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Nr. 332 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 169

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Der Borwärts" mit der illustrier. ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen"," Aus der Filmwelt", Frauenstimme", Der Kinder freund". Jugend- Borwärts", Blid in die Bücherwelt" und Kultur. arbeit" erscheint wochentäglich zwei mal, Sonntags und Montags einmal.

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Sozialdemokrat Berlin "

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Sonnabend, den 16. Juli 1927

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Bostichedkonto: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Ballstr. 65: Distonto- Gesellschaft, Devontentaffe Lindenste. 3.

Wien abgeschnitten!

Seit 8 Uhr abends kein Drahtverkehr mehr.- Drahtverkehr mehr.- Generalstreik Generalstreik nach erfolglofen Verhandlungen mit Seipel. Seipel.- Schwere Schwere Kämpfe, zahlreiche Tote und Ver­wundete. Justizpalast und Reichspost" brennen.

Wien , 15. Juli, 7 Uhr abends.( Eigener Drahtbericht.)| erhielten. Wir wiederholen kurz den Inhalt und fügen daran| Beitertagung des Barlaments faum möglich sein Die Zahl der Toten, die bisher festgestellt ist, beträgt über die seither eingetroffenen Meldungen. 40, die Zahl der Verwundeten über 200.

Generalstreik proklamiert.

Prag , 15. Juli. ( WIB.) Meldungen, die aus Wien hier ein­gingen, bejagen:

Das Präsidium der österreichischen Sozial. demokratischen Partei trat heute mittag zufammen und er­Flärte fich in Permanenz. Auch das ganze Plenum des Ausschusses der Gewerkschaftszentrale wurde zur Mitarbeit eingeladen. Ueber bieje Tagung wurde bisher kein offizieller Bericht ausgegeben, doch berlautet, daß beschloffen wurde, für Wien und Umgebung den Generalstreit der gesamten Arbeiterschaft zu proflamieren. Det Streit joll auch auf die Buchdrudereibetriebe ausgedehnt werden. Bon den Wiener Blättern wird morgen nur die Arbeiferzeitung er­fcheinen.

Die Straßenbahnangestellten und die Beamten des Boft- und Telegraphendienstes haben sich mit der Arbeiterschaft solidarisch er­Elärt. Bisher ist es ungewiß, ob auch die Eisenbahnangestellten den Dienst einstellen werden.

Nach einer um 19 Uhr eingegangenen Meldung soll das Prä­fidium der österreichischen Sozialdemokratischen Partei beschlossen haben, eine Deputation zum Bundeskanzler Dr. Seipel zu entfenden, um ihn zum Rüdfritt aufzufordern.

Ruhigere Lage am Abend.

Preßburg , 15. Juli. ( WIB.) 22.20 Uhr. Die letzten Nachrichten über die Ereigniffe in Wien , welche von der Grenze hier nach 22 Uhr einlangten, laufen noch immer sehr unbestimmt. Bei den heutigen Unruhen sollen 40 personen getötet und 700, darunter 13 Polizisten, verwundet fein. Gegenüber den Nachrichten, welche in Preßburg um zirka 20 Uhr eintrafen, und die bejagten, daß sich die Lage in Wien zugespitzt hätte, heißt es jetzt, daß es in den Abendstunden in Wien ruhiger zuging, und daß die Polizei und der Republikanische Schuhbund Ordnung machen. In verschiedenen Straßen feien noch Plänteleien im Gange, aber nur mehr zwischen dem plündernden Mob und der

Polizei.

Telephonstreik.

Als morgens die Arbeiter von Wien das freisprechende Urteil der Geschworenen über die Arbeitermörder von Schattendorf er­fuhren, bemächtigte sich ihrer stürmische Empörung. Das Personal der städtischen Straßen- und Stadtbahn stellte den Verkehr von 8 bis 9 Uhr morgens still. Eine Parole zu irgendwelchen Demonstra­tionen oder sonstigen Aktionen ist von der Sozialdemo fratischen Partei nicht ausgegeben worden.

Eine Reihe von Betriebsversammlungen beschloß, sofort die Ar­beit niederzulegen und auf die Ringstraße vor das Parlament und das Rathaus zu ziehen. Gegen halb 10 Uhr morgens trafen die ersten Züge vor dem Parlament ein. Es wurde eine Abordnung testieren. Die demonstrierenden Arbeiter warteten in Ruhe. in bas Parlament entfendet, um gegen das Urteil zu pro­testieren. Die demonstrierenden Arbeiter warteten in Ruhe. Inzwischen aber war von der Polizeidirektion auf dem Schotten­ ring ein Trupp berittener Polizisten zum Parlament entfandt wor den. Der Führer der Berittenen wußte offenbar nicht, worum es fich handelfe und gab seiner Mannschaft ohne ausreichenden Grund den Befehl, die Straße vor dem Parlament von den Demonstranten zu räumen. Dem Vorgehen der Polizei wurde Widerstand entgegengesetzt.

