Bemerkungen zu Einnahmen; Die Zahl der Orte bezw. Wahlkreise, welche Gelder an die Partcikasse abgeliefert haben, ist gegen das Vorjahr um 6S ge- stiege», doch sind eine Reihe der namhaftesten Parteiorte entweder gar nicht oder nur mit sehr geringen Beiträgen vertreten. Erläuterungen zu B. Ausgaben: ') Unterstützungen wurden nur gezahlt an Genossen oder Angehörige von Genossen, die wegen ihrer Parteithätigkeit gemäß- regelt oder sonstwie geschädigt wurden. 2) Obgleich, wie bereits an anderer Stelle bemerkt, der Kassen- bericht sich mir auf einen Zeitraum von 11 Monaten erstreckt. sind doch die Ausgaben für Prozeß, und Gefängnißkosten um 4108,76 M. höher als im Vorjahre. Ein Beweis dafür, daß Behörden und Gerichte der Partei„von Rechts wegen" das Leben möglichst sauer gemacht haben. � Die Reichstagskosten weisen gegen das Vorjahr eine nicht unerhebliche Steigerung von SS17,S0 M. auf. Dieselbe wurde verursacht durch den Umstand, daß in der letzten Session die Fraktion wegen Berathung der Umsturzvorlage u. s. w. längere Zeit vollzählig am Platze sein mußte. *) Unter dieser Rubrik befinden sich die Ausgaben für Ge- hälter, Miethe, Heizungs- und Belcuchtungskosten der Bureau- und Archivräume, die Telephon-, Telegramm- und Porto- gebühren, die Druckkosten für Zirkulare u. s. w.. die Zeit- und Reise-Entschädigungen für die Revisionen der Kasse und für die Konferenzen der Parteivertrctung. �jVon diesem Betrage erhielten die Berliner Genossen zur Unter- stützung der durch den Bier-Boykott gemaßregelten Arbeiter 1000 M. 6) Den Bielefelder Genossen, denen bereits im Jahre 1893 zur Errichtung und inneren Einrichtung eines Hauses ein Dar- lehen von 5000 M. gegeben wurde, mußte im Berichtsjahr abermals ein Darlehen von 3000 M. gewährt werden, um Arbeiten, die mit dem Hausbau in Zusammenhang standen, aus- zuführen. Von diesen Darlehen sind nach Schluß des Berichtes 500 M. zurückgezahlt worden. 7) Von diesem Betrage wurden 1000 M. einem alten be- währten Genossen zur Schaffuno''"w Existenz und 000 M. einem Bnchdruckereibesitzer und Hera..-geber einer Parteizeitung geliehen. und 10) Von diesen beiden Summen erhielt ebenfalls ein in vorübergehende geschäftliche Verlegenheiten gerathener Buch- drnckerei-Besitzer und Verleger einer Partcizeitung 1200 M., S00 M. erhielten die Berliner Genossen. 9) Diese Summe wurde gestellt als Kaution für den Redakteur einer Parteizeitung. ») Auch dieser Betrag wurde als Kaution gestellt. Derselbe ist bereits nach einem Monat in die Varteikasse zurückgeflossen. 12) Diese Summe wurde gezahlt für Bücher, die für das Archiv erworben wurden. 0. Ausgaben für die Parteipresse, im Einzelnen nachgewiesen. „Augsburger Volkszeitung"....... M. 225,— „Apoldaer Freie Presse".........„ 1142,—') „Bielefelder Volksmacht"........„ 300,— „Breslauer Volksmacht".......... 5000,— „Elsäß-Lothring. Volkszeitung" und„Volkesreund"„ 3335,682) „Königsberger Volkstribüne"........ 500,— „Mainzer Volkszeitung".......... 2326,55 „Reite Wurzener Zeitung"......... 770,75 „Niederrheinische Volkstribüne"......„ 300,— „Rheinische Zeitung ".......... 11500,—«) „Saalselder Volksblalt'.........„ 300,— „Sozialdemokrat"............ 14144,20 „Volksblalt für Teltow"......... 1200,— „Zeitzer Volksbote".......,..„ 2200,— M. 43244,18 Bemerk ungenzuv. Ausgaben für die Parteipresse. i) Als die seinerzeit entgegen den Rathschlägeu des Partei- Vorstandes gegründete„A. Fr. Pr." ihr Erscheinen einstellen mußte, waren noch eine Reihe Verbindlichkeiten vorhanden, für die einige Apoldaer Genossen persönlich hafteten. Die letzteren machten nun im Laufe des Sommers dem Parteivorstand die Miltheilung, daß ihnen die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen nur unter den größten Opfern möglich sei, und sah sich der Partei- vorstand daher genöthigt, nachdem er sich von der Richtigkeit der gegebenen Darstellung überzeugt hatte, helfend einzugreifen. 