Einzelbild herunterladen
 

Nr. 354 44. Jahrgang

2.' Oeilage Ses vorwärts

Sonntag, 17. Juli 1927

Textiltonjunktur und Inlanösmartt. Weltwirtschaftliche Umschau.

In keiii«m Industriezweige Deutschlands ist der Wirt- schastsausschwung so deutlich, wie in der Textilindustrie. Hier herrsch! seit Monaten eine ausgesprochene Hochkonjunktur. Vergleicht , man die Ziffern der Arbeitslosen und Kurzarbeiter in der Textil- industrie vor einem Jahr und heute, so kann nion die ganze Trag­weite des Umschwungs ermessen. Im Mai vorigen Jahres waren vom deutschen Textilarbeiterverband 19,9 Proz. Mitglieder voll- arbeitslos und 50,9 Proz. Kurzarbeiter. Dollbeschästigt waren nur 29,2 Proz. Im Mai dieses Jahres waren 4,1 Proz. arbeitslos und 2,9 Proz. Kurzarbeiter, d. h. 93 Proz. vollbeschastigt. Viele Betriebe der Baumwollindustrie sind bis zum nächsten Frühjahr ausverkauft. In den Baumwollspinnereien liefen im Mai 97 Proz. der vor- handenen Spindeln, in der Baumwollweberei 91 Proz. der vor- handenen Webstühle. Ebenso günstig gestaltete sich die Lage der Wollindustrie, ja sogar in der Leinenindustrie, die seit Iahren von der schärfsten Krise ergrisfen war, wurde der Höchststand der Jahre 1924/26 annähernd erreicht. Die Konjunkturbelebung hat eine ein- zige Ursache: die gesteigerte Aufnahme- und Kaussähigkeit des I n- l a n d s bei steigender Einfuhr und trotz höherer Roh- und Halbstoff- preise. Die Abnahme der Arbeitslosigkeit und die im Laufe des Jahres erfolgten Lohnsteigsrungen waren es, welche den Bedarf an Bekleidungsartikeln in dieser Weise gesteigert haben. Die Lage in den Vereinigten Staaten . Die Konjunkturbelebung in Deutschland vollzieht sich in ähnlicher Weise wie in den Vereinigten Staaten . Auch dort war noch bis vor einigen Iahren die Textilindustrie von einer scharfen Krise betroffen. Während die übrigen Industriezweige die große Krise von 1921 ver- hältnismäßig rasch überwunden haben, dauerte die Textilkrise noch rüehrere Jahre an. Während des Krieges und in den Nachkriogs- jDhren wurde die Textilindustrie der Vereinigten«Staaten gewaltig ausgedehnt. In de» Südstaaten entstand eine große moderne Baum- Wollindustrie, die die alte Industrie der Nordstaaten niederzu- konkurrieren suchte. Andauernde Arbeitskämpse haben den Fortgang der Produktion gestört. Erst seitdem die Textilindustrie aus Grund von crhöhtenLöhnen ihren Frieden mit den Arbeitern machte und das allyemeiire Lohnniveau in den Vereinigten Staaten stieg, ist der Mehrverbrauch in die gesteigerte Leistungsfähigkeit der Bc- triebe hineingewachsen. Der Baumwolloerbrauch der Vereinigten Staaten ist in den letzten zwei Jahren gewaltig gestiegen. Die amerikanischen Bauinwollfabrilen verbrauchten in den ersten neun Monaten des laufenden Erntejahres bereits 5,3 Millionen Ballen, auf ein Ja hr� gerechnet 6,6 Millionen Ballen. Die Rekordernte der Vereinigten Staaten betrug 17,9 Millionen Ballen, d. h. es wird gegenwärtig mehr als ein Drittel der Baumwollernte in den Vereinigten Staaten selbst verbraucht. Das ist ein Grund dafür, weshalb sich trotz der reichen Ernte die Baumwollpreise in letzter Zeit erheblich erhöht haben. Der gesteigerte Baumwollverbrauch der Vereinigten Staaten war ein viel wichtigerer Faktor der Rohstoff- Verteuerung als die Ucberschwemmung im Mississippigebiet. wenn der Inlandsmarkt versagt, was meist eine Folge falscher Zoll- und Lohnpolitik ist,«endet sich der Unternehmer mit allen Mitteln, besonders durch verschärftes Dumping auf Kosten der inländischen Verbraucher, der Aussuhr zu, was freilich nur eine weitere Verschlechterung des inländischen Ab- satzes