arbeiterfeindlichen Praxis nichts im Wege steht. Daß in dem Entwurf von„Auflehnung" gegen ein Gesetz die Rede ist, während unser geltendes Recht von einem„Ungehorsam" gegen ein Gefetz spricht, macht natürlich in der Praxis keinen Unterschied, zumal in der Begründung der Reichstagsvor- läge ausdrücklich hervorgehoben ist, daß es gleichgültig sei, ob die Absicht des Täters gerade dahin geht, ein Gesetz oder eine Verordnung wirkungslos zu machen, oder ob der Täter andere Ziele(also beispielsweise Besserung von Arbeits- bedingungen!) verfolgt. Als ein Fortschritt ist es zu begrüßen, daß der gleichfalls im Kampf gegen die ihr Koalitionsrecht ausübende Arbeiter- schaft oft angewandte 8 130 des geltenden Strafgesetzbuchs, der von der Anreizung zum Klassenhaß handelt, im Entwurf gestrichen ist. Wohl das am häufigsten gegen kämpfende Arbeiter an- gewandte strafrechtliche Mittel war nach dem geltenden Recht der berüchtigte„G r o b e- U n f u g- P a r a g r a p h", der namentlich dazu diente, Streikposten zu drangsalieren. Wenn iin 8 303 Ziffer 1 des Entwurfs an Stelle der bisherigen Strafbestimmungen gegen groben Unfug eine Strafdrohung gegen Personen gesetzt wird, die„durch ungebührliches Ver- halten die Allgemeinheit belästigen oder beunruhigen", so will mir dies gehupft wie gesprungen erscheinen. Der Rich- ter, der das Streikpostenstehen als groben Unfug ansieht, wird darin auch eine Belästigung oder Beunruhigung des Publikums durch ungebührliches Verhalten erblicken. Soweit bei den bisher erörterten Strafbestimmungen Fortschritte gegenüber dem geltenden Rechte festzustellen waren, werden diese mehr als wettgemacht durch eine heim- tückische Bestimmung, die in letzter Stunde in die Vorlage eingefügt ist, und die einem völligen Streikverbot in lebenswichtigen Betrieben gleichkommt. Be- reits in der Reichsratsvorlage war eine Strafbestimmung gegen Sabotageakte in lebenswichtigen Betrieben ent- halten, die jedoch das Streikrecht unangetastet ließ. Jetzt ist nun in§ 238 der Reichstagsvorlage diese Strafandrohung dahin erweitert, daß jeder Streik in derartigen Betrieben zu einer strafbaren Handlung wird. Nach Sj 238 soll nämlich in Zukunft jeder mit G e- f ü n g n i s bestraft werden, der den Betrieb einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahn, Straßenbahn, Schwebebahn, Kraftfahrlinie, Schiffahrts- oder Luftfahrts- Unternehmung, eines Schiffs- oder Flughafens, der Post, eines zur öffentlichen Versorgung mit Wasier, Licht, Wärme oder Kraft dienenden Werkes usw. dadurch verhindert oder stört, daß er Bestandteile oder Zubehör beschädigt, zerstört, beseitigt, verändert oder außer Tätigkeit setzt. Auch der bloße V e r s u ch soll strafbar sein, und es soll in besonders schweren Fällen sogar auf Zuchthaus bis zu 5 Iah- r e n erkannt werden. Die Strafandrohung gegen das bloße Außer-Tätigkeit-Setzen ist im Reichsrat neu eingefügt. Als ein geradezu arglistiges Verhalten muß es bezeichnet werden, daß die Tragweite dieser neuen Strafandrohung in der aintlichen Begründung dadurch verschleiert wird, daß der Anschein erweckt wird, als ob auch diese neue Straf- bestimmung sich nur gegen Sabotageakte richtet. In Wirk- lichkeit kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der vor- geschlagene§ 238 durch die vom Reichsrat beliebte Einschal- tung jeden Streik in Verkehrsbetrieben, Kraft- und Wasser- werken usw. unmöglich machen würde. Es liegt im Wesen eines jeden Streiks, daß durch ihn Bestandteile oder Zu- behör des Betriebs„außer Tätigkeit gesetzt" werden, oder daß wenigstens der Versuch hierzu gemacht wird. Der§ 238 des Entwurfs besagt also mit anderen Worten, daß in Zu- kunft jeder Streik in den angeführten Betrieben mit Ge° fängnis oder mit Zuchthaus 'bis zu 5 Jahren bestraft wird. Wir kommen also zu dem Resultat, daß der Strafgesetz- entwurf die Galgen, die nach dem Worte Paul Singers neben dem Koalitionsrecht aufgerichtet sind, nur unzureichend beseitigt, daß er dagegen das bisher unangetastete Streikrecht von weit mehr als einer Million von Arbeitern aufhebt.
