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Nr. 334 a 44. Jahrg. Ausgabe A nr. 171

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands  

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Montag, den 18. Juli 1927

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Noch keine Lösung in Wien  

Ruhiger Tag- aber kein Fortschritt der politischen Verhandlungen. Generalstreik beendet, Verkehrsstreik dauert an.- Die Gemeinde­schuhwache im Dienst. Die große Vertrauensmännerkonferenz fordert Bestrafung der Schuldigen.

Wien   war gestern ruhig. Der Generalftreit ist programm| mäßig eingestellt, der Verkehrsstreit dauert programmäßig fort. Die neue Gemeindeschuhwache ist vereidigt und hat ihren Dienst aufgenommen. Neben ihr funktioniert die Polizei.

Eine Sigung des Parteivorstandes und der Gewerkschaften fand statt. Man war der Auffassung, daß eine Aenderung des bestehenden Regimes unvermeidlich sei. Forderungen auf Rüdtritt bestimmter Personen werden nicht erhoben. Es wird eine Stärkung des Parlaments gegenüber der Regierung gewünscht und dabei vermutlich daran gedacht, dem Hauptausschuß des Nationalrats egefutive Vollmachten in irgendeiner Form zu verleihen.

Ein Ergebnis, das zur Lösung der politischen Krise führen fönnte, ist bisher nicht erzielt.

Nach offiziösen Meldungen will die Regierung den Nationalrat einberufen, wenn der Streif beendet ist.

Die große Vertrauensmännerversammlung der Partei und der Gewerkschaften tagte gestern nachmittag. Genosse Bauer beantragte eine Entschließung, in der eine Unter­suchung unter Mitwirkung von Arbeitervertretern und strenge Bestrafung der schuldigen Polizeibeamten gefordert wird. Die Entschließung wurde nach stürmischer Debatte an­genommen.

Sitzung des Parteivorstandes. Beschluß mit Seipel weiter zu verhandeln.

attion der Stadt Wien   auch die Arbeiter selbst die Angehörigen der Opfer vor Not bewahren werden. Zurufe verlangten auch eine Be­teiligung des Bundes Desterreich an dieser Fürsorge.

Genoffe Dr. Otto Bauer,

rück­

der dann das Referat erstattete, betonte wiederholt, daß man nicht verallgemeinern dürfe. So brutal, ja bestialisch das Vorgehen eines Teiles der Polizei war, so verhielt sich doch ein anderer Teil rüd fichtsvoll. Bauer hob mehrmals hervor, daß auch ein Polizist, deffen Leben bedroht wird, selbstverständlich alle Mittel zu seiner Ber­teidigung anwenden könne und müsse, aber von einer derartigen Bedrohung fonnte nur in wenigen Fällen die Rede sein. Eine Be­kanntmachung der Bundesregierung, die das Vorgehen der Polizei rechtfertigt, fritifierte Bauer auf das schärfste, weil diese Bekannt­machung dem lesenden Publikum verschweigt, daß es der Repu Weg zum brennenden Justizpalast geebnet hat, so daß sie mit dem blikanische Schuzbund gewesen ist, der der Feuerwehr den Löschwert auch schon beginnen fonnte.

Da begann plöhlich die Polizei ohne jeden Anlaß Schnellfeuer, und dadurch wurde in seiner weiteren Auswirkung das Löschwert erst wirklich verhindert. Bauer wandte sich dann der Stimmung des Bürgertums zu und erklärte, soweit man diese Stimmung ergründen und feststellen könne, stünden sich zwei gegensätzliche Auffaffungen gegenüber. Die eine will möglichst bald wieder Ruhe und Ordnung und ungestörte Produktion haben, damit Handel und Wandel und Profit gedeihen. Die anderen aber glauben, nun die Gelegenheit gefunden zu haben, um die Arbeiter zurüd- und nieder­zuwerfen. Die das glauben, täuschen sich, und um ihnen das nach­drücklichst zu Gemüte zu führen, ist neben dem nur auf 24 Stunden

Es folgte eine überaus lebhafte, zum Teil sehr stürmische Debatte, in der es wiederholt so aussah, als ob die Hälfte, vielleicht sogar die Mehrheit der gewaltigen Bersammlung sich gegen die Taktik der leitenden Instanzen aussprechen wollte. Es wurde insbesondere verlangt, daß die Gemeindeschuz= wache mit der Staatspolizei nicht zusammenwirten solle. Stürmische Zustimmung fand die Forderung nach Berstadt­lichung der Polizei.  - Von ungeheurem Beifall begrüßt, ergriff am Schluß der Diskussion der Sekretär der Internationale