zur Folge hat. So ist die Stärkung des inneren Marktes für alle Textilindustrien eine Lebensfrage. Lediglich England, dessen Baumwollindustrie beinahe neun Zehntel der Webereigesamt- Produktion nach den überseeischen Ländern ausführt, macht hier eine Ausnahme. Das Schicksal der englischen Textilindustrie hängt nicht in erster Linie von der Kaufkraft des inländischen Marktes, sondern wesentlich von der Aufnahmefähigkeit der überseeischen Länder ab. In den letzten Monaten hat die englische Baumwoll- industrie nach einigen Monaten guter Beschäftigung wieder einen starken Rückschlag erfahren, was mit Vorgängen im Fernen Osten, in China , Japan und Indien in Verbindung steht. Neben England gibt es eine Anzahl von Ländern mit stark entwickelten Industrien. wo ebenfalls eine scharfe Tc x t i l k r i s e vorhanden ist� und zwar bei gesteigerter Ausfuhr; allein aus den, Grund«, weil der Inlandsmarkt nicht aufnahr.iefähig ist. Diese Länder mit einer großen Textilkrise bei steigender Ausfuhr sind die T s ch e ch o- slowakei, Italien , Frankreich , Indien und Bra- silien. Die Gründl« für die schlechten Geschäfte im Inland sind in diesen Ländern verschieden. In Frankreich und Italien ist er eine Folge der Währungsstabilisierung, die dis Löhne tief hält und die Kosten hoch. Die geschwächte Kaufkraft der großen Massen ist der letzte Grund. Am krassesten tritt dies in der Tschechoslowakei in Erscheinung. In diesem Lande ging die Rohmaterial einfuhr, auf Garnwert umgerechnet, im ersten Viertel dieses Jahres gegen- über der gleichen Periode des Vorjahres um 8 Proz. zurück. Die Garn ausfuhr stieg dagegen um 11 Proz., der Garnverbrauch im Lande sank demnach uia 19 Proz. Die Nettoaussuhr von Baum- wollwaren stieg in dieser Periode um 5 Proz., während der Waren- verbrauch im Inland um 24 Proz. absank. Die weiterverarbeitende Industrie dürfte um 20 Proz. schlechter beschäftigt gewesen sein als Anfang 1926 und auch Ansang 1925. Der bekannte Sachverständige Dr. Karl U h l i g zeichnet das Gesamtbild der tschechoslowakischen Textilkrise folgendermaßen: Der Landesverbrauch der Tschecho- slowakei ist, trotzdem er je Kops auch in normalen Zeiten geringer war als in Westeuropa von Amerika gar nicht zu reden, immer noch in einer tiefen Krisendepression, die sich nur langsam bejsert. Die Erhöhung der Ausfuhr ist der Konjunktur in Deutschland und Westeuropa zu verdanken; der Jnlandsabsatz ist aber katastrophal schwach und erholt sich sehr langsam." Für Italien stellt die letzte Veröffentlichung des deutschen Instituts für Konjunkturforschung fest, daß nur während weniger Mo- nate schärfster Krise im Jahre 1921 die Zahl der Arbeitslosen"dort größer war als heute. Sie betrug 1923: 23 510, 1924: 15 338, 1925: 11040, 1)26: 13 089. 1927(Ende>zedruarj aber 47 361. Ferner heißt es über die Bauniwollindustrle, daß ihre Lage sich weiter verschärst habe; der Inlandsmarkt nehme fast keine Ware auf, der Absatz nach dem Ausland ist ebenfalls zurückgegangen. Nun zeigt aber die italienische Aussuhrstatistik für das erste Quartal 1927 eine Zunahme der Ausfuhr um 8,4 Pro;., nach Abzug der Lebens- mittelausfuhr um 2,6 Proz. Demnach dürfte auch die Textilausfuhr nicht zurückgegangen sein. Bekanntlich hat man in Italien nach der Erhöhung des Lirawertes mit Lohnherabsetzungen ange- fangen.(5s wurden die Löhne um 10 Proz. und noch mehr herab­gesetzt, sowohl in der Textilindustrie wie in anderen Industriezweigen und in der Landwirtschast. Die Lebenshaltungskosten bzw. die Preise im Kleinhandel gingen aber nur ganz langsam zurück. Da die Löhne schon vorher außerordentlich tief standen, ist die Kaufkraft der Arbeiter für Bekleidungeartikel gegenwärtig gleich Null; denn ihr