2) Für die„Elf. Lothr. Volks-Ztg." ist nur noch eine ältere Forderung in Höhe von 35,68 M. bezahlt worden. Der übrige Betrag kommt auf die elsaß -Iothringische Ausgabe des„Volks- freundes". 2) Der Zuschuß, den die„Rheinische Ztg." erforderte, ist zwar, was die Gesammtsumme anbelangt, immer noch hoch, doch ist eine Besserung insofern eingetreten, als die in diesem Jahre von Quartal zu Quartal geleisteten Zuschüsse wesentlich niedriger waren, als die des Voriahres. Die„Rheinische Ztg." hat seit ihrem Bestehen erhalten 5000 M., 5000 M., 3000 M, 3000 M., 3000 M, 2500 M. Nach Mittheilungen des Verlages der „Rheinischen Ztg." ist gegründete Aussicht vorhanden, daß im kommenden Jahr das Defizit sich weiter verringern wird. Die außerordentliche Rührigkeit und Bethätigung der Genoffen in Ausübung der Agitation, der Betreibung der Wahlen, der Verbreitung der Flugblätter, sowie der Führung des wirthschafl- lichen Kampfes brachte die Genossen wiederHoll in Konflikt mit den Strafgesetzen. Seit dem Umsturz der Umsturzvorlage weht ein scharfer Wind. Die Anklagen mehren sich und die Strafen werden drakonischer. Die Rechtsprechung wird von einem Geiste getragen, der dem Rechtsbewußtsein des Volkes immer fremder wird, sich mit demselben in immer größeren Widerspruch setzt. Die findigen Interpretationen bezüglich des„groben Unfugs" und des „dolus eventualis" zeigen, welcher Ausdehnungsfähigkeit unsere Rechtsprechung fähig ist. Die folgende Strafliste, die auf 11 Monate sich erstreckt, weist auch 18i/- Jahr Zuchthausstrafe auf, die gegen Schröder und Genossen in dem Essener Meineidsprozeß erkannt ist. Die bürgerliche Gesellschaft ächtet die Zuchthaussträflinge, erklärt sie für ehrlos. In den Augen unserer Genossen und dem rechtlich denkenden Theile des Volkes sind sie es nicht. Die klassenbewußte Arbeiterschaft fühlt sich in dem Verdikt der Essener Geschworenen mitgetroffen, anders wäre die opfer- freudige Solidarität nicht zu erklären, die sich in so glänzender Weise in der Unterstützung der Angehörigen der Essener Ver- urtheilten bethätigt. Die sonstigen erkannten Freiheitsstrafen haben die des Vor- jahres weil überholt.— Es erfolgten Verurtheilungen im: Monat Oktober... November.. Dezember.. Januar... Februar... März..... April..... Mai..... Juni..... Juli..... August...■ Zusammen Zuchthaus- Gefängnißstrasen strafen Jahre Monate Jahre Monats!Wochen Tags 13 4 6 4 4 13 7 2 3 8 3 4 8 2 10 6 6 5 9 8 9 6 5 18 64 10 2 2 4 2 3 3 3 3 3 4 3 Geldbuße Marl 5228 3355 2530 2643 3618 3686 3443 2372 2613 3151 1476 Die Gesammtsumme der Geldstrafen bleibt hinter der deS Vorjahres zurück. Gerügt muß werden, daß die Genossen noch vielfach durch Berufungen und Revisionen in Fällen, wo die Erfolglosigl sogar für den Laien auf der Hand liegt, das Konto der Gerichts- kosten unnützerweise vergrößern. Dies ist, was wir den Genossen zu berichten haben. Ueberall Kampf, überall Opfer! Freudig bringen die Genossen die Opfer, denn Kampf ist allerdings das Lebenselement der Sozialdemokratie. Vorwärts zu neuem Kampf! Vorwärts zu neuem Sieg! Berlin , im September 1835. Der Parteivorstand. 