Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 31144. Jahrgang Ausgabe B Nr. 153

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife Find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292- 29? Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner   Volksblaff

10 Pfennig

Montag

4. Juli 1927

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin   SW. 68, Lindenstraße a Fernsprecher: Dönhoff 292-297

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Rüstet zum Wahlkampf!

Mahnung Severings an die Republikaner  . Die notwendigen Vorbereitungen.

Bielefeld  , 4. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.)

Am Sonnabend fand in Herford   aus Anlaß des Gautages des Reichsbanners eine große öffentliche Kund gebung statt, auf der die Abgeordneten Rönneburg  , Dr. Schreiber und Severing sprachen.

Severing sprach in der Haupptsache über die Zukunfts­aufgaben des Reichsbanners. Er bemerkte einleitend, es sei an der Zeit, auch im Reichsbanner zu erkennen, daß es sich unter den roten Fahnen der Sozialdemokratie sehr gut fämpft. Es wäre, ich sage das offen heraus, fein Fehler gewesen, wenn das Reichsbanner von vornherein überflüssig gewesen wäre. Wir werden morgen wieder mit Trommelschlag von Herford   ziehen, und ich kann mich dobei der Gedanken nicht erwehren, die wünschen, daß dies alles nicht notwendig sei. Wir haben andere, kulturelle Arbeit zu leisten, gerade in den kulturellen Organisationen fehlt es uns heute an Mitgliedern, die dafür sehr oft im Reichsbanner und beim Sport zu finden sind. Aber die Krone des Menschen ist sein Gehirn, und deshalb glaube ich, daß

-

erschöpfen, sondern müßten prattische Vorbereitungs­arbeit dafür leisten, daß im kommenden Jahre der republikanische arbeit dafür leisten, daß im kommenden Jahre der republikanische Staat durch die Republikaner   erobert werde. Anschließend bemerkte Severing: Das Jahr 1928 wird ein Großtampfjahr besonderer Art. Von der Zelle über den Landtag bis zum Reichstag müssen unsere Arbeit. Deshalb ist es notwendig, sich nicht nur an einzelnen wir die republikanische Mehrheit erobern! Dem gilt unsere Arbeit. Deshalb ist es notwendig, sich nicht nur an einzelnen Tagen auf der Straße zu zeigen, sondern schon jetzt den Wahl ampf in Gang zu sehen zum Siege der Republit im kommenden Jahr. Die Ausführungen Severings wurden von stärkstem Beifall begleitet.

Die Politik des Zentrums.

Selbständig und nach allen Seiten unabhängig."

Arbeiterbauern- Herrenbauern.

Klaffenkampf auf dem Acker.

Bon Hermann Tempel  ( Leer  ), M. d. R.

Wir kämpfen um ein neues Bauernrecht. Um das Recht der Arbeiterbauern. Wir wollen den Bauernprole­tarier gegen Willfür und Ausbeutung durch das Boden­tapital ebenso schüßen wie den Fabritarbeiter vor dem In­duſtriekapital. Ein Stüd Klassentampf auf dem 2 der, der nicht weniger hart ist als der Klassenkampf in der Zeche und in der Werkstatt.

Der Reichstag hat einen Ausschnitt dieses Ringens er­lebt bei Verabschiedung der Pa chisch uhordnung. Der Landpächter, der Landarme, der Landproletarier wehrt sich gegen Wucher und Kündigung. Der Richter, der den Boden bearbeitet, muß einen Teil seines Ertrages dem Besizer über­lassen, der nicht arbeitet. Pacht ist eine Form ar­beitslosen Einkommens obenso wie die Divi­dende des Aktionärs oder die Rente aus dem Bankguthaben. Wir wollen die Verkürzung und letzthin die Beseitigung aller Formen von Einkommen ohne Gegen­Der Reichsparteiausschuß der Zentrumsleistung. Deshalb schüßen wir auch den Bodenpächter. Wenn partei trat am Sonntag vormittag im Reichstag zu einer wir hören, daß in Westfalen   70 000 Pächter 95 großen Be­stark besuchten Sizung zusammen, die bis in die Abendstunden sigern tributpflichtig sind, so ist das desselbe, als wenn 100 000 andauerte. Den Borsiz führte Reichskanzler Dr. Mary. Bergleute einer Handvoll Kohlenbarone fronen müssen. Aus­Auch die übrigen Zentrumsminister des Reiches und die beutung das eine wie das andere. preußischen Zentrumsminister nahmen an der Sigung teil. Ebenso war Reichskanzler a. D. Dr. Wirth erschienen, der mehrfach in die Debatte eingriff. Ueber die Sizung wurde folgender Bericht ausgegeben:

