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zersprengen und eine große Anzahl derfelben fe ft nehmen. In den Abendstunden wurden mehrere Abteilungen der Wehrmacht als Assistenz in den Sicherheitsdienst gestellt. Bei den geschilderten Un­ruhen sind außer den beiden getöteten Sicherheitsbeamten und einem erschossenen Kriminalbeamten

über hundert Sicherheitswachebeamte größtenteils schwer verletzt worden; aber auch auf Seiten der Demonstranten, vielleicht auch Neugieriger, find mindestens 40 Todesopfer zu beflagen. 300 Verlegie haben in Spitälern Aufnahme gefunden oder Hilfe gesucht.

Wegen Teilnahme an den Ausschreitungen wurden von der Sicherheitsmache bisher insgesamt 252 Personen fe ft genom= men. Das strafgerichtliche Verfahren gegen sie ist eingeleitet.

Die Polizeidirektion hat noch am Abend des 15. Juli eine Kundmachung erlassen, in der sie zur Wiederherstellung der ge­ſtörten öffentlichen Ruhe und Ordnung alle Anjammlungen und Zusammenrottungen auf öffentlichen Straßen und Blätzen, alle gegen die Behörden und deren Organe gerichteten Kundaebungen, jede Nichtbeachtung der gejezmäßigen Anordnungen der Sicherheitswache und jede Störung des Verkehrs überhaupt verboten und angekündigt hat, daß gegen Uebertretungen diefes Verbotes mit aller Strenge vorgegangen werden wird.

An diese Kundgebung der Polizeidirektion anknüpfend mendet sich die Bundesregierung mit einer ernsten Mahnung an die Bevölkerung. Zahlreiche Menschen sind den Unruhen zum Opfer gefallen. Noch mehr liegen verlegt danieder. Tiefes Leid ist über viele Familien hereingebrochen. Durch die Inruhen, Brandlegungen und Plünderungen sind uner jegliche Schäden an öffentlichem

Reichstages zu berichtigen und insbesondere die Berleumdung zurüd­zuweisen, daß Belgien   schon vor dem Kriege mit vollem Willen aufgehört hätte, neutral zu sein. Daß Vandervelde aber dazu genötigt wurde, ist ein Zeichen, das keine Nation übersehen darf, die für ihre Freiheit hat fämpfen müssen. Wenn wir diese Erinnerungen wachrufen, denken wir nicht daran, unangenehme Streitigkeiten verlängern zu wollen.

die

Belgien   und Frankreich   verfolgen mit unbedingter Ehrlichkeit Politit der Annäherung. Wenn Deutschland  eine seiner Verpflichtungen einhält, wie in der vergange nen Woche in Königsberg  , fo verzeichnen wir dieses Ergebnis nicht mit der Befriedigung der