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Nr.2SS �44.?ahrgakg
2. Seilage ües vorwärts
Sosstag, 14. Jnn\ 1427
Inöuftrieprobleme in Sowjetmßlanö. Der Rubikon überschritten."- Aber Snbstanzaufzehrung und Kapitalmangel.
Der Wiederherstellungsprozeß der russischen   Staatsindustri« scheint nach den offiziellen Angaben abgeschlossen zu sein. Die(Be- samtproduktion erreichte im Jahre 1925126 89 Proz. und die Zahl der beschäftigten Arbeiter 9S Proz. der Vorkriegszeit; im Jahre W26/27 erreicht die Industrieproduktion nach den vorläufigen An- gaben 198 Proz., die Arbeiterzahl 196 Proz. des Vorkriegsnioeaus. Die russischen Wirtschaftsleiter heben mit Stolz hervor, daß damit derRubikon  "' des Vorkriegsniveaus im lausenden Jahre bereits überschritten sei. Sie können aber nicht ver- heimlichen, daß erst jetzt die wirklichen Schwierigkeiten beginnen, die mit der notwendigen Erneuerung und Erweiterung des Kapitals der Industrie verbunden sind. Wachstum auf Kosten der Substanz. Das Wachstum der Staatsindustrie vollzog sich hauptsächlich auf Kosten des von dererledigten" Bourgeoisiegeerbten" Grund- kapitals, der direkten und indirekten Zuschüsse aus der Staatskasse, der Höchstpreispolitik, d. h. der permanenten Enteignung der Bauernschaft, und nicht zuletzt auf Kosten der durch den niedrigen Stücklohn ausgebeuteten Arbeiterschaft. In dem Maße der fort- schreitenden Ausnutzung der geerbten Substanz verlangsamte sich jedoch das Tempo der Jndustrieentwicklung. Die Brutto- Produktion der Stoatsindustrie stieg im Jahre 1925/26 um 42,4 Proz., im Jahre 1926/27 aber nur um 29,1 Proz. Das ist freilich kein Wunder. Die Abnutzung des Grundkapitals in den arbeiten!«» Betrieben betrug bereits im Jahre 1922/23 72 Proz., im Jahre 1923/24 78 Proz.; dabei haben die arbeitenden Betriebe ihre ab- genutzten oder gar fehlenden Maschinen und sonstige technische Aus- rüstung auf Kosten der stillgelegten,konservierten" Fabriken und Werke ersetzt. Ueber die Wiederherstellung des abgenutzten Grund- kapitals hat man sich damals keine große Sorge gemacht: die Be- triebsfubstanz wurde einfach aufgegessen. Die Abschreibungen und Amortisierungssonds waren wissentlich ungenügen: am 1. Oktober 1925 betrug die Amortisation des Grundkapitals in der Staats- industrie ca. 925 Millionen Rubel, während die Amortisations- fo n d s nur 499,3 Millionen Rubel betrugen. Die technische Ab- Nutzung des Grundkapitals der Staatsindustrie erreicht 49 bis 69 Prozent. Gerade darum aber, weil derRubikon" des Vorkriegsniveaus überschritten zu sein scheint, hat die Frage der technischen Um- stellung und der Erweiterung der russischen Industrie eine außerordentliche Bedeutung. Sie ist eine reine Kapitalsrage. Im Jahre 1925/26 wurden in der Staatsindustrie ungefähr 789 Millionen Rubel angelegt; im laufenden Jahre werden die neuen Kapital- aufwendungen(mit den Elektrifizierungsanlagen) ca. 1199 Millionen Rubel betragen. Die eigene, innere Kapitalaufhäufung der Staats- industrie beträgt in diesem Jahre nur die Hälfte der zu ihrer Umrüstung erforderlichen Mittel. Pläne für die Zukunft. Wie stellen sich nun die russischen Wirtschaftsführer die weitere Entwicklung der Industrie unter Beibehaltung des gegenwärtigen
