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Nr. 334 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 170

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Sonntag, den 17. Juli 1927

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Neue Kämpfe in Wien .

Kommunisten schießen in Arbeitervorstädten gegen die Polizei. die Polizei. - Der Schutz­bund zurückgezogen.- Fortdauer des Verkehrsstreiks. des Verkehrsstreiks.- Sozialdemokratischer Aufruf gegen die Kommunisten.

Die gestrige Demonstration vor dem Parlament, die zu jo furchtbaren Folgen führte, war nicht von den kommu­nisten inszeniert; zum mindesten gibt es feine Beweise da­für, daß das der Fall gewesen wäre. Sie entsprang spontan der ungeheuren Erregung der Arbeiter über die Freisprechung der Schattendorfer Mörder. Als sie schon im Gange war, taten die Kommunisten alles, um sie in ihrem Sinne aus­zunutzen. Daraus und aus dem unbeherrschten Vorgehen einiger Kommandanten der Polizei entstanden die Zusammen­flöße und blutigen Kämpfe. Nach den Nachrichten, über die die Sozialdemokratische Partei verfügt, find bisher etwa

60 Tote und 600 Verwundete

zu zählen, doch mögen diese Angaben nicht vollständig sein. Dem Bersuch der Partei, die Bewegung in ruhigere Bahnen zu leiten, warfen sich die Kommunisten im Laufe des heutigen Tages mit aller macht entgegen. Troß ihrer bekannten zahlenmäßigen Schwäche gelang es ihnen, unfer Ausnutung der ungeheuren Erregung, auf Teile der Arbeiterschaft Ein­fluß zu gewinnen. Das war besonders in den Arbeiterbezirken Favoriten, Hernals und Ottakring der Fall, wo

ein Dachschützenkrieg gegen die Polizei unternommen wurde. Ein Aufruf der Partei und der Gewerkschaften( den wir an anderer Stelle wörtlich wiedergegeben) nimmt gegen dieses kommunistische Treiben in schärfster Weise Stellung.

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Unfer Redaktionsmitglied Genosse Richard Bernstein hat gestern mittag im Flugzeug die Reise nach Bien ange­treten, um sich an Ort und Stelle über die Entwicklung der Dinge zu unterrichten. Bei normalem Gang der Dinge mußte er zwischen 6 und 7 1hr nachmittags in Wien eintreffen, doch lagen bis zum Schluß des Blattes Nachrichten von ihm nicht vor. Dagegen gelang es der Redaktion des Bormärts" zwischen 8 und 9 1hr abends sich auf andere Weise mit der Partei und den Gewerkschaften Wiens in Verbindung zu sezen.

Das uns nun vorliegende authentische Nachrichtenmaterial gibt ein flares Bild der Wiener Vorgänge, soweit unter so verworrenen Verhältnissen von einem flaren Bild über­haupt geredet werden kann. Manches, was sich am Freitag ereignete, liegt noch im Dunkeln. Sicher ist nur so viel, daß die Demonstration vor dem Parlament und erst recht die Ausschreitungen, die sich im Zusammenhang mit ihr ereigne­ten, von der Partei nicht gewollt waren. Zweifellos haben, wenn nicht bei der Entstehung der Demonstration, so doch während ihres Verlaufs dunkle Elemente die Hand mit im Spiele gehabt. Dabei mag ihnen ihr Werf durch Aus schreitungen einiger Teile der Polizei mesent­lich erleichtert worden sein.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich , Genosse Seitz, hat offenbar auf dem Standpunkt gestanden, daß eher einiger Sachschaden ertragen werden müsse, als daß Menschenleben vernichtet werden dürften. Die Regie rung hat aber einen anderen Standpunkt vertreten und ihn, angesichts der unflaren Kompetenzverhältnisse, beim Bolizei präsidenten durchgefeht. Das Schlimmste mar zweifellos, daß die Polizei, die am Vormittag schon zurückgezogen war, wieder zurückkehrte, um aus Karabinern in die Menge zu feuern.

In den Verhandlungen des Freitagnachmittag legte die Parteileitung der Regierung Seipel den Gedanken des Rücktritts nahe. Sie forderte eine Reinigung der Polizei von Elementen, die sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen gezeigt hatten. Eine Einigung wurde jedoch nicht erzielt.

Frieden in Sicht!?