Awifthen Rhein und Maas. Von Ivh. Kretzen. „E i f« l"—.�iohesDenn"— aus frohen Landstreichertagen der Jugend Kingen die Worte herüber. Aus jenen Jahren, als mit der Organisation der arbeitenden Jugend vor zwei Jahrzehnten die Heimat m immer weiteren Kreisen sich proletarischem Wandersinn erschloß. Als die Wälder und kahlen Höhen, die Täler und Krater- scen zwischen Rhein und Maas, die Welt der„rauhen Eifel " und des„unwirtlichen Hohen Venn ", unserer Sehnsucht„in die Ferne" die nächsten Ziele waren. Als wir halfen, diese Welt für die arbeitenden Menschen beiderseits des Mittel- und Niederrheins zu entdecken. Als wir Wanderscharen der Arbeiterjugend hinübersührten zu ersten internationalen Zusammenkünften der sozialistischen Jugend jenseits des Hohen Venn in Belgien . Frohe Wandertag« bei Sonnenschein und Regen! Verträumte Stunden an den Ufern der Eifel -Maare. Stunden voll hoher Stimmung im himmelan getürmten Walddom des Kermeter. Planschen in den kaffeebraunen Moorwässern des Hohen Venn , an dessen Stcilabfällen bei Montjoie und Malmedy . Sang voll Jugend» niut und Lebensfreude im Windesbrausen auf den Höhen. Wander- idylle in den Tälern bei gemausten Kartoffeln und dito Aepfeln . Wahrhaftig, wir haben sie lieben gelernt und andere lieben gelehrt, die Berg« zwischen Rhein und Maas. Wie viele Industrie- Proletarier der Städte gedenken heute froh der vom Nachtigallensang erfüllten Nächte etwa in den Tälern bei Heimbachl Oder der Be- kanntschast mit dem seltenen heimischen Naturwunder, dem färben- frohen Eisvogel in den Revieren der Urft-Talsperre. Oder des imposanten Riesen mitteleuropäischer Großwälder, des Rothirsches, der ihnen wohl auf der belgischen Seite des Hohen Venn , im Hertogenwald, mal über den Weg lief. » Aber wir waren ja Proletarierjugend! Die Nöte daheim ließen uns auch die Nöte da draußen sehen. Wir sahen— und je klarer, je älter wir wurden— das Elend dieser Eifel - und Venn-Bevölterung. Notleidende Ländler auch bei kleinem Eigenbesitz, wie wir notleidende Städter waren. Was denn anders als die Not trieb die Menschen stundenweite Wege tagein, tagaus für kärglichsten Lohn etwa in die Bleigruben von Mechernich , in die Textilbetriebe von Montjoie , Malmedy , Eupen , in der Gegend von Düren , oder in die Gerbereien und Papier » sabriken! Was anderes als die Not auch jagte Kinder und Frauen und arbeitslose Männer mit Eimern und Kannen hinaus zur Beerensuche! So reich ist ja die Eifelwelt an Beeren jeder Art— Erdbeeren, Waldbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Brom- beeaan.... Wie oft uns zum köstlichen Schmaus. Und zum Schmaus.... Den Armen der Eifel als B r o t. x,, Beim Veerenjammelv verwerten die Armen der Eiset
Deutsthnationale Koalitionspolitik. Sorgen im Zentrum. Wie wenig regierungsfähig der Besitz- b ü r g e r b l o ck ist, das hat sich in letzter Zeit bei den ver- schiedensten Anlässen gezeigt. Mit Recht fragt daher das demokratische Zentrumsorgan„W est deutsches Volks- b l a t t", ob die Zusammenarbeit von Koalitionsparteien mit so weit auseinanderklaffenden politischen Grundanschauungen auf die Dauer ertragen werden kann: Die bei der Bildung dieser Regierung ausgestellten Richtlinien wollten eine klare und unbestreitbare politische Linie angeben. Daß man einem solch gewagten Experiment mit berech- tigtem Mißtrauen gegenübersteht, ist natürlich. Das Mißtrauen wird durch politische Ereignisse der letzten Zeit eher bestärkt als gemildert. Die Deutschnationalen sitzen in der Regierung: sie sind für die Handlungen dieser Regierung voll verantwortlich. Wenn dem so ist, wie ist es mit politischem Reinlichkeilsgesühl zu vereinbaren, daß dieselbe Deutschnalionale Partei draußen im Land noch immer eine scharfe Agitation gegen die Verständigungspolitik cntsaltek. Dieses Doppelspiel ist eine schwere Belastung der Koalitionspolitik, die sich als unerträglich erweisen kann.... Auch die Deutsche Volkspartei bereitet die Oeffentlichkeit auf Seitensprünge vor, die nicht in den Rahmen der Koalitionspolitik hineinpassen. Die Opposition gegen das Reichsschulgesetz wächst in den liberalen Kreisen: sie ist schon nicht mehr mit der Regierungserklärung zu vereinbaren, die ein Reichsschulgesetz auf Grund und im Sinne der Verfassung an- kündigte.... Es kommt nicht um jeden Preis darauf an, daß diese Regierung bestehen bleibt: es kommt aber wohl daraus an, daß die politische Richtung in keiner Weise ver- bogen wird. Das ist eine deutliche Sprache. Sie zeigt, daß innerhalb des Zentrums die Verstimmung über die doppelzüngige und jeder politischen Reinlichkeit bare Politik der Deutsch - nationalen i m W a ch s e n ist. Nur muß man bezweifeln, daß die Deutschnationalen sich von ihren bewährten politischen Methoden durch zartes Zureden abbringen lassen werden.
�ammerftein über Steglitz . Teutschnationale Unverfrorenheiten. Im Preußischen Landtage haben die Deutschnationalen den Mut besessen, den SchülermordundSelbstmord von Steglitz zum Gegenstand einer„großen Anfrage" zu machen, in der es heuchlerisch heißt: Die vielen Schülermorde und Selbstmorde und die täglich vor- kommenden Sexualverbrechen werden durch den Fall Steglitz blitzartig beleuchtet. Niemand wird leugnen können, daß alle diese Lorkommmss« im Zusammenhang mit den Irrwegen der heutigen Pädagogik wie mit dem Kampf gegen die Religion stehen. Die völlige Verkennung der Bedeutung des Christentums für die Erhaltung der sittlichen Gesundheit unseres Volkes führt zur Auflösung aller sittlichen Bindungen und macht die Erziehung zu charakter- festen Menschen fast unmöglich. Erkennt das Staatsministerium den Zusammenhang, der zwischen der Abkehr unseres Volkes von Religion und Sittlichkeit und solchen Ereignisjen, wie der Steglitzer Fall, besteht und ist es bereit, im Interesse dev Erhaltung von Staat und Familie seinen ganzen Einfluß dahin aufzubieten, daß Religion und Sittlich- keit in Jugenderziehung und öffentlichem Leben wieder überall zur Geltung kommen? Das Ganze ist das Produkt einer so plumpen Demagogie, daß selbst der Dümmste die Absichten merkt. Der„Fall Steg- litz" ist nur einer aus der großen Reihe derer, die sich in den Häusern der wohlhabenden Schichten abspielen. Er könnte frei aus dem Gedächtnis der Deutschnationalen durch hunderte Vorfahren illustriert werden, die den Konservativen (jetzigen Deutschnationalen) sehr viel näher stehen, als der
ihre Arbeitskraft, indem sie die gesammelten Früchte zu den Händlern oder zu den Saftfabrikantcn bringen, Geld dafür erholten und dafür Brot taufen. Ein Jammer, wenn die Beerenernte schlecht ist. Der Winter ist für die Eisel-Armen besonders„schmal", der einem solchen Ernte-Unsegen folgt. Man sagt, daß in einem kleinen Teil« der Eifel , allein in der staatlichen Oberförsterei Gemünd , jährlich durch- schmttlich 30 000 Kilo Himbeeren gesammelt werden und zum Versand oder zur Verarbeitung gelangen. Wieviel de» köstlichen Himbeer- softes stammt allein aus jenem Revier! 4- Und nun berichtet der Kölner Korrespondent des„Berliner Tageblattes", was der normale Menschenverstand nicht fassen kann und was die Freunde der Eifel und ihrer Armen empören muß: „Einen unglaublichen Schildbürgerstreich hat sich die st a a l> liche Oberförsterei Gemünd in der Eifel geleistet. Sie hat drei Tag« lang planmäßig durch acht bis zehn Mann auf Kosten des Staates die unmittelbar vor der Reife stehende Himbeerernte vernichten lassen...." Es bedurfte eines telegraphischen Protestes de» Gemeinderates d«r besonders betroffenen Gemeinde Heimboch und des Eingreifens des Aachener Regierungspräsidenten, um der Vernichtung Einhalt zu tun. Was wir dazu zu sagen haben, wir proletarischen Freunde der Eifel , das fei kurz und deutlich gesagt. Ein modernes Schlagwort sagt: der Zweck der Wirtschast ist die Wohlfahrt des Menschen. Wir sagen: vor dem Walde kommt der Mensch. Daß der Wald gegen mutwillige Beschädigung geschützt werden muß, ver- steht sich von selbst. Daß nach manchen Ausschreitungen, die gerade in den Wäldern des in Frage stehenden Gebietes vorgekommen sind, der Waldschutz wieder kräftiger einsetzt, ist zu begrüßen. Be- sonders verständlich ist schließlich, daß man die Ausforstungen schützt, die einem Teil« des Gebietes dringend not taten. Aber das alles war mit anderen Mitteln zu erreichen, als mit der Vernichtung der Himbeerernte, die die Armen mit noch größerer Armut im Winter zu büßen haben werden. Dieser Krieg gegen die Himbeere ist ein Exzeß der Forstbureaukratie, der mit„Schildbürger- streich" viel zu milde bezeichnet ist. hundslagsthealer. Es wird ernst. Menschen ins Theater locken ist schwieriger, als gutes Theater spielen. Das Hundstazs- theater darf nicht hundeleer stehen. Die Schauspieler gestalten sich nicht einmal die bescheidenen Ferien. Wo man hinhört, überall die Klag« unter ihnen, daß sie sich jetzt niemals mehr sommerliche Sonne oder das stärkende Seebad oder die erfrischende Bergeshähe spenden dürfen. Jeder ist froh, wenn er zwölf Monate schuften kann, wenn er nicht wie die vielen Tausende schon seit langem brotlos auf der Straße steht. Die verrückten Bilder in einigen Illustrierten, die irgend eine Filmdiva oder einen Operettenstar bei fröhlichster Badelaune, ausgezogen oder angezogen, zeigen. sind der größte Schwindel. In Wirklichkeit ist das Sommer«lend der Schauspieler entsetzlich. Und gerade wenn fie im Sommer die
