine des Ministers Drastowitsch folgten, antwortete das StaatsMinderheit, die ausreichend wäre, um auch nur ein Gegen- schutzgesetz, das der Kommunistischen Partei jedwede Betätigewicht gegen einen polnischen Antrag zu bilden, dem Eng- gung verbot, aber auch gegen die Sozialdemokratie- beson land und Frankreich nachzugeben" bereit sind.
Das sollte man an verantwortlicher Stelle genau überlegen. Man sollte sich überlegen, ob es viel Sinn hat, im Nebensächlichen Prestigepolitit zu treiben, wo man doch unter deutschnationaler Mitwirkung in der Hauptsache„ Er füllungspolitie" getrieben hat.
Die Sowjetleute ziehen aus London ab. London , 3. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) 50 russische Beamte und Kaufleute haben am Donnerstag nachmittag England auf einem russischen Schiff verlassen. Die übrigen Mitglieder und Angeftellten der russischen diplomatischen und Handelsvertretung werden in den nächsten Tagen abreisen.
England im Saargebiet.
Der neue Saarpräsident gefunden. verlautet, ist zum Nachfolger des aus der Regierungskommiffion Saarbrücken , 3. Juni. ( Mtb.) Wie von gutunterrichteter Sette ausscheidenden fanabischen Dr. Stephens der britische Diplomat Sir Ernest Wilton ausersehen worden. Wilton, der 57 Jahre alt ist und der gegenwärtig im Ruhestand lebt, betätigte sich fast ausschließlich im englischen Konsulatswesen und war zulegt bei der Salzsteuer in China . An der Durchführung des Bersailler Vertrages war er als britischer Kommissar in Riga und als Abstimmungstommissar in Teschen ( Desterreichisch- Oberschlesien) beteiligt. Wilton soll, was von großer Wichtigkeit für seine Tätigteit im Saargebiet ist, die deutsche Sprache durchaus beherrschen. Umstand, daß dieser nicht, wie man ursprünglich annahm, Kanadier , Bei der Ernennung des Nachfolgers von Stephens verdient der sondern zum ersten Male ein Engländer aus dem Mutterlande ist, besondere Beachtung. Damit engagiert sich England stärker als bisher an der Saarfrage, was auch in der Stellung eines englischen Kontingentes für die am 13. Juni zur Einführung tom mende Saarbahnschuhtruppe zum Ausdruck kommt.
Serajewo hatten nicht nur unter Faschistenterror der Drjuraders in Bosnien angewendet worden ist. Unsere Genossen in leute, die jene Attentate am Arbeiterheim rächten, sondern auch unter wiederholter Auflösung und selbst unter militärgerichtlicher Inquisition, mit allen Annehmlichkeiten einer derartigen Behandlung zu leiden. Heute können die Kommu niften übrigens wieder Zeitungen herausgeben und dort wie in Versammlungen gegen unsere Genossen als die ,, Sozialpatrioten" agitieren. Das Berbot ihres Parteinamens hindert die Tätigkeit dieser Partei nicht, fie besteht freilich zum erhebIchen Teil auch in jener settenhaften Selbstzerfleischung, die zu jeder Kommunistischen Partei gehört wie das Amen zum Gebet oder wie die Ticheka zur Sowjetdiktatur. Schon vor Jahren sind namhafte Führer von den Kommunisten zur Sozialdemokratie zurückgekehrt Unsere Genossen versichern übereinstimmend, daß die Sozialistische Partei Jugoslawiens wieder im Aufstieg sei.
Das erscheint um so erfreulicher- aber auch um so not wendiger, als die Wahlen seit jener ersten taum einen Fort Schritt gebracht haben. Der hier bestehende MehrheitsRückgang unserer Stupfchtinafraktion von zehn auf acht, dann proporz bevorzugt die stärkeren Parteien auf Kosten der schwächeren ganz bedeutend. Darum darf man aus dem auf zwei und schließlich sogar auf null(!), nicht auf ein völliges Verschwinden der Sozialdemokratischen Partei Jugoslawiens geschlossen werden; sie hat 1925 immerhin ihre 50 000 Stim men erhalten, wovon 15 000 in Slowenien . Diese Zahl bedeutet in einem Agrarlande von 12% Millionen doch mehr als hier bei uns und es wäre sehr unsozialistisch, würden Genossen, die das Glück haben, einer großen Partei in einem Industriestaat anzugehören, über die Schwäche einer Bruder partei lächeln, die es ungleich schwerer hat!
im
untersteiermärkischen Gebiet von Marburg , sowie in Am meisten vorgeschritten ist natürlich die Bewegung Krain
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worden sind und zu dem großen Wirtschafts- und auch KulturGebieten, die solange von Wien her bearbeitet gebiet Defterreich gehörten, wobei freilich das llebergewicht gebiet Defterreich gehörten, wobei freilich das llebergewicht der Klerikalen in Slovenien schon dafür sorgte, daß nicht zuviel Unterricht ans Bolt gelange. Auch heute noch geht der Hauptkampf unserer dortigen deutschen und flowenischen Genossen gegen die Kleritalen und gerade jetzt ist dieser alte und kaum beizulegende Hader besonders start aufgeflammt.
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Schnellzug Paris - Nîmes entgleist. Bis jetzt neun Tote. Paris , 3. Juni. ( WTB.) Der Schnellzug Paris- Nimes ist heute nacht gegen 2 Uhr zwischen den Stationen Bessay und Moulins entgleist. Alle Wagen, mit Ausnahme von vieren sind umgestürzt. Bis jetzt wurden neun Tote festgestellt; zahlreiche Reisende sind verwundet.
Paris , 3. Juni. Die Ursache des Unglüd's war, daß der Schnellzug auf einen aus entgegengefehter Richtung kommenden Güterzug stieß. Hierbei entgleiften mehrere Wagen, während andere Infolge Kuppelungsbruches weiterrollten. Der Heizer des Schnellzuges fonnte noch nicht aufgefunden werden. Man rechnet mit einer vielftündigen Unterbrechung des Berkehrs. Leitende Persönlichkeiten des Eisenbahnamtes haben sich an die Unglüdsstelle begeben.
Stimme" an den blutigen Ueberfall erinnert, dem die Mar burger Deutschen ausgesetzt waren, als sie die Anwesenheit einer nordamerikanischen Militärkommiffion zur Festsetzung der vorläufigen Grenzlinie am 27. Januar 1919 benutzten, umr für die Angliederung des Marburger Gebiets an die Repu blik Deutschösterreich zu demonstrieren. Durch Schüsse wurden damals eine ganze Anzahl der Demonftranten getötet, andere verwundet. Als einer der Hauptschießer gilt ein flowenischer fatholischer Priester, der damals in dem großen Seminarinternat am Hauptplatz wohnte Dr. Gomzet. Wegen dieser Beschuldigung hat er den Redakteur Genossen Viktor Erzen verklagt. Zweiundzwanzig andere damalige Infaffen des Seminars traten neben dem Privatkläger als Entlastungszeugen auf die Verneh