Wirtschaftssystems vor? Die industrielle Sowjetwirfichast ist in erster Reihe einePlanwirtschaft"! Und in der Tat gibt es jetzt inehrere Varianten einesfünfjährigen Planes" der Industrie- entwicklung, die von den höchsten Wirtschaftsorganen der Sowjet- union ausgearbeitet wurden und einige Anhaltspunkte zur Be- urteilung der Entwicklungsmöglichkeiten der Sowjetindustrie bieten. Nach der ersten Lesart dieser Pläne wird die Brutto- Produktion der Staatsindustrie von 5773 Millionen Rubel im Jahre 1925/26 auf 9389 Millionen Rubel im Jahre 1929/39 steigen. Dabei werden die Warenpreise um 21 Proz., die Arbeiterzahl um 459999 der Arbeitslohn um 25 Proz., die Arbeitsproduktivität um 69 Proz., die Herstellungskosten der Jndustrieerzeugnisse um 22,1 Proz. steigen; die Investierung des neuen Grundkapitals in der Staatsindustrie wird in demselben Zeitraum 6,1 Milliarden Rubel, die An- Häufung des eigenen Kapitals in der Industrie etwa 5,2 Milliarden Rubel, das Defizit etwa Ich Milliarden Rubel betragen. Im Januar/Februar dieses Jahres ist der obenerwähntefünf- jährige Plan" gründlich revidiert worden(stehePlanowoje Chosjaistwo", März, undEkonomitscheskoje Obosrenije", April 1927). Es stellte sich heraus, daß die ersten Berechnungen zu optimistisch waren. Auch bei der Steigerung der Produktion in fünf Jahren um 198 Proz. wird der Verbrauch der zwanzig wich- tigsten Warengruppen im Jahre 1929/39 pro Kopf der Bevölkerung nur 199 Proz. des dürftigen Vorkriegsverbrauchs erreichen. Nach den neuesten Berechnungen desGaßplans" sei aber die Steigerung der Industrieproduktion in dem Zeitraum 1925/26 bis 1929/39 nur um 79,5 Proz. und der Verbrauchswarenproduktion um 58 Proz. möglich. Auch bei diesem Wachstumstempo wird im Jahre 1939/31 der Verbrauch von Roheisen pro Kopf der Bevölkerung 2 Pfund, von Papier   6,2 Pfund, von Zucker 29,5 Pfund(vier- bis fünfmal weniger als in England) knapp erreichen; der Verbrauch von Baum- wollgeweben wird nur um 13 Proz. im Vergleich mit der Vorkriegs- zeit erhöht sein. Dabei muß berücksichtigt werden, daß in diesen fünf Jahren Rußlands   Bevölkerung um 13 Millionen, die städtische Bevölkerung von 17,8 Proz. auf 18,8 Proz, steigen wird. Die Hemmungen im Agrarstaat. Rußland   ist ein überwiegend agrarisches Land. Das Tempo der Jndustrieentwicklung wird deshalb entscheidend durch das E n t- Wicklungstempo der Landwirtschaft bedingt und be- grenzt. Laut dem fünfjährigen Jndustrieplan werden sich die Ge- treideanbaufläche um 3 Proz., die Anbaufläche technischer Kulturen um 6 Proz., die Ernteerträge um 1,5 Proz. jährlich erhöhen. Die Bruttoerzeugung von Körnerfrüchten soll in fünf Jahren um 18 Proz. und der technischen Kulturen um 37 Proz. wachsen. Aber auch bei diesem Wachstumstempo der Landwirtschaft wird der Reinertrag der landwirtschaftlichen Bevölkerung nur von 82,7 Rubel aus 95 Rubel pro Kopf steigen und etwa um 5 Proz. das Vorkriegsniveau übertreffen. Die Erweiterung der Bruttoproduktion der Landwirt- schaft würde auf diese Weise die Kaufkraft der Bauernschaft in fünf Jahren um 1 bis 1,1 Milliarden Vorkriegsrubel erhöhen. Da der städtische Verbrauch gleichzeitig um 699 bis 799 Millionen Rubel steigen wird, so muß eine Vermehrung der Erzeugung von Ver-
