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Nr. 263 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 134

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Der Borwärts" mit der illustrier. ten Sonntagsbeilage Bolt und Beit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen", Aus der Filmwelt", " Frauenftimme", Der Rinder. freund", Jugend- Borwärts", Blid in die Bücherwelt" und Kultur­arbeit" erscheint wochentäglich zwei mal, Sonntags und Montags einmal.

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Sozialdemokrat Berlin  *

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

Redaktion und Verlag: Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Sonntag, den 5. Juni 1927

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin   SW. 68, Lindenstr.3

Boftichedtonto: Berlin   37 536- Bankkonto: Bank ber Arbeiter, Angeftelten unb Beamten. Ballkr. 65; Diskonto- Gesellschaft, Depokitentaffe Sindenfte. 8.

Chamberlin unterwegs.

Berlin   in Erwartung.- Er hat das Festland verlassen.

voraussichtlich Montag nacht.

New Yort, 4. Juni.  ( WTB.) Die Columbia hat Sonnabend nachmittag 5 Uhr Berliner   Zeit die Stadt Yarmouth   in Nova Scotia   überflogen. Das Flugzeug, das sehr langsam fuhr, ist damit gegenüber der von Lindbergh gebrauchten Zeit um anderthalb Stunden im Rückstande.

New York  , 4. Juni.  ( WTB.) Die Columbia wurde heute vormittag 8 Uhr amerikanischer Zeit über Westport( Massachusetts  ), um 9 Uhr über Nova Scotia   in einer Höhe von etwa 300 Metern gefichtet.

New Yort, 4. Juni.  ( WTB.) Die Columbia" hat um 8.40 Uhr eine Stelle dreißig meilen östlich Halifax   in Neufchottland paffiert.

Der Start.

New York  , 4. Juni.  ( WTB.) Der Start des Flugzeuges, in dem Chamberlin und Levine, letterer im gewöhnlichen Straßen­anzug, Plaz genommen hatten, gelang erst beim zweiten Versuch. Beim erstenmal legte das Flugzeug einige hundert Meter auf der Erde zurüd, fonnte jedoch nicht aufsteigen, so daß es zum Start zurückkehren mußte. Der von Chamberlin mitgenommene Brennstoffvorrat von 455 Gallonen( etwa 2066 Liter) wird von Sachverständigen für eine Strede von 4000 Meilen als ausreichend

betrachtet.

Beim Abflug Chamberlins fam es zu einem kleinen 3wischenfall Als Charles Levine das Flugzeug bestieg, wurde seine Frau, die nicht wußte, daß er mitfliegen wollte ohn mächtig.

Kommt er, kommt er nicht?

Außerdem ist vorgesehen, daß beim Eintreffen des Flugzeuges, das den Namen Columbia" trägt, vom Landungsplatz aus, also vom Tempelhofer Feld, ein Stimmungsbild sowie der offizielle Begrüßungsatt für Chamberlin über die Berliner   Sender verbreitet wird.

Wie die Columbia" aussieht.

New Bort, 4. Juni.  ( WTB.) Das Flugzeug Colum­ bia  ", mit dem Chamberlin nach Europa   unterwegs ist, hat folgende Martierungen: Auf beiden Flügeln und auf dem Schwanz N X 237, auf beiden Seiten des Rumpfes die 3ahl 140, in der Mitte des Rumpfes die Aufschrift New York  ; es folgt ein Binde­ftrich der Bestimmungsort ift unausgefüllt geblieben. Der Rumpf des Flugzeuges ist silbergrau, die Flügel sind gelb getönt.

Byrd und Fotter äußerten ihre Zuversicht, daß Chamberlin, der als geschickter Pilot bekannt ist, den Flug glücklich beenden werde.

Chamberlin fliegt ebenfalls ohne Funkanlage.

