Nr. 332 44.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Rund um den Plessower See.
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Schön ist's in Werder am Wochentag, aber wer hat dann Zeit? Jedoch gibt es Mittel und Wege Wege im wahrsten Sinne des Wortes-, um auch am Sonntag Werder und seine Schönheit zu genießen, ohne von den Massen gestört zu werden, die da glauben, Freude und Erholung uns mit Krach und Lärm verleiden zu müssen.
Bom Bahnhof Werder geht man die Straße, die parallel zur Bahn führt, entlang und dann rechts ab über die Bahn überführung auf die Chaussee nach Phöben, die von Autos nicht wesentlich belästigt wird. Nach kurzer Wanderung hat man die Häuser hinter sich und ein Rückblick auf die zur Magdeburger Bahn abfallenden, reich mit Obstbäumen bestellten Nordhänge der Werderschen Berge ift lohnend. Man geht gen Bhöben etwa eine Stunde. Zur Rechten hat man Obsifiedlung an Siedlung und darüber hinaus das Wasser des fleinen Zernfees. Diese Siedlungen find erst nach dem Kriege entstanden und umfangreiche Waldungen haben ihnen weichen müssen. Es ist sehr interessant festzustellen, wie sich hier und rings um Werder, angeregt durch das Werderfche Beispiel, die kleine Obstsiedlung ausdehnt. Auch in nächster Nähe des Dorfes Phöben, geologisch berühmt durch seine Tongruben, hat man zur Rechten den Wald abgeholzt und Obstgärten angelegt. Bon Phöben tann man sich nun auch nach Alt- Töplih übersehen lassen, um von dort über Grube und Bornim nach Potsdam zu gehen. Diesmal aber geht es in umgekehrter Richtung. Dicht bei dem Dorf erheben sich die Berge der Phöbener Heide, die zu besteigen sich lohnt. Von der Höhe hat man einen überraschend schönen Blick auf die weite Niederung mit dem an wolkenlosem Tag tiefblauen Band der heimat lichen Havel . Im Hintergrund die Türme von Potsdam , zur Linken die erheblichen Höhen der Göher Berge, die den Anblick der Türme
Die Silberschwärme
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[ Nachbeud verboten
Autorisierte Ueberjegung aus dem Englischen von Julia Roppel Sie stiegen die Stufen zu dem vorderen Haus hinauf, öffneten die Tür ohne anzuflopfen, traten ein und warfen ihre Bündel auf den Boden. Eine Indianerin erschrat so sehr bei ihrem unerwarteten Erscheinen, daß sie einen Topf, den sie in den Händen hielt, verlor, und sie entgeistert anstarrte. ,, Diesmal scheinen wir an den richtigen Ort gekommen zu sein," bemerkte Emerson, indem er sich umblidte ,,, es ist ein Kaufladen!"
Darauf befahl er der Frau kurz und barsch: Wir wollen ein Nachtlager und etwas zu essen."
Längs der Wände waren Borde mit Waren, während auf dem Ladentisch Kleidungsstücke, Felle und alles mögliche lagen. Ein großer Ofen verbreitete Wärme und einen rötlichen Schein im Raum.
Was du wünschen?" fragte die Indianerin, indem sie auf sie zuging.
Boyd Emerson, der im Begriff war, seinen Belz auszuziehen, sah, daß sie taum mehr als ein Kind war, ohne Zweifel eine Eingeborene, aber fauber gekleidet, ihre Haut war hell und das schwarze Haar war hübsch ordentlich im Nacken aufgesteckt.
,, Etwas zu essen und ein Lager zum Schlafen!" antwortete er auf ihre Frage.
,, Ihr nicht könnt hier bleiben," antwortete das Mädchen bestimmt.
,, Doch, doch," sagte Emerson, hier ist Raum genug und Eßwaren die Hülle und Fülle," er zeigte auf die Borde mit den Konserven.
Ohne zu antworten, rief die Indianerin jetzt mit lauter Stimme: Constantine, Constantine!"
Eine Tür zum Nebenzimmer wurde geöffnet, und ein groß gewachsener Mann erschien auf der Schwelle, der schnell und lautlos näher kam.
,, Ah, das ist ja unser Freund mit den Eichhörnchen schwänzen," rief Fraser. Guten Abend, Constantine!"
