Dienstag ?4.7uni 1927
Unterhaltung unö Wissen
Seilage Ses vorwärts
Das Schweigen. Von Henry Poulaille . Herr Motron, der Direktor der Websabriken von Grandprö, machte mit seinem Stellvertreter, dem Betriebsleiter Morin, seinen taglichen Rundgang durch die Fabrik. Mit gleichmäßigen Schritten ging er durch das Werk, beugte sich manchmal über einen Webstuhl und prüfte die Arbeit; ein paar Mal verhängte er auch eine Geldstrafe, wenn ein Arbeiter eine lässige Arbeit lieferte. Morin ging hinter ihm und notierte. Gespannt folgten die Arbeiter mit den Augen dem Weg der Beiden. Jetzt standen sie vor dem Arbeitsplatz des alten Korhn. Vater Korhn war der älteste Arbeiter der Weberei. Seine Arbeitskraft, die früher sehr geschätzt wurde, hatte seit einigen Jahren sehr nachgelasien. Bisher hatte ihn die Fabrikleitung noch gehalten, doch der neue Aufsichtsrat schon den Direktor aufgefordert, ihn zu entlassen. Korbn bediente nur zwei Webstüle. Der Nutzen, den er der Fabrik brachte, entsprach nicht einmal dem eines mittel- niäßigen Handwebers. Morin Nopfte dem alten Arbeiter auf die Schulter:.Korhn, halt' Deinen Stuhl an. Der Herr Direktor möchte mit Dir sprechen."' Der Arbeiter sah ihn einen Augenblick an und brachte dann den Webstuhl zum Stehen. .Der Herr Direktor?" wiederholte er, während die Maschinen- arme ihre Bewegung verlangsamten und, bevor sie stehen blieben, noch einige Fäden in das angefangene Stück webten. Trübe und fragend sah Korhn die beiden Thefs an. „Kommen Sie mit!", sagte Herr Motron. In der Färberei, hinter der das Warenmagazin lag, erklärte ihm der Direktor: „Sie können so nicht weiterarbeiten, mein lieber alter Korhn." Er entgegnete: „Ich kann doch noch'was leisten, trotz meines Alters noch'was leisten." Motron sah mitleidig den armen Kerl an, wie er dastand mit zusammengesunkenen Schultern, mit gebeugtem Kopf und zitternden Hgnden. „Sie sind doch nicht mehr imstande, auch"nur einen Stuhl richtig zu bedienen; bedenken Sie doch das." „Aber ich versichere...", stammelte der Alt«. „Wir hatten schon einen solchen Fall. Hieß der Mann nicht Tauniez?", wandte sich Motron an seinen Betriebsleiter. „Ja, aber Tauniez trank", erklärte der Alte. Der Direktor mußte lächeln. „Vor allem war er alt", entgegnete der Direktor und fügt« hinzu:„Korhn, wenn man das von Ihnen sagte!..." Korhn hatte gedacht, so den Direktor zu erweichen, und muhte ,�in begreifen, roh gegen den gewesen zu sein, der lange sein guter Kamerad war, vielleicht der beste Freund, den er je gehabt hatte. „Ich habe doch noch Kraft in den Armen", bettelte er wieder. „Es geht nicht", schnitt Motron di« Unterhaltung ab.„Sie müssen erst wieder zu Kräften kommen. In kurzer Zeit, in 14 Tagen oder längstens einem Monat, werde ich Sie wieder holen lassen. Dann wird sich schon eine Stellung im Lager für Sie finden." Korhn begriff das alles nicht und starrte regungslos vor sich hin. Der Direktor rief ihn wieder tn die Wirklichkeit: „Sonst habe ich Ihnen nichts zu sagen. Gehen Sie jetzt an Ihr« Arbeit, Korhn!" Und der Alte ging zu seinen Webstühlen und blieb für alle Fragen seiner Kameraden taub. Bevor Motron und Morin die Halle verließen und in ihr Bureau traten, sah sich Motron noch einmal nach dem alten Arbeiter um: init linkischen Bewegungen war er schon wieder an der Arbeit. Nicht eine Minute ruhte er aus, der arme Teufel. Doch er war zu alt, er tonnte es nicht mehr schassen. Korhn lief von einem Webstuhl zum anderen, zog jedesmal das Schiffchen zurück und bediente so schlecht und recht seine beiden Stühle. Aber der Direktor steh sich nichts vormachen. Der arme Kerl hoffte sicher, der Chef würde sich erweichen lassen, wenn er ihn so arbeiten sah. Doch Korhn hoffte vergeblich. Di« beiden gingen weg. Sein« Augen klammerten sich an sie, als ob er sie dadurch zurückrufen wollte.„Der alt« Korhn macht Augen wie beim Lotteriespiel", meinte ein Weber zu seinem Nachbarn. „Die Chefs müssen ihm etwas gesagt haben, was ihn verstört hat", erwiderte der. Es war ihm furchtbar, ohne Arbeit zu fein. Und an dieses leer« Versprechen einer Stellung... daran glaubte er nicht, fast gar nicht. Vielleicht war es aber doch wahr. Doch wie sollt« er einen Monat ohne Verdienst leben, ja nur 14 Tage? Hatte er dämm SO Jahre gearbeitet, um jetzt mir nichts dir nichts auf die Straße geworfen zu werden! Für jeden Tag würde er sich ein bißchen Brot erbetteln müssen. Der Gedanke an ein solches Hundeleben würgte ihn, aller Groll erwachte und machte ihn wie närrisch. Dabei vergaß er seine Arbeit: sein Schiffchen sprang heraus. Sogleich stand der Werkführer bei ihm: „Kannst Du nicht aufpassen, was Du machst, zum Teufel!" schrie er ihn an. Mit einem stieren Blick sah Korhn auf den Werkführer. Und weil er nichts sagt«, schnaubte ihn der Werkführer noch einmal an: „Mach', daß Du weiter arbeitest, oder Du bekommst eine Geld- strafe." Da machte sich Korhn an seine Arbeit. Nach einer Weile fing der andere wieder an: „Du, tummle Dich und träum« nicht!" Dann ging er achselzuckend weg und murmelte zwischen den Zähnen:„Wozu behält man bloß solch alten Krüppel wie den da?" Der Arbeiter hatte es nicht gehört. Er sagte vor sich hin: „Danke."«Was ist los?" fragte der Werkführer. Kurze Zeit liefen des Alten Webstühle regelmäßig. Mechanisch, ohne daran zu denken, führte er seine Handgriffe aus; denn Angst nahm alle seine Sinne gefangen: Was ohne Arbeit ansangen?? Lieber den Tod!! Plötzlich sah er um sich nur Nebel. Alles verschwamm und Lärm brauste in seinen Ohren. — Wie ein Kind in der Nacht aus einem Wald, so hätte er fliehen mögen; er wollte sich bewegen: da fühlte er einen kurzen Stich in seinem Herzen, als ob etwas in der Brust entzwei gegangen wäre. Er wäre auf den Baden gejnllen, wenn ihn das Gestell des Webstuhls nicht gehalten hätte. Eine alte Herzkrankheit hatte seinen Wunsch, zu sterben, auf der Stelle zur Wahrheit werden lassen. Ein Herzschlag tötete ihn. ohne Leide»; lleh ihn selbst nicht fühlen, daß er nun eingeh« w das Reich
der großen Ruhe, befreit von der Furcht vor dem Morgen., frei von aller Angst. Seine Augen standen weit offen, waren glanzlos und verstört. Der Werkführer bemerkte es und wandte sich wütend nach ihm um. Die Arbeiter in der Werkstatt ahnten nicht, daß der Tod ausgestanden war und einen aus ihrer Mitte geholt hatte. Die Nachbarn lachten, den Alten so in Träumen gefangen zu sehen. Das amüsierte sie so, daß sie zu arbeiten aufhörten. Der Werkführer sah sie deshalb wütend an. Als er in die Nähe des toten Korhn kam, hörte man ihn toben: „He, bist Du hier zum Arbeiten da oder mcht?" Als er aber näher kam, begrift er und hielt die Transmissions- räder der Webstühle an, auf denen die Schiffchen noch weiterliefen. Dann rief er einen allen Arbeiter zur Hilfe heran. Zur gleichen Zeit ging Morin vorbei, den der Werkführer aufhiell.
die nächsten Reichstagswahlen
werfen jeht schon seltsame Schatten in deutschnatioualen Hosen voraus!
„Was ist los?" „Korhn ist eben gestorben." „Sehr traurig, sehr traurig," sagt« Morin,»gerade jetzt, wo ihn der Chef im Lager anstellen wollte. O, es ist bitter." Und fuhr fort, während er schnell davonlief:„Ich will gleich Herrn Motron holen." Jetzt sahen all« nach Korhn.„Ist er tot?", fragten die Arbeiter den vorübergehenden Morin.„Kümmert Euch um Eure Arbeit!", fuhr er sie an. „Er ist tot" wußte einer;„Korhn ist tot." Diese Nachricht lief von einem Webstuhl zum anderen, aber kein Arbeiter wagte, die Arbeit liegen zu lasse» und näherzutreten. Eine unbestimmte Angst legt« sich über sie. Viele dachten mit Trauer an den alten Kameraden. Alle aber dachten: so sieht das Ende aus, das uns erwartet, hier oder im Spital. Motron kam bald.„Es muß sofort einen Arzt gehott werden!" „Korhn ist doch schon tot." „Ja, ich wollte sagen, telephonieren Sie nach einem Kranken. wagen." Morin ging weg. Die Webstühle liefen weiter, doch jeder Gedanke der Menschen, die an ihnen arbeiteten, war bei dem Toten. Ueber der Werkstatt lag schwer und lastend das Schweigen des Todes. Vergeblich blieb das Bemühen, es vergessen zu wollen. Allen Lärm, alle Tätigkeit und alle Vernunft Übertönte..... dieses Schweigen. cBerechtigte Uibersetzunz«ra Ott» Stichst».)
Seim Drachen von Komoöo. „Die Suche nach dem fabelhasten„Drachen von Komodo" lautet der Titel eines bemerkenswerten Artikels, den Dr. Douglas Bürden, der Kustos des amerikanischen Museum» für Naturgeschichte, in der Muleumszeitschrift„Natural History " veröffentlicht. Der Verfasser beschreibt darin eine wissenschaftliche Expedition nach Niederländisch- Ostindien, die von dem Museum zu dem Zweck ausgerüstet worden war, um ein« Spur des„Varanus Komodoensis * zu finden, der auf der malaiischen Insel Komodo lebenden, der Familie der Daran« angehörenden Riesenechse. An der Expedition nahmen außer dem genannten Gelehrten und Verfasser des Buches sein« Gattin Mrs. Bürden, Dr. Dunn, eine Autorität auf dem Gebiete der Reptilien- forfchung, und ein Jäger aus Jndochina namens Defosse teil.„Mrs. Bürden, so heißt es in dem Auftatz,„war die erste, die einer der Riesenechsen begegnete. Sie war in Begleitung von Defosse früh- morgens ausgebrochen, um nachzusehen, ob einer der Varane auf der nächtlichen Suche nach Beute bei dem ausgelegten Köder Halt gemacht hatte. Als die beiden an die Stelle kamen, wo die Falle aufgestellt war, sahen sie zu ihrem Mißvergnügen, daß der Köder nur noch zur Hälfte vorhanden und daß das ganze Hinterviertel des als Lockspeise dienenden Tierkadavers verschwunden war. Es war kaum anzu- nehmen, daß ein einziger Varane an dieser Stelle gewesen war, Aber nirgends war ein Tier zu erblicken, und so gingen die beiden daran, den Boden in der Umgebung der Falle nach Spuren abzu- suchen. Während Defosse die eine Seite eines Hügels absuchte, be- mühte sich Mrs. Bürden auf der anderen, eine Fährte zu entdecken. Plötzlich fesselte eine Bewegung im Dschungelgras ihr« Aufmerksam- keit, und nicht viel später erschien auch eines der vorsintflutlichen Ungeheuer im Licht des Tages. Im gleichen Augenblick warf sich Mrs. Bürden ins hohe Gras und blieb bewegungslos liegen.„Als das Ungeheuer näher herankroch", berichtete sie später,„sah ich plötzlich alle meine Erwartungen erfüllt. Leider hatte ich mein Gewehr bei der Falle liegen gelassen. Von Defosse war nichts mehr zu sehen; da, riesig« Reptil km» geradewegs auf mich zu. Sollte ich aufspringen
und davonlaufen? Damit hätte ich mit der lhelegenheit beraubt, die größte Echse, die wir je gesehen hatten, aus' nächster Nähe zu be- obachten. Ich hielt es deshalb für ratsam, ruhig liegen zu bleiben, denn ich hoffte, daß Defosse rechtzeitig zurückkommen würde, um auf das Ungeheuer zu schießen Es kam näher und näher heran, während sein scheußlicher Kopf beim Kriechen schwerfällig von einer Seite zur anderen wackelte. Mir schössen alle die abenteuerlichen Geschichten durch den Kopf, die von der Wildheft dieser Tiere zu erzählen wußten, die selbst nicht davor zurückschrecken, Roß und Reiter anzugreifen. Es war übrigens jetzt auch viel zu spät, mein Heil in der Flucht zu suchen. Das Reptil war schon zu nahe; sein scharfer Geruch stieg mir unangenehm in die Nase. Wäre ich jetzt aufgesprungen, so hätte ich mich sicher der Gefahr ausgesetzt, von dem Ungeheuer angegrissen und getötet zu werden. So schloß ich denn die Augen und wartete. Als ich sie wieder öffnete, sah ich Defosse den Hügel hinaufkommen. Im nächsten Augenblick krachte ein Schuß, und ich sah, daß die Kugel das Tier im Nacken getroffen hatte. Blitzschnell warf es sich herum I und suchte die Dschungel zu erreichen. Aber ein zweiter Schuß brachte es glücklich zur Strecke. Als wir unser« Beute maßen, konnten wir feststellen, daß die Echse eine Länge von zehn Fuß hatte und rund zweihundertsünfzig Pfund wog. In ihrem Magen fanden wir das ganze Hinterviertel des als Lockspeise ausgelegten Tieres." „Sooft wir auch unsere Köder auslegten", fährt Douglas Bürden in seinem Bericht fort,„hatten wir stets den Erfolg, zahlreich« Riesen- echsen versammelt zu sehen. Dr. Dunn wählte einen Standplatz, wo er, unbemerkt von den Besuchern des Köders, alltäglich seine Be- obachtungen machen konnte. Sein Notizbuch füllte sich bald mit wert- vollem Beobachtungsmaterial. Bor allem bot sich Gelegenheit, die Lebensgewohnheiten und Ernährungsbedingungen der großen Echsen ausführlich zu studieren. Stundenlang beobachteten wir sie von unseren gesicherten Standplätzen aus, wie sie ihre Beute verzehrten. Di« kleineren Tiere hielten dabei sorgsam Ausschau nach den erwach- senen Genossen, vor denen sie eine große Scheu zu haben schienen. Sooft wir eine solche Neinere Echse blitzschnell verschwinden sahen, wußten wir, daß ein Riesentier im Anzug war. Plötzlich tauchte dann in der Tat hinter einem Baum ein massiger schwarzer Schädel auf mit zwei perlförmig geschnittenen kleinen Augen. Eine Weile lang hielt er sich bewegungslos; nur die Falkenaugen rollten wild und grau- sam in ftarkknöchigen Höhlen, während sie jeden Zoll Boden ängstlich absuchten. Hatte sich dann das Tier versichert, daß keine Gefahr zu befürchten war, so senkte sich der schwere Kops zur Erde und die lange, gelbe, gespaltene und beständig in Bewegung befindliche Zunge bohrte sich in den Köder. Der Anblick des kriechenden Unge- heuers bot das Bild erschreckender Kraft und massiger Wucht. So geschickt und schlank die kleineren Exemplare sind, so plump und schwerfällig sind dieMusgewachsenen Tiere. Haben sie erst einmal eine Länge von sieben Fuß erreicht, so wächst der Körper unförmig in die Breite, die gar kein Verhältnis mehr zur Länge des Tieres hat. Beim Fressen dienen die langen, scharfen Klauen zum Festhalten und Zerren der Beute, während die kleinen, rückwärts gebogenen Zähne mit Hilfe der scharf und sägeartig gespaltenen Kiefer große Stücke Fleisch von dem Kadaver herunterreißen. So groß auch der Fetzen ist, er wird ungekaut heruntergeschlungen. Ich sah einmal, wie ein starker Bursche ein ganzes Rinderviertel mit Hufen, Knochen und Wirbeln mtt«inemmal in seinem Rachen verschwinden ließ. Wird das Tier beim Fressen überrascht, so ist der Eindruck noch scheußlicher, denn in seiner Erregung speit das Ungeheuer alles wieder aus. Ich denke noch mit Schrecken an den Anblick, den mir zum ersten Male eines der Riesenttere in einer Lichtung bot. Der Schauplatz lag am Fuß eines wtldzerklüsteten Felsenberges, dort, wo der Herzog von Mecklenburg drei dieser Tiere geschossen haben soll. Ich sah da ein« Rieseneidechse, die langsam und schwerfällig bergabwärts kroch. Ich suchte sofort Deckung, um mich den Augen des Varanes zu entziehen, die schärfer sind als die irgendeines anderen Tieres. Der Anblick, der mir zuteil wurde, war unvergeßlich. Ein Ungeheuer der Urzeit in einer vorzeft- lichen Umwett. Hatte er sich auf seinen Hinterbeinen erhoben, was, wie ich heute weiß, mühelos geschehen kann, so hätte sich meinen Augen das lebenswahre Bild eines wiedererstandenen Dinosauriers geboten. Beim Näherkommen verschwanden 3 Wildschweine eilig in wei- ter Ferne. Einmal bsteb die Echse längere Zeit stehen und senkte die Nase tief in das Gras, als ob sie eine Maus, eine Ratte oder eine kleine Eidechse witterte, die sie ihrem immer hungrigen Magen als Leckerbissen einzuverleiben wünschte. Das Tier füllte das gesamte Sehfeld meines Feldstechers; für die Feststellung seiner Größe fehlt mir jeder Maßstab des Vergleiches. In meiner Vorstellung schätzte ich seine Länge auf zwanzig oder dreißig Fuß. Das war natürlich über- trieben, denn in Wirklichkeit überfchreftet die Länge des Körpers der Tiere niemals zehn Fuß."