New York  , 4. Juni.  ( Telunion.) Wie der Telegraphen- Union auf Anfrage mitgeteilt wird, hat Chamberlin die Funkanlage seines Flugzeuges Columbia" seinerzeit kurz nach dem Lindbergh- Flug abmontiert und nicht wieder angebracht. Er fliegt also, entgegen der bisherigen Annahme, ohne FT.  - Gerät, so daß eine direkte Beob­achtung des Flugzeuges nicht möglich ist. Deutsche   Amateure wer­den allenfalls in der Lage sein, die Funksprüche der deutschen  Flugzeuge abzuhören, die Chamberlin, falls er nach Berlin   kommt, entgegenfliegen werden.

leber England nach Berlin  - oder über Paris   nach Empfang.

Rom  ?

Paris  , 4. Juni.  ( EP.) Die jüngsten, aus New York   vor­liegenden Nachrichten widersprechen sich hinsichtlich des Zieles der zum Ozean aufgeffiegenen Miß Columbia". Es sei möglich, daß Chamberlin den Weg über England und Schottland   nach Berlin   nehmen werde, jedoch sei auch mit einem Fluge über Paris   nach Rom   zu rechnen.

Die Wetterlage über dem Ozean. Aussichten am günstigsten bei südlichem Kurs. Die Zentrale des deutschen   Höhenwetterdienstes, Aeronautisches

Observatorium Lindenberg, teilt mit:

Unter dem Einfluß des Azorenhochs herrscht südlich des 15. Grades nördlicher Breite bis in große Höhen eine recht ftabile, mäßig starke Westströmung. Weiter nördlich kommen vom Westen her mit großer Geschwindigkeit mehrere Tief= brud wirbel nach Europa  , die als Mitglieder einer neuen 3yflonenfamilie fich ständig verstärten und an Mächtigkeit mehr und mehr zunehmen. Der großen Anzahl der einzelnen Wirbel wegen liegen auf ihrer Bugstraße zahlreiche Ausgleit- Einbruchs­fronten, die breite Niederschlagsgebiete mit sich führen, wie aus zahlreichen funttelegraphisch eingelaufenen Schiffsmeldungen hervor. geht.

Da die einzelnen Zyklonen rasch nacheinander ziehen, herrscht im Gebiet zwischen dem 50. and 65. Grade nördlicher Breite starker Wechsel in der Windrichtung, so daß in dieser Zone ein leber­queren des Ozeans auf dem Luftwege Schwierigteiten be­reiten dürfte. Besonders gutes Flugwetter herrscht im Bereich des Azorenhochs, zumal hier noch stetiger Rücken­wind einem von Amerita her tommenden Flugzeug die Reisezeit erheblich abkürzt.

Sollte Chamberlin seine Route zunächst bis nach Neu­ fundland   und von dort aus die kürzeste Ozeanstrecke nehmen, so würde er dort auf der Südseite eines recht kräftigen Tiefdruck­wirbels in heftige Störungen geraten. Es wäre also der Wetterlage nach vorteilhafter, den direkten kurs nach Biscaya zu wählen.

Flug und Ankunft im Rundfunk.

Die ganze Welt kann zuhören.

Aus Anlaß des Ozeanfluges des amerikanischen Fliegers Chamberlin wird die Funk- Stunde in Berlin   einen Sonderdien ft einrichten, um ihre Funkhörer dauernd über den Berlauf des Fluges zu unterrichten.

Am Pfingst sonntag, dem 5. Juni, werden diese Spe­zialnachrichten zu folgenden Zeiten über die Sender geleitet: 10 Uhr vormittags, 1 Uhr, 4 Uhr und 7 Uhr nachmittags und ab 10 Uhr abends in laufender Folge.

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Berlin   in Erwartung.

Vorbereitungen auf dem Tempelhofer Feld. Absperrungen.