geringes Lohneinkommcn wird für Ernährung und Mieten voll in Anspruch genommen. Weniger scharf haben sich die Zustände in Frankreich zugespitzt, wo gelegentlich der Werterhöhung des Franken die Lohn- Herabsetzungen nicht in dieser drastischen Form vorgenommen wurden. Trotzbein ist auch in Frankreich die Lage ähnlich wie i» Italien . Obwohl die Textilausfuhr im laufenden Jahr erheblich, wenn auch zu sehr herabgesetzten Preisen, gestiegen ist, herrscht in Frankreich infolge des schlechten inländischen Absatzes durchweg Kurzarbeit bis 12 Stunden in der Woche, ja viele Betriebe wurden still- gelegt. Nach einer jüngsten Veröffentlichung des General- Verbandes der französischen Baumwollindustrie ist der Absatzrückgang vor allem daraus zurückzuführen, daß die Berbrauchermosscn sich während der letzten Periode der Geldent- Wertung reichlich mit Bcklcidungsartikeln versorgt haben, und auch die Kauflcute große Lager aufhäuften, die zuerst geleert werden müssen. Eine Begründung, die wenigstens was den ersten Teil betrifft nicht genügend einleuchtet. Die indische Textilkrise ist zwar z.T. auf die japanische Konkurrenz mit ihren noch längeren Arbeitszeiten und der Nachtarbeit der Frauen zurückzuführen. Trotz- dem wird als Hauptursache für die Krise der indischen Baumwoll- spinnereien und-Webereien der Rückgang des inländischen Absatzes bezeichnet. Von den 300 Millionen Einwohnern Indiens sind kaum ein Zehntel Stadtbewohner, während die übrigen von der Reis-, Getreide-, Jute-, Baumwoll- und Tee-Ernte abhängig sind. Die Löhne der städtischen Industrie sind aber außerordentlich niedrig.(Diese Begründung der indischen Absatzkrise finden wir u. a. auch im Sonderheft desManchester Guardian Commercial" vom 30. Juni über die Textilindustrie der Welt.) Bekanntlich hat die indische Regierung die von der Zollkommission beantragte weitere Erhöhung der Textilzölsle, die bereits 11 Proz. des Warenwertes betragen, abgelehnt, nicht zum mindesten im Interesse der englischen Baumwollindustric. In Brasilien kann die inländische Textilindustrie trotz enormer Schutzzölle ihre Leistungs- fähigkeit nicht ausnutzen. Im Staate Sao Paolo allein gibt es 208 Textilfabriken mit 37 666 Arbeitern. Di« Produktion von Baum- Wollstoffen ging von 486 Millionen Meter im Jahr 1923 auf 230 Millionen 1924 und 206 Millionen Meter 1925 zurück. Die all- gemeine Wirtschaftskrise Brasiliens , hervorgerufen durch die Krise aus dem Kafseemarkt, Hot die Kauskrast der Bevölkerung, vor allem der Industriearbeiter, deren es im Staate Sao Paolo allein 203 736 gibt, sür die Ausnahme der inländischen Textilwaren stark vermindert. Die überragende Bedeutung des IulandsmarNes wird so in der ganzen Welt gerade für die Textilkonjunktur cha- rakteristisch. Leider wird die geradezu entscheidende Bedeutung des inländischen Absatzgebietes, d. h. die inländische Kaufkrast, selbst fiir die ausgesprochensten Exportwaren, gegenüber der Aussuhr immer noch unterschätzt. Dabei leidet die Textilindustrie ganz besonders unter der Kaufunfähigkeit des Inlands, weil sie nicht, wie etwa die monopolistisch organisierte Eisenindustrie� auch in Zeiten guter Kon- junktur bei der Dumpingausfuhr noch ihre Rechnung findet. Muß die Textilindustrie schleudern, dann verliert sie im Inland u n d im Ausland. Dabei besteht nicht einmal der geringe Trost, daß etwa die Verbraucher der Einfuhrländer zu billiger Bekleidung kommen, weil auch dort in den meisten Fällen Schutzzölle sich der billigeren Versorgung in den Weg stellen. Zl. H.