Es war der fupferfarbene Eingeborene, der sie aus dem Flusse gerettet hatte. Obgleich er sie sicher wiedererkannte, war fein Entgegenkommen in seinem Wesen. Das Indianer mädchen redete mit einem aufgeregten Wortstrom, den die Männer nicht verstanden.
von Brandenburg verdecken. Man geht, und muß sich daher ein wenig von seinem Richtungsgefühl leiten lassen, den Höhenrüden gen Süden entlang, durchschreitet eine Einsattelung und tommt abermals auf eine Höhe, die wieder eine neue Ueberraschung birgt. Zu Füßen ein langgestreckter See, der Plesfower, umrahmt von den Werderschen, Glindower und Plötziner Obstbergen. In furzem ist man in dem Gutsdorf Kemnih, an dem die Magdeburger Züge vorbeirauschen und das mit dem Schloß derer von Briegte und mit bescheidenem Kirchlein ein freundliches, bisher faum noch von Auto- und Touristenlärm gestörtes Idyll ist. Nun wandert man auf ebenen Wegen um das Nordende des Pleffower Sees herum und steht, nach einer guten halben Stunde völlig überrascht vor einem verfallenen Haus, der Schloßruine Zolchow. Vor dem Krieg konnte man sich von Kemniz nach der Ruine übersehen lassen. Heute ist das nicht mehr möglich. Man muß sich, und das ist beinahe noch schöner, dieses Erlebnis erwandern. Mit nicht unberechtigtem Mißtrauen betrachtet man das Innere. Auf den morschen Balfen und Decken turnt trop Berbots allerlei junges Bolt herum.
Ruine Zolchow und Schloß Plessow.
Man ist, vollkommen unvorbereitet, in der Tat überrascht, wenn man eine Bahnstunde und eine Wanderstunde von Berlin entfernt auf das melancholisch stimmende Gemäuer stößt. Wer weiß auch etwas von der Schloßruine 3olchow, die nach den Ausmaßen feineswegs wie die Reste eines einst stolzen Schlosses anmuten. Der ehemalige Hofrat Schneider hat die Vergangenheit des Schlosses erforscht und er nennt den Königlichen Amtsrat v. Kähne auf Bezow, den Vater des heutigen Schieß- Kähne, als einen Augenzeugen dafür, daß das Schloß einft von einem hohen Wall und tiefen Graben umgürtet gewesen sei und daß eine Zugbrüde hinübergeführt habe 1806 sollen Wall und Graben eingeebnet worden sein, und tatsächlich läßt der heutige Zustand der näheren Umgebung nicht vermuten, daß irgendwie bedeutende Schußanlagen bestanden haben. Man darf sogar annehmen, daß über Wall und Graben allerhand fabuliert worden ist, denn die ganze Anlage läßt faum darauf schließen, daß irgend eine ernst zu nehmende Umwehrung je bestanden hat. Zum erstenmal wurde Bolchow im Jahre 1290 genannt, und hundert Jahre später galt es bereits als Vorwerk zu leffor. 1528 erwarb es der märkische Junker von Rochow auf Blefsow, und im Besitz dieser Familie, die das alte Schloß feineswegs pfleglich behandelte, ist es noch heute. Nicht lange mehr, dann sind die noch vorhandenen morschen Balten weggefault und die fahlen Mauern bleiben übrig. Aber es ist ein in seiner Verstecktheit idyl lisches Plätzchen, an dem sich gut rasten läßt. Nicht gar weit ist es von hier nach Blessom, der alten Residenz des sehr alten märkischen
,, Sie nicht können hier bleiben," sagte Constantine schließlich, riß die Tür auf und zeigte in die Dunkelheit hinaus.
,, Wir kommen von weit her und sind müde," versuchte Emerson friedlich zu verhandeln, indem er sich mühsam beherrschte ,,, und wir werden euch eure Mühe gut bezahlen." Nein," antwortete Constantine unerbittlich. Emerson stellte sich vor dem Indianer auf und sagte mit einem Klang in der Stimme, der nichts Gutes ahnen ließ: Wir sind müde und wir bleiben hier, verstehst du! Sage deiner Squaw, daß sie uns etwas zu essen geben soll. Schnell!"
Das Gesicht des Eingeborenen glühte vor 3orn. Ohne die Tür zu schließen, ging er auf die Fremden zu. Seine drohende Haltung war nicht mißzuverstehen; bevor er aber seinen Angriff zur Ausführung bringen fonnte, wurde er von einer weichen Stimme aus dem Hintergrund des Zimmers zurückgehalten: ,, Constantine!"
Die Reisenden drehten sich hastig um. Dort stand wie ein Relief, das sich von dem dunklen Hintergrund abhob, die blonde Frau, der sie ihre Rettung verdankten. Sie ging ihnen freundlich lächelnd entgegen, indem sie sich offenbar über ihr Erstaunen amifierte.
,, Was gibt's hier?" fragte sie Constantine. " Diese Männer nicht hierbleiben können," rief Conftantine heftig, du sprechen, ich sie hinauswerfen."
Ich bitte um Verzeihung," begann Emerson ,,, wir hatten nicht die Absicht, hier mit Gewalt einzudringen, aber wir sind ganz erschöpft vor Hunger und Müdigkeit, und überall hat man uns Obdach verwehrt. Wir waren so verzweifelt.