1)j34120 VuZstMe Greuel. ich theilten wir mit, wie die Regierungs-Russen gegen i Hausen, wie die Polen in russischen Gefängnissen miß- elt, gefoltert, langsam gemordet werden. Heute bringen wir einen Bericht über russische Greuel nderer Art, die jenen an Bestialität nichts nachgeben: Die europäische Presse macht oft viel Aufhebens von den türkischen Greueln in Armenien und anderen türkischen Ländern; als Schützer der Unterdrückten pflegt man dabei den russischen Kaiser auszuspielen. Es wäre aber nicht unangebracht, wenn die europäische Presse ihr Augenmerk mehr lenken würde auf die Greuel, welche die russische Regierung im eigenen Lande verübt. Die Greuellhalen der russischen Patrioten, deren Opfer die polnischen Katholiken waren, dürften wohl noch im Gedächtnisse aller sein. Nachdem Nikolaus den Helden dieser Gewaltthaten, den Gouverneur von Kowno Klinge»' berg mit einem hohen Ordenszeichen ausgezeichnet hat, muß es an Nachahmung solcher Heldenthaten seitens strebsamer Beamten natürlich nicht fehlen. Und thatsächlich kommt nach den katholischen Polen in West-Rußland die Reihe an eine bäuerliche Sekte in Transkaukasien . Die Anhänger der Sekte der Duchoboren wurden in den 40er Jahren aus Süd-Rußland zwangsweise auf die Achalkalaker Ebene in Transkaukasien übergesiedelt. Die Duchoboren erkennen keine kirchliche Zeremonien an und sammeln sich in gewöhnlichen Häusern zu gemeinsamem Gebet. Die Ehe gilt bei ihnen als geschlossen, wenn der Bräutigam und die Braut in Gegenwart aller Hochzeitsgäste die Frage, ob sie eine Ehe eingehen wollen, bejahen. Tie Scheidung der Ehe ist auch nicht umständlich und einer der Scheidungsgründe ist, daß einer der Gatten nicht arbeitsam ist. Das Evangelium kennen die Duchoboren sehr gut, aber schreiben und lesen können sehr wenige von ihnen; sie wollen es auch nicht lernen, denn nach ihrer Ansicht lenkt das Schreiben und Lesen vom Arbeiten ab. Dank ihrer Arbeitsamkeit haben sie es ver- standen, in der rauhen ungastfreundlichen Gegend, in welche sie kamen, zu einer gewissen Wohlhabenheit zu gelangen. Da der Ackerbau in dieser Gegend unmöglich ist, wurde ihre Hauptbeschäftigung die Viehzucht und das Fuhrhandwerk. Sie haben es so weit gebracht, daß bei ihnen aus eine Wirthschafl im Durchschnitt 9 Pferde, 15 Stück Sornvieh und 83 Stück Kleinvieh kommen. Geistige etränke waren in den acht Dörfern, welche die 8000 Duchoboren bis zur letzten Zeit bewohnten, nicht bekannt und der Staatskasse waren sie keinen Pfennig an Sleuerrückständen schuldig. Außer der Arbeitsamkeit zeichnen sich die Duchoboren durch ihren Wohlthätigkeitssinn aus. Aus Anregung ihrer geistigen Leiterin, der Frau Lnkerja Kalmykow(welche aber kein geistliches Amt bekleidete, denn solche Aemter haben die Duchoboren nicht), wurde eine Anstalt gegründet, in welcher Waisen und Arbeits- unfähige untergebracht wurde». Jede Duchoborenfamilie mußte einen Beitrag bezahlen für diese Anstalt, welche schließlich an Vieh und Feldern ein Kapital besaß, dessen Werth 50 000 M. überstieg. Auch sonst wurde jedem, welcher in Roth gerieth, von seinen Glaubensgenossen Unterstützung zu theil und Bettler gab es bei den Duchoboren nicht. Da aber die Wirthschafl der Duchoboren individualistisch betrieben wurde, kam es bei ihnen doch zu bedeutenden Unter- schieden in der Wohlhabenheit und es traten Leute auf, welche nach Vermehrung des Reichthums um jeden Preis und sei es auch aus Kosten der armen Glaubensgenossen strebten Es kam zu einem Klassenkampfe innerhalb der Ducho- borengemeinde. So z. B. setzten die Dochoboren, welche den alten Prinzipien treu geblieben waren, im Dorfe Bogdanowka einen Beschluß durch, wonach es einer jeden Familie verboten ist, mehr als 5 Stück Hornvieh und 12 Stück Kleinvieh zu besitzen, doch wurde das Verbot nicht lange aiifrecht erhalten. Und nach dem im Dezember des Jahres 1886 erfolgten Tode der Frau Kalmykow gelang es deren Erben, mit Hilfe der Behörden trotz des energischen Widerspruches der Duchoboren, alles Eigenthum der Anstalt für die Arbeitsunsähigen in ihren persönlichen Besitz überzuführen. . Den Beschluß der Behörden, das gesellschaftliche Eigenthum den Erben der Kalmykow zuzuerkennen, beantworteten die Duchoboren mit dem Beschluß, fortan die Steuerentrichtung und die Erfüllung der Militärpflicht jzu veriveigern. Ihre Glaubenslehre haben sie unter dem Einfluß dieses Konfliktes mit den Behörden mit dem Lehrsatz ergänzt, außer Gott gebe es keine Gewalt, welche Gehorsam beanspruchen dürfe. Zu diesem passiven Widerstande den Ansprüchen der Behörden gegenüber wurden sie angespornt von ihrem neuen geistigen Leiter Werigin, welcher selbst nach dem weiten Nord-Rußland verbannt von dort seinen Glaubensgenossen Weisungen gab. Am 13. Juni d. I. brachten die Duchoboren mit ihren Frauen und Kindern alle ihre Waffen aufs Feld und nach- dem sie sie mit Stroh umlegt und mit Petroleum begossen hatten, zündeten sie den Haufen an. Die Waffen brannten die ganze Nacht und die Duchoboren saugen ringsum Psalmen. Den 29. Juni rückte der Gouverneur von Tiflis , Fürst Scherscha- widse, in vas Dorf Orlowka und verlangte, daß die Duchoboren zu ihm käme». Diese befanden sich zu jener Zeit bei dem gemein- samen Gebet im Felde versammelt und gaben die Antwort, sie könnten erst nach Beendigung des Gebetes kommen. Der un- geduldige Gouverneur befahl den berittenen Kosaken, einen Angriff gegen die Betenden zu machen. Als diese die im Galopp heranreiteuden Kosaken sahen, stellten die Männer rasch die Frauen in die Milte und bildeten, einander die Hände reichend, um sie herum einen Kreis. Die Kosaken sprengten den Haufen gewaltsam; nach dem„Sieg" wurden viele Verwundete und vier Tobte davongetragen und die anderen dem Gouverneur vor- geführt. Dieser ließ 3 Reservisten hervortreten und nachdem sie seine Frage, ob sie in der Zukunft ihrer Militärpflicht ge> nügen wollen, verneinten, befahl er den Soldaten, sie auf die Erde zu legen und unbarmherzig zu prügeln. 60 Re- servisten traten darauf hervor und legten dem Gouverneur ihre Militärbillets vor die Füße. Auch diese Bittsteller ließ der Gouverneur durchprügeln. Nach Vollendung dieser Heldenthat fuhr er zurück nach Tiflis und der Bezirksvorsteher, welcher in Orlowka als sein Vertreter znrückblieb, ließ das unbarmherzige Prügeln der Duchoboren sechs weitere Tage fortsetzen. Während die Männer geprügelt wurden, drangen die Kosaken in ihre Wohnungen ein und schändeten die schutzlosen Frauen und Mädchen. Nachdem die barbarische Exekution vollendet ward, mußten von den 800 Duchoborenhöfen die Angehörigen von 415 Höfen, welche sich den Forderungen der Behörden nicht fügen wollten (mit Frauen und Kindern waren es über 4000 Personen) in drei Tagen all ihr Hab und Gut sammeln, um zwangsweise nach den Bezirken Jurist, Duschetsk und Signachsk übergeführt zu werden. Diese Verfügung führte zum vollständigen materiellen Ruin der übersiedelnden Familien. Pferde, welche 120 bis 130 M. kosten, mußten sie in der Eile für 16 bis 20 M. verkaufen, das Hornvieh verkauften sie zu 3 bis 10 M. das Stück. Die Häuser und Scheunen, die Schafe und das Federvieh blieben unverkauft liegen. In der neuen Gegend, in welcher die Duchoboren an- gekommen sind, sind sie in verschiedenen Dörfern zerstreut zu 2 bis 3 Familien auf das Dorf ohne Land für Anbau und selbst für eine Wohnung. Ihren Unter- halt verdienen sie sich jetzt als Lohnarbeiter und müssen, bis sie sich Häuser bauen können, mit Frau und Kind in Zelten aus dem Felde kampiren. Nahrungsmangel und Kälte verursachen viele Erkrankungen namentlich unter den Kindern. Doch ertragen die unglücklichen Duchoboren ihr Ge- schick mit Geduld und beharren bei ihrem passiven Widerstand gegenüber den Behörden. Es wird aber auch einmal die Zeit komme«, wo die russische Regierung auf einen aktiven Widerstand stoßen wird und zwar wird ihr dieser Widerstand geleistet werden, wenn das gesammte Volk unter die Leitung des stäbtischen Proletariats gelangt, welches sich jetzt schon zu organisiren beginnt, um womöglich bald den traurigen Verhältnissen in Rußland ein Ende zu bereiten. Soziale Meberllchl. Vereinfachung bei Renten« ntveisnugen. Von den Be» rufsgenossenschaften und Jnvaliditäts-Versicherungsanstalten darf mit Zustimmung des Reichs-Versicherungsamtes neuerdings ein vereinfachtes Verfahren bei Ausfertigung von Zahlungs- anweisuugen an Rentenempfänger angewendet werden. Bisher wurde in den Anweisungen der Zuname des Berechtigten mit s ä m m t l i ch e n Vornamen angegeben, was in den meisten Fällen eine überflüssige Vorsicht bedeutet. Der Empfänger wie die Post- behörde wurde belästigt, da letztere auf eine mit der Anweisung übereinstimmende Quittung bestehen muß. Jetzt genügt der Ruf- name neben dem Familiennamen, sobald Verwechselnngen nicht zu befürchten sind. Freilich müssen die die Rentenanträge zuerst behandelnden Behörden den Rufnamen besonders kenntlich machen. Nach zehnjährigem Bestehen sozialer Gesetzgebung kommt man auf diese einfache Idee! Aber so hängt noch unendlich viel unnöthiger Ballast an der Handhabung des Unfall- wie des Jnvaliditäts- und Altersversicherungs-Gesetzes. Einfluß der Trunkenheit auf die Unfaflgefahr(!?). Eine Vereinigung von Arbeitnehmern aus dem Speditions- und Kellerei-Gewerbe hat bei der zugehörigen Beruftsgenoffenschast unlängst den Antrag gestellt, sie möge dahin wirken, daß ihnen beim Ueberbringen von Maaren u. s. w. anstatt der jetzt üblichen Getränke baare Trinkgelder verabreicht werden. Die- jenigen Berufsgenossenschaften, welche hiervon Kenntniß erhalten haben, erblicken in diesem Antrage natürlich einen„Erfolg". Sie glauben, nun sei der Arbeiter selbst zu der Erkeuntniß ge- kommen, daß seine Trunksucht(!) unendlich viele Unfälle verursacht, also die Berufsgenoffenschasten belaste, und schreien nach Verschärfung der Unfallverhütungs- Vorschriften. Das fehlt auch gerade noch, den Arbeitern vorzuschreiben, was und wieviel sie bei ihrer schweren Arbeit ge- uießen dürfen! Thatsächlich haben die Antragsteller doch ledig- lich eine Erhöhung ihrerBezüge erstrebl, von der richtigen Ansicht ausgehend, daß die gespendeten Getränke, welche sie aus gewissen Rücksichten oft nicht zurückweisen können, ihnen nicht nur nichts einbringen, sondern meistens auch garnicht will- kommen sind. Wir haben noch nie daran gezweifelt, daß auch unter den Unternehmern gewaltige Trinker vor dem Herrn vorhanden sind und so mancher Unfall, vielleicht mancher Betriebs Unfall eines selb st versicherten Unternehmers auf Rechnung einer fidelen Weinkneiperei zu setzen ist. Jeder kehre vor der eigenen Thür! Da bezüglich der Trinkgeldfrage in anderen Geiverbszweigen ähnliche Verhältnisse vorherrschen, so möchten wir immerhin darauf aufmerksam machen, daß der- a r t i g e A n t r ä g e, an die Adresse der Berufsgenossenschaften gerichtet, zwecklos sind. Es giebt andere Mittel, zum Ziel zu komnien. Die Berufsgenossenschaften sind gesetzlich weder ver- pflichtet noch berechtigt, in der beregten Beziehung einen Druck auf die Unternehmer auszuüben. Wer sich aber darauf verläßt, daß sie unter der Hand für eine Lohnerhöhung beziehungsweise Mehreinnahme der' Arbeitnehmer sich verwenden werden, der ist verlassen genug. Bedeutet doch jede Lohnerhöhung im Unglücks- falle die Zahlung einer erhöhten Rente! Die Steigerung der Kohleitpreis« am 1. August ist zum Vortheil der Grubenbesitzer ausgeschlagen, denn die Herren haben in einer vorige Woche in Zwickau stattgefundenen Konferenz be- schloffen, für das hiesige und das Oelsnitz- Lugauer Revier von jetzt ab wieder eine Preiserhöhung bis 6 M. pro Doppel- wagen eintreten zu lassen. Aus den Werken werden noch viel Ueberschichten verfahren, von Aufbesserung des Gedinges oder Erhöhung des Cchichtlohnes hört man jedoch nichts. Die Belastung der Konsumenten erfolgt einzig zum Vortheil der Werksbesitzer und höheren Beamten. Lehrlings- und Arbeiterschntz-Gefetz im Kanton Frei- bürg(Schweiz ). Auch in diesem katholischen Kanton, aus dem sonst selten die Kunde von einer sozialpolitischen Aktion dringt, soll ein Arbeiterschutz-Gesetz erlassen werden. Der vorliegende Entwurf bestimmt, daß ein schriftlicher Lehrvertrag abzuschließen und in drei Exemplaren auszufertigen sei, wovon jeder Kontrahent eins erhält, während das dritte der Aufsichtsbehörde zu übergeben ist. Der Meister soll den Lehrling überwachen, ihm die erforderliche Zeit für den Besuch der Fortbildungsschule gewähren und ihn stufenweise und vollständig in allen Berufsarbeiten unterweisen. Der Meister darf seine Autorität nicht mißbrauchen, weder durch schlechte Behandlung, noch durch hauptsächliche Verwendung des Lehrlings nur zu Haushaltungsarbeiten oder zu Arbeiten, welche entweder über seine Kräfte gehen oder Gefahren bergen, mit denen der Beruf nichts zu thun hat. Die tägliche Arbeitszeit wird aus 10 Stunden normirt und muß in die Tageszeit von 5 Uhr morgens bis 9 Uhr abends verlegt werde». Die Beaufsichtigung der Lehrlinge durch die Aufsichtsbehörde faßt in sich: striktes Festhalten an den aufgestellten Bestimmungen, den Vesuch bei den Lehrlingen während der Arbeit und die Kontrolle über ihre Fortschritte. Die Ortsbehörde kann einem Meister den Lehrling wegnehmen, falls erstem- keine genügende Kenntniß im Beruf, oder Hang zur Trunksucht l it, ebenso wenn der Lehrling infolge seltener Anwesenheit des Lehrherrn in der Werkstatt sich ff�ber überlassen und seine Berufslehre und Zukunft dadurch gesähr ist; dem Meister steht in solchen Fällen das Rekursrecht zu. Dck Lehrling hat eine Lehrlingsprüfung durchzumachen, um zu zeigen, ob er die nöthigen theoretischen und praktischen Kenntnisse zur Ausübung des Berufes hat, welchem er sich widmen will. Zum Schutze der Arbeiter werden die Bestimmungen de? Fabrikgesetzes betreffend die Arbeitszeit, Sonntagsruhe und sanitarische Beschaffenheit der Arbeitsränme aus alle dem Fabrik- gesetz nicht unterstellten Geschäfte übertragen. Die Strafe für Uebertretungen beträgt im Maximum 200 Fr. oder 10 Tage Gefängniß. Die Bestimmungen zum Schutze der Lehrlinge sind wesentlich übereinstimmend mit denen des Lebrlingsschutz-Gesetzes des Kantons Neuenbürg , welcher allein bis jetzt ein solches Gesetz besitzt und nun einen Genossen im Kanton Freiburg erhallen wird. Derartige Materien, wie z. B. auch der gesetzliche Schuy der Arbeiterinnen, sollten freilich auf eidgenössisd,em Boden geregelt werden. Die Vorschriften würden dann einheitliche und giltige für alle Kantone sein. Bis dies aber geschieht, ist das Vorgehen der einzelnen Kantone begrüßungswerth.
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten