Mittwoch
13. Juli 1927
Unterhaltung und Wissen
Der galante König.
Bon Paul Mochmann.
Im Avalun- Berlag in Hellerau ist jetzt in neuer Ueberlegung ( von Otto Brandt ) ein Buch wieder aufgelegt worden, das nach feinem ersten Erscheinen( 1734) überall in Europa gerabezu ver schlungen wurde. Es betitelt sich„ Das galante Sachsen" ( La Saxe Galante) und erzählt mit viel Behagen das Liebesleben Augusts des Starten. Der Verfasser ist ein turkölnischer Edelmann, Karl Ludwig von Pöllnig, wie Casanova ein Abenteurer und Glüdsritter, der nach seinen eigenen Angaben in Berlin , Braun schweig und Versailles Kammerherr, in Weimar Fähnrich, in der fciferlichen Armee Rittmeister, in Spanien Oberst war. Db alles stimmt, ist zweifelhaft. Auch durch andere Zeugnisse aber beglaubigt ist, daß er als Knabe Spielgefährte des späteren Soldatenfönigs Friedrich Wilhelm I. war, sich lange in der Welt herumtrieb, später unter dem Titel eines Kammerherrn als Spaßmacher für das Tabatskollegium in Potsdam diente und von Friedrich II. 1740 zum Dberzeremonienmeister ernannt wurde. 1775 starb er, nach des Königs sartastischem Wort von niemandem betrauert als von seinen Gläubigern.
Als Schriftsteller hat Pöllnitz sich wiederholt betätigt; natürlich , schrieb er französisch. Sein erster großer Erfolg war ,, Das galante Sachsen", das nach Augusts Tode erschien. Um jedoch den neuen Kurfürsten günstig zu stimmen, verfaßte er noch im selben Jahre eine Schilderung des sächsischen Hofes, die von Ehrfurcht triefte. Später in Preußen gab er vielbändige Memoiren heraus; in Form von Reisebriefen erzählte er seine Fahrten durch Europa und seine Erlebnisse in preußischen Diensten. Auch diese Bücher wurden viel gelesen. Mit der Wirklichkeit nahm er es nicht sehr genau, er mischte Dichtung und Wahrheit. So ist auch sein, galantes Sachsen " gewiß Teine lautere historische Quelle. Immerhin ihn deshalb einfach beiseite zu schieben, wie es manche Wissenschaftler tun wollen, geht auch nicht an. Seine Darstellung erschöpft das Wesen des Königs nicht, zeigt es aber von einer besonders charakteristischen Seite.
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Reineswegs darf Pöllniz die Absicht unterschoben werden, die Gestalt Augusts zu verkleinern. Im Gegenteil! Sein Buch ist viel eher eine Art Apotheose. Der galante König bedeutet dem kleinen Edelmann ein Ideal, und seine eigenen ungeftillten Sehnsüchte befriedigen sich in den Schilderungen, die er von den vielfachen Abenteuern des gekrönten Liebhabers gibt. Kein Wort ernsthafter Kritik fällt. Es erscheint selbstverständlich, daß August hemmungslos feinen Neigungen folgt und dabei alle Vorteile nutzt, die ihm seine hohe Stellung gibt. Daß ein Fürst doch auch noch schließlich andere Aufgaben habe, als Frauen zu erobern oder oft bloß zu kaufen und mit den Geliebten rauschende Feste zu feiern, das scheint Pöllnitz nicht zum Bewußtsein gefommen zu sein. Es gilt ihm auch als selbst verständlich, daß Auguft das Bermögen des Landes besinnungslos zur Befriedigung seiner fostspieligen Launen verschwendet. Bom Bolt ist in diesem Buch nicht einmal die Rede, von seiner Ausbeutung, von seinen Nöten schon gar nicht. Die Menschheit beginnt erst beim Adel, der hauptsächlich dem König feine Mätreffen liefert. An dem Treiben dieser Herrschaften von und zu nimmt Pöliniz Zeinen sittlichen Anstoß.
mögen im einzelnen die Erzählungen von Böllnig unzuverlässig fein, als fulturhistorische Dokumente haben und behalten sie ihre Bedeutung. Rein eifernder Moralist, fein sarkastischer Spötter hat biese Sitten- und Unfittenbilder gezeichnet, sondern einer, der seine Beit und ihre Berrottung fröhlichen Herzens bejaht und höchstens Das eine an ihr auszusehen hat, daß sie ihm nur erlaubt, in der Borstellung, nicht aber in Wirklichkeit wie ein August der Starfe zu leben. Den Spiegel, den der Autor in seinen Büchern der Gesellschaft vorhält, soll sie nicht schrecken oder beschämen, er soll ihr eher ein Borbild, einen Helden zeigen, in dem das barocke Lebensgefühl jeinen reinsten Ausdrud gefunden hat.
Das Buch ist unterhaltsam und flüssig geschrieben. Man kann es noch heute mit Nuzen lesen, wenn man sich stets bewußt bleibt, es nicht mit einer wissenschaftlich zuverlässigen Charakterstudie, sondern mit einer Halbdichtung zu tun zu haben, in welcher aber der Zeitgeist sich rücksichtslos zu sich selber bekennt. Als mertvolle Ergänzung bringt die Avalun- Ausgabe übrigens die fast zweihundert Bahr lang verschollen gewesenen Aufzeichnungen Flemmings über August den Starten, die den König von den verschiedensten Seiten beleuchten. Des vieljährigen Günstlings Urteil ist umfassender, aber burchaus nicht schmeichelhafter als das des furtölnischen Abenteurers. Nach Flemming erscheint der König durchaus nicht als Don Juan oder Casanova , er ähnelt vielmehr verzweifelt dem reichen Spießer, der sich Geliebte hält, weil er sie zahlen kann. Flemming schreibt: Unter den Bergnügungen hat es ihm die Liebe am meisten angetan. Er hat jedoch nicht so viel Wonne darin gefunden, wie er anderen gern einreden möchte. Zwar hat er Aufsehen erregende Liebschaften gehabt, die er, namentlich am Anfang, gern mit dem Schleier des Geheimnisses umgab, aber er ist nicht der Kühnste in der Liebe gewesen, wie er selbst sagt. So hat er sich faum je der Gefahr ausgesetzt, zurückgewiesen zu werden. Wohl hat er mehrere Aben. teuer gehabt, von denen die meisten sehr zahm waren, er selbst aber hat darin immer romantische Schwierigkeiten vorgegeben. Er hat getan, als ob er eifersüchtig sei; aber tatsächlich ist er nicht sehr wählerisch in seinen Liebschaften gewesen. Er hatte sie gewöhnlich mit Frauen, die schon durch andere Hände gegangen waren. Ja, er hat nicht einmal Kurtisanen, sogar bis zu den gemeinsten, verschmäht. Unbegründet ist also eigentlich selbst der fragwürdige Ruhm, den August wohl zum größten Teil dank dem Buche von Böllnih im Bolte noch hat. Gewiß, er besaß eine lange Reihe von Mätreffen. Aber abgesehen davon, daß Auguft damit seine fönig fichen Bettern aus Frankreich nachahmte, sehr häufig ging der Anstoß zur Liebschaft nicht einmal von ihm, sondern von den Frauen oder ihren Familien aus. Denn fürstlicher Bettschah, wenn auch nur zur linken Hand, zu sein, galt vielleicht beim niederen Volf, nicht aber in den höheren Gesellschaftsschichten als Schande, viel eher als Ehre. Und überdies bedeutete es ein gutes Geschäft, denn das ist wahr: August der Starke ließ sich seine Amouren etwas foften. Er zahlte mit vollen Händen, nicht bloß, wenn die Liebschaft begann, sondern auch bei der Abbantung. Darum darf man auch wohl an nehmen, daß die Jahrzehnte währende Inhaftierung der Gräfin Cofel in Stolpen politische Gründe hatte und nicht etwa erfolgte, meil der König sich seiner Geliebten, deren er überdrüssig war, entledigen wollte. Zu den Geschenken an die Mätressen komen die Standeserhöhungen, die Auguft für sie durchsetzte, dann das Ansehen und der Einfluß, die mit der Stellung einer föniglichen Leibhure perbunden waren und die fich auch auf die Angehörigen ber jeweiligen
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Der Fall Domela.
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Bellage des Vorwärts
sdisli
„ Die Stiebelwichse kenn' ich ein echter Hohenzoller!"
Beliebten erftredten. Kein Wunder also, wenn regelrechte Intrigen gesponnen wurden, um die gerade regierende Mätresse zu stürzen und entweder selber an ihre Stelle zu rücken oder die Tochter des Haufes dahin zu bringen.