?iiis Herrn petsthecks Reich. DieHarmlosigkeit" der Kohlenpreiserhöhungsanträge. Auf der Generalversammlung der Braunkohlenwerke Borna A.-G., Borna bei Leipzig , bezeichnete der Vorstand den augenblicklichen Stand bei der Gesellschaft als recht befriedigend. Die weitere Entwicklung hänge aber von der Genehmigung der Preiserhöhungsanträge durch den Reichskohlenrat ab. da die Neuordnung des Reichsknappschaftsgesetzes unerträgliche und noch nicht übersehbore Belastungen sür den gesamten Bergbau mit sich gebracht habe. Die Braunkohlenindustrie hege daher die bestimmte Hoffnung, daß ihrem Slntrag stattgegeben werde. Herr E r n st P e t s ch c ck fühlte sich daraushin bemüßigt, die angebliche Harm- lvsigkeit der Preiserhöhungen zu errechnen. Er muhte aber seine Erklärung, die erhöhten Preise träfen nur den Hausbrand im unmittelbaren Absatzgebiet und belasteten die Konsumenten mit nur 40 Pf. pro Monat, vom Vorstand selbst dahin berichtigen lasten, daß natürlich auch die verbrauchende Industrie von der Preis- crhöhung betrossen wird. Der ostelbischc und mitteldeutsche Braunkohlenbergbau hat auf der heutigen Preisbasis mithohenGewinnen arbeiten können. Das beweisen die steigenden Dividenden. Auch die Braunkohlen- werke Borna A.-G. konnten ihre sünfprozentigen Dividenden aus den beiden Vorjahren auf 6 P ro z. für das Berichtsjahr erhöhen. Außerdem sind die Rationalisierungsarbeiten zum größten Teil durchgeführt und wirken sich in erhöhter Produktivität pro Mann und cchicht und fallenden G e- stehungskastcn aus. Eine Erhöhung der Preise dürfte also unter solchen Umständen gar nicht in Frage kommen, denn sonst hätte die anderthalbjährige Rationalisierung, die der Arbeiterschaft die größten Opfer zugemutet hat, volkswirtschaftlich ihren Sinn ver- leren. öerlins �irbeitsmarkt weiter gebessert. Aber immer noch 185 000 Erwerbslose! Die seit einiger Zeit in der Gesamtheit eingetretene Steige- rung des Beschäftigungsgrades auf dem Arbeitsmarkt hat in der Berichtswoche angehalten. Die Abnahme der Arbeit- suchenden betrug rund 3000 Personen, so daß gegenwärtig immer noch ein Stand von 185 365 Erwerbslosen vorhanden ist. Die Entlastung des Arbeitsmarktcs entfällt im wesentlichen aus Anjorde- rungen der Landwirtschast, des Baugewerbes, daneben wenn auch in vermindertem Grade für die Metallindustrie und das Speditionsgcwerbe. Die Einstellungen im Baugewerbe und in der Metallindustrie führten gleichsalls zur Entlastung des Ar- beitsmarktes ungelernter Kräfte. Die zahlenmäßige Abnahme wäre noch größer, wenn nicht vornehmlich aus dem Nahrungsmittelge- werbe und dem Bekleidungsgewerbe sowie aus den Angestellten- berufen ein erheblicher Zugang in Betrocht käme. Bemerkenswert ist ferner, daß die Zahl der Stellensuchenden in den k ü n st- lerischen Berufen verhältnismäßig hoch ist. Sie beträgt in den Gruppen der Kinoangestellten, Artisten und Musiker etwa 3500 Personen. Es waren 185365 Personen bei den Arbeitsnach- weisen eingetrogen gegen 188 355 der Vorwoche. Darunter de-

fanden sich 121 964(123 816 männliche und 63 401(64 539) weibliche Personen. Erwerbslosenunter st ützuwg bezogen 57 196 (58 122) männliche und 28 862(29 142) weibliche, insgesamt 86 058' (87 264) Personen. Außerdem wurden noch 28 208(28 759) Personen durch die E r w c r b s l o s e n h i l f e der Stadtgenieindc Berlin und 30 366(31265) Personen durch die Krisenfürsorge unterstützt. Bei Notstandsarbeitän wurden 4590(4552) Personen beschäftigt.

