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Str. 30644. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Der Kampf um das Sperrgeseh.

Debatte im Reichstag.  - Die Forderung der Sozialdemokraten und Demokraten.

Der Reichstag   begann gestern mit der Beratung des von Sozialdemokraten und Demokraten eingebrachten Gesezentwurfes zur Verlängerung des Sperrgesetzes über die Abfindungsprozesse der früheren Fürstenhäuser. Der Rechtsausschuß, über dessen Ver­handlungen Abg. Wegmann( 3.) berichtet, beantragt die Annahme des Gesezentwurfs.

Abg. Dr. Rosenfeld( Soz.)

erinnert daran, daß man auch früher daran geglaubt habe, die früheren Fürsten   würden sich im Interesse des deutschen   Volkes zu einer Verständigung bereitfinden. Diese Erwartungen sind aber immer wieder enttäuscht worden. Die Regierungen der Länder sind daran nicht schuld, denn die in Betracht kommenden Länder stehen wahrlich nicht im Geruch, fürstenfeindlich zu sein. Der ehemalige Fürst von Koburg  , dem ungeheure Werte zu­gesprochen worden sind, hat bisher noch nicht einen Pfennig Einkommensteuer an das Land Thüringen   abgeführt. Nun behaupten die Deutschnationalen und ihr Minister Hergt, daß das Sperrgesetz eine Rechtsverweigerung darstelle. Wie ver­trägt es fich mit dieser Behauptung, daß eine andere Regierungs­partei, das Zentrum, für die Verlängerung des Sperrgefezes ist, daß das gleiche der deutschnationale Finanzminister von Thü­ ringen   verlangt, daß die Deutschnationalen selbst einmal für das Sperrgesez gestimmt haben? Richt das Sperrgesetz, sondern die Ablehnung der Verlängerung würde eine Rechtsverweigerung sein. Das Vertrauen, das wir nach der Meinung der Regierung jezt zu den Fürsten haben sollen, haben diese nach ihrem bisherigen Ver­halten nicht verdient. Mit dem angeblichen Angebot der Fürsten  soll auf den Reichstag   eine Pression ausgeübt werden, damit er auf seine verfassungsmäßigen Rechte verzichte. Im Rechtsaus­schuß hat eine Regierung der Länder nach der anderen die Ver­längerung des Sperrgesezes gefordert, sie ist unbedingt notwendig, damit das Volk nicht noch größeren Schaden erleidet.

Jetzt werden ja auch noch die Ansprüche der depoffidierten Fürsten und Standesherren geltend gemacht, als ob es überhaupt keine Revolution gegeben habe. In Preußen allein machen diese An­sprüche 2 millionen Mart aus. Wir lehnen sie ganz entschieden ab und gerade nach den bisherigen Erfahrungen mit den Ge­richten verlangen wir, daß durch die Verlängerung des Sperr­gesetzes ein Schuh aufgerichtet wird gegenüber diesen unberech­tigten Forderungen.

Wurden doch sogar noch Renten dafür verlangt, daß von ehemali gen Fürsten   deutsche Landeskinder nach Amerika   verkauft worden find. Eine Gräfin verlangt eine standesherrliche Rente, die erst von dem Handelshause Rothschild u. Söhne in Frankfurt   a. Main  getauft worden ist. Es werden weiter gefordert Abfindungen für Blutgelder, Judengelder, Brauthafer, alles Dinge, die in unserer Beit geradezu lächerlich wirken. Wir müssen endlich ein Gesez schaffen, das einen Strich durch diese Rech nungen macht, bis dahin muß das Sperrgeset

Die Landgemeinden fordern. Sie fühlen sich hinter den Großstädten zurückgefekt. Ein Brandenburgischer Landgemeindetag, ein­berufen vom Provinzialverband Brandenburg   des Verbandes der preußischen Landgemeinden, trat am Mittwoch in Berlin   zusammen. Verwaltungsreform und Finanzausgleich waren die Hauptpunkte der Verhandlungen, in denen die Forderungen der Landgemeinden zu diesen Fragen vorgebracht wurden. Der Vor­fitzende, Landrat a. D. von Arnim Ragom, begrüßte die an der Tagung teilnehmenden Vertreter von Behörden und Verbänden, vor allem den Reichsinnenminister v. Reudell, aus dessen Kommen er schloß, daß der Verband der Landgemeinden sich endlich durchgesezt habe und jegt ebenso wie die Berbände der Städte gewürdigt werde. In seiner Antwort gab der Minister den Landgemeinden die übliche Zusiche rung des Wohlwollens, die aber in diesem Fall gewiß nicht nur eine leere Phrase bedeutet.