Bon solchen Anstrengungen erzählt das Buch von Böllnig oft. und daß er hierin nicht übertreibt, wissen wir auch aus anderen Beugniffen. Geradezu grotest ist es, wie die Gräfin Cofel abgefägt und dem Könige dafür eine Polin, die Gräfin Dönhoff , untergeschoben wurde. Zu diesem schwierigen Werk verbanden sich Fürst von Fürstenberg und Graf von Flemming, mit dessen Cousine, Frau pon Fürstenberg und Graf von Flemming, mit dessen Cousine, Frau von Bebentau. Sehr bezeichnend heißt es bei Böllnitz: es tam jetzt nur darauf an, den König in Brand zu setzen und die Bedenken der Dame zu überwinden. Dieses war nicht schwer; Frau von Bebentau übernahm es, die Gräfin von Dönhoff zu gewinnen. Wenn sie sich fträubt," jagte fie, jo werde ich fie durch ihre Mutter, die Großmarschallin, meine beste Freundin, zur zur Bernunft bringen Laffen. Diese wird gern die Gelegenheit ergreifen, die schlechte Lage zu verbessern, in die fie nach dem Tode des Großmarschalls geraten fönnten." Die Dönhoff machte teine Schwierig feiten, um so mehr aber der König. Die Gräfin war nicht sein Typ, und es war notwendig, ihm politisch zu tommen. Man mußte ihm fagen, die Polen verargen es ihm, daß er sie nicht der Ehre würdigte, auch eine Mätresse ihrer Nationalität zu nehmen. Die Gunst des Bolles aber, dem August seine Krone verdankte, wollte er sich nicht verscherzen, und so ließ er sich herbei, der Gräfin den Hof zu machen. ( Schluß folgt.)
Das Brot.
Bon Peter Polter.
Nachdem ich wieder einmal etwas ungebührlich lange gefaftet hatte, empfand ich plötzlich, da doch etwas geschehen mußte, das dringende Bedürfnis, ein Brot zu stehlen,
Die Bersuchung war zu groß. Es war frühmorgens. Die Straße menschenleer. Dort stand ein Wagen, hochbepackt mit Broten, die föstlich dufteten. Und ich stand zwanzig Schritte davon entfernt, mit bellendem Magen, und betrachtete die Herrlichkeit.
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Ich zählte bis zehn und sagte mir dabei: Wenn der Kutscher, der zu dem Wagen gehört, bis zehn nicht kommt, dann nehme ich ein Der Kutscher tam nicht. Brot und haue ab! Ich näherte mich langsam ein paar Schritte und zählte nochmals bis zehn. Er kam noch immer nicht. Da wollte ich meinen Entschluß ausführen und ging flopfenden Herzens auf die Brote los.
In diesem Augenblic legte fich eine schwere Hand auf meine Schulter, und eine tiefe, ruhige Stimme sprach mich an.
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Tu's lieber nicht.. Tu's lieber nicht, mein Junge! Sieh mal, wenn du es tust, muß ich dich arretieren, und du wirst es dein Leben lang nicht wieder los!"
Ich sah mich erschrocken um und erblickte einen Schuhmann in seiner blauen Uniform, mit einem furzen Eschenknüppel in der Hand. Er war breitschulterig, groß und wohlbeleibt wie die meisten New Yorker Schußleute, und er sah weder gut noch böse aus, während er mich warnend anblickte und den diden Kopf dazu schüttelte.
Ich schlug die Augen nieder vor diesem Blick und schwieg. Hunger und Diebesgelüft waren mir vergangen. Doch eine müde Apathie überfiel mich an ihrer Stelle, so daß es mir nicht einmal einfiel, mich zu verteidigen. Ich hätte ja nur dem Bobby sagen brauchen, daß ich gar nicht die Absicht gehabt hätte, ein Brot zu nehmen! Ich hatte es ja noch nicht einmal angerührt! Aber da es mit dem Brot sowieso vorbei war, hätte ich gar nichts mehr dagegen einzuwenden gehabt, wenn ich jetzt verhaftet worden wäre. Denn auf der Wache hätte ich menigstens ein paar Stunden schlafen können und eine Taffe heißen Tee bekommen.
Aber der Schuhmann dachte gar nicht ans Arretieren. Er sprach mit derselben ruhigen, tiefen Stimme weiter:
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Du wolltest doch ein Brot stehlen, nicht wahr? Gib es nur ruhig zu, es hat nicht viel zu sagen. Ich habe dich nämlich schon eine ganze Weile beobachtet und jeden Augenblick gedacht: Jetzt tut er es. Aber du verstehst das Handwerk nicht, mein Junge. Du haft zu lange gemartet mit dem Zugreifen Sage einmal, warum hast du eigentlich so lange überlegt, wenn du doch Hunger hattest?" „ Ach, geh' zum Teufel," erwiderte ich verzweifelt. Was geht bich das alles on! Enimeber nimm mich mit ober, laß mich laufen!
Dann stehle ich mir an der nächsten Ede was zu essen! Ich halte es nicht mehr aus!"
Aber nicht doch," rief der Schuhmann unwillig. Das wäre die größte Dummheit, die du machen könntest! Sie mal, mir ist es auch einmal so ähnlich gegangen wie dir. Da habe ich mie du an der Ecke gestanden und überlegt, ob ich ein paar Aepfel maufen sollte Na, ich hab's nicht getan, sondern bin zu dem Krämer hineingegangen und habe ihn gefragt, ob er mir nicht was zu essen geben wollte. Das hat er dann getan. Und so habe ich meine fauberen Papiere behalten und bin später bei der Polizei an gekommen. Seitdem geht es mir gut!"