Dies hatte wieder zur Folge, daß Polizeitrupps aus allen Stadt­teilen herbeigeschafft wurden. Es entspann sich vor dem Parlament ein Hin und Her zwischen der Polizei und den Arbeitern, wobei wahrscheinlich auch Demonstranten dem gewaltsamen Borgehen der Bachleute gewaltsame Abwehr entgegenfeßten. Es follen gegen die Bache Steine geworfen sein.

Die Polizei schießt.

Nun hieb die Polizei mit Säbeln ein, bald fielen auch Schüsse der Polizei. Die Rettungsgesellschaft war andauernd mit der Ber­gung der Toten und Bermundeten auf dem Kampfplatz beschäftigt. Inzwischen hatten sowohl die Straßen- und Stadtbahn als auch die Autobusse ihren Betrieb wieder eingestellt. Der Waffengebrauch der Bolizei stachelte die Er regung der Demonstranten zur hellen ut an.

Der Justizpalast in Brand gesteckt.

Der Abzug der Polizei.

Biel schlimmer aber ist die Situation gegenüber dem Parlament: Da unter den Massen sich die Meinung rasch verbreitete, daß die Bolizei aus dem Justizpalast geschossen habe, wurde dieses Gebäude, in dem sich die Obersten Gerichte befinden, gestürmt. Viele Atten wurden in die Borhalle geschleppt und ein großer Scheiter haufen daraus errichtet, der angezündet wurde. Das Feuer griff rasch um sich, da es an den Holzmöbeln, Tuchbelagen usw. Nahrung fand, so daß der Justizpalast ein Feuerherd wurde. Die Feuer In der achten( 20.) Abendstunde hat Wien den Fernwehr konnte die Löschungsarbeit nicht aufnehmen, da sie von den sprechverkehr über die Grenzen Deutschösterreichs eingestellt, Demonstranten behindert wurde, nahe genug an den Justizpalast auch wir fonnten seither nicht mehr mit Wien sprechen. Die heranzukommen. Einstellung ist zweifellos das Werk der Organisation des Fernsprechpersonals, denn die Bundesverfassung Deutsch­österreichs gibt der Regierung feinerlei Möglichkeit irgend welcher Ausnahmeverfügungen. Wiederholt ist als äußerstes Drudmittel bei Lohnbewegungen des stramm organisierten Personals diese harte Maßnahme angewendet worden. Ge­rade jetzt ist aber eine Lohnbewegung nicht im Gange, und darum wird man in der Stillegung des Drahtverkehrs eine Bestätigung der Meldungen zu sehen haben, daß die Gemert­schaften in Wien den Generalstreit proflamiert haben. Dies aber würde beweisen, daß den Arbeitern denkbar schwerstes und aufreizendes Unrecht zugefügt worden sein muß. Denn leichten Herzens und ohne genügenden Grund beschließen erprobte alte Gewerkschaftsführer, die in Wien ebenso in der Leitung sigen wie in Berlin , den Generalstreit nicht! Freilich sollten gerade die Genossen am Klappen­schrank bedenken, daß die Unterbindung des Auslandsverkehrs gerade auch der Arbeitersache sehr nachteilig sein kann!

Der sozialdemokratische Parteivorstand mar inmitten des Sturmes auf der Ringstraße im Parlament zusammengetreten und hatte sich sofort mit der Bundesregierung und dem Polizeipräsidenten in Berbindung gefeßt, mit dem Ergebnis, daß die Polizei aus dem Kampfviertel zurüdgezogen worden ist und starte Abteilungen des Republikanischen Schuhbundes und uniformierte Straßenbahner den Ordnungsdienst in der Gegend des Barlaments übernommen haben.

Da auch die Zeitungsseger und Druder in den Proteststreit ge­treten find, fonnten die Mittagsblätter und Abendblätter nicht er­scheinen. Die Kämpfe beschränkten sich auf die Gegend des Par­laments, sonst ist in der Stadt nichts vorgekommen. Auch in Biener­Neustadt kam es infolge der Schattendorfer Freispruchs zu großen

Demonstrationen der Arbeiter.

Sämtliche Parlamentsausschüsse

auf

Dienstag vertagt, allgemein herrscht die Auffassung, daß eine

Das Reichsschulgesetz.

