Gewerkschaftsvertreter beim Reichskanzler.
Zehn Millionen für das Rhein - und Ruhrgebiet .
Der Reichskanzler Dr. Marg empfing in seiner Eigenschaft als
Gewerkschaften und bes Gewerkschaftsausschusses für die besetzten
Beamte in Not! olama
Reichsminister für die besetzten Gebiete Bertreter der Spigen Leere Versprechungen im Reichstag. - Schutzoll statt Fürsorge.- Alle AufGebiete. An dem Empfang waren u. a. beteiligt die Reichstags befferungsanträge abgelehnt.- Die Sterbeziffern der unteren Gruppen klagen an!
3
abgeordneten Graßmann für die freien Gewerkschaften, Dr. Stegerwald für die chriftlichen Gewerkschaften, Lämmer für den Gewerkschaftering, ferner Thomas Mainz, Kaiser- Köln und 3immermann- Wiesbaden für den Gewerkschaftsausschuß für die besetzten Gebiete. In längerer Aussprache würdigte der Reichstanzler die Haltung der Bevölkerung an Rhein und Ruhr in der bisherigen Besatzungszeit, namentlich auch während der schweren Zeit des passiven Widerstandes. Die gesamte Arbeitnehmerschaft des besetzten und besetzt gewesenen Gebiets in jenen Jahren habe sich um Volk und Vaterland ein Verdienst erworben. Er freue sich, den Dank der Reichsregierung gegenüber der Arbeitnehmerschaft heute nicht nur in Worten, sondern auch durch die Tat nochmals zum Ausdruck bringen zu können. Er habe angeordnet, daß der Arbeitnehmeranteil des im Reichsetat vorgesehenen Millionenfonds zur Linderung der Notlage im befeßten und befeht gewesenen Gebiet im Betrage von 10 millionen Mt. alsbald seiner 3wedbestimmung zugeführt werde. Dieser Betrag, so schloß der Reichsfanzler, dürfe nicht in Einzelunterstützungen verzettelt werden, sondern er sei als Ehrengabe des Reichs zur Förderung der Wohlfahrt der Arbeitnehmerschaft an Rhein und Ruhr bestimmt und solle unter maßgebender Mitwirkung der Spigengewerkschaften, die auch in der Besatzungszeit die Führung der Arbeiterschaft in der Hand gehabt hätten, zur Berteilung gebracht
werden.
Im Namen der Spigengewertschaften danfte Genosse Graßmann dem Reichskanzler für seine anerkennenden Borte und fügte die Erklärung hinzu, daß die Spigengewerkschaften bereit seien, an der Verteilung der für die Arbeitnehmerschaft an Rhein und Ruhr bestimmten Mittel als Treuhänder im Sinne der Richtlinien der Reichsregierung mitzuarbeiten. Die Bertreter des Gewerkschaftsausschusses für die besetzten Gebiete schloffen sich mit Dantesworten den Ausführungen Graßmanns an.
Schluß der Stockholmer Kammertagung. Die Unterschrift unter die Genfer Beschlüsse. Die Entschließungen der Internationalen Handelskammer in Stockholm zum Abbau der Zölle bedeutet eine rückhaltlose Unterschrift unter die von der Genfer Weltwirtschaftskonferenz gefaßten Beschlüsse. Der Kongreß ist überzeugt, daß der Abbau der den Handel hemmenden Schranken am wirksamsten die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Blüte der Länder der Welt fördern werde. Er spricht seine aufrichtige Anerkennung für die in Genf geleisteten unschähbaren wertvollen Borarbeiten aus. Der Rongreß fordert die nationalen Ausschüsse der Kammer auf, von ihren Regierungen dringend zu verlangen, daß sie der von der Genfer Weltwirtschaftskonferenz empfohlenen Bolitik folgen. Der Zeitpunkt fei gekommen, um dem Weiteransteigen der Zolltarifsätze ein Ende zu machen und eine Entwicklung in umgekehrter Richtung anzubahnen. Ferner gibt der Kongreß seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß die obligatorischen Baßvisa fallen müffen, weil die Wiederherstellung des freien Ein. tritts von Personen in ein Land, der vor dem Kriege in den meisten Ländern erlaubt war, eine der wichtigsten Vorausfegungen für eine gesunde Entwicklung des internationalen Verkehrs und die Erreichung einer größeren Freiheit auf dem Gebiete des Güteraustausches ist.