.„neueren Pädagogik"- In der Zest, als der Freiherr von Mirbach im Auftrage der Kirchen-Auguste den Bettelsack schwang, als die„Religion und Sittlichkeit" gewissermaßen gesellschaftsfähig war, da gab es wohl keine Sittlichkeits-, Prozesse, keine Ehebruchsdramen in feudalen Familien, keine Schülerselbstmorde? Es gab wohl auch keine jüdische Flora Gaß, die ihren Liebhaber, den konservativen Abgeordneten und Chef- redakteur der„Kreuz-Zeitung ", Freiherrn von Hammerstein, bei ihren Schäferstündchen das geflügelte Wort sprach:.Komödianten seid Ihr doch alle!" Flora Gaß hat freilich die heutigen Deutschnationalen im Preußischen Landtage nicht gekannt, aber„Religion und Sitt- lichkeit" wußte ihr Hammerstein gar trefflich zu handhaben. Das Enüe einer Verleumüung. Die„Affäre Hirtsiefer" als Schwindel anerkannt. Vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts I stand heute früh die Berufungsoerhandlung gegen den früheren verantwortlichen Redakteur am völkischen„Deutschen Tageblatt", Dr. Julius L i p p e r t, an, der wegen verleumderischer Beleidi- g u n g des preußischen Wohlfahrtsministers Hirtsiefer zu ZiZlX) Mark Geldstrafe vom Schöffengericht Mitte verurteilt worden war. Es handelte sich um eine Wiedergabe der Angriffe und Behauptungen des völkischen Abgeordneten Gieseler im Preußischen Land- tage über ein angebliches nächtliches Erlebnis des Ministers bei einem amtlichen Besuch in Wien . Der Angeklagte hatte die Dar- stellung in scharf beleidigender Form wiederholt. Auch der Re- dakteur Rudolf vom.Hakenkreuzler" halle das angebliche Erlebnis des Ministers zum Gegenstand eines scharfen Angrisfs ge- macht und war zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Während dos Urteil gegen Rudolf rechtskräftig geworden war, da er inzwischen nach seiner Heimat in der Tschechoslowakei übergesiedelt ist. hatte Dr. Lippert Berufung eingelegt, und auch die Staats- anwaltschaft sowie Rechtsanwalt Dr. Pindar im Auftrage des Neben- klägers Ministers Hirtsiefer hatten das Urteil durch Berufung ange- fochten. Zu der vom Gericht in Aussicht genommenen Vernehmung des Ministers Hirtsiefer kam es jedoch nicht, denn vor Eintritt in die Berhandlung gab der jetzt wegen verschiedener Pressevergehen in Strafhaft befindliche Dr. Lippert dem Minister Hirtsiefer eine be- friedigende Ehrenerklärung, die folgenden Wortlaut hat: „Die im„Deutschen Tageblatt" über Herrn Minister Hirt- siefer verbreiteten Gerüchte, die der Abgeordnete Gieseler seiner- zeit im Landtag der Oeffentlichkeit übergeben hat, werden von mir als unwahr anerkannt. Ich habe sie damals nur deshalb weiter verbreitet, weil ich in meiner damaligen Eigen- schast als Parteiredatteur gezwungen war, die Ausführungen eines Abgeordneten in entsprechender Aufmachung zu bringen. Ich erklär« nunmehr, nachdem ich mich von der Haltlosigkeit der Be- schuldigungen gegen den Herrn Minister überzeugt habe, daß ich bedauere, zu ihrer Weiterverbreitung die Hand geboten zu haben." Daraufhin zogen Staatsanwaltschaftsrat Dr. Kirchner und Rechtsanwalt Dr. Pindar im Auftrage des Ministers Hirtsiefer ihrer- seits die Berufung zurück. Da auch der Angeklagte seine Revision nicht mehr aufrecht erhielt, wurde die Strafe damit rechtskräftig. * Der an dieser Sache beteiligte Redakteur des„Deutschen Tageblattes", Dr. Julius Lippert wurde am Dienstag in Berlin wegen eines Artikels, der die Ueberschrift trug:„Die Schieber- republik— ihr Charakter gerichtlich festgestellt!" an Stelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von einem Monat zu 300 M. Geldstrafe verurteilt.
Der preußische Skaaksrak lehnte am Dienstag den Staats- vertrag zwischen Preußen, Bayern , Württemberg und Baden über die preußisch-süddeutsche Staatslotterie ab, weil die preußi- schen Interessen nicht genügend gewahrt seien und die parlamen- tarische Kontrolle durch den Vertrag ausgeschaltet wird. Zugunsten von Sacco und vanzetli veranstaltete der amerikani - sche Gewerkschaftsbund in Mexiko-Stadt eine Riesenoersammlung mit anschließender Straßenkundgebung.
ausgelasiensten Schwänke spielen, ist ihnen am miserabelsten zu- mute. Im„Renaissance-Theater" spielen Hans Lei- bell, Hilde W ö r n e r, Hans W a ß m a n n und noch einige ander« sehr fleißige Leute den sranzösischen Schwank„Wenn Frauen reisen". Der Witz ist, daß die Frauen nicht reisen und furchtbar anständig sind und schließlich ihren sehr gerissenen Gatten allerhand Seitensprünge und Dummheiten verzeihen. Das Talent der Sommerschauspieler stürzt sich mit Fanatismus aus die llnsinnigkeit oder Heiterkeit der Rolle. Die Künstler sind überhitzt, sie überheizen noch etwas die Schwank- und Backofenatmosphäre des Theaters und hoffen, daß e-t allabendlich regnet. So geht ihnen die Menschenfreundlichkeit verloren, und man weiß nicht recht, wie die Komödiantensehnsucht in diesen Hunvstagen zu- sammenklingen kann mit dem allgemeinen Menschenverlangen nach Sonne, Lust und Licht. M. H. Das elektrifizierte Japan . Japan ist, so stellt ein rusiischer In- genieur, Professor Schmidt, der soeben von einer längeren Studien- reise aus dem Lande der aufgehenden Sonne zurückgekehrt ist, fest, zurzeil das Land der Erde, das in weitestem Umfang„elektrifiziert" ist. Was Japan am Weltkrieg verdient hat— und das ist nicht wenig!—, hat es klugerweis« für die Industrialisierung und besonders die Elektrifizierung des Landes verwandt. Japans Flüsse sind klein, aber größtenteils Bergflüsse, die nach den neuesten Feststellungen eine Energie von 12 Millionen LS liefern können. Bis jetzt ist nur der sechst« Teil dieser Energiemenge nutzbar gemacht. Immerhin zählt Japan über 4000 Elektrizitätswerke, wovon zwei Drittel von der„weißen Kohle" gespeist werden. Reue Werke in allen Teilen des Jnselreiches sind im Bau. In den letzten zehn Iahren ist die elektrische Industrie in Japan um das Bielfache gewachsen. Jedes Dorf erfreut sich schon heute des Vorteils elektrischer Beleuchtung. Nach statistischen Feststellunaen entsallen auf 100 Haushalte 218 elektrische Lampen. In den entlegensten Bezirken findet man Werkstätten mit elektrischem Betrieb. Ein neues Museum in Jena . Ein eigenartiges altes Acker- bürgergehöst mitten in der Altstadt von Jena , der Siedelhof, der sich gänzlich unverändert bis auf unsere Tage erhalten hatte, ist jetzt als kulturgeschichtliche Nebenstelle des Stadtmuseums eröffnet worden. Es enthält, wie Professor Weber in der Seemannschen „Zeitschrift für bildende Kunst" berichtet, eine Veranschaulichung des Hauswesens und Tagewerks im alten Jena vor der Gründung der Universität, als Jena noch ein unbedeutendes Weinbaucrnstädtchen war: Landwirtschaft, Bienenzucht, Weben und Spinnen, Kochen. Backen und andere häusliche Verrichtungen. Besonders eindrucksvoll ist das niedrige gotische Wohnzimmer mit gotischen Möbeln und Waffen und die historische Küche mit Metall- und Holzgeräten.
Mysterienspiel in Eisenach . Wie in den Jabren 192 l und 1922. so soll auch in diesem Jahre, vom 7. August bis 11. August, das mittelalterliche Mvsterienspiel von den zehn Jungsrauen im Hose des alten Dominikancr- llosler»(tSymnasium) wieder al» Freilichtanssührung in Szene gehen. Karl Anzrngruber gestorben. Nach kurzem Krankenlager starb DicnStag im M. Lebensjahr der Schriftsteller Karl Anzengruber , ein Sohn des öfter- reichliche« BolkSdichterS Ludwig Anzengruber .