Ja."
Sie sind bei den Fabriken gewesen?" fragte die Dame. ,, Und man hat Sie an den Miffionar verwiesen?" ,, Allerdings."
Sie lachte leise, mit einer weichen Altstimme. ,, Der Bater ist seit einem Monat fort, und wenn er da gewesen wäre, hätte er Sie auch nicht aufgenommen."
Sie richtete einige Worte auf Aleutisch an das Indianermädchen und machte Constantine ein Zeichen, worauf die beiden Eingeborenen sich zurückzogen, Constantine wider ftrebend, wie ein Hofhund, dessen Mißtrauen noch nicht ganz geschwunden ist.
,, Es freut uns, daß wir Gelegenheit haben, Ihnen für Ihre Hilfe heute nachmittag zu danken," sagte Emerson. Hätten wir geahnt, daß Sie hier wohnten, würden wir nicht auf so ungeziemende Weise eingedrungen sein." Er fühlte sich durch die Lage bedrückt, die Frau aber ersparte ihm weitere Entschuldigungen, indem sie sagte:
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Sonnabend, 16. Juli 1927
Geschlechts von Rochow( Eberhart von Rochow auf Reckahn bei Brandenburg 1734 bis 1805 hat übrigens einen ehrenvollen Ruf in der Geschichte des preußischen Erziehungswesens als Refor mator und Förderer des preußischen Boltsschulwesens). Schloß und Schloßpart sind nicht zugänglich. Das Schloßarchiv birgt wertvolle Urfunden zur märkischen bzw. brandenburgisch - preußischen Ges schichte. Zur Zeit der Fliederblüte ist es in Plefsom besonders schön.
In Plessow hört der Wanderer bereits das Toben der Motore und das Schrillen der Hupen, denn unweit geht die Berlin - Branden burger Chaussee vorbei. Bei einigermaßen trockenem Wetter geht man lints unmittelbar hinter dem Gut einen Feldweg bzw. Wiesenmeg entlang, der die üble Chaussee vermeidet und erst furz vor Blindow an sie herankommt. Man biegt um die Südfpizze des Blefsower Sees herum, gelangt auf die Südwestseite der Werderschen Obstberge und ist jetzt mitten drin im Obstparadies, gerät nunmehr auf furze Zeit in die Massen der Ausflügler und fann, um das Eintrittsgeld der Berglokale zu vermeiden, durch den wunderschönen keffelgrund abwärts zum Bahnhof Werder traben.
Urkundenvernichtung Amtsunterschlagung?
Zuchthaus um zwei erbrochene Briefe.
Ein für allemal hat das Reichsgericht entschieden: Erbricht ein Boftbeamter einen Einschreibebrief und entwendet den Geldinhalt, so ist der Tatbestand der Urkundenvernichtung zweds Erlangung von Vermögensvorteilen gegeben. Der§ 349 RStrGB., der hierfür zuständig ist, fennt aber nur zuchthausstrafe; mildernde Umstände läßt er nicht gelten. Mag die entwendete Summe noch so gering sein, ein Jahr Zuchthaus ist Mindest strafe. Eine Bewährungsfrist fann unter solchen Umständen nur nach Verbüßung eines Teiles der Strafe zuerfannt werden. Diese Rechtsprechung ist neueren Datums; früher erkannten die Gerichte in ähnlichen Fällen auf Gefängnis, weil sie im Einschreibebrief seine Urkunde im Sinne des§ 349 sahen. Der Gesetzgeber hat sich wohl nicht träumen lassen, daß die Rechtspraxis auch in eingeschriebenen Briefen Urfunden erblicken würde, sonst hätte er vielleicht ebenso, wie der Entwurf dies tat, bei Urkundenvernichtung die Buerkennung mildernder Umstände ermöglicht. Mehr als einmal find bereits interessierte Stellen wegen der Ungeheuerlichkeit dieses Paragraphen im Reichstag vorstellig geworden. Erst das neue Strafgesetzbuch wird die ersehnte Milderung bringen!
Die Härte des Paragraphen sollte vor einiger Zeit auch ein Beamter in einem Berliner Vorort verspüren. 21 Jahre lang hatte er als Postbeamter treu seine Pflicht erfüllt. Vater von vier Kindern, von denen zwei frank sind, Mann einer Frau, die nach einer Fehlgeburt siech darniederliegt, tam er mit seinem Ge halt nicht mehr aus. Die Vereinsdarlehnskasse half ihm zeit. weise aus größter Not; die entliehenen Summen wurden von seinem Gehalt abgezogen. Da vergriff er sich an einigen eingeschriebe. nen Briefen, deren Beförderung er als Post assistent zu überwachen hatte. Die Anklage legte ihm zwei Fälle zur Laft; es bestand der Berdacht, daß es noch mehr gewesen seien.
