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Abendausgabe

Nr. 301 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 148

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10 Pfennig

Dienstag

28. Juni 1927

Vorwärts=

Berliner   Volksblaff

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Anstiftung zu weiteren Morden.

Die Schuldigen an der Reichsbanner- Hehe.

An und für fich ist es freudig zu be- 1 grüßen, daß sich die gesunde, bäuerliche Bevölkerung gegen die Ausbreitung der rofen Pest tatkräftig wehrt."

Das ist die Lehre, die das völkisch- deutschnationale Organ der Stahlhelmer und Werwölfe, die Deutsche Zeitung", aus dem Mordin Arensdorf zu ziehen weiß!

,, Tatkräftig wehren"," gesunde bäuerliche Bevölkerung" -wenn dann wieder einer von den gegen die Nationalfarben und gegen das Reichsbanner Schwarz- Rot- Gold" auf­gehetzten Glieder dieser gesunden bäuerlichen Bevölkerung" zum Jagdgewehr greift und seine Rehposten auf die Vor­überfahrenden sendet, dann ist der Mann rechtzeitig halb­zurechnungsfähig", wie das gleiche Blatt jetzt den Mörder Schmelzer zu bezeichnen beliebt. Bon diesem Halb­zurechnungsfähigen" aber bestätigt, ebenfalls in der Deut­schen Zeitung" der Junker von Alvensleben aus Arensdorf, daß er Angehöriger des Stahlhelms ist! Seit wann hat der Stahlhelm ,, Halbzurechnungsfähige" in seinen Reihen? Er prunft doch immer wieder mit der Disziplin", die seine Leute an den Tag legen? Kann er von Ganz oder Halbverrückten Disziplin erwarten?

nur

-

In Wirklichkeit wird diese Halbzurechnungsfähigkeit" die Aufmerksamkeit von den hervorgesucht, um moralisch Schuldigen abzulenken. Der Stahlhelm und die ihm dienstbare Presse allen voran die Deutsche Zeitung" der Claß- Sodenstern- haben eine system a tische Hege gegen die republikanische Schutzorganisation eingeleitet. Sie laffen landauf, landab Vorträge über den angeblichen Landesverrat des Reichsbanners" halten; sie putschen die Bauernföhne in gleicher Weise gegen das Reichs­banner auf, wie die Deutschnationalen Erzberger und Rathenau   und schließlich Friedrich Ebert   in den Tod gehezt haben.

Der Tod des jungen Tieße aus Erfner fommt auf das­felbe Konto, auf dem schon die Morde an so zahlreichen anderen Republikanern verbucht sind. Man spricht jetzt Man spricht jetzt heuchlerisch von parteipolitischer Ausschlachtung" des Mord­überfalls von Arensdorf. Das Wort der deutschnatio▾ nalen Deutschen Zeitung" soll aber nicht ausgelöscht werden:

An und für fich ist es freudig zu begrüßen, daß fich die gesunde bäuerliche Bevölkerung gegen die Ausbreitung der roten Pest tatkräftig wehrt."

Das ist nichts anderes als die offene Aufforderung, weitere le berfälle auf durchfahrende Reichsbanner­folonnen in den Dörfern zu verüben, das entspricht ganz dem bisherigen Verhalten der Rechtspresse und der Rechtsparteien zu all den Mordtaten, die bisher gegen Republikaner   verübt worden sind. Das entspricht auch jenen Gerichtsurteilen, die schamlose Beschimpfungen der Reichsfarben mit der Begründung straffrei ließen, beschimpft seien nur die- Vereinsfarben des Reichsbanners und die seien nicht durch Gesetz geschützt!

Leichenauto, das gegen 8 Uhr in Erfner eintreffen wird. Hier| Reichsbanner- Radfahrer beschuldigt wurden. Angeblich, weil er von versammeln sich neben der Kameradschaft Erkner   die umliegenden Kreisvereine des Reichsbanners.

Interpellation im Landtag.