„ Schön! Aber was nutzt mir das?" heulte ich ihn an. Sol ich etwa deshalb weiter hungern?"
sicher nicht. Deshalb rede ich doch mit dir, du Schafskopf!" sagte der Schußmann. Komm einmal mit."
Wir traten zu dem Brotwagenkutscher, der inzwischen aus dem Hause gelommen war und uns neugierig betrachtete.
Hallo, Andy," sprach ihn der Schutzmann an. Hier ist ein junger Kamerad, der nichts zu essen hat. Er wollte dir eben ein Brot wegnehmen, hat sich's aber überlegt. Hast du nicht einen kleinen Happen für ihn übrig?"
Der Kutscher bruminte und sah mich ungnädig an. Aber mein Beschüßer ließ nicht locker. Wenn's auch nur altbacken ist, Andy, wir sind nicht verwöhnt," redete er ihm zu.„ Es kann uns allen mal schlecht gehen, nicht wahr? Da müssen wir uns eben gegenseitig helfen."
Da langte der Kutscher schweigend in den Korb und warf mir einen kurzen, dicken Brotlaib herüber, den ich mit beiden Händen auffing.
Der Bobby aber knuffte mich lachend mit einem Stock in die Rippen und sagte:„ Na siehst du, es geht auch so! Immer nur dreist fragen! Einer gibt schon was!"- Dann ging er breitbeinig davon und ließ mich stehen.
Seine Logik wollte mir zwar nicht einleuchten, aber ich fümmerte mich nicht weiter darum. Ich biß verhungert in mein Brot hinein und begann zu kauen, daß die Kinnbacken knackten.
Erst als ich satt war, dachte ich wieder an den Schuhmann und seine Reden. Und da kam ich zu dem Resultat, daß er doch ein außerordentlicher Mensch war, obwohl er die unbeliebte Uniform trug. Aber ob er sich wohl auch so menschlich gezeigt hätte, wenn die Straße voller Menschen gewesen oder ein Borgesetzter dabei gestanden hätte? Ich weiß nicht recht. Die Leute sind darin so sonderbar..
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Elben- Gärten. Der Eibenbaum, der heute zu einem Einsiedler im deutschen Walde geworden ist, hat mit seinem gewaltigen Ünterholz das Bild des germanischen Urwaldes bestimmt, und seine schwarzgrünen Nadeln gaben den römischen Geschichtsschreibern Anlaß, von den düsteren Wäldern zu reden, die das Land der Germanen bedeckten. Wie häufig die Eibe noch im Mittelalter war, zeigen noch die zahlreichen Ortsnamen, die aus dem Namen dieses in die moderne Forstwirtschaft, und so ist sie denn allmählich zu Baumes gebildet find. Aber seit langem paßt die Eibe nicht mehr einem Denkmal der Vergangenheit geworden, das sich nur noch selten in deutschen Landen findet. Der größte Eibenbestand Deutschlands , der sogenannte Biesbusch" in der Tucheler Heide , ist uns mit der Abtretung westpreußischen Landes verlorengegangen. Es gibt aber immer noch einige große Eibengärten" in Deutschland , von denen im Naturforscher" berichtet wird. Die größten Eibenbestände mit erragebiet. Die mächtigsten dieser alten Bäume stehen an zufammen über 7000 Bäumen finden sich in Hessen , und zwar im dem Badenstein, einem Muschelfaltberg bei der niederhessischen Kreisstadt Wigenhausen. Hier gibt es ein Dugend Eiben, von denen die stärkste 2.40 Meter Stammumfang befigt. Ihr hohes Alter, das weit über 1000 Jahre hinausgeht, wird durch die Muschelkalkschichten erwiesen, die zwischen den Wurzelanläufen liegen und heute etwa Meter höher find als der vom Wasser abgetragene Hang. Kleine im Bodetal und in der Vorderrhön. Hier liegt der berühmte Eibenwälder befinden sich außerdem im oberbayerischen Baterzell, 3bengarten" von Gladbach- Derbmach im Eisenacher Oberland, dessen Besuch Dr. Minna Lang jedem Rhönwanderer empfiehlt. In diesem staatlich geschützten Eibenwaldrest stehen über 400 prächtige Bäume auf dem Muschelfalt mitten im Buchen und Lärchenwald. Die Eibe ist ja auf den Halbschatten anderer Holzarten angewiesen. Auch find die 70 ältesten Eremplare Zeugen einer uralten Bergangenheit, die wohl über 1000 Jahre zurückreicht. Die Bäume find in einem trefflichen Zustand; junger Nachwuchs ist reichlich vor handen, so daß an eine Abnahme der Eibenbestände für die nächste Beit nicht zu benten ist.