In einem Teil unserer geftrigen Abendausgabe haben mir Die Reichsregierung hat gestern abend den bie Agenturmeldungen über die blutigen Zusammenstöße in Bien durch einen eigenen Bericht ersetzen können, den mir Entwurf des Reichsschulgesetes veröffentlicht. am 2 Uhr nachmittags pon umjeren Wiener Barteigenoffen Wortlaut 3. Seite des Hauptblattes.

mird. Die fozialdemokratischen Abgeordneten beschlossen, dahin zu wirken, daß der Zuzug von Arbeitern aus den Vorstädten zum Parlament aufhört.

Gegenangriff der Polizei:

Einige Zeit nach ihrem Abzug erschien die Polizei, vom Präfi­denten Schober auf Betreiben der bürgerlichen Parteien mit Rarabinern bewaffnet, wieder und beschoß die Schutz= bündler und Demonftranten mit Galvenfeuer. Selbst das Rathaus wurde getroffen und im Rathaus Personen tödlich getroffen oder verlegt.

et

Die Polizei hat das Feuer eröffnet! Entgegen der Weisung des Landeshauptmanns!

Wien , 15. Juli. ( TU.) Kurz vor 14 Uhr hörte man vor dem Barlament aus der Richtung des Bezirks Josefstadt Gewehrschüsse, mas eine allgemeine Panit hervorrief. Der Polizeipräsident hat dem Drängen bürgerlicher Polititer, darunter des Präfiden­ten des Nationalrats, nachgegeben, und stärkere Polizeiabteilungen, mit Karabinern ausgerüstet, zum Justizpalast und zum Ra! haus gesandt. Inzwischen war unter den Demonstranten das falsche Gerücht verbreitet worden, daß Militär von außerhalb Wiens anrüde. Infolgedessen begannen die Demonstranten das Rathaus mit Barrikaden zu umgeben, in der Annahme, daß das Militär zunächst dieses Gebäude besezen werde. Die Feuerwehr fonnte endlich bis in die nächste Nähe des brennenden Justizpaloftes vordringen und mit dem Löschen beginnen.

Gegen 14 Uhr gab

die Polizei gegen das Rathaus und die umliegenden Straßen, in denen Schutzbündler Aufstellung genommen hatten, Salven

ab. Im Rathaus wurden ein Magistratsbeamter und ein Arbeiter erschossen und fünf weitere schwer verletzt. Die Polizei feuerte ununterbrochen.

Auf die Nachricht von den blutigen Borgängen in Wien find aus der Provinz 3üge mit Schußbundmannschaf= ten abgegangen. In den Beratungen der Barlamentarier spielt das Wort Bürgerkrieg

bereits eine große Rolle. Auch die gemäßigteren Sozialdemokraten glauben, daß man ohne Proklamierung des Generalstreits nicht zu Ende kommen werde, zumal die feste Absicht besteht, die Regierung zur Demission zu zwingen. Zweifellos wird auch der Polizeipräsident von Wien , Schober, seinen Posten faum behalten können. Der Polizeipräsident untersteht nämlich dem Bürgermeister von Wien in dessen Eigenschaft als Landeshaupt­mann. Es herrscht nun in sozialdemokratischen Kreisen

helle Empörung darüber, daß der Polizeipräsident sich dem aus­drücklichen Befehl des Bürgermeisters widersetzt hat, wonach die Polizei nur zur Abwehr eigener Lebensgefahr von der Wasse Gebrauch machen solle.

Sturm auf bürgerliche Zeitungen. Wien , 15. Juli, 3 Uhr nachmittags.( Eigener Drahtbericht.) In der Menge, die den brennenden Justizpalast umgab, hörte man plöglich den Ruf: Zu den bürgerlichen Zeitungen, die find an allem schuld, die sollen für Schattendorf büßen!" Einige Gruppen lösten sich aus der Menge, die den Justizpalast umgab, und zogen zu der christlichsozialen Reichs post", die von einigen Polizisten bewacht wurde. Die Polizisten zogen sich zurück. Nun praffelten Steine gegen das Haus. Nieder mit der Heßpresse, Rache wurde zertrümmert und eingestoßen. Cinige Demon­für Schattendorf!" erklangen die Rufe. Das schwere Tor stranten drangen in das Gebäude ein und begannen die Zeitungen in großen Stößen zum Fenster herauszuwerfen. Man las die Auf­schrift der heutigen Frühnummer Ein flares Urteil", die wie der folgende Artikel das Schattendorfurteil verherrlicht. Die Empörung der Menge wuchs. Einer hielt ein brennendes Holzscheit an das Bapier und im nächsten Augenblick schlugen die Flammen empor. Ebenso ging es der reafiionären Deutschösterreichischen Tages­zeitung". Sie wuchsen und hüllten balb bas ganze Gebäude ein. Als einer den Borschlag machte, die Maiginen au geritören