Die sozialdemokratische Fraktion im Preußischen Land­tage hat folgende Große Anfrage eingebracht. banners Schwarz- Rot- Gold, die gerade in einem Caftfraftwagen rensdorf passiert hatte, von Angehörigen der rensdorf passiert hatte, Rechtsverbände überfallen worden. Nachdem der 3wischenfall bereits beigelegt war und die Reichsbannermitglieder den Kraftwagen bereits bestiegen hatten, hat der Landwirtssohn Auguft Schmelzer mit einem Jagd gewehr in den dicht­befehten Wagen mehrmals hineingefeuert. Das Reichsbanner hatte dabei einen Toten und neun Verletzte zu beklagen.

Am 25. Juni 1927 ist die Ortsgruppe Erkner   des Reichs­

Dieser Ueberfall und der Mord an dem Reichsbannerkameraden haben in weitesten Kreifen der Arbeiterschaft und der republikanischen Bevölkerung überhaupt eine ungeheure Erregung ausgelöft. Diese Erregung kann nur durch rücksichtsloses Durch­greifen gegen den Mörder und seine Helfershelfer beseitigt werden.

Wir fragen deshalb: 1. 3ft das Juftizminifterium bereit, seine Organe anzuweisen, die Untersuchung rücksichtslos und schleunigst des Innern zu ergreifen, um ähnliche Ueberfälle auf die friedlieben­durchzuführen? 2. Welche Maßnahmen gedenkt das Ministerium den Teile der Bevölkerung ein für allemal zu verhindern?

Der Justizminister greift ein.

Wie der Amtliche Preußische Bressedienst" erfährt, hat der preußische Justizminister für die Untersuchung des Vorfalles in Arensdorf dem Oberstaatsanwalt in Frankfurt   a. d. D. einen beim Generalstaatsanwalt beim Rammergericht be­schäftigten Staatsanwaltschaftsrat beigeordnet. Der Unter­suchungsrichter in Frankfurt   a. d. D. wird sich ausschließlich der Aufklärung dieses Sachverhalts widmen und von seinen sonstigen Dienstgeschäften entlastet werden. Die Untersuchung wird also mit allen zu Gebote stehenden Kräften gefördert werden.

Gegen die Entlassung der dem Amtsgericht Münch eberg vorgeführten Beschuldigten Hoffmann und 3em fe hat der Ober­staatsanwalt Beschwerde an die Straflammer in Frankfurt  a. d. D. eingelegt.

Dem Amtsrichter von Müncheberg   wurden nur die beiden Wer­mölfe vorgeführt, die des Ueberfalls auf den einzeln fahrenden

den Zusammenhängen diefes lleberfalls mit der späteren Schießerei nichts wußte, den ganzen Vorgang nach der Darstellung der Be­schuldigten nur als Rempelei" auffaßte, hat er die Borgeführten wieder freigelassen. Warum die Burschen nach Müncheberg   und! nicht ebenfalls nach Frankfurt   gebracht wurden, ist allerdings un­verständlich.

Das Dorf Alvenslebens.

Der Junker von Alvensleben, der das Gut Arensdorf be

herrscht, ist auch Führer des dortigen Werwolfs. Deshalb fühlt er sich berufen, in dem alldeutschnationalen Claßblatt eine Darstellung über den Mordüberfall zu geben, nach der das Dorf von der Uebermacht der vom Laftkraftwagen absteigenden Reichsbannerleute" vergewaltigt worden sei..

Dies Arensdorf des Herrn von Alvensleben ist eine deutsch nationale Hochburg. Es wurden dort bei der Reichstagswahl am 7. Dezember 1924 an Stimmen abgegeben:

Deutschnationale Nationalsozialisten Bolkspartei. Wirtschaftspartei Demokraten Sozialdemokraten Kommunisten

J

180

11

18

1

43

55

2

Es standen also 210 Rechtsparteilern nur 100 Lintsstimmen gegenüber Die Deutschnationalen sind vorherrschend. Die Mord­jünglinge stammen aus ihren stahlbehelmten Reihen.