Wien , 12 Uhr nachts.( Eigener Drahtbericht.) In den Verhandlungen zwischen dem Bundeskanzler Seipel und den Genossen Seit und Bauer ist eine bedeutungs­volle Bereinbarung zustande gekommen.

Am Sonntag wird von dem Republikanischen Schutzbund eine Gemeindeschuhwache gebildet, die von der Polizei Waffen erhält und an ihrer Stelle den Dienst versieht.

Aufrufe des Bürgermeisters Seitz und der Partei fordern die Bevölkerung auf, den Dienst der neuen Schuhwache nach Kräften zu erleichtern.

Eine große Vertrauensmännerversammlung wird am Sonntag, 4 Uhr nachmittags, über weitere Maßnahmen be­schließen.

Zur Stunde ist alles ruhig.

( Siehe auch 3. Seite.)

Desterreich ringt in Krämpfen, die Aasgeier des Faschis­mus rüsten zum Mahl.

Die österreichische Sozialdemokratie und die Gewerk­schaften wollen die österreichische Republik retten. Als Gegner steht die österreichische Reaktion vor ihnen, die Kommu­nistenpartei fällt ihnen zugleich in den Rücken. Mag es unter den österreichischen Kommunisten vielleicht ein paar phan­tastische Narren geben, die glauben, mit ihrem Wahnsinn der Sache der Arbeiter zu dienen wir können doch nicht an­nehmen, daß dieses winzige Häuflein imftande ist, entscheidend unheilvollen Einfluß zu üben, wenn es nicht irgendwie hinten= besoldet bleiben die österreichischen Kommunisten doch die herum von der Reaktion gefördert wird. Besoldet oder un­besten Vorkämpfer des Faschismus.

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Deutschlands Arbeiter schauen heute nach Desterreich. Sie sind in ihrer erdrückenden Mehrheit mit ihrem Herzen bei der österreichischen Bruderpartei. Sie, die im legten Wahlkampf so glänzend gesiegt hat und deren Sieg wir als den unseren bejubelten, ist in diesen Sturmtagen auf eine noch viel schwerere Probe gestellt. Wir vertrauen ihrer Klugheit und ihrer Stärke. Wir vertrauen der Geschult­heit und Disziplin der österreichischen Arbeiter. Sie werden Schatten zu werfen beginnt.

nisten, die der Partei und den Gewerkschaften im gefährlich dieser Krise Herr werden, die schon über ganz Europa ihre sten Augenblid in den Rücken fielen.

fammlungen, die zu neuem Blutvergießen führen konnten,

Während Partei und Gewerkschaften vor Straßenan­

warnten und ihre Stärke in dem unblutigen Mittel des Ge­neralstreifs fuchten, riefen die Kommunisten zum bewaff neten Aufstand auf. Bei der wahnsinnigen Erregung, die in den Arbeitermassen herrscht, ist es ihnen gelungen, einigen Anhang zu finden. Die Kommunisten brachten bei den letzten Wahlen, bei denen die Sozialdemokratie in Wien die überwältigende Mehrheit errang, in der Millionenstadt ganze 11 000 Stimmen auf. Aus diesen Wählern mögen sich in erster Linie die Scharen rekrutieren, die gestern in Favoriten, Hernals und Ditakring gegen den Republikanischen Schutzbund und gegen die Polizei kämpften. Benige tausende bewaffnete Leute genügen ia schon in solchen Zeiten nicht den Sieg zu erringen, wohl aber dazu, die ganze Lage in der unheil­vollsten Weise zu verwirren.

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Die Sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaften hatten zum Protest gegen den Freispruch der Schattendorfer Mörder aufgerufen. Sie hatten dann gegen die llebergriffe der Polizei den Generalstreif proklamiert. Ihre Front war ganz und gar gegen die Reaktion gerichtet, ihr Be­streben, Uneinigkeit in den Arbeitermassen zu vermeiden, mat klar ersichtlich. An nichts dachten sie in jenen fritischen Stun­den weniger als daran, sich mit dem kleinen Häuflein der rabiaten Kommunisten auseinanderzusetzen.

Kommunistenaufstand.

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Blutige Kämpfe mit der Polizei. Die Kommunisten greifen das Lokal der Kinderfreunde an.

Wien , 16. Juli, 9 Uhr abends.( Eigener Drahtbericht.) Heute vormittag wurde vom Bezirkspolizeikommissariat Hernals die Mel­

Mit

dung verbreitet, daß die Kommunisten sich bewaffnet haben und im Begriff stehen, das Polizeihaus zu stürmen. Es kam darauf Partei zustande, wonach der Republikanische Schutzbund eine Vereinbarung zwischen der Polizei und der Sozialdemokratischen den Sicherheitsdienst in den Straßen der bedrohten Bezirksteile über­nehmen sollte. Die Kommunistenkramalle verstärkten sich. Rücksicht auf diese bedrohliche Situation, und weil es auch vielfach Verwundete auf seiten des Republikanischen Schuhbundes gab, trat wieder die Polizei in Funktion. Der Ansturm auf das Polizeikommissariat in der Rosensteingasse wurde mit Waffengewalt abgeschlagen, wobei wieder zwei Tote und sechs Verwundete zu beflagen waren.

Die Kommuniffen hatten sich mit Schußwaffen und Wurf­geschossen ausgerüftet und bombardierten die Polizeitruppen.

Ein größerer fommunistischer Trupp, der von einem stadtbekannten Kommunisten geführt wurde, zeichnete sich hierbei besonders aus. Es muß dazu bemerkt werden, daß einzelne kommunistische Führer zu bewaffnetem Widerstand aufforderten, während die Sozialdemo­fratische Partei die Parole ausgegeben hat, daß die Bevölkerung in den Häusern bleiben soll. Ein Ansturm der Kommunisten auf das

Die Kommunisten haben jedoch diese Auseinander setzung er 3 to ungen. Obwohl die Wiener Arbeiter bei den legten Wahlen ganz klar ausgesprochen hatten, daß sie in der Sozialdemokratie und in niemand anderem ihre Führerin erblickten, haben sie versucht, im trüben zu fischen und die Leitung der Bewegung an sich zu reißen. Was es für Defter- okal der Kinderfreunde(!) wurde durch Eingreifen des reich und das können wir hinzufügen für die Arbeiter­bewegung ganz Europas bedeuten würde, wenn ihnen das gelänge, wird in dem Aufruf der Partei und der Gewerk­fchaften flar genug ausgeführt.

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Bon allen Verbrechen, die die Kommunisten an der euro­ päischen Arbeiterbewegung begangen haben, ist das von Wien vielleicht das schlimmste. Daß sie in dem unsinnigen Kampf, den fie unternommen haben, unterliegen müssen, steht von vornherein fest. Spitzt sich die Kampffituation weiter zu, dann bleibt nur die Frage, wer von beiden Sieger bleiben wird, der innere oder der äußere Faschismus, der Nachdem Partei und Gewerkschaften die Parole zum Geösterreichische oder der ungarische und der italienische. neralstreif ausgegeben und die schon eingeleiteten Ber­handlungen weiter fortgesetzt hatten, durfte man die Hoffnung hegen. daß die Krise auf dem Weg zu einer Lösung gelangt fei. Dieser Hoffnung hatten wir in unserer gestrigen Abend­ausgabe Ausdrud gegeben. Sie ist vernichtet worden durch bas wahrhaft perbrecherische Treiben der Kommu

Die nächste Ausgabe des ,, Vorwärts" mit den neuesten Wiener Nachrichten erscheint am Montag morgen.

Schutzbundes abgeschlagen. Es kam zu einem Handgemenge, wobei das eiserne Gitter gesprengt wurde und Angehörige des Republika­nischen Schutzbundes von den Kommunisten mit Gewehren bedroht und verletzt wurden. Heute nachmittag trat neuerdings der österreichische Parteivorstand mit der Gewerkschafts­kommission zusammen und beschloß die

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Aufrechterhaltung des Generalffreits der Verkehrsbetriebe,

d. h. der Eisenbahn, der Poft, des Telegraphen- und Telephon­verkehre. Es fanden mit der Regierung Berhandlungen statt, um in Zukunft explosive Ausschreitungen einzelner Polizeikomman­danten, wie sie am Freitag vorgekommen waren, zu verhindern. Die Wiener Bevölkerung steht unter dem Eindruck der furchtbaren. Ereignisse auf dem Standpunkt, daß die Regierung zurüd­zutreten hat, da sie der Lage nicht Herr wird.

Nach einer Meldung der Landesregierung des Burgenlandes aus Eisenstadt soll die ungarische Regierung fünf Bas