Aus der letzten Bollversammlung der Kommiffion zur Befämpfung der Handelshemmnisse sind noch folgende außerordentlich martanten Sähe des Engländers Sir Arthur Balfour festzuhalten, die sich alle Unternehmer in Deutschland besonders merken mögen. Er hob hervor, daß die Geschäftsleute alles fun müssen, um in beffere Berührung mit den Konsumenten zu kommen, und dafür forgen müffen, daß bessere Berkehrsverbindungen geschaffen werden müssen, so daß die Ausgaben der Konsumenten für die Waren vermindert werden. Höhere Gewinne bedeuten höhere Lebenshaltung. Kartelle feien nur dann berechtigt, wenn sie höhere Gehälter und heffere Arbeitsgelegenhelfen bieten.
Der Reichstag beschäftigte sich gestern im weiteren Berlauf| Regierung und der Regierungsparteien die von uns der Sigung mit dem Bericht des Haushaltsausschusses über die von Sozialdemokraten, Demokraten und Kommunisten gestellten Anträge auf Erhöhung der Beamtenbesoldung. Der Aus schuß beantragt die Ablehnung dieser Anträge, wünscht jedoch, daß die Vorlage der Besoldungsreform, sobald sie dem Reichstag zugegangen ist, dem Haushaltsausschuß zur Bearbeitung überwiesen wird. Sollte die Vorlage vor dem 1. Ottober vom Reichstag nicht verabschiedet werden können, so will der Ausschuß vorher über eine Ermächtigung an die Reichsregierung einen Beschluß fassen, in welcher Höhe Abschlagszahlungen auf die künftige Besoldungserhöhung vom 1. Oftober 1927 ab ausgezahlt werden können.
Abg. Dr. Scholz( D. Bp.) gibt für die Regierungsparteien eine Erklärung ab, die die schwere Notlage der Beamten anerkennt und von der Regierung eine Vorlage zu deren Beseitigung erwartet. Die Besoldungsreform soll sich auch auf die Ruhestandsbeamten erstrecken, es wird erwartet, daß Länder und Gemeinden dem Beispiel des Reiches folgen. Nach den Erklärungen der Regierung des Reichs und der Länder sei eine Erhöhung der Gehälter vor dem 1. Oktober leider nicht möglich. Darum hätten sich die Regierungsparteien unter schwersten Bedenten entschließen müssen, den dringenden Wunsch auf Auszahlung vor dem 1. Oktober zurückzustellen. Sie wollen jedoch dafür sorgen, daß bereits ab 1. Oktober Abschlagszahlungen auf die fommende Erhöhung geleistet werden.
Abg. Bender( Soz.)
weift darauf hin, daß die Notlage der Beamten immer weiter steige. Die Fälle mehren sich, wo Beamte mit ihren Familien infolge ihres wirtschaftlichen Elends in den Tod gehen oder wo andere Beamte sich aus demselben Grunde an den ihnen anvertrauten Geldern vergreifen.
Die schwersten Besorgnisse aber muß die wachsende Sterblichkeit unter den Beamten der unteren Gruppen erregen. Die Tatsache, daß die Beamten der unteren Gruppen im Durchschnitt 10 Jahre früher sterben als die der höheren Gruppen, ist eine furchtbare Anklage gegen die Leute, die diese unhaltbaren Zustände geschaffen haben.
Seit 2 Jahren werben schöne Bersprechungen gemacht, aber nichts davon ist bisher gehalten worden. Im Gegenteil, durch die Zoll- und Steuerpolitik der Regierung ist es weiter zu einer wesentlichen Berteuerung der Lebenshaltung getommen. Jest sollen ja noch neue Zollerhöhungen auf RartofDas muß feln, Schweinefleisch und Zucker tommen! dazu führen, daß die wirtschaftlichen Berhältnisse auch der Beamten sich noch weiter verschlechtern. Die Regierung erkennt zwar die NotLage der Beamten an, aber es handelt sich ja nicht allein nur um die Beamten, auch Hunderttausende von Arbeitern der Reichsbetriebe, der Bost und Eisenbahn, Millionen von Arbeitern in der Privatindustrie und viele andere Volksfreise leiden in derselben Weise wie die Beamten. Trozdem treibt die Regierung eine Politik, die die Lebenshaltung der breiten Maffen noch weiter verteuern muß.
Was die Beamten jeht bekommen follen, das ist ihnen durch die Zoll- und Steuerpolitit schon längst genommen worden. Die Sozialdemokraten haben im Ausschuß den Antrag gestellt, den Beamtengruppen 1-7 rückwirkend vom 1. April 1927 ab Vorauszahlungen in der Höhe von 20 M. monatlich auf tommende Erhöhungen zu zahlen. Diesem Antrag ist leider nicht zugestimmt worden. Die Regierung hat erklärt, daß am 1. Oktober eine durchgreifende Reform der Beamtenbesoldung er folgen foll. Solche Versprechungen find schon sehr häufig gemacht werden, erst vor sechs Monaten hat der damalige Finanzminister Reinhold erklärt, daß beim Finanzausgleich im Frühjahr die Reform der Besoldung kommen solle. Auf dieje Reform haben wir vergeblich gewartet. Wir fürchten, daß auch die Erklärung der jezigen Regierung, daß zum 1. Oftober eine durch greifende Reform tommen soll, nur eine Bersprechung bleiben wird. ( Sehr richtig! bei den S03.) Es sind hier schwere Borwürfe gegen die Beamten gerichtet worden, weil sie öffentliche Kundgebungen veranstaltet hatten. Aber versehen Sie( nach rechts) fich doch in die Seele der Beamten, die troß ihrer schweren Noilage immer wieder hingehalten worden sind. Die Vorwürfe, die hier erhoben worden sind, soll man nicht gegen die Beamten richten, sondern gegen die Kreise, die die Macht in den Händen haben, aber nichts tun, um der Not der Beamten zu
Wo bleiben Woldemaras Versprechungen? feuern.
Sieben deutsche Lehrer im Memellande gekündigt.
Königsberg , 2. Juli( WTB.) Nach einer Meldung aus Memel hat das Landesdirektorium, wie erst jetzt bekannt wird, ohne Begründung sieben Lehrern aus dem Memelgebiet unter dem 24. Juni zum 1. August gekündigt. Damit sind nunmehr seit einem halben Jahr 34 Lehrer des Memelgebiets gekündigt morden. Unter den neuerdings Gefündigten befindet sich zum erstenmal auch ein Lehrer aus der Stadt Memet. Durch die Kündigungen hat sich in vielen Orten des Memelgebiets Mangel an Lehrkräften bemerkbar gemacht.
Der Balkankonflikt noch nicht bereinigt. Südslawien macht auf Albaniens Widerstand gegen die
vorgeschlagene Lösung aufmerksam.
Wien , 2. Juli. ( EP.) Wie die Neue Freie Presse" meldet, hat sich die jugoslawische Regierung an die französische Regierung mit dem Ersuchen gewandt, ihren Gesandten in Tirana zu beauftragen, die Liquidation des albanisch- jugoslawischen Konfliktes zu beschleunigen. Außenminister Marinfowitsch hat die diploma tischen Vertreter Jugoslawiens in Berlin , Paris , London und Rom beauftragt, die Aufmerksamkeit auf das Verhalten Al baniens zu lenken. Die südslawische Regierung habe durch die Annahme des Vorschlages der vier Mächte einen neuen Beweis ihrer Friebfertigkeit gegeben; fie müsse deshalb darauf bestehen, daß das getroffene Uebereinkommen auch durchgeführt werde.
Die Rechtsparteien des polnischen Sejm haben eine dringende Interpellation über die Zustände in Oftoberschlesien eingebracht und die Abberufung des Wojwoden Grazynski gefordert. Wenn Wenn auch dieser Borstoß feineswegs Gründen der Gerechtigkeit gegen über der deutschen Minderheit, sondern vor allem internen Rivali täten innerhalb der reaktionären und nationalistischen Parteien entspringt, so wird auch die Linke und vor allem die deutsche Minder heit diese Forderung nur begrüßen fönnen vorausgejezt natürvorausgesezt natürlich, daß der Nachfolger Grazynffis nicht in die Fußtapfen feines Borgängers tritt.
Die belgische Zivilliste wurde von der Rammer mit 119 geçen 21 Stimmen bei 10 Enthaltungen dem Regierungsvorschlage gemäß erhöht. Die Sozialisten legten ein grundsägliches Bekenntnis zur republikanischen Staatsform ab, ftimmten als Roalitionspartei zu, mit Ausnahme einer fleinen Minderheit, die sich der Stimme entbielt
Die Demonftrationen waren ein Signal für die Stimmung, die unter den Beamten durch Ihre Politik hervorgerufen worden ist.( Sehr richtig! bei den Goz.)
Im Ausschuß ist man über unsere Anträge hinweggegangen, weil nach einer Erklärung des Reichsfinanzministers angeblich die Mittel zu ihrer Durchführung fehlen. Bei der gegenwärtigen Finanzlage des Reiches wäre aber bei einigem guten Willen der
verlangte Borschußzahlung möglich. Es ist ein unhaltbarer Zustand, daß das Reich und die Länder sich gegenseitig die Verantwortung für die Lösung dieser Frage zuschieben. Der Beschluß des Ausschusses, alle Anträge bis zur Borlage des Regierungs. entwurfs zurückzustellen, bedeuter nichts anderes, als daß diese 2 nträge abgelehnt worden sind, daß die Regierungsparteien sich um die Entscheidung drücken. Die Deutsche Boltspartei treibt bei dieser Gelegenheit noch ein Doppelspiel. In Preußen beantragt sie, daß den Beamten ein zehnprozentiger Vorschuß auf die fünftige Erhöhung, rückwirfend seit 1. April 1927, gezahlt werde, im Reichstag aber lehnt sie die gleichen Anträge ab.( Hört, hört!) Dieses Doppelspiel zu fennzeichnen, fehlen die parlamen tarischen Ausdrücke. Wir werden aber draußen im Lande dafür sorgen, daß das Verhalten der Regierungsparteien bekannt wird. Wir haben jeht unseren Antrag auf Borschußzahlungen von 20 m. im Monat seit 1. April diefes Jahres wiederholt und ersuchen um dessen Annahme. Der gegenwärtige Reichsfinanzminister hat in der ,, Germania ", allerdings noch als badischer Finanzminister, die Be züge der unteren Beamten als ganz unzulänglich bezeichnet, er muß fegt zu seinen Worten stehen.
Seit der letzten Regelung der Beamtenbesoldung im Jahre 1924 find die Lebenshaltungskosten um mehr als 30 Proz. gestiegen, wenn man jetzt die Gehälter nur um 10 Pro3. erhöhen will, dann bedeutet das, daß die Noflage der Beamten fortbestehen foll.
Nun wird ja auch eine Aenderung der Besoldungsordnung ge plant, wir verlangen, daß sie nach sozialen Gefichtspunkten erfolgt. Bor allem muß die Zahl der Gruppen verringert werden, die Gruppen 1 und 2 müssen ganz fortfallen. Auch den untersten Gruppen muß ein ausreichender Lebensunterhalt gewähr. leiftet werden, die Unterschiede von unten nach oben sind zu verringern. Wenn diese Grundsäge berücksichtigt werden, dann wird man den sozialen Forderungen der Beamten gerecht werden. Wir erwarten, daß der Reichstag unserem Antrage zustimmt.( Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Torgler( Romm.) wendet sich gegen die Ermächtigung an die Regierung, die der Ausschuß vorschlägt. Der Redner begründet einige Anträge auf Bahlung monatlicher Zuschläge für die unteren Beamten. Es sei unerhört, wenn Abgeordneter Kling die Bauern gegen die feinen Beamten aufheze, während sein Fraktionsvor figender Sehr neben seinem bayerischen Ministergehalt noch Pension als Reichsminister beziehe.
Abg. Brodauf( Dem.) erklärt,
daß die Beamten nach den jahrelangen Enttäuschungen grenzenlofes Mißtrauen in alle Versprechungen der Parlamentarier fetzen.
Der Redner beantragt eine Ergänzung der Entschließung des Aus Schuffes dahin, daß der Ausschuß fofort einen Beschluß über eine Ermächtigung an die Reichsregierung faffe, in welcher Höhe den Beamten der Gruppen 1-12 sowie den Empfängern von Warte gelb, Ruhegehalt und Hinterbliebenenbezüge im Juli, August und September 1927, unabhängig von der angefündigten Vorlage, prozentuale Zuschläge auf ihre jezigen Bezüge bezahlt werden sollen. Abg. Kling( Wirtsch. Bgg.) behauptet, daß in der Bevölkerung, befonders bei den Kleinbauern, wenig Stimmung für weitere Erhöhungen vorhanden sei. Seine Frattion werbe alle Anträge ablehnen, die vor dem 1. Oftober AbIm Haushaltsaus[ chlagszahlungen geben wollen.
schuß fäßen bei Beratung dieser Frage nur Beamte, die sich ihr eigenes Gehalt bewilligen. Wenn der Reichstag Besoldungserhöhungen beschließen wolle, dann möge er selbst im September zusammentreten und seine Entscheidungen über die Regierungsvorlage treffen.
Abg. Dietrich- Franten( Natso3.) erinnert daran, daß alle Parteien zugunsten der Beamten Anträge gestellt hätten, allerdings zu der Zeit, als die Regierung noch nicht gebildet war.
Heute lehnen die Regierungsparteien ihre eigenen Anträge ab.
Abg. Dietrich- Baden( Dem.) tommt nach der Prüfung der Finanzlage des Reiches zu dem Ergebnis, daß schon vor dem 1. Dr. tober Besoldungserhöhungen geleistet werden könnten. Auf die Erflärungen der Bertreter der Länder brauche in diesem Falle teine Rücksicht genommen zu werden.
Abg. Alpers( Wirtsch. Vgg.) erklärt im Gegensatz zu seinem Fraktionsfollegen Kling, daß die Notlage der Beamten schleunige Hilfe erfordere. Wenn nicht schon vorher, so müsse mindestens am 1. Oktober mit den Zahlungen begonnen werden.
In der Abstimmung werden fämtliche Aenderungsanfrage abgelehnt, der Antrag des Ausschusses wird angenommen.
Ohne Aussprache werden noch Anträge des Verkehrsausschusses über die Behebung von Schäden an Wasserstraßen angenommen. Um 16 Uhr vertagt sich das Haus auf Montag 14 Uhr. Auf der Tagesordnung stehen die Vorlagen über die Aenderung von 30llfäßen.
alten Fäden abreißen würden. Diesen Bemühungen sei durch die Erklärungen des 1. Oktober ein Ziel gefeßt worden. Major von dem Bussche habe damals gesagt, daß wir nunmehr die Wilsonschen Friedensbedingungen annehmen müßten. Die Parteiführer seien damals auf niederschmetternde Mitteilung nicht vorbereitet gewesen, so daß sogar die Frage entstanden sei, was eigentlich in diesen Wilsonschen Punkten alles enthalten märe, insbesondere ob in diesen Wilsonschen Punkten die Abtretung ElsaßLothringens einbegriffen sei. Selbst der unabhängige Abgeordnete Haafe habe damals erklärt, daß seine Partei stets ver
treten habe, die elsaß - lothringische Frage durch Abstimmung zu regeln. Es sei sogar den Parteiführern das Wort abgenommen worden, mit ihren Fraktionen nicht darüber zu sprechen. Stresemann habe aber dann mit einem Herrn der Obersten Heeresleitung telephonisch ge
Die Schuld am Zusammenbruch. Stresemann gegen die Dolchstoflegende. Reichsaußenminifter Dr. Stresemann ist vom Untersuchungsausschuß des Reichstags in seiner Eigenschaft als Führer der Nationalliberalen Fraktion des Reichstags während des Krieges als Beuge vernommen worden. Stresemann hat dem Ausschuß seine Aussage schriftlich zugehen lassen. Sie ist vernichtend für das damalige faiserliche Regime. Stresemann berichtet, wie der Demokratische Zeitungsdienst" mitteilt, stärksten persönlichen Differenzen, die zwischen Baffermann und Bethmann bestanden hätten. Bassermann habe einmal in einem Telegramm an einen pfälzischen Barteifreund Besorgnisse über ein bevorstehendes Manifest des Kanzlers ausgesprochen, und der Kanzler habe daraufhin nicht nur gegenübersprochen, und dabei habe er gehört, daß der Schritt des Majors von anderen Parteiführern der Nationalliberalen erklärt, daß er mit der Nationalliberalen Bartei nicht weiter arbeiten fönne, sondern unwidersprochen sei auch damals durch die Presse gegangen, daß der Kanzler ein militärisches Disziplinarverfahren gegen den Major Baffermann angeregt habe. Stresemann macht dem damaligen Reichfangler Bethmann Hollweg den Vorwurf, daß er zur Frage der Wahlreform die denkbar unglüdlichste Haltung eingenommen habe: er habe durch Versprechungen nebelhafte Borstellungen ermedt, sei aber erst in der legten Stunde, furz vor seinem Abschied, bereit gewesen, das gleiche Wahlrecht durchzuführen. Da aber sei er gegenüber seinen Ministerkollegen nicht durchgedrungen.
In seinen weiteren Ausführungen widerlegt Stresemann die Dolch fto Blegende. Er erflärt, er habe in einer Besprechung mit dem Staatssekretär von Hinge am 23. August 1918 eine faum noch verhüllte Erklärung des Auswärtigen Amtes gesehen, daß wir uns beeilen müßten, zum Frieden zu fommen. Unter Hin weis auf die schwierige militärische Lage habe Herr von Hinge damals ausgeführt, daß wir alle Fäden anfnüpfen müßten, wenn etwa die
dem Bussche die Meinung der Obersten Heeresleitung wiedergegeben habe. Wir ständen in einem hoffnungslosen Rampfe, verlören täglich 10 000 Gefangene und die Situation erheische den Waffenstillstand.
Wenige Tage später seien die Dinge nicht mehr geheim zu halten gewesen, und als bei Truppentransporten eine beffere Stimmung an der Front eingetreten fei, fei trohdem die Stimmung in der Heimat nicht mehr zu halten gewefen, weil der Gegenfah zwischen den jahre. lang aufrechterhaltenen Siegeshoffnungen und der Zusammenbruch aller dieser Erwartungen fich zu tief in der öffentlichen Meinung bes Boites ausgewirkt habe.
Man darf neugierig sein, ob die deutschnationale Roalitionspresse des Reichsaußenministers von seiner Aussage Notiz nehmen oder ob sie es vorziehen wird, auch weiterhin wider besseres Wiffen mit der Dolchftoßlegende hausieren zu gehen.
Die Telephonistin der„ Action française", Frau Montard, die im Berdacht steht, an der Befreiung Léon Daudets beteiligt gemesen zu sein, ist jetzt verhaftet worden.