Entrüstung in Oesterreich  .

Beileidsfundgebung des republikanischen Schutzbundes. In der Arensdorfer Angelegenheit ging beim Bundesvorstand des Reichsbanners folgendes Telegramm ein:

Mit fiefer Entrüftung haben wir von dem feigen Mordüberfall Reichsbanner­reattionärer Wegetagerer auf eine abteilung in Arensdorf Kenntnis erhalten. Wir beklagen mit Euch den Kameraden Tiehe, das Opfer des blutigen Terrors der Reaffion. Wir ersuchen Euch, am Grabe des Kameraden Tietze einen Kranz in unserem Namen niederzulegen und bitten, den ver­wundeten Kameraden unsere Sympathie zum Ausdrud bringen zu wollen. Für den Republikanischen Schuhbund Desterreichs. Julius Deutsch  .

Der Arbeiter ist Sozialdemokrat."

Geständnis Bucharins in Moskau  .

Die kommunistische Preffe veröffentlicht jetzt den Wortlaut einer Das Reichsbanner soll nach dem Willen des Stahlhelms Rede, die Bucharin   am 4. Juni im Moskauer   Komitee der und seiner Presse Freiwild werden. Deshalb fordert der Kommunistischen Partei gehalten hat. Er wandte sich scharf gegen Stahlhelm   unausgefeßt die Beseitigung des Stodden Borschlag Trogtis und Wujowitschs, daß man sich verbotes, damit seine Garden die Möglichkeit bekommen, den Anarcho- Syndikalisten nähern und die Gruppe Maslow gewiffermaßen mit polizeilicher Erlaubnis auf Republikaner Ruth Fischer   wieder aufnehmen solle.

dreschen zu können.

Stockerlaubnis und Aufforderung zur tatkräftigen Wehr" stehen auf einer Linie. Sie sind bestimmt, die Ge walttaten in ein System zu bringen. Das soll und darf nicht vergessen werden!

Protest gegen die Mordtat.

Beim Gauvorstand des Reichsbanners Schwarz- Rot- Gold, Gau Berlin- Brandenburg, laufen täglich Hunderte von Proteft. schreiben aus allen Bevölkerungsschichten ein, die ihren tiefen Abscheu über die ruchlose Tat ausdrücken. Immer wieder wird in diesen Schreiben harte gerichtliche Sühne gefordert.

Die Obduktion der Leiche des Ermordeten. Gestern nachmittag fand im Städtischen Krankenhaus in Frank­ furt   a. d. D. die Obduktion der Leiche des ermordeten Karl Lieze statt. Sie ergab, daß die tödlichen Schüsse, wie schon bereits mit geteilt, von Rehposten herrühren. Die Rehposten haben beide Lungenflügel durchschlagen, das Rückgrat durch bohrt und sind dann in der Haut steden geblieben.

Die Beerdigung des Kameraden Tieze findet am Sonnabend nachmittag um 6 Uhr in Ertner statt. Pflicht aller Republikaner   ist es, dem Ermordeten die letzte Ehre zu er­weisen. Da der Friedhof nicht in der Lage sein wird, all die Teil­nehmer zu fassen, wird vorher eine öffentliche Trauer. fundgebung in Ertner stattfinden. Dann begleiten Dele­gationen den Sarg zum Friedhof.

Die Ueberführung der Leiche von Frankfurt   a. d. D. nach Ertner erfolgt morgen, Mittwoch, nachmittags 5 Uhr, mit einem

wieder auf den Misthaufen geworfen wird, und es wäre daher sehr unvorsichtig, sich ihr anzuvertrauen. Daran denkt ja auch DON einer fleinen Schar abgesehen fein deutscher   Arbeiter.