braucherwaren um 1,6 bis 1,7 Milliarden Rubel erfolgen und ein- schließlich der Produktion von Produktionsmitteln eine Vermehrung der Erzeugung um insgesamt 3 bis 3 X Milliarden Rubel stattfinden. Dabei find die enornien Bedürfnisse der Landesverteidigung sowie des Landes- und Wassertransports nicht berücksichtigt. Zur Verwirklichung des vorgesehenen Planes wird die Einfuhr der ausländischen Maschinen usw. im Betrage rfon 1399 Mil­lionen Rubel sowie die Anstellung von 499 999 ständigen und 159 999 Saisonarbeitern nötig sein. Die Arbeitslosigkeit wird aber auf diese Weise keineswegs beseitigt werden: vielmehr wird die Arbeits- losenzahl nach fünf Jahren 2)4 bis 3 Millionen erreichen. Die agrarische Ueberbevölkerung wird auch nach offiziellen Berechnungen :n rascherem Tempo erfolgen als die Ausdehnung der Industrie. Das für die Industrialisierung aufzuwendende Kapital soll nach! den Plänen im Jahre 1927/28 1141,6 Millionen Rubel, im Jahre 1928/29 1182 Millionen Rubel, im Jahre 1929/39 1296 Millionen Rubel und im Jahre 1939/31 1295 Millionen Rubel betragen. In den fünf Jahren werden also für die Industrialisierung 7,4 Milliarden Rubel nötig sein, wobei aber die Gewinne der Industrie und die Abschreibungen nur etwa 5,9 Milliarden Rubel betragen werden. Das Defizit von 1,5 Milliarden Rubel wird nur zum Teil aus dem Staotsetat und durch Kredit gedeckt werden können. Vergebliche Experimente.> Die Sowjetwirtschaftler selbst geben zu, daß alle diese Berech- nungen und Pläne einen höchst summarischen und proble- matischen Charakter haben. Die Planwirtschast ist in Sowjetruhland nach wie vor ein unerreichbares Ziel und keine Wirklichkeit. Das spricht freilich noch nicht gegen den Grundsatz der sozialistischen   Planwirtschaft, sondern nur gegen VIe planwirtschastlichen Experimente in einem rückständigen Agrarland?. Wir haben gesehen, wie im vorigen Jahre infolge derBerrech- nungen" mit der Getreideausfuhr alle Pläne der Jndustrieumrüstung über den Haufen geworfen werden mußten und wie die Tscherwonetz- Währung bedroht wurde. Gleichzeitig hatte die Politik der niedrigen Preis« für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse zur Verminderung der Anbaufläche geführt und eine Rohstoffkrise in der Industrie hervor- gerufen. Wir sehen auch jetzt, wie die Preisabbaukampagne i n s Stocken geraten ist, worauf«in stiller Käuferstreik aus dem Lande und eine Absatzkrise droht. In der Tat sind es die elementaren Kräfte des bäuerlichen Marktes, nicht derGoßplan" der russischen Planwirtschaftler, die letzten Endes die Sowjetwirtschaft regieren. Freilich sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten Rußlands   sehr groß, fast grenzenlos. Aber sie sind durch das System des Staatskapitalis- mus(Nep) und durch das Regime der Diktawr gebunden, das gleich- zeitig jeden Abwehrkamps des Proletariats gegen die Ausbeutung und jede fruchtbare Entfaltung der Wirtschaftskräfte hemmt.
Enorme Karlosselpreise r aber Kartosselzollerhöhung. Nach dem letzten Marktbericht werden für alte Speisekartofseln Preise von8Mark und mehr pro Zentner angelegt. Aus Schleswig-Holstein   wird uns mitgeteilt, daß die Eindeckung der Konsumenten aus Beständen der alten Kartoffelernte zu Preisen zwischen 8 und 19 Mark je Zentner erfolgt. Di« Parteien unserer famosen Rechtsregierung haben sich demgegen- über auf eine Verdoppelung des bisherigen Kar. t o f s e l z o l l s geeinigt.
vt»«dlg»« stehen Ihnen eh Montag«ur Verfügung! Schriftl. Beatellungen können nicht berücksichtigt werden!