Genoffe Dr. Friedrich Adler

das Wort. In überaus eindringlichen, leicht faßbaren und wirkungs­oft bewährte Disziplin zu wahren.

sicheren Säßen forderte Adler die Wiener   Arbeiterschaft auf, ihre

Das Schlußwort hielt

Otto Bauer  ,

der auf eine direkte Anfrage erklärte, daß bei den wiederholten Ge­legenheiten, wo er und Bürgermeister Seih in den letzten Tagen mit dem Bundeskanzler Seipel zusammengewefen sind, selbstver­ständlich auch über die Frage gesprochen wurde, durch welche politi­ichen Maßnahmen für die Zukunft derartige Katastrophen verhindert werden könnten; Berhandlungen von Partei zu Partei seien aber bis jetzt nicht geführt worden.

Aus diesen Worten hatte man den bestimmten Eindruck, daß diese außerordentlich wichtigen Besprechungen heute nicht ppr wärts geführt haben. Bauer betonte auch, daß man noch nicht übersehen könne, wann auch der technische Streit beendet werden soll.

nommen.

Schließlich wurde die Resolution Bauer einstimmig ange= Es wird also morgen früh 8 Uhr die Arbeit wieder be­ginnen, es werden morgen nachmittag auch die Zeitungen zum ersten Male wieder erscheinen. wirtschaft- Male Nach der Annahme der Resolution Bauer sprach im Namen eines vom Parteivorstand eingesetzten Komitees der Leiter des

r. bn. Wien  , 17. Juli, 16 Uhr. Heute gegen Mittag ist der Parteivorstand mit erklärten Generalstreit, der zum Protest dienen sollte, der tech Zuziehung der Vertreter der großen Gewerkschaften liche Leben auf das empfindlichste trifft. Die leitenden Instanzen der nische Streit proklamiert worden, der das gesamte wirtschaft­zufammengetreten. Die Besprechung ergab die Beauftragung Arbeiterbewegung find sich vollkommen flar über die schweren wirt­der Genoffen Bürgermeister Seit und Dr. Otto Bauer zu schaftlichen Folgen des technischen Streiks, die sie außerordentlich neuen Berhandlungen mit dem Bundeskanzler Seipel bedauern. Aber sie können diese Folgen nicht von dem Lande Grundlage der Verhandlungen soll die in der Konferenz all- nehmen, solange die Arbeiterschaft nicht darüber beruhigt sein kann, gemein vertretene Auffaffung sein, daß das bis jetzt geführte daß ihr nicht ein neuer Ueberfall der reaktionären Mächte mit dem Regime in einem Blutbad, in Anarchie und Zerstörung Biel   droht, den Arbeitern eine entscheidende Niederlage zu bereiten. 3ufammengebrochen fei, daß also ein anderes Regime fommen müffe, und daß man vom Bundes­fanzler Vorschläge erwarte, wie dieses Regime aus­fehen soll. Es ist damit feineswegs gejagt, daß die Sozial­ demokratische Partei   irgendwie gegen die Fortführung der parlamentarischen Demokratie auftreten würde. Es fann sich also nur um eine neue Abgrenzung der Zuständigkeit des Parlaments, insbefon dere feines Hauptausschusses und der Regie­rung handeln, wobei zu beachten ist, daß nach der deutsch­österreichischen Bundesverfassung die Regierung vom Na­tionalrat gewählt wird.

Die öfferreichische Sozialdemokratie will den Bürgerkrieg nicht, Sie hat deshalb auch nicht das Proletariat bewaffnet, sie will den Bürgerkrieg verhüten, so lange es nur irgend möglich ist, und sie will ihn überhaupt vermelden. Es liegt an den anderen, ob sie durch Vergewaltigung der Demokratie es zum Bürgerkrieg treiben. Zwar ist nicht das Proletariat bewaffnet, aber bewährte disziplinierte Proletarier sind in der Gemeindeschutzwache zu bewaffneten Hütern der Ordnung und Ruhe in Wien   bestellt

worden.

Jede Gemeinschaft mit den Brandstiftern im Justizpalast, mit den Leuten, die einzelne Polizisten oder Polizei­

Besprechungen, die später mit Seipel geführt wurden, wachtstuben überfallen haben, oder die bei den gestürmten blieben zunächst ohne Ergebnis.

Die große Konferenz.

Einmütiger Beschluß nach stürmischem Verlauf.

r. bn. Wien  , 17. Juli, 23 Uhr.

Im Großen Saal des Arbeiterheims Favoriten, der Stätte so vieler historischer Versammlungen und Parteitage, haben heute nach mittag über 1500 Funktionäre und Vertrauensmänner der Sozial­demokratischen Partei Desterreichs, der Gewerkschaften und Betriebe Wiens Stellung zu den furchtbaren Vorkommnissen des Freitag und Gonnabend genommen. Die Kontrolle am Eingang war überaus streng, der Saal felbft in ungeheurer Weise überfüllt. Gewaltige Menschenmengen warteten auf der Straße das Erscheinen der be­tannten Führer und das Ergebnis der wichtigen Bersammlung ab. Nationalrat   Genosse Sever eröffnete die Versammlung, die fich in ernstem Schweigen erhob, mit einem ergreifenden a chruf für die Todesopfer, Er fündigte an, daß neben der Hilfs

antifozialistischen Zeitungen fogar kleider mitgenommen haben, weist die organisierte Arbeiterschaft weit von sich. Sie lehnt es auch ab, die faschistische Methode der Zer­ftörung gegnerischer Zeitungsbetriebe zu der ihrigen zu machen.

Bauer unterbreitete dann der Versammlung die Vorschläge des Parteivorstandes und der Gewerkschaftskommission: Wiederaufnahme der Arbeit morgen, Montag, 8 Uhr früh, in allen Betrieben mit Ausnahme des Verkehrs­mejens.

Einfehung von Arbeiterzügen auf den Eisenbahnen, auf denen bisher nur die Cebensmittelzüge nicht stillgelegt worden sind. Fortsetzung des Streits in der Post, dem Telegraph und Telephonwesen, auf der Eisenbahn und der Schiff fahr f.

Hilfsaktion für die Opfer durch organisierte Geld­jammlung in der Arbeiterschaft.

Strenge Untersuchung unter Mitwirkung der Vertreter der organisierten Arbeiterschaft.

Strenge Bestrafung der schuldtragenden Polizeibeamten.

städtischen Gesundheitswesens, Stadtrat Universitätsprofeffor Genosse Dr. Iandler über die Bestattung der Opfer. Sie werden am Mittwoch nachmittag 2 Uhr in Einzelgräbern, jedoch auf einem gemeinsamen Platz im Zentralfriedhof bestattet. Auch die Asche der= jenigen, deren Berbrennung die Angehörigen wünschen, wird dort beigesetzt und ein großer Denfftein mit allen Namen der Opfer und einer entsprechenden Widmung errichtet werden. Die Bestattung geht selbstverständlich sagte Profeffor Tandler auf Kosten der Stadt Wien  . An der Trauerfeier werden außer den An­gehörigen nur die Funktionäre und Betriebsvertreter teilnehmen.

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Ein Aufmarsch wird dadurch vermieden. In sämtlichen Betrieben wird Mittwoch um 2 Uhr nachmittag eine Trauerpause von 15 Minuten eingelegt werden.

Flug nach Wien  .

Erste Eindrücke nach der Ankunft. Bon Richard Bernstein.

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Wien  , 17. Juli, 14 Uhr. In größter Spannung näherten sich die Berliner   Pressevertreter in mehreren Sonderflugzeugen am gestrigen Tage Wien  . In Prag   erreichte uns die Bestätigung, daß wir nicht nach Wien­Aspern fliegen können warum wußte niemand. In Wien­Aspern, so hieß es, hätte man reichsdeutsche Flugzeuge und Flieger festgehalten. Auch das planmäßige Flugzeug Wien  - Prag   mar dort nicht eingetroffen. Die tschechischen Flieger, die in früher Morgenstunde von Wien   eingetroffen waren, mußten von einer Be­hinderung des Flugverkehrs nichts und wollten sich für eine Wiederherstellung einseßen. Sie vermuteten, daß in Aspern   die dort anwesenden Genossen und die Flugplatzleitung gegenüber einem großen Ansturm von Flugreifenden aus Material- und Sicherheitsgründen die Beförderung unterbunden hätten. Tabei fann möglicherweise auch das Gefühl mitgespielt haben, daß es dem Gedanken des Generalstreifs im Verkehrswesen zuwiderlaufen würde, wenn die zahlungsfähigen Leute fortfliegen könnten. Uebri