Das Gericht erster Instanz ging über die Mindeststrafe hinaus und verurteilte ihn zu 1 Jahr 3 Monaten Zuchthaus . Für den Rest der Strafe nach Verbüßung von 9 Monaten wurde ihm Bewährungsfrist zugebilligt. In der Berufungsverhandlung, die unter dem Vorsitz dse Landgerichtsdirektors Peltason stattfand, versuchte der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Bäcker, die rechtlichen Grundlagen der berüchtigten Reichsgerichtentscheidungen, die in Einschreibebriefen amtliche Urkunden erblickt, zu erschüttern; es liege allein eine Amtsunterschlagung vor, meinte er; dies sei früher auch die Ansicht der Gerichte gewesen. Die Kammer machte sich jedoch den Standpunkt des Reichsgerichts zu eigen und verwarf die Berufung. Die Strafe milderte sie aber auf zwei Monate herab. Für einen nicht vorbestraften Menchen, sagte Landgerichtsdirektor Peltason, ist selbst die Minbest strafe als erheblich hart zu bezeichnen.
Das ist es eben: auch die Richter haben das Bewußtsein, daß die im Gesez festgelegte Strafe in teiner Weise den Umständen entspricht; sie sind aber nicht dazu zu bewegen, durch Auslegung ein milderes Gesetz in Anwendung zu bringen. Die Bostbeamten sollten sich dies merken und sich selbst in der größten Not nicht an den ihnen anvertrauten Geldern vergreifen; sie gefährden dadurch nicht allein ihre Freiheit, sondern sehen auch ihre eigene und die Eristenz ihrer Familien aufs Spiel.
,, Ach, das hat nichts zu sagen; ich habe Sie schon seit mehreren Stunden erwartet. Sehen Sie, Constantines kleiner Bruder hat Masern, und darum mußte ich zu ihm eilen, bevor die Eingeborenen dem kleinen Burschen ein russisches Bad gaben und darauf in den Schnee hinausstellten- bei den Eingeborenen gibt es für alle Krankheiten nur diese eine Art der Behandlung. Das war der Grund, weshalb ich heute mittag nicht verweilen und Ihnen ausführliche Erflärungen geben konnte."
Wenn Ihr... Bater..." Die Frau schüttelte den Kopf. ... oder Ihr Mann zugegen ist, würde ich gern mit ihm verhandeln und für einige Tage ein Zimmer mieten. Was die Bazhlung anbelangt.
Abermals tam sie ihm zu Hilfe.
,, Ich bin hier der Herr im Hause; diese ganze Herrlich feit gehört mir!" Sie machte eine scherzhaft majestätische Bes wegung mit ihrer schlanken, weißen Hand und zeigte auf die primitive Umgebung, während sie so lustig lächelte, daß Boyd Emerson alle Feierlichkeit und Gedrücktheit vergaß.
,, Bleiben Sie so lange wie Sie wollen; Sie sind mir als Gäste herzlich willkommen. Constantine schäßt meine Gastfreiheit allerdings nicht, er behandelt alle Fremden gleich, ohne Ansehen der Person, weil er fürchtet, daß sie zur Gesellschaft gehören. Als Sie bei Anbruch der Dunkelheit noch nicht eingetroffen waren, dachte ich, er habe diesmal wirklich recht gehabt, und daß einer der Aufseher Sie aufgenommen habe."
und aus seinem eigenen Hause herausgeworfen!" erklärte Fraser, indem er sich brüstete.
,, Wir haben einen von ihnen beim Kragen genommen
,, Die Aufseher haben den Befehl, daß sie feine Fremden aufnehmen dürfen," erklärte die Dame, wer dem Befehl zuwiderhandelt, verliert seine Stellung. Darf ich Sie jetzt aber bitten," fuhr sie mit einer allerliebsten Hausfrauenmiene fort ,,, es fich bequem zu machen. Constantine fann inzwischen für Ihre Hunde sorgen. Das Mittagessen wird bald fertig fein. Ich hoffe, Sie werden mir das Vergnügen machen, mir dabei Gesellschaft zu leisten," schloß sie mit einer Liebens würdigkeit, die Emerson von neuem in Verlegenheit brachte. Er murmelte: Mit Bergnügen!" während er darüber nach fann, wer diese Frau sei, die, mit soviel Sorgfalt gekleidet, in solcher Umgebung lebte. Sie war ungewöhnlich hübsch und bewegte sich mit Anmut und Würde. Wer tonnte sie sein? Woher fam sie und was in aller Welt machte sie hier?
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( Fortseßung folgt.)