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Oberverwaltungsgerichtsrat a. D. Landtagsabg. v. Ennern sprach über Verwaltungsreform und den Entwurf der Landgemeindeordnung. Er forderte Ausbau der Selbst= verwaltung in den Landgemeinden, wandte sich gegen ein an­gebliches Uebermaß von Eingemeindungen und äußerte seine Befries digung darüber, daß dem kommunalen Betrieb wirtschaftlicher Unter­nehmen wenigstens in den Landgemeinden enge Grenzen gezogen find. Den Landgemeinden empfahl er, manchmal doch mehr mit der Faust auf den Tisch zu schlagen", damit man merft, ,, Don welcher Bedeutung fie für das deutsche Vaterland find". Nach einem Vortrag des Ministerialrats Wittelshöfer vom preußischen Wohlfahrtsministerium über Erwerbslosen fürsorge und öffentliche Fürsorge auf dem Lande folgte der Hauptvortrag des Landrats a. D. Dr. Gerefe über

Beginn: 1. Jull

verlängert werden. Wir bestreiten es entschieden, daß das Sperrgesez, verfassungsändernde Wirkung habe, dieses Gesetz kann mit einfacher Mehrheit verabschiedet werden. Wir wünschen, daß nicht noch die letzte Barriere fällt, die das Volk vor den Ansprüchen seiner früheren Fürsten   schützt. In einer Zeit, wo angeblich kein Geld für eine bessere Versorgung der Kriegs­opfer, Sozialrentner und Erwerbslosen vorhanden ist, darf das Bolt nicht noch weiter ausgeplündert werden. Daher fordern wir die Berlängerung des Sperrgesetzes.( Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Freitag, 1. Juli 1927

bei der Steuerveranlagung gesichert werden. Zur Ver waltungsreform wird gefordert, die Selbstverwaltung auf dem Lande auszubauen. Der dem Landtag vorliegende Entwurf einer neuen Landgemeindeordmung wird verworfen, weil er die Selbstverwaltung noch mehr einengt und den Landgemeinden die Gleichstellung mit

Den Städten vorenthält. Die Bestimmungen über das Eingemein

dungsrecht seien unzureichend, hier müsse man ein Sondergesetz regelung der Volksschullastenaufbringung beschleunigt werden müsse. fordern. Zur Schulreform wird betont, daß die versprochene Neu­Sie fönne nur unter stärkerer Heranziehung der Staatsfinanzen erfolgen.

Stadt und Land voneinander trennt. Die Wortführer Die Tagung hat wieder gezeigt, welche Kluft noch immer der Landgemeinden sind bemüht, diese Kluft noch zu vertiefen. Bas sagen die Berliner   dazu, daß beim preußischen Finanzausgleich nicht die Großstädte, sondern die Landgemeinden benachteiligt seien? Mit Staunen hört man Sinnlosigkeiten, wie die, daß dank diesem Finanz­cusgleich die Großstädte auf Kosten der Landgemeinden ,, verhältnis­

Abg. Neugebauer( Komm.) weist darauf hin, daß die An­sprüche der Fürsten   mit den Jahren immer weiter gemäßig üppig" leben. Aber je städtefeindlicher einer redet, machsen seien. Durch die jetzige Stellungnahme der Regierung sollen die Länder gezwungen werben, die Ansprüche der Fürsten   desto sicherer ist er des Beifalls auf einem Brandenburgischen

anzuerkennen. Anderthalb Jahre sei Zeit gewesen, um diese Frage zu regeln. Die Sozialdemokraten feien schuld daran, daß 1918 die Fürsten   nicht enteignet worden sind.( Abg. Müller- Franken ( S03.): Sie haben ja damals der Vaterlandspartei ange­hört!) Diese Frage werde nur im Klaffentampf gelöst werden. Abg. v. Richthofen( Dem.) führt aus, daß die Verlängerung des Sperrgesetzes gerade dann notwendig sei, wenn, wie die Re­gierung behaupte, aussichtsreiche Verhandlungen mit den früheren Fürsten bevorständen. Bon einer Rechtsverweigerung fönne doch in diesem Falle nicht gefprochen werden.