Oberfaule Berichterstattung. Es ist nichts Neues, daß in den Auslastungen der Industrie- Verwaltungen eine überaus reaktlonärc sozialpolitische ?lufsassung zu Wort kommt. Eine besondere Leistung aus diesem Gebiet vollbringt die Jnteressengemeinschast der Maschinen- bau- und Motorenfabriken Humboldt u. Deutz. Diese stellt in einem Kommunique sest, daß das am 30. Juni abgelaufene Ge- schäftsjahr einen Verlust bringen wird. Wer hat nun Schuld daran? Natürlichdie Verkürzung der Arbeitszeit und die An- spräche der Arbeitnehmer!" Dabei muß die Verwaltung selbst erklären, daß lediglich In der Majchincnbauanstalt H u m- hol dt die Verluste entstanden sind. Bei Deutz, in der Motoren- Werkstatt, haben die kürzere Arbeitszeit und die Ansprüche der Ar- beitnehmer nichts geschadet. Warum? Die Verwaltung sagt auch das. Die Motorenjabrik Deutz hat früher mit der a t i o n a. lisierung begonnen, ist also bereits aus moderne Produk- tion eingerichtet. Humboldt arbeitet aber noch so rückständig, daß dieses Werk selbst bei dem günstigen Austragseingang und bei einer Leistung von 80 bis 90 Proz. der Produktionsfähigkeit noch ein Defizit Hot. Daran sollen die Arbeiter Schuld sein, die man erst kürzlich ausgesperrt Hot und denen man die sozialen Ansprüche nicht erfüllen will, weil nach dem eigenen Eingeständnis die Bc.- triebsleitung versagt hat. Ein wenig mehr Objektivität sollte man doch von den verantwortlichen Lettern so großer Unternehmungen erwarten.

Die Eigenproduktion der Genossenschasten. Die Erkenntnis der Notwendigkeit, die Wirtschast gesellschaftlich zu organisieren und an die Stelle des Einzelunternehmers die gesellschafttiche�Organisation zu stellen, bricht sich immer mehr und mehr Bahn. Der Wirtschaft- liche Absolutismus der Trusts und der Kartell« kann nur bekämpft werden, indem man ihnen andere Formen der wirtschaftlichen Or­ganisation entgegenstellt. Das ist die neue und wcltbedeutende Stel­lung, die die Genostenschgften einzunehmen haben. Das können sie vor allem durch die Vermehrung ihrer Eigenproduktion und die ständige Aufklärung der breiten Massen des Volkes über die Not- mendigkcit, sich gegen die neuen kapitalistischen Mächte Wirtschaft- lich zusammenzuschließen, wie sie es bereits politisch und gewerk­schaftlich getan haben. Dadurch wird die öffentliche Meinung zur ständigen Kontrolle der Kartelle erzogen, und diese werden in ihren absolutistischen Methoden beschränkt. Die Entwicklung der Eigen- Produktion macht in den meisten Ländern sehr gute Fort- schritte, die gewiß in den nächsten Jahren, je mehr die Krieg?-> Wirtschaft und ihre Fblgen überwunden werden, in noch raschcrem Tempo erfolgen werden. In Schweden wurde gerade jetzt, nachdem der erfolgreiche Kampf gegen das Mühlenkarte» beendet wurde, ein neuer Beweis in dieser Beziehung geliefert. Die schwedische Großeinkanssgesellschaft Hot eine G u m m i s ch u h s a b r i k gekauft. um das Preismonopol der schwedischen Gummischuhsabriken zu brechen. Zur. gleichen Zeit hat die englische Groheinkaufsgesell- schaft ein großes Bergwerk erstanden, nicht um ein Monopol zn brechen, sondern um' die Versorgung mit Brennstofsen für ihre Mitglieder selbst zu monopolisieren und dadurch von den englischen Bergwerksbesitzern unabhängig zu werden. Es wurden mehr als 100 000 Psund(rund 2 Millionen Mark) investiert, eine Summe, die die Großeinkaufsges�lschost noch niemals in einem Unternehmen investiert hat; ober die Gesellschaft empfindet die Notwendigkeit, ihre Äohlenversorgung aus den allgemeinen Schwierigkeiten zu lösen, die dem englischen Bergbau kaum mehr dauernd erspart werden können. Günstige Entwicklung der Inlandskonjunktur. Dem soeben er- scknenenen Monatsbericht der Diskonto-Gesellschaft entnehmen wir folgende Betrachtung: Ein Ueberblick über die wirtschaftliche Gesamt- entwicklung der letzten Wochen läßt erkennen, daß die deutsche Inlands konjunktur an Intensität noch nicht verloren Hot. Am deutlichsten kommt dies in dem weiteren A n st« i g e n des Eisen- und Stahlverbrouchs, in der überaus günstigen Veschäftigungsloge typischer Kons um Industrien und im ganzen in der Gestaltung des industriellen Arbeits- Marktes zum Ausdruck. Neben einer verstärkten Kauskraft der unteren Volksschichten bat die Verringerung der Arbeitslosigkeit «in« weitere erfreuliche Wirkung auch in Gestalt vermiifderter staai- licher Ausgaben für den Fllrforgeaufwand. Mit besonderem Nach­druck wird auf die Kohlenpreiserhöhungs-Anträge hin die Not­wendigkeit eines stabilen Preisniveaus unterstrichen. Die Preisent- Wicklung ist für den gegenwärtigen, so gut wie ganz aus das Inland beschränkten Konjunkturausstieg von ausschlaggebender Be- deutung. Da Preiserhöhungen bei der gegebenen Exvortsituaiion nicht auf den Weltmarkt abgewälzt werden können, müßten sie in panz unverminderter Schwere den Binnenmarkt treisen. Es ist wohl nicht übertrieben, zu bcbaupien, daß der bisherige Fortgang der Konjunktur nur auf im wcjentlickien st a b i l e m Preisniveau möglich war, und daß umgekehrt sprunghafte Preissteigerungen sehr bald die K o n j n n t t u r k u r v e um- biegen würden. Der Index der industriellen Fertigwaren ist im Lause der letzten drei Monate von 142,0 auf 146,4 gc stiegen. Im einzelnen ist diese Aufwärtsbewegung wiederum lediglich durch die Untergruppe der Konsumgüter verursacht, während die Pro- d u k t i o li s m i t t e l p r e i s e bisher unverändert geblieben sind. Aus dieser Preiseniwicklung wird man zwei Folgerungen ziehen dürfen: einmal die, daß die Konjunkturentwicklung sich im all- gemeinen von ungesunden Uebersteigerungen s r e i g e h a l te n hat, andererseits aber die, daß sie lediglich von der Ausweitung des Inlandkonsums getragen wurde und weiterhin getragen wird. Die deutsche Reichsbahn im Zuni. Der Güterverkehr der Deut- scheu Reichsbahn-Gesellschaft hielt sich im Juni fast aus der Höhe des Vormonats. Der geringe Rückgang ist auf die Feier- tage des Monats zurückzuführen. Arbeitstäglich wurden 148372 Wagen gestellt, das sind gegenüber dem Pormonat 3225 weniger. Die Gesawtwagengestellung blieb mit 3 700 303 uni 80 884 gegen Mai zurück. Die Betriebsleistungen im Güter- verkehr haben sich gegenüber dem Vormonat nur wenig geändert. gegen Juni 1926 aber um 10 Proz. zugenommen. Die Be- triebsleistungen im Personenverkehr waren recht hoch infolge der Psingstseiertagc und des beginnenden Sammerrcifeverkehrs. Dex Ausslugsverkehr war dagegen wegen des ungünstigen Wettet's schwach. An Ferien-Sondcrzügen sind 9288 Züge mehr gefahren als vorgesehen. Die Betriebsergebnisse zeigten im Mai folgendes Bild: Die Einnahmen betrugen 412,1 Millionen M., davon 111,2 aus dem Personen- und Gepäckoerkehr, 270V aus dem Güterverkehr und 30,1 Millionen Mark aus sonstigen Einnahmen. Für Betrieb und Unterhaltung wurden 256,3 Millionen Mark verausgabt(persönliche Ausgaben 164,1, sächliche Ausgaben 92,2), für Erneuerung der Reichseisenbahnanlaaen 87,4 Millionen Mark. Der Dienst der Reparationsschuldverschreibungen erforderte 45,2 Millionen Mark. Für werbende Anlagen wurden 35,7 Millionen Mark aufgewendet. Das Personal erfuhr eine Erhöhung um rusö 14 000 auf 715 927 Köpfe.