Wahrscheinlichkeit seinen Weg nach Berlin   nehmen wird, falls Da der amerikanische   Flieger Clarence Chamberlin   mit größter ihm die Ueberquerung des Ozeans gelingt, hat die Reichshauptstadt bereitungen getroffen, um den fühnen Biloten zu empfangen und im Laufe des gestrigen Sonnabends bereits umfangreiche Vor­eine glatte Landung der Maschine zu ermöglichen.

Gestern mittag fand im Polizeipräsidium unter dem Borsiz des Polizeipräsidenten 3örgiebel   eine Besprechung mit Ber­tretern aller in Frage kommender Behörden des Reiches, Preußens und der Stadt Berlin   sowie mit den Vertretern der Deutschen   Luft­

hanja und der Flughafengesellschaft statt, in der die zu treffenden dabei zu dem Ergebnis gekommen, Maßnahmen eingehend beraten wurden. Uebereinstimmend ist man

daß aus allgemeinen sicherheitspolizeilichen Gründen eine um­faffende Absperrung des Tempelhofer   Feldes durchgeführt werden muß.

3u diesen Maßnahmen mußte man sich insbesondere deshalb ent­schließen, da, wie die Vorgänge in Paris   und London   gezeigt haben, einmal rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müffen, daß der Flieger ungehindert landen kann, und da zum anderen die Gefahr für das Publikum beim Landen der Flugzeuge außerordent­lich groß ist. Das Tempelhofer Feld wird deshalb von mehreren tausend Beamten in weitem Umtreife abgesperrt werden, und zwar durch verschiedene Postenketten, um ein Durch­brechen der wartenden Menschenmassen unbedingt unmöglich zu machen.

Empfang auf dem Tempelhofer Feld. Bürgermeister, Scholtz hat am Sonnabend morgen mit den städtischen Stellen, die mit der etwaigen Landung der amerikanischen Flieger zu Pfingsten in Berlin   befaßt sind, Rücksprache genommen. unmittelbar nach Ankunft der Flieger wird Bürgermeister Scholtz und Stadtbaurat Dr.- Ing. Adler die amerikani­schen Flieger auf dem Städtischen Flughafen begrüßen. Mitteilungen über weitere Veranstaltungen während des Berliner   Aufenthalts der Flieger können erst nach Ankunft und im Benehmen mit den übrigen beteiligten nichtstädtischen Stellen gegeben werden.

Die Reichsregierung und die preußische Staats­regierung haben bisher noch fein festes Programm für den Empfang Chamberlins getroffen, sicherlich werden aber einige Mit­glieder des Reichskabinetts auf dem Tempelhofer   Flughafen anwesend sein. Falls Chamberlin wirklich in Berlin   ankommt, ist mit einem festlichen Empfang beim Reichspräsidenten   zu rechnen. Auf dem Flugplaß selbst werden sicherlich neben dem ameri tanischen Botschafter, den Vertretern der Regierung, der Behörden, des Reichsverfehrsministeriums, die Direktoren der Deutschen Lufthansa und der Flughafen gesellschaft, des Aeroklubs von Deutschland   und anderer

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Ankunft

Flieger und Luftfahrorganisationen ihr Lager auf­schlagen. Sobald Meldungen vorliegen, daß die ,, Columbia" ihren Weg durch Deutschland   nach Berlin   zu eingeschlagen hat, werden mehrere deutsche   Flugzeuge der Lufthansa zum ehrenden Empfang entgegenfliegen und den fühnen Piloten einholen. An dieser Einholung werden sich übrigens eine Anzahl amerikanischer Journalisten beteiligen, die zu diesem Zwecke eine besondere Maschine gemietet haben.

Der Rettungsdienst.

Auch das Städtische Rettungsamt hat für den zu fehrungen getroffen. So wird außer dem ständigen Rettungsdienst erwartenden Massenandrang bei der Ankunft Chamberlins alle Vor­auf dem Flugplatz in Tempelhof   eine zweite Rettungsstelle ftationiert. In der Kaserne Fidicinstraße und am Halleschen Tor mit Arztdienst eingerichtet. 3wei Krantenwagen werden dort werden Hilfsstationen errichtet, die vor allen Dingen den Sanitäts­organisationen, die einen weitverzweigten Patrouillendienst aus­üben werden, als Stüßpunkte dienen sollen. An beiden Stellen steht ebenfalls je ein Krankenauto bereit. Der gesamte Rettungs­dienst wird von dem Leiter des Städtischen Rettungsamtes Dr. Baul Frank überwacht und sofort in Tätigkeit gesetzt, sobald genaue Nachrichten über das Nahen Chamberlins vorliegen.

Nächtliche Ankunft?

Für den Fall, daß der Flug in der beabsichtigten Route durch­geführt werden kann und die ,, Columbia" nicht abgetrieben wird, rechnet man in hiesigen Luftfahrkreisen damit, daß die amerikani­schen Flieger zwischen 1 bis 3 Uhr früh am Pfingstmontag landen fönnen.

Nach dem bisherigen Interesse zu urteilen, das die deutsche  Deffentlichkeit und besonders die Einwohner der Reichshauptstadt daß in der Nacht vom Pfingstsonntag zum Pfingstmontag unge. dem Fluge Chamberlins entgegenbringen, ist damit zu rechnen, zählte Tausende in der Nähe des Zentralflughafens auf die Ankunft

Chamberlins warten werden.

Liebliches Fest?

Eine pfingstliche Zeitbetrachtung.

vierundvierzigjährige Geheimrat Johann Wolfgang Goethe  Vor einhundertundvierunddreißig Jahren schrieb der in Weimar   seinen Reineke Fuchs  ", und seit dem heißt, nach den ersten Worten dieses Gedichtes, Pfingsten in allen deutschen   Zeitungen ,, das liebliche Fest". In der Welt außer­halb Weimars   sah es damals nicht gerade sehr lieblich aus. Kanonendonner von Balmy flang dem Dichter noch in den 1792 war der Krieg gegen Frankreich   erklärt worden, der Ohren. Es lag ihm aber wenig daran, sich in den großen Weltbegebenheiten zu tummeln. Er flüchtete aus ihnen zu­rück in den Weimarer Frühling und in das politisch ganz unverdächtige Stoffgebiet der deutschen   Tiersage. Das war auch die Zeit, in der sich das Freundschaftsband um Schiller  enger zog. Eine angenehme Aussicht bietet sich mir dar, daß ich mit Schillern in ein angenehmes Verhältnis komme und hoffen kann, in manchen Fächern mit ihm gemeinsam zu arbeiten zu einer Zeit, wo die leidige Politik und der unselige körperlose Parteigeist alle freundschaftlichen Verhältnisse aufzulösen und alle wissenschaftlichen Verbindun­gen zu zerstören droht." Man sieht, lieblich" war das Pfingstfest schon damals nur unter Ausschluß der Politik. Sonst freilich kann man allerdings nicht sagen: ,, Alles wie heute."

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Das Pfingstfest von 1927 wird in der Erinnerung aller Lebenden seine besondere Bedeutung haben. Nach Jahr­zehnten wird es der Großvater seinen Enteln erzählen: ,, Da mals war es, als mir den Besuch des Fliegers Chamberlin aus Amerita erwarteten." Chamberlin und Levine kommen nicht auf Fauftens Zaubermantel, sondern in einem Flugzeug modernster Konstruktion. Sie haben ein paar Apfelfinen und einige belegte Brötchen in der Tasche und hoffen, wenn es gut geht, auf dem Tempelhofer Feld gelandet zu fein, ehe der Borrat verzehrt ist. Goethe hat seinen Faust zwar auf einem Faß durch die Luft aus dem Auerbacher Keller in Leipzig   reiten, und noch andere Zauberfünfte aufführen, aber nicht von New York   nach Berlin   fliegen lassen, denn das hätten ihm die Beute boch nicht geglaubt. Etmas pathe­