Moderne Zieberanfchauungen. Wie so vieles in der Medizin, haben sich auch die Anschauungen der Aerzte über das Fieber in den letzten Jahren völlig gewandelt. Während man es früher für eine unbedingt schlimme, um jeden Preis zu unterdrückende Erscheinung hielt, wird heute, wie in der englischen Zeiftchrist„Xlockerv Science" ausgeführt wird, die erhöhte Wärme als Reaktton des gesunden Zellengewebcs gegen die schädlichen Reize der Mitro-Organismen oder ihrer löslichen Giftstoffe bettachtet, und ihr«ine vorwiegend schützende Tätigkeit zugeschrieben. Die unter- schiedslos« Herabsetzung der Temperatur durch Arznei wird in der modernen Medizin heut nicht annähernd so oft angewendet wie früher. Man nimmt an, daß die Temperaturerhöhung ein Anzeichen genügender Widerstandskraft des lebendigen Protoplasmas gegen die Angriffe der Ansteckungserreger sein dürste, und daß die Wirkung der guten Fiebermittel nicht auf der Temperaturherabsetzung beruht, sondern darauf, daß sie die speziell« Krankheitsursache angreifen. In Pfianzenphysiologi« erfahrene Beobachter konnten sogar nachweisen, daß selbst m Fällen von Parasitenangriften auf Bäume eine Temperaturerhöhung als Gegenwirkung eintritt; daher sprechen Botaniker von„Pflanzenfieber". Natürlich ist nicht anzunehmen, daß Fieber oder sehr heißes Blut in keinem Fall schädlich für den Körper sei. In den letzten Iahren haben gewisse Experimente bewiesen, daß eine Blutwärme, die eine bestimmte Höh« übersteigt, den Zellen des Zentralnerven- systems dauernden Schaden zufügt. Der sogenannte„Softnenstich" ist die Folge einer Schädigung der Gehirnzellen, besonders der dem Bewußtsein zugehörigen, durch zu heiße» Blut. Wenn diese Zellen nur w geringem Grad« beschädigt werden, kann der Kranke sich wieder erholen und nur etwas„nicht richtig im Kopf" bleiben; wenn jedoch die Zellen stark überhitzt werden, wie bei Hitzschlag", ttitt der Tod durch Kollaps ein, ohne daß der Kranke das Bewußtsein wieder erlangt hat. Ein solcher Hitzschlag kann auch in der Sonne nicht zu- gänglichen Räumen eintreten, wie z. B. im Heizraum eines Dampfers im Roten Meer . Andererseits ist die Senkung der Temperatur unter das Normale ebenso verhängnisvoll. Großer Wärmeverlust drückt die Gewebe zusammen, wodurch der Tod erfolgt. Der den Gerichten bekannte„Tod durch Aussetzung" wird durch Wärmeverlust ver- ursacht. Wenn ein unterernährtes, dürftig bekleidetes, vielleicht be- ttunkenes Individuum in einer Frostnacht im Freien einschläft, tritt ein solcher Wärmeverlust ein, daß das Herz und Nervensystem es nicht überstehen können: Der Betreffend« wacht nicht mehr auf.' Man lernt nie aus. In Ostasien gibt es keine Sonntage. » Die beiden wichttgsten Provinzen Sibiriens nehmen«inen Raum von der Größe halb Europa » ein, während die Bevölkerungszahl «cht größer P als die von Hamburg .