Nr. 266 ♦ 44. �ahrg. Ausgabe ik Nr. 136 Bezugspreis: Wöchentlich 70 Ps-nnig. monatlich 3,— Reichsmark voraus zahlbar. Anter Kreuzbanö ftlr Deutschland , Danzig , Saar- und Memelgebiet, Oesterreich, Litauen , Luxemburg 4,Z0 Reichsmark, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmark pro Monat.
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öerlin jubelt Chamberlin zu. Ankunft auf dem Flugplatz S Uhr abends.- Hunderttausende auf dem Tempelhofer Feld.
Um 5 Ahr 55 landete die„Cotambto" im Tempelhofer Alughafen. Ehamberlin und Levine wurden von der nach Tausenden zählenden Menge mit brausendem Jubel begrüßt. 4- Blick von den Häusern am Rand des Tempelhofer Feldes auf den Flugplatz. Di« gewaltig« Fläche liegt frei und leer im Sonnenschein. Drüber in heller Sonne Häuser und Fabriken von Tempelhof . In den Laubenkolonien am©portplatz Mreußen links schwarzrotgoldene Fahnen. Am Drahtzaun des Flugplatzes eine Menschentette. Eine zweite dichte Kette am Graben des Untergrundbahnbaues. Ueber das Grüngrau der weiten Fläche außerhalb des Flug» Hafens überall verstreut dichte Gruppen. Ein vielfaches Spa» lier umsäumt die Zufahrtsstraße. Auf der Berliner Straße Auto an Auto, auf den Fußwegen hin- und herflutende Massen. Eine gewaltige Menschenmasse vielfach aufgeteilt» immer be- wegt, an Zahl nicht zu schätzen. Es ist 5 Uhr 25. In den weißen Wolken am strahlend blauen Himmel erscheint ein dunkler Punkt. Ein Flugzeug! Unmittelbar darauf noch einer und noch einer. Nun sind es fünf. Nein, zwölf— und nun fünfzehn. In majestätischer Ruhe tritt das Geschwader hervor. An seiner Spitze, führend, ein großes dreimotoriges Mugzeug. Es segelt, es naht, wendet, kreist— nun ist es ganz nah, über den Köpfen, scharf werden die einzelnen Flugzeuge erkennbar. Da— in der Mitte, erkennbar an den gelben Flügeln— das Flugzeug der Amerikaner., Man weiß, daß die gewaltige Menschenmenge da unten rast. Hier ist nur das allgemeine Brausen vernehmlich, und das tiefe Dröhnen der Flugzeugmotoren. Man oergißt die Ge» rausche, es bleibt nur der Eindruck des prachtvollen Ge- schwaders am blauen Himmel. Nun löst sich die Ordnung, nun wenden sie wieder. Lichtblitz um Lichtblitz in der strahlenden Sonne. Ein Triumphzug in der Luft. Man versteht, daß es«in großes ist um die Eroberung der Luft, zu fliegen, s o zu fliegen. Dies Geschwader, das am blauen Himmel seine Kreise zieht, ist ein Hymnus auf die Größe des menschlichen Geistes. In- mitten des Geschwaders, klein, weiß, die„Columbia"'. Hier segelt der Wagemut, der an der Schwelle alles Fortschritts steht, gepaart mit der eisernen Energie eines Willensmenschen. Dies Schauspiel, desien Schönheit die Hunderttausende ver- gessen läßt, die zu ihm emporblicken— das ist sein Triumph. Eine Ehrung— größer vielleicht als alle Ehrungen, die mm auf den Helden des Ozeanfluges gehäuft werden. Nun steigt er herab aus der lichtdurchfluteten Höhe. Landung! Das Flugzeug wird dunkel gegen die Erde, nun eine Wendung, es rollt, jetzt blitzt es wieder weiß auf. Die Landemannschaften laufen heran. Der Empfang beginnt. Eine halbe Stunde später. Eine endlos« Wanderung, in langen Zügen, Kopf an Kops, Wagen hinter Wagen. Linien von zurückwandernden Menschen über das Feld, die Berliner Straße entlang. Wieder eine halbe Stunde später— immer noch das Bild dieser Wanderung, unendlich, niemals auf- hörend, und immer noch stehen dichtgedrängt die Massen an den Zufahrtsstraßen. Hunderttausend« warten noch. Hundert- tausende