Maslow- arbeiter"

Dagegen führte Bucharin   aus, daß die Anarcho- Syndikalisten Offiziere ohne Soldaten seien. Der Durchschnittsarbeiter stehe in Europa   in den sozialdemokratischen Barteien und in den Amsterdamer Gewerkschaften. Die deutsche Opposition aber sei im Begriff, eine eigene Tageszeitung heraus zugeben und eine eigene Partei zu gründen. Darin würde sie von der russischen Parteiopposition unterstützt. Nach ausführlicher Beschimpfung Maslows, der von der Hindenburg- Regierung be Beschimpfung Maslows, der von der Hindenburg- Regierung be­gnadigt" worden sei, rief Bucharin   aus:

Statt die größtmögliche Zusammenballung der Reihen, die Säuberung von Renegaten, die Eroberung der breiten Massen zu fordern, schlägt man uns vor: Lassen wir doch jeden Mist in unsere Partei hinein, lassen wir doch die diversen Anarcho- Syndi falisten, die überaus verdächtigen Maslow, die disziplinierten" Ruth Fischer   usw. hinein, und laßt uns zunächst die sozial. demokratischen Arbeiter vergessen. Wir sind mit einer solchen Einstellung absolut nicht einverstanden; nicht ein einziger Mensch, mit Ausnahme Wujowitschs, der aus fraktionellen Rück­sichten der Helfershelfer des Genossen Trogki in den Attacken, Ausfällen und Vorschlägen war, trat( im Plenum des Etti. Red. d. B.") für diese Maßnah nen" ein. Rein einziges Mit glied des Plenums war damit einverstanden, die Herren Maslows wieder aufzunehmen, oder, den breiten Maffen den Rüden tehrend, sich auf die Suche zu machen nach ein paar Syndikalisten zum Zwecke der Verteidi­gung der Sowjetunion  .

Dazu muß bemerkt werden, daß die Gesellschaft, die Bucharin  jetzt einfach als" Mist" bezeichnet, die Maslow, Ruth Fischer  , Scholem   usw., vor noch nicht langer. Beit die Führung der KPD. hatte, in die sie von Most au eingesetzt war. Niemand fann wissen, wie lange es dauert, bis auch die jeßige Führung

-

Wenn übrigens Bucharin   sagt, der europäische   Durchschnitt3­arbeiter" sei Sozialdemofrat, so jagt er leider zuviel. Wohl steht die große Masse der klassenbewußten Arbeiter zur Sozialdemokratie, aber Millionen von Arbeitern, viel mehr als die KPD. in ihren Reihen hat, stehen noch bei den bürgerlichen Barteien. Für Europa   und besonders für Deutschland   schlägt eine Schicksalsstunde, sobald diese Arbeiter zur Sozialdemokratie tommen. Die Kommunistische Partei   ist demgegenüber eine Belanglosigkeit. Der Glaube, daß die Arbeitermassen einmal zu ihr kommen könnten, ist einfach närrisch. Aus Bucharins Ausführungen aus seiner resig­nierten Feststellung, daß der europäische   Durchschnittsarbeiter Sozial­demokrat ist fann man schließen, daß auch er diesen Glauben.

längst verloren hat.

Der Partikularist als Finanzminister. Dr. Schmelzle zum bayerischen Finanzminister ernannt.

München  , 28. Juni.  ( Eigener Drahtbericht.) Zu Beginn der heutigen Sigung des Landtages erbat der Ministerpräsident Dr. Held das Einverständnis des Hauses zur Ernennung des Staats­rats Dr. Schmelzle zum bayerischen Finanzminister. Hierzu erklärte die sozialdemokratische Frattion, daß sie mit dieser Ernennung nicht einverstanden sei, da Dr. Schmelzle als Berfaffer der mit den geschichtlichen Tatsachen un­vereinbaren Denkschrift der bayerischen   Regierung zur Revision der Weimarer   Verfaffung und damit als Vertreter des mit den Lebens­bedürfnissen des ganzen deutschen   Boltes nicht in Einklang zu bringenden extremen bayerischen Föderalismus   bekannt ist. Infolge dieses Einspruches mußte über den Antrag des Ministerpräsidenten abgestimmt werden, wobei sich sämtliche bürgerliche Barteien für die Ernennung Schmelzles zum Finanzminister aussprachen.