Die Bertreter der in Betracht kommenden Länder haben im Rechtsausschuß ausdrücklich erklärt, daß fie auf die Berlänge­rung des Sperrgefehes den größten Wert legen. Geschieht das jeht nicht, so gehen die früheren Fürften an die ordentlichen Gerichte und nach den früheren Erfahrungen wissen wir ja, wie dort entschieden werden wird.

Auch Preußen müssen wir die Möglichkeit geben, sich durch Gefeß mit demehemaligen Standesherrn endgültig auseinanderzu­setzen. Wenn die Länder den Wunsch nach einer Verlängerung des Sperrgefeges haben, so könne die Erklärung der Fürsten   gar nicht ins Gewicht fallen.

Abg. Kube( Nat.- S03.) gibt eine Erklärung ab, daß seine Gruppe gegen die Verlängerung des Sperrgesezes stimmen werde. Eine Volksbewegung in dieser Frage fönne nicht angefacht werden, auch wenn eine Seeschlange an die Wand gemalt würde.( Ironische Heiter Angst vor dem Zentrum und Herrn Dr. Wirth immer um. feit.) Die anderen Parteien der Regierungskoalition fallen aus

Artikel 1 des Gesetzentwurfs wird darauf in erster Lesung in einfacher Abstimmung mit den Stimmen der Sozialdemokraten, Demokraten, Kommunisten und Zentrum angenommen, ebenso der Rest der Borlage.

Die Schluß abstimmung, für die Sozialdemokraten und Demokraten namentliche Abstimmung beantragten, fand, wie wir im Hauptblatt berichteten, am Ende der Sizung statt.

Finanzausgleich, Reichsrahmengefeß und Schul­fragen vom Standpunft der Landgemeinden. Mit ihm und seinen städtefeindlichen Ausführungen fam erst die richtige Stimmung in die versammelten Landgemeindevertreter hinein. Der Redner erklärte unter lebhaftem Beifall, im preußischen Fi­nanzministerium tomme man den Wünschen der Großstädte zu sehr entgegen. Bei dem Finanzausgleich feien die Landgemeinden benachteiligt, nicht die Großstädte und gar Berlin  , das für Grundstückstäufe und allerlei Projekte viel Geld übrig habe. Auf Kosten der Landgemeinden leben einzelne große Städte verhältnismäßig üppig", meint er. Sollen bei der endgültigen Regelung des Finanzausgleichs wieder die großen Städte bevorzugt werden, dann will man den Borteil der Landgemeinden nachdrücklicher, wahren. Eine den Ge­meinden zu bewilligende Wiedergewährung des Rechts von Zu­schlägen zur Einkommensteuer könnte ihnen nichts nützen, denn in Landgemeinden sei ja die Einkommensteuer nur gering. In ähnlicher Weise flagte der Redner über die Schullasten. Die Aufwen­dungen für die Schule seien die drückendste der den Gemeinden auf­gepadten 3wangsleistungen, deren Gesamtbetrag schon 75 bis 80 Proz. des ganzen Haushalts sei. Von der Verwal tungsreform forderte er, daß die Selbstverwaltung der Land­gemeinden nicht eingeengt, sondern erweitert werde.

Eine Besprechung der Vorträge war nicht vorgesehen. Nahezu einstimmig wurden mehrere Entschließungen angenommen. Zum Finanzausgleich und zum Rahmengesetz wird darin anerkannt, daß im Reichsfinanzausgleich die Wünsche der Landgemeinden größtenteils berücksichtigt worden sind. Dagegen sei die preußische Neuregelung den größeren Gemeinden, besonders den Großstädten, zu weit entgegengekommen. Die Bestimmung, daß die Länder bei der Verteilung der Reichssteueranteile besonders die leistungs­schwachen Gemeinden zu berücksichtigen haben, sei in Preußen nicht genügend beachtet worden. Das Reichsrahmengesetz zur Rege­lung der Realsteuern wird begrüßt. Aber die Belange der Land­gemeinden sollen durch wirksame Beteiligung ihrer Vertreter

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Landgemeindetag.

