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Sonnabend IS. Juni 1927
Unterhaltung unö ÄVissen
Setlage des vorwärts
Mafllo unö Masilonpane. Ein afrikanisches Märchen der Bajufo. Eines Tages gingen Masilo und Masilonyane auf die Jagd: sie kamen an einem verfallenen und verlassenen Dorfe vorbei. Mast- lonyane begab sich in das Dorf und schickte sich an hindurchzugehen, während sein Bruder um dasselbe herumging. Während Masilonyane durch das Dorf ging, kehrte er große Gefäße um, die er in dem Dorfe umgestülpt fand: schließlich bemerkte er eins, das größer war als die anderen: er stieß es an, aber vergebens, das Gefäß rührte sich nicht. Da wandte er sich um und rief den Masilo herbei: Komm und hilf mir dies Gefäß umkehren, es will sich nicht bewegen." Masilo antwortete:Laß es nur liegen. Was hast du um- gestülpte Gefäße auszurichten?" Aber Masilonyane bückte sich wiederum, strengte sich sehr an, und am Ende wich das Gefäß mit lautem Geräusch. Eine alte Frau kam sogleich daraus hervor, und als Masilonyane das Gefäß wieder über sie decken wollte, sprach sie zu ihm: Mein Söhnchen, du hast mich befreit und willst mich wieder einsperren! Du siehst, daß ich damit beschäftigt war, rote Gerste zu mahlen." Daraus sagte sie zu ihm:Trage mich auf deinem Rücken." Kaum hatte sie dies gesagt, da hatte sie auch schon einen Anlauf ge- nommen und war sogleich aus dem Rücken des Masilonyane. Dieser rief den Masilo zu Hilfe, der aber erwiderte ihm: Ich habe dir doch gesagt, du solltest die umgestülpten Gefäße in Ruhe lassen." Darauf spottete er über ihn und entfernte sich lachend. Masi» lonyane folgte ihm in einigem Abstand, indem er die Alte auf dem Rücken trug. Nochmals rief er ihm zu: Ach, mein Bruder, hilf mir doch ein wenig, diese Alte tragen." Die Alte aber wollte davon nichts wissen. Nein, nein, mein Söhnchen, du mußt mich tragen." Ein wenig weiter bemerkt« Masilonyane ein Rudel Koma- Antilopen, das vorbeikam: da sprach er zu der Alten:Großmutter, steig' ein wenig ab, ich will rasch eins dieser langbeinigen Tiere er- legen, um dir daraus einen Traggürtel zu machen, in dem ich dich tragen kann." Die Alte ließ sich zur Erde gleiten, und Masilonyane machte sich auf die Verfolgung der Antilopen: doch als er außer Sehweite   war, verbarg er sich in einer Erdhöhle. Als die alte Frau bemerkte, daß er nicht zurückkam, machte sie sich daran, ihn zu verfolgen, indem sie sagte:Da ist die Spur des einen der kleinen Füße meines Söhn- chcns, und da ist die Spur des anderen." Alsbald kam sie an den Ort, wo er sich oersteckt hatte, und war mit einem Sprunge wieder auf seinem Rücken. So setzten sie ihren Weg fort, indem eins das andere trug. Etwas weiterhin sah Masilonyane eine Gazelle in der Ferne vorbei- kommen, da sagte er: Großmutter, steig' ein wenig ab, damit ich dies langbeinige Tier erlegen kann, um dir einen Traggürtel zu machen, in dem ich chich tragen kann." Die Alle ließ sich zur Erde gleiten: Masilonyane entfloh und ver- barg sich, so gut er konnte. Die Alte verfolgte ihn wie das erstemal, indem sie sagte:Da ist die Spur des einen der kleinen Füße meines Söhnchens, und da ist die Spur des anderen." Als sie in feine Nähe kam, rief Masilonyane seine Hunde her- bei und sagte zu ihnen: Saa! Verschlingt sie ganz und gar, doch laßt mir die große Zehe übrig." Die Alte hatte in der Tat eine Zehe, die ebensogroß war wie ein Menschenbein. Die Hunde stürzten sich auf sie und ergriffen sie bei den Fersen: da rief sie: Mein Söhnchen, habe Mitleid mit mir!" Aber die Hunde töteten und verschlangen sie alsbald und ließen von ihr nur die große Zehe übrig. Masilonyane kam herzu, nahm seine Axt und schlug damit auf die große Zehe. Da kam daraus ein« Kuh hervor, bunt wie ein Perlhuhn. Er schlug ein zweites Mal, und eine ebensolche Kuh kam heraus. Da lief Masilo. der das alles von weitem mit ange- sehen hatte, herbei und sagte zu seinem Bruder: Gib mir meinen Anteil." Masilonyane erwiderte:Gewiß nicht! Du hast dich geweigert, mir zu helfen." Er setzte seinen Weg fort, und sein Bruder folgte ihm, indem er ihn fortwährend bat, ihm eine seiner Ksihe zu geben, aber Masi- lonyane wollte nichts davon missen. Plötzlich sagte er: Ach, wie durstig ich bin! Wo können wir Wasser finden?" Masilo antwortete:Es gibt hier ganz in der Nähe eine aus- gezeichnete Quelle." Sie begaben sich dorthin; es war eine Quelle, die ein großer flacher Stein bedeckte. Sie schoben ihre Speere unter den Stein und hoben ihn hoch. Darauf sprach Masilo zu seinem Bruder: Halte den Stein, während ich trinke, und ich werde ihn her- nach hatten, wenn du trinkst." Aber als sich Masilonyane über da» Wasser beugte, um zu trinken, ließ Masilo den Stein fallen, der Masilonyane zerquetscht«. , Man erzählt, daß das Herz des Masilonyane daraus seinen Körper verließ und als«in Vogel zu seinem Dorfe flog, wo es anfing zu singen: Tsuidi! Tsuidi! Masilo hat den Masilonyane getötet wegen der schönen Kuh von Perlhuhnsarbe." Die Leute überall im Dorse riefen:Hört diesen Vogel, er sagt: Masilo hat den Masilonyane getötet wegen seiner schönen Kuh von Perlhuhnsarbe." Die Leute warteten voller Ungeduld und wußten nicht, was das zu bedeuten habe. Als Masilo mit seinen beiden Kühen ankam, riefen die Leute: Ach, was für wunderbare Tiere!" Darauf fragte man ihn:Wo ist Masilonyane?" Ich weih nicht: wir sind jeder unseren Weg gegangen, der eine �nach der einen Seite, der andere nach der anderen Seite." Daraus fragte man den Vogel, der niemand anders als Mast- lonyane war. Der sagte ihnen: Ich bin von Masilo getötet worden; ihr könnt zu jener Quelle gehen, da werdet ihr meine Kleider finden." Die Leute eilten zu der Quelle und fanden die Kleider des Masilonyane, die sie ins Dorf brachten. Da sprach Masilonyane: Masilo, behauptest du wirklich, daß diese Kühe dir gehören?" Der antwortete:Ja." Wenn sie dir gehören, warum hast du mich dann getötet?" Da riefen die Leute im Dorfe:Fürwahr, fürwahr, das ist das Herz des Masilonyane. das uns alles gesagt hat. wie es geschehen ist." Masilonyane war wieder ein Mensch wie früher geworden. ßbberttMe» wa De. t. ftaaik*.)
pack. Von Erna Büsing.
Männer stehen immer unter Füßen rum," schimpfte Frau Sperling. Sie hatte es sich nämlich in dem so holterdiepolter ge- bautem Nest schön bequem machen wollen, dabei fiel ein Ei heraus, machte laut platsch und war kaputt. Nun mußte sie doch zur Er- leichterung ihres Grolles auf ihren Mann schelten, der zufällig in der Nähe gehockt hatte. Vater Sperling sagte nichts. Er war auf seine Art so ein Stück Philosoph und verstand sich auf Frauen. Recht umständlich kratzte er sich unter seinen schwarzen Kehlfedern dem Zeichen seiner edlen Männlichkeit denn die Milben bissen mal wieder ganz gemein. Er mußt« es sich selbst eingestehen, sein Nest war überhaupt nicht nach seinem Geschmack. Es befand sich in einer Großstadt, in einem Mauerloch des Hauptportals des Hauptbahnhofs. Aber
Der Wettstreit. -
Die Rote Fahne  :Ich bin viel größer als der vorwärts!"
ver Vorwärts:Ja im vlaulanfreißen!"
Frau Spätzin hatte es so bestimmt. In diesem bröckelnden, eilig mit aufgelesenen Halmen ausgepolsterten Loch wollte die tapfer« Mutter viermal in diesem Jahre Junge großziehen. Der Dater hatte Furcht vor den Menschen, die dann und wann große Lettern anstellten und von schwanker Sprosse aus die Fenster des Haupt- portal? putzten. Doch die Frau hatte«inen sicheren Instinkt. Sie wußte, diese rauhen, harten Hände können lind sein, sie tun einem kleinen Vogelleben und einem winzigen Vogelglllck nichts zuleide. Der Spatzenmann ließ seine Frau gewähren, denn schließlich war sie ja die Stammutter neuer Spatzengeschlechter. Sie hatte im Grunde genommen Recht, um die Art zu erhalten, mußte man rauh mit den Jungen sein. Di« durften nicht ludern aus weichem Lager, die mußten frühzeitig schwer bekömmlich« Speisen ver- bauen. Das goldene Zeitalter der reichlichen Pferdeäpfel war vor- über, jetzt hieß es, sich umstellen. Es galt, den Menschen zu be- lauern. Vielleicht mal ein Dienstmann ein Stückchen Brot, warf ein Chauffeur eine Wurstpelle in den Rinnstein und zerkrümelte ein halb totgedrücktes Kind in dem allgemeinen Gedräng« nach Zugankunft ein Stückchen Kuchen. Man mußte sich dem Tempo der Zeit anpassen, man mußte schneller werden. Oft zustoßen wie «in Raubvogel und mitunter dummerweise Sachen mitschleppen, die sich später totsächlich trotz aller Mühe als unfreßba? erwiesen. Man mußte Lokomotivqualm und Benzingestank schlucken können und womöglich auf dem Verdeck eines wartenden Automobils fitzen und die ekelhaft nach Großstadt riechenden Federn auf Milben durchsuchen. Wirklich, man mußte freslen, trinken, sich lausen, alles mit Eilzugsgeschwindigkeit. Vorüber sind die schönen Zeiten, wo der Spatz zur Beschaulichkeit der Natur und zur Gemütlichkeit des Kleinstadtlebens gehörte. Er hat sich ganz und gar angepaßt und ist ein ruppiger, dreckiger, frecher Großstadllümmel geworden. Sie wurden groß, die Jungen der besagten Frau Spatz  . Als sie den ersten Ausflug mit ihnen machte, blieb der Vater vor Schaudern zu Haufe. Er wollte nämlich nach einem nahen, halb- verfallenen Kirchhof, wo ein paar alte Bäume standen. Jedoch Frau Spatz   wehrte ab. Was gilt heute noch die Natur? Rein In die Großstadt! Und bums schaukelt« sie mit den Jungen auf den Drähten der elektrischen Dogenlampen, welche die Hauptstraße über- spannten. Feine Restaurants hatten ein paar Efeuwände und ver- staubte blühende Blumen als Garten ausgebaut, und Dämchen und Herren saßen unter einer Leinwand im Freien, zeigten ihre Kleider, machten Bekanntschaften und sogen Asphallgestank al» frisch« Luft ein. Da entdeckte Frau Spatz   ein Stückchen Käsetorte, da» der Kellner, um die Hände frei zu bekommen, auf einen leeren Tisch setzte.Auf Vordermann bleiben," schrie sie den Jungen zu, und im Nu stieß sie aus die Torte nieder. Die Spatzen fraßen, als ob's in Akkord ging«. Auf einmal tat ein Dämchen einen hysterischen Schrei und trommelte so heftig mit den Fingern auf die Marmor- tischplatte, daß einer der gelackten Fingernägel brach. Der Kellner kam und schlug mit der Serviette. Die jungen Spatzen kriegten einen Riesenschreck, verdauten im Augenblick, und einen Teil der genosienen Käsetorte ließen sie anstandshalber, wenn auch w ver- änderter Form, zurück. Schrrr ging's dann fort und sogleich auf die Bogenlampendräht«. Frau Spatz war stolz. Sie ließen sich gut an, die Jungen, waren nicht hochqeflogen nach übler Naturvogelmanier, um sich, wie es diesmal der Fall gewesen wäre, unter dem Zeltdach zu ver- flattern, sondern sie hatten sofort seitlich den Ausgang gefnnden. Also, ihre Kinder waren der Großstadt gewachsen, und dann guckte Frau Spatz auf die noblen, ach, so empörten Mensche» und schimpfte: .Patt. Pack, Pack."
Elterliche Allmacht. Von Fritz Wittels  . Im Hippokrates-Verlag(Stuttgart  , Berlin  , Zürich  ) erschien das Vuch eines Wiener Psychologen, der die psychoanalytischen Fest. stcllungen an Kindern, Uberhaupt das heutige Wissen um die Seele des Kindes in lebendiger Form der Allgemeinheit vermittelt und von da aus die Srziehungsfragen beantwortet. Fritz Wittels  hat seinem Buch den bezeichnenden Titel«Die Besreiung des Kindes" gegeben. Wir teilen unseren Lesern mit Zu» stimmung des Berlags eine Probe daraus mit: Freud   hat fast an den Anfang seines Werkes das Wort gesetzt: Der Tod des Vaters ist das wichtigste Ereignis im Leben eines jeden Mannes." Wir werden statt Vater beide Eltern setzen und stattjeden Mannes" jedes Menschen. Diese Einschätzung hat nichts Mystisches an sich, sondern die großen übermächtigen Figuren stellen sich in unserer Kultur so vor das Kind, daß dieses alle Kräfte seines kleinen Seelchens gebrauchen muß, um mit ihnen fertig zu werden, und sie doch nicht verschlucken kann. Die Liebe reicht nicht aus und nicht der Haß. Die Riesen zu annullieren geht nicht an, sich mit ihnen identifizieren kann nicht restlos gelingen. Sich ihnen völlig unterordnen kann das Kind nicht. Gegen sie protestieren wird mit furchtbaren moralischen Schlägen beantwortet. Kürz: zwischen Ellern   und Kindern wird ein seelischer Mechanismus mobilisiert, der so gut geölt ist, daß er nicht knarrt. Er arbeitet unhörbar. Aber er arbeitet, und der Nervenarzt weiß ein Liedchen davon zu singen. Der Psychoanalytiker hört, was sich Neroöse aus der Jugendzeit gemerkt haben. Die Ellern werfen Worte hin, denen sie selbst viel- leicht keine Bedeutung beimessen. Das Kind nimmt sie als Aus- druck und Beweis der Lieblosigkeit zur Kenntnis und schreibt sie wie eine Devise über alles fürdere Geschehen. Du bist ein Feigling! sagt die Mutter. Das Kind wird ein Feigling, denn die Mutter hat es gesagt. Aus dir wird nichts, du bist ein Lump und bleibst ein Lumpl sagt der Vater. Das Kind wird entweder wirklich nichts oder es überbaut den Fluch des Vaters und steigt vo.n Stufe zu Stufe, um dem vielleicht längst verstorbenen Vater zu beweisen, daß er unrecht hatte. Des Vaters Mahnung behält aber dennoch recht, und so entsteht Erfolglosigkeit oder trotz Höchstleistungen dauernde Unzu- sriedenheit mit sich selbst. Die Kinder besonders tüchttger und erfolgreicher Eltern sind immer gefährdet. Der Vater hat vielleicht klein angefangen und wie ein Tank gearbeitet, bis er über alle Hindernisse hinweg etwas ge- worden ist. Das Sieghafte geht von ihm au», er füllt das Haus mit t einem Willen, immer gut aufgelegt, alle Schwierigkeiten bagatelli- ierend: ein ganzer Kerl. Gewöhnlich hat so einer mehrere oder gar viele Kinder und wt, was er tun kann, um die Familie ordentlich aufzubringen. Aber der Erfolg lohnt diese Mühe nicht. Das Leben konnte er zwingen. Seinen Kindern kann er die Kraft nicht ein- hauchen, die ihn selbst beseelt. Dann wird er ungeduldig und ruft wohl aus: Taugenichtse seid ihr, Schwächlinge, Traumichnichte ich war anders! Auch das wird wahr: die zweite Generation ver- dirbt, was die erste aufgebaut hat. Noch vor ganz kurzer Zeit suchte man hinter diesem Prozeß des Aufstieges und Abstieges Entartung (Degeneration) und erbliche Belastung. Heute ist man psychologisch geworden und weiß, daß die Kinder in ihren Seelchen von wuchten- den Vätern gebrochen werden. Die moderne Erziehung besitzt noch ein Mittel, um den Kindern diesen und manchen anderen Konflikt zu erleichtern, und das ist die Gemeinschaftsschule. Man bringe die Kinder unter ihre»- gleichen und fort aus der Arena des ungleichen Kampfes. Stellen wir uns eine Gruppe von Bergsteigern vor. Die einen sind trainiert, die anderen nicht. Nach kurzer Zell   werden die Nichttrainierten zurückbleiben, den Mut verlieren und umkehren. Sie erreichen den Gipfel nicht. Wenn man die beiden Parteien voneinander trennt und gesondert aufsteigen läßt, dann werden auch die Nichttrainierten langsam aber sicher hinaufkommen. Man erspare ihnen die lieblose 5krittk: du bist ein Feigling, ein kleines Dummerl, aus dir wird niemals etwas werden! Wie sollen Kinder gegen diese entmuttgenden Worte aufkommen? Die Kleinen werden Lügner und wortbrüchig und alles Mögliche geschotten, bevor sie überhaupt wissen, was eine Lüg« oder ein Wortbruch eigentlich sei. Man straft die Kinder, bevor sie den geringsten Zusammenhang zwischen Schuld und Strafe begreisen. Gibt es denn überhaupt einen zureichenden solchen Zusammenhang? Alle diese Erziehung»- fehler begehen die Eltern im guten Glauben. Was Kinder am schwersten ertragen, ist der Zwang. Wenn sie sehen, daß die Eltern ebenfalls unter einem Zwang stehen, dann kommt ihnen der eigene Zwang weniger unangenehm zum Bewußt- sein. Sie fügen sich, weil sie sehen, daß auch die Eltern ihrerseits sich fügen müssen. Wo Vater und Mutter hart arbeiten, dort ist es besser, als wo die Kinder nichts anderes sehen oder zu sehen oermeinen als ein Phäakenleben, aus dem hervorgeht, daß die Kinder immerfort müssen oder nicht dürfen, während die Erwachsenen wie im Paradies dahinleben. Hier ist wohl der Hauptgrund, warum in wohlhabenden Kreisen so viele Taugenichtse heranwachsen.
Cin tragisches Erfinöerlchlcksal. Di« Stadt Bolton in England begeht jetzt durch große Festlich- ketten die hundertjährige Wiederkehr des Todestages ihres größten Sohnes, des Webers Samuel Crvmpton. der durch die Erfindung der sogenanntenMulemaschine" die Baumwollspinnerei auf«ine ganz neue Grundlage stellte und den hohen Aufschwung der englischen Textilindustrie begründete. Der Mann, der so vielen zu Reichtum und Wohlstand verholfen, war aber selbst ein armer Teufel, als er nach schwerem Lebenskampf am 26. Juni 1827 die Augen für immer schloß. In seinem Schicksal, das uns aus diesem Anlaß von Thomas Midgley   zum erstenmal eingehend geschildert wird, offenbart sich die alte Erfinde rtragödie. Erompton gehörte zum Beschlecht der Bastler und Träumer, denen ein künsllerischer Zug«igen ist. In dem Heim seiner Mutter, die eine Hausweberei hatte, erfand er mit den ein- fachsten Geräten seine Maschine, die die Vervollkommnung der sog. Jenny" von Hargreaves und derWaterspinnmaschine" Arkwrights war, also ein Bastard aus diesen beiden Maschinen, und daher von ihmMute" oder Maulesel genannt wurde. Es gelang ihm damit, einen Faden von größerer Feinheit und besserer Qualität zu ge- Winnen, al« er bis dahin hervorgebracht worden war, und damit eröffnete sich für die englische Industrie die Mögllchkeit, seine Müsse- lin« herzustellen und überhaupt bessere Textilwaren zu liefern. Der Träumer Erompton selbst war nicht imstande, seine Erfindung ge- schäftlich auszubeuten. Aber das feine Tuch, das er mtt der Hand spann, erregt« großes Aufsehen, und von allen Seiten, ja aus weiter Ferne kam man herbei, um die Wundermaschine zu brtrachten. Er hat später selbst gesagt, daß er nur die Wahl gehabt habe, seine Ma- schine zu zerstören oder sie dem Handel zu überlassen. Er verkaufte seine Erfindung an einzelne Leute und hoffte, damtt wenigstens 4000 Mark zu verdienen, aber dieser verkauf brachte ihm im ganzen nur 14S0 Mark«in, und die einzelnen Beträge mußte er sich noch mühsam bei den Nutznießern seiner Erfindung einsammeln. Die ungeheure Ungerechtigkeit, die darin lag. daß der Spender so großen Segens im Elend blieb, rührt« aber doch das Gewissen der Nation. Man veranstallete 1803 eine Sammlung, die ihm die Summe von 8800 Mark brachte, und dann griff das Parlament ein und gewährte ihm 1812 eine Spende von 100 000 Mark. Trotzdem ist Erompton auf keinen grünen Zweig gekommen. Nach den Forschungen Midgleys waren es seine verschwenderischen Söhne, die ihm alle», Geld abnahmen. Er selbst fristet« in den letzten Jahre« sein Leben damit, daß er alte Malchin  «» ausbesserte.