es an der Zeit ist, ein Stück Reichsbanner im Sport abzulegen, um dafür mehr Aufwärtserziehung am Menschen zu leisten. Es denken in Deutschland   sehr viele darüber nach, daß die Arbeit in der deutschen   Außenpolitik durch das Vorhandensein der vielen Wehrorganisationen erheblich erschwert wird. Es wäre besser, wenn wir die rein militärischen Aufmärsche mit Trommelwirbel und Stech schritt nicht hätten. Noch allerdings unterstütze ich das Reichsbanner aus vollem Herzen. Warum? Wenn wir nicht da wären, hätten Stahlhelmer und Werwölfe sich austoben können zum Schaden des gesamten deutschen   Volkes. Severing fam dann auf die Um­stände zu sprechen, die zur Gründung des Reichsbanners geführt stände zu sprechen, die zur Gründung des Reichsbanners geführt hatten. Damals sei das Reichsbanner ganz besonders notwendig ge­roesen, weil anders eine Erhaltung der Republik   kaum möglich ge­wesen sei. In der Zeit der ersten Bedrohung der Republik   hat das Reichsbanner die Politik der Weimarer   Koalitionsparteien ge= fchüßt. Heute sei das nicht mehr notwendig. Trotzdem aber bleiben noch große Aufgaben zu erfüllen. Wer vorwärts fommen wolle, müsse sich rüsten. Deshalb müßten schon jetzt alle Vorbereitun= gen für den Wahlkampf im Jahre 1928 getroffen werden. Es sei eine unbedingt notwendige Aufgabe, die Deutschnationalen aus der Regierung herauszujagen; denn eine Republik  , die noch in den Kinderschuhen stecke, fönne sich nicht erlauben, die Stellen, die die Republik   schützen sollen, mit Muß- Republikanern zu besetzen. Aufgabe aller Republikaner sei es deshalb, schon jetzt dafür zu sorgen, daß im kommenden Jahre die Schlappe von 1924 wieder ausgeweht werde. Sehr viel stehe auf dem Spiel. Alle Gautage des Reichsbanners dürften sich deshalb nicht nur in Demonstrationen| preußische Regierung zu stürzen.

kanzlers Dr. Marg eine Sigung des Reichsparteiausschusses der Am Sonntag, dem 3. Juli, hat unter dem Vorsiz des Reichs­deutschen Zentrumspartei im Reichstage stattgefunden. Gegenstand der Beratungen waren die politischen Vorgänge der legten Monate. Nach eingehender Aussprache, die den ganzen Tag andauerte und in voller Offenheit geführt wurde, wurde folgende Entschließung angenommen:

,, Der Reichsparteiausschuß der deutschen Zentrumspartei  billigt die Politik der 3entrumsfraktion des Deutschen  Reichstages und spricht ihr fein Bertrauen aus. Auf Grund der bisherigen Haltung der Reichstagsfraktion ist der Reichsparteiausschuß überzeugt, daß die Fraktion auch in Zukunft eine selbständige, nach allen Seiten unabhängige Politit im Dienste des Boltsganzen führen wird."

Die Entschließung, die einstimmig zur Annahme gelangte, fann nur als eine Ablehnung der bekannten deutschnationalen Forderungen gedeutet wer­den, die erst in diesen Tagen wieder mit allem Nachdruck er­hoben wurde. Die Forderungen gehen dahin, daß das Zentrum in der Zollfrage sich den Deutschnationalen unterzu­ordnen und seine Landtagsfraktion veranlassen soll, die

Wahlsieg in Mecklenburg  - Strelit.

Die Sozialdemokratie vermehrt ihre Mandate um die Hälfte. der Völkischen und Kommunisten.

--

Ueber 5 Millionen selbständiger Bauern= Dom Juni 1925, darunter 2 Millionen der Größenklassen 2 bis 100 Hektar, also bäuerliche Betriebe im engeren Sinne. Mehr Lettgenannten berücksichtigt, arbeitet ganz oder teilweise auf als die Hälfte dieser Wirtschaften, auch wenn man nur die gepachtetem Grund. Nicht weniger als ein Fünftel des land­wirtschaftlich genutzten Bodens in Deutschland   kommt hier in Frage. Millionen von Bauern sind Bächter, Millionen von Hektaren Pachtland. Man sieht, Bachtschutz ist ein volkswirt­schaftliches Problem erster Ordnung.

betriebe haben wir in Deutschland   laut amtlicher Zählung

Die Sozialdemokratie hat einen Bachtschutz stets gefor­dert. Mit dem Augenblick, in dem sie für Staat und Wirt­schaft mit verantwortlich zeichnete, begann sie ein soziales Pachtrecht aufzubauen. Die erste Pachtschuhordnung traten Schlicke. Dom Juni 1920 trägt die Unterschrift des Sozialdemo=

Der Bächterschutz ist ebenso wie der Mieterschutz von allen Eigentumsfanatikern und ihren politischen Vertretun­Bodens, Diebstahl des Landeigentums: das war das min­gen aufs härteste angefeindet worden. Sozialisierung des deste, was man hören fonnte. Als das Kabinett Luther durch das Ermächtigungsgesetz freie Hand bekam, war es eine seiner ersten Taten, unter Mißbrauch seiner Voll­machten die Aufhebung des Pachtschutes für alle Bachtungen zu verfügen, die nach dem 1. März 1924 abge­schlossen wurden. Also automatische Beseitigung innerhalb türzester Frist. Pachtschuh gilt als ein Stück sozialistischen Rechtes deshalb weg mit ihm! Damals hat der Bachtbauer die Faust der Landbundgewaltigen gespürt.

-

Die Landbundherren haben das bald bereut. Rebellion glomm auf. Der Pachtwucher schrie zum Himmel. Will= fürsette die Pächter auf die Straße. Die Klein­so

Zusammenbruch bauern grollten jo laut, daß den Landbundjunkern angst

wurde. In heißestem parlamentarischem Ringen gelang es den Linksparteien mit Hilfe der Mitte, zum Herbst 1925 den Pachtschutz für zwei Jahre wiederherzustellen.

Im einzelnen stellen sich im Vergleich zu den letzten Wahlen die Mit der Einschränkung allerdings, daß die durch Luthers Ergebnisse folgendermaßen dar:

Sozialdemokraten Kommunisten

Demokraten( 1923 einschl. Handwerk)

Handwerk und Gewerbe Kleinlandwirte Deutschnationale Deutiche Volkspartei Hausbesitzer Völkische Wirtschaftspartei

4.609

Willkürverordnung für schutzlos erklärten Verträge, die zwischen dem Frühjahr 1924 und dem Herbst 1925 abge­Berluftschlossen worden waren, nach wie vor ungeschützt blieben.

(+1)

Stimmenzahl

6. Juli 23 3. Juli 27 Mandate 11 707 15 297

12

.

10 633

4153

3

Gewinn (+4) (-7)

7.640

3 053

2046

1748

12 463 10 354 2904

2025

1556

4.651

2286 506

077000

241017T

Neustrelit, 4. Juli.  ( Eigener Bericht.) Gestern fanden in Medlenburg- Strelik die Wahlen zum Landtag ffatt. Obwohl die Wahlbeteiligung in den Städlen sehr zu wünschen übrig ließ, so daß die Stimmenzahlen der letzten Reichstagswahl nicht erreicht wurden, ist das Ergebnis fymptomatisch für die Stimmung besonders auf dem Lande. Obwohl das Bürgertum durch die Aufstellung von sieben untereinander ver­bundenen Listen in die Wählerschaft Berwirrung zu fragen suchte, ist es allein die Sozialdemokratie, die einen entscheidenden Gewinn zu verzeichnen hat. Sie vermochte die Zahl ihrer Stimmen um 3430, die Zahl ihrer Landtagsmandate um die Hälfte, nämlich von acht auf zwölf zu vermehren! Die Deutschnationalen ver­Toren rund 2000 Stimmen. Wenn sie trotzdem ihre Mandats­ziffer von neun auf zehn zu erhöhen vermochten, so ver­danken sie es lediglich der Listenverbindung mit anderen Die politische Konsequenz, die für die Mecklenburger Regierung Parteien. Regelrechte Niederlagen verzeichnen die Bölki- aus diesem Wahlergebnis zu ziehen ist, mag angesichts der bürger­schen, die von ihren drei Mandaten zwei verloren, und die kom- lichen Listenverbindung eindeutig erscheinen, da die bürgerlichen Bar­munisten, die von ihren sieben Landtagsfiken vier einbüßten und teien in ihrer Gesamtheit über eine Mehrheit verfügen. Tatsächlich jeht nicht einmal mehr über die Fraktionsstärke verfügen. sind aber die Gegenfäße innerhalb des Bürgertums sehr groß, wie ja auch die Vielzahl der um ihren Einfluß fämpfenden Parteien zeigt. Insbesondere wird es die recht starke Gruppe der Hand werfer und Gewerbetreibenden nicht verantworten können, wenn auf ihre Roften eine Steuerpolitik getrieben wird, die den Großgrund besig von jeder steuerlichen Belastung freistellt und dafür das auf Strebende Gewerbe mit um so drückender heranzieht. Die Sozial­demokratie ist für eine Senkung der Gewerbesteuer, besonders bei den Kleingewerbetreibenden eingetreten. Sachlich ergibt sich also die Möglichkeit einer Zusammenarbeit der Sozialdemokratie mit den Demofraten und den Gewerbetreibenden, die zusammen über 18 von 35 Sigen im Landtag verfügen. Jede andere Politik würde fich an den bürgerlichen Mittelparteien in der Zukunft schwer rächen. Mit besonderer Genugtuung muß das Symptom verzeichnet werden, daß die Sozialdemokratie auf dem Mecklenburger platten Lande ihre Anhängerschaft und ihren Einfluß vergrößern konnte. Diese Tatsache in einem Freistaat, der früher der schwärzesten Re­Diese Tatsache in einem Freistaat, der früher der schwärzesten Re­attion ausgeliefert war, wird zu erhöhter Werbetätigkeit unter Landarbeitern und Bauern anspornen.

Der Zusammenbruch der rechts- und linksradikalen Flügel­parteien, insbesondere der Kommunisten, liegt auf der Linie der sich auch in anderen Landesteilen, so in Mecklenburg- Schwerin   und in Thüringen   beobachten ließ. Man kann unter diesen Umständen auf die Reichstagswahlen im nächsten Jahre gespannt sein, die den Kommunisten die verdiente Quittung für ihre arbeiterfeindliche

Politik auch im Reiche bringen müssen.

Im übrigen liegt es uns fern, die politische Bedeutung der Wahlen im fleinen Mecklenburger Ländchen zu unterschätzen. Für das Reich ist die Zusammensetzung der Strelizer Regierung des= halb von Wichtigkeit, weil dieses Land über eine Stimme im Reichsrat verfügt. Bei den wiederholten Konflikten, die zwischen dem Reichsrat und der Rechtsblockregierung wegen ihrer unfachlichen Politik entstanden sind, ist es schon von einiger Bedeutung, ob diese Stimme lediglich den Deutschnationalen zufällt oder ob auch die an­deren Parteien einen Einfluß auf die Stellung Mecklenburgs im Reichsrat ausüben.

In diesem Sommer ist der Kampf leichter gewesen. Die Verlängerung um noch einmal zwei Jahre bis zum 30. Sep­tember 1929 ist von allen Parteien mitgemacht worden. Der Streit drehte sich mehr um Verbesserungen der Verord­nung. Man wird nicht fehl gehen, wenn man darin einen ersten Sieg der Kleinbauernrevolte sieht. Einen Erfolg ihrer Auflehnung gegen den Landbund." Der Arbeiter= bauer hat den Herrenbauern eine Schlappe zugefügt. Wenn er fest bleibt, wird es nicht die letzte ge= wesen sein

Die Sozialdemokratie hatte zwei wesentliche Verbesserun­gen beantragt: die nachträgliche Einbeziehung auch der während der Luther- Berordnung abgeschlossenen Bachtungen und eine Milderung der Arbeitspflicht für Heuer­lingsfrauen.

Der Kampf um die Luther- Bachtungen blieb in der Hauptsache erfolglos. In namentlicher Abstimmung, die wir erzwangen, wurde die nachträgliche Ausdehnung des Pacht­schutzes auch auf die Bächter aus der Zeit Frühjahr 1924 bis Serbst 1925 mit 180 Stimmen der Mitte und der Rechten gegen 155 Stimmen der Linken einschließlich der bayerischen Bauernbündler, abgelehnt. Die Regierungsparteien waren bereit, einen Schutz nur gegen Preiswucher zu gewäh­ren, nicht aber einen Schutz gegen Kündigungen. Ein Zu­geständnis, das in der Praris fast mertlos sein dürfte.

Das Ergebnis ist eine bittere Lehre vor allem für jene Bächter, die auf die Unterstützung durch das Zentrum gehoft hatten. Der Zentrumsflügel um Brauns, Steiger und Stegerwald hat entgegen allen Voraussagen vor dem Landbund kapituliert. Zu start hatten noch am Morgen vor der Abstimmung die Grundherren unter Füh­rung des pommerschen Landbündlers v. Dewiß alle Wider­stände im Reichstaa mobilisiert, Trok der Warnuna des