Aus der Partei.

der Stadtverordnete Wolfe aus Bunzlau  , der am Mittwoch der Bei der Arbeit für die Partei gestorben. Unser Parteigenosse, Tagung des Reichsstädtebundes in Görlig beiwohnte und nachmittags nach Bunzlau   zurüdgefehrt war, ist am Donnerstag früh auf der Fahrt nach Görlig, wo er an dem zweiten Verhandlungtag teil­nehmen wollte, auf dem Bahnhof in Kohlfurt einem Herzschlag erlegen.

Parteinachrichten

Einsendungen für diese Rubrik find Berlin   SW 68, Lindenstraße 3,

ff's

für Groß- Berlin

flets an das Bezirkssekretariat, 2. Hof, 2 Trep, rechts, zu richten.

Von den Protokollen der Verhandlungen des Parteitages in Kiel   sind vom Bezirksvorstand eine größere Anzahl broschierter Eremplare beschafft worden. Sie werden an die Funktionäre und Mitglieder des Bezirksverbandes Berlin   unter Vorlegung des Mit­gliedsbuches gegen sofortige Bezahlung im Zimmer 10 des Sefres tariats zum Preise von 1,30 m. abgegeben. Die Abteilungsleiter werden gebeten, Bestellungen auf das Protokoll in den Abteilungen zu sammeln. J. A.: Aler Bagels.

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7. Kreis Charlottenburg  . Die Genossinnen und Genossen, die sich an der Sammlung des Arbeiter- Samariterbundes beteiligen, treffen sich Gonn­abend, 2. Juli, von 17 bis 20 Uhr, und Sonntag, 3. Juli, 20 Uhr, im Jugendheim Rosinenstr. 4. Mitgliedsbuch legitimiert. 18. Kreis Beißensee. Sämtliche arbeitslosen Parteigenossen werden gebeten, Sonnabend, 2. Juli, von 9 Uhr ab, nach dem Schloß Weißelee zur Aus­fchmückung für unser Volksfest zu fommen. Die in Arbeit stehenden Ge­noffen treffen sich nachmittags ebenda.

19. Abt. Alle Genoffinnen und Genossen treffen sich Conntag, 3. Juli, 12% Uhr, am Bahnhof Gesundbrunnen  , Eingang Badstraße, Borplaz, mit Banner zur Teilnahme an der Demonstration und am Parteifest in Weißensee. Abfahrt zur Prenzlauer Allee pünktlich 13 Uhr.

Frauenveranstaltungen:

5. Kreis Friedrichshain  . Heute, Freitag, 1. Juli, 20 Uhr, bei Rosin, Gubener Str. 19, turze wichtige Besprechung mit den Abteilungsleiterinnen für Agitation und Ausgabe der Dampferfarten. Alle Abteilungen vertreten!

Jungfozialisten.

Gruppe Mitte: Seute, Freitag, 20 Uhr, in der Schule Gipsstr. 23a Bericht pom Parteitag. Referent Abolph Soffmann ſen. Gruppe Bedding.Gefund. brunnen: 20 Uhr im Jugendheim Orthstr. 10 Vortrag: Frant Wedekind, sein Leben und sein Wert." Bortragender Robert Reller. 19% Uhr Bericht von der Gruppenkonferenz ebenda.

Arbeitsgemeinschaft der Kinderfreunde:

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Kreis Neukölln: Die Teilnehmer an der Zeltrepublik treffen fich zur General­probe in Birkenwerder   Sonnabend, 2. Juli, 16 Uhr, am Ringbahnhof Kaifer­Gruppe Quelle trifft sich 15% Uhr Friedrich- Straße. 70 Pf. mitbringen. am Bahnhof Hermannstraße. Gruppe Birte: Die Auszahlung der Spargelder und die Umrechnung zur Fahrt findet heute, Freitag, 1. Juli, im Jugendheim Steinmegstr. 114 von 17-18 Uhr statt. Wir bitten, die Bleibenbücher mit­zubringen. Areis Charlottenburg: Alle Kinder, die nicht mit nach Riel fahren, treffen

fich Gonnabend, 2. Jult, 15 Uhr, auf unserem Spielplaz Westend  . Badezeug mitbringen!

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