kehren heim. Chamberlin ist in Berlin . Oerlin empfängt Chamberlin. „Die„Columbia" wird um 6 Uhr i« Berlin ein- treffen." Kaum ist die Nachricht bekannt geworden, als der Massenstrom nach dem Flughafen in Tempelhos einsetzt. Man will es Chamberlin und Lcvine zeigen, daß trotz oder gerade wegen des Mißgeschicks, das die kühnen Amerikaner knapp 200 Kilometer vor Berlin erlitten, Berlin begeistert ist über ihre Leistung. Chamberlin und Levine find das große Tagesgespräch, und manchmal hat man fast das Gefühl, als hätte das große Berlin ein klein wenig Neid auf das kleine Kottbus. Rund um den Flughafen. Die Kunde, daß Chamberlin gestern nachmittag von Kottbus nach Berlin fährt, muß sich blitzschnell durch die ganze E t a d t oerbreitet haben. Schon in den Bormittagsstunden begann die Völkerwanderung nach dem Tempelhofer Feld. Um 2 Uhr verstärtt sich der Andrang, als bekannt ist, daß„er" um S Uhr kommt. Auf allen Anmarschftraßen zum Tempelhofer Feld drängen sich die Verkehrsmittel. Taufende wandern zu Fuß. Bald sind die Zaunpläge oergeben. Kopf an Kopf dränge« fuj) die Begeifteneu, Andere wieder halten un Grase ein
Ruhestündchen. Auf der Neuköllner Seite haben sich Taufende vor dem Grünstreifen hingelagert und warten. Improvisierte Er- frischungshallen sind überall ausgebaut. An der Tempelhofer Seite ist der Eandhügel der Untergrund- bahn als bevorzugter Tribünenplatz dicht besetzt. Das Geschäft der wandernden Wurstmaxen geht schr rege. Besonder» umdrängt werden die„Meldereiter", die am Zaune oder bei einem Schupo- mann die neuest« Nachricht erhalten haben und mm gewichtig und sachverständig sich interviewen lassen. Um S Uhr geist die Meldung durch die wartend« Menge, daß der Flieger um 4 Uhr 15 Minuten ausgestiegen ist. Im Nu verschwindet das Heerlager. Niemand hat mehr Ruhe. Den Augenblick, ihn, wenn möglichst zuerst zu ent- decken, will sich keiner entgegen lassen. Um 5 Uhr 25 Minuten Wucht am Horizont ein Flieger auf. Jeder kramt seine Zeitung heraus und versucht, chn nach der Beschreibung zu erkennen. Doch einer, noch einer, wieder einer, sechzehn Stück werden sichtbar. Der Ver- such, chn herauszufinden, wird aufgegeben.„Bei die Menge kann man sich nicht zurechtfinden," oersichert jemand. Erst als Chamberlin in einem R u n d f l u g dicht über der Menschenmenge hinweg- fährt wird er erkannt und stürmisch begrüßt. Die be- geisterten Zurufe steigern sich noch, als er nach seiner Lan- dung und Begrüßung im Auto an der wartenden be- geisterten Menge vorbeifährt. Ueber sein sympachlsches Gesicht huscht«in Lächeln, als er die krampfhaften Anstrengungen einiger besonders Begeisterter, die ihre wenige Brocken englisch zu- sammenNauben. vernimmt. Nach Stunden sind die Zuschauer noch in kleinen Gruppen oersammell und debattieren über die Lesstung des Ozeanfllegers und fein sympathisches Gesicht. Auf dem Platz selbst ist bald fast jeder freie Fleck Erde besetzt. Die Tribünen find, wie der verllner sagt,„knackend voll". Wiederum ist die Schutz- polizei außerordentlich stark vertreten. Bor dem Eingang stauen sich die Autos, die zum Teil mit schwarzrotgoldenen und amerika- nischen Föhnchen geschmückt sind. Von den Fahnenmasten grüßen die Reichsfarben, das preußische Schwarzweiß und der Berliner Bär: sie umrahmen die Sterne und Streifen der Bereinigten Staaten von Nordamerika . Die Unterhaltung kennt mir ein Thema, und oft hört man, vielleicht zeige sich gerade darin die Bravour der beiden Ozeanbezwinger, daß sie bei ihrer ersten Notlandung in der Nähe von Eisleben , trotz der ungeheuren Anstrengung, die sie nach über»ierzigstündigem Fluge hinter sich hatten, schon nach einer kurzen halben Stunde wieder aufstiegen. Auch an helleren Zwischen- fällen fehv es nicht: So fragt ein Mädelchen vor der Tafel mll den einzelnen Reisezielen des deutschen Lustdienstes den Dater: „Pappi, steht denn da schon Amerika drauf?" AI » um%5 Uhr durch Megaphon bekanntgegeben wird, daß Chamberlin vor einer Viertelstunde in kottbus ausgestiegen ist, ertönt rauschender Beifall. Bald werden von besonders Eifrigen die Krim - stecher herausgeholt, und der Horizont wird abgesucht. Man weiß, daß über ein Dutzend Fahrzeug« der Deutschen Lufthansa und der Berkehrsfliegerschul« in Kottbus eingetroffen sind, um die Amerikaner zu begleiten, und so ist man oersichert, daß von dem Geschwader der allerkürzeste Weg nach Berlin eingeschlagen werden wird. Um 4 Uhr 15 Minuten ist Chamberlin in Kottbus gestartet. Dorsichtigerweis« rechnete die Lufthansa schon«inen Zeitverlust mll «in und gab als Autunftszeit 6 Uhr an. Letzte Vorbereitungen. Schon um 5 Uhr wird die Landungsfläche von den Bertehrsflug- zeugen geräumt. Di« Luftfahrpolizei tritt mit ihren Kolonnen in Tätigkeit. Ueber das Feld werden Posten verteilt. Auch auf dem Ausguck der Suftfahrpvlizei wird jetzt eifrig der Horizont«ll Fern» gläsern abgesucht. Der Winter steht berett, um den Begleitflug- zeugen Zeichen zu geben. Der Dienst ist nicht leicht! 15 Flugzeuge begleiten, wie bekannt wird, den Ozeanbezwinger. Es ist sicher das erstemal für den jungen Flughafen und die Luftsahrpolizei, daß in einem so knappen Abstand 16 Flugzeuge landen wollen! Jeder Mann, selbst die Luftgepäckzuträger und die Monteur«, stehen bereit, damit, wenn bei den vielen Landungen sich irgendein Unglücksfall ereignen sollten, Hilfe zur Stelle ist. Kurz nach 4 Uhr 30 Minuten wird die Schupokette vor den Ehrengästen noch verstärkt. Es gilt Unglücksfälle zu vermeiden und die allzu begeisterten, zum Teil mit Blumen bewaffneten Ehrengäste und Vertreter der Behörden zurück- zuhalten, vorsichtshalber wird auch die Schupokette vor den Zu- schauern noch verstärkt. Man fürchtet Temperamentsausbrüchel Da« Publikum betrachtet die letzten Lorbereiwngen mit ge- steigerter Aufmerksamkell. Vielfach haben die Schupos kleine Artig- leiten«inzustecken. Da und dort stört ein Tschako die gut« Aussicht. Festgestellt werden muß, daß die Schupoanordnungen und Absper- rungen vernünftiger und der Feier angepaßter waren als am Vor- tage. Doch auch heut« noch war manche» entbehrlich. Der Empfang
selbst hat aber auch de« Beweis erbracht, daß die Berliner schr wohl Disziplin halten können. So groß auch die Begeisterung für die beiden Amerikaner gewesen ist, so herzlich auch die Willtommensgrüß« den Fliegern entgegenschollen: zn Exzessen ist es in keinem Fall ge- fonimöii. Die TtaPunp. Kurz nach S6 Uhr ertönt der Ruf: Sie kommen, sie kommen! Am Horizont werden nacheinander Flugzeuge in wachsender Anzahl sichtbar. Man zählt: Elf, zwölf und drei ganz rechts, machen fünf- zehn, und da hinten noch eins: Sechzchn!„Er" ist also bestimmt dabei! Das Geschwader nähert sich, Zehntausende von Augenpaaren find zum Himmel gerichtet. Ein gewalttger, ein imponierender, ein unvergleichlicher Anblick! Und man beugt sich vor den Errungenschaften der Technik. Als die sechzehn stählernen Vögel über den Platz dahinschweben, erdröhnen stürmische Hochs. Hüte, Mützen, Taschentücher werden geschwenkt. Nach ist Chamberlins Fahrzeug nicht zu erkennen. Man fliegt noch zu hoch! Der Platz wird umkreist. Beim zweiten Male erkennt man bereits den schlanken weißen Leib des amerikanischen Apparates und die historisch gewordene Rummer biX 23 7. ver Jubel will kein Ende nehmen. Langsam lösen sich die einzelnen Flugzeuge aus dem Geschwaderverband, um nacheinander zu landen. Alles klappt ausgezeichnet. Als einziger kreist zum Schluß nach Chamber- lln, um unter immer neu austosender Begeisterung eine Sonder- ehrenrund« zu fahren. Dann landet auch er, und ein Beifall setzt ein, der kaum noch Grenzen kennt. Mit dem deutschen Hoch, dem deutsche« Hurra mischt sich das„istirree" und das„Thrcc Cheers for Chamberlin" der überaus zahlreich erschienenen Mitglieder der amerikanischen Kolonie. Als sich der Jubel endlich gelegt hat, intoniert die Kapelle die amerikanische Nation al Hymne. Man reckt die Hälse, um Clarence Chamberlin und Leoine beim Aussteigen zu sehen. Unmöglich, selbst vom Rollfeld aus, über die drängenden Massen und dl« Tschakos der Polizeibeamten hinweg- znschen! Eine Weile wird es still: Die offizielle Begrüßung der beide» Amerikaner durch die Vertreter des Reiches und der Reichs Hauptstadt, sowie den amerikanischen Botschafter findet statt. Leider vernimmt man am Presseplatz kein Wort der Reden, er liegt zu weit ab. Die» ist wieder ein Manko in den getroffenen Absperrungsmaßvegeln! Die Presse hat die Pflicht der Berichterstattung, und dafür genügt es nicht, die Reden nachher nur in den Meldungen der Wolff- scheu Telegraphenbureaus zu lesen. Im Publikum hat fich inzwischen ei» Sprechchor gebildet. .hochheben, hochheben!" ertönt es im Takt. Als die offiziellen An- sprachen vorbei sind, werden unsere Gäste von kräftigen Männern auf die Schultern gehoben. Der Sturm der Begeisterung wird zu« Orkan. Chamberlin lacht über sein prächttges Jungengestcht, dir Amerikaner schmunzeln:„A fine feüow!" und die Deutschen stellen fest:„Ein famoser Kerl!". Die Prozedur des obligaten Phot» graphievens beginnt. Auf der Tragfläche des Flugzeuges haben Chamberlin und Leoine Platz genommen, beide geschmückt mit einem riesigen Lorbeerkranz, riesige Blumensträuße w der Hand. Dreißig Apparate sind gezückt. Am Rand de» Rollfeldes steht das Auto des amerikanischen Bot- schasters: Chamberlin und Levine werden rund um den Flugplatz herumgefahren, um sich den Berlinern zu zeigen. Auf den Schuttern trägt mau sie zu» wagen. Der Jubel, die Begeisterung sind grenzen- los. Chamberlin winkt, Chamberlin lacht, und auch dem gesetzteren Levine merkt man die innere Freude an. vor dem Dienstgebäude der Luftfahrtsgesellschast HSV das Auto. Wieder wird die amerika - nifche Hymne gespiett. Blumen über Blumen werden in das Aui» geworfen. Chamberlin hat zu'AI Uhr ein Telephongespräch über London nach NemPort angemeldet: Er will feiner Mutter von feinem Glück erzähl«» l Die Verständigung ttappt, wie man erfährt, ausgezeichnet. Chamberlin und Levines Frauen sind bereits auf der Fahrt nach Deutschland . Im geschlossenen Auto nehmen Botschafter Schurman und die beiden Flieger Platz: ein Schupooffizier sitzt am Steuer. Mühsam bahnt sich der Wagen unter immer erneuten Kundgebungen seinen Weg durch die Massen. Langsam leert sich der Platz. Man hat einem historische« Ereignis beigewohnt! die öegrüßung. Die Flieger wurden zunächst durch Relchvminister Dr. Curtlus UN Namen der Reichsregierwig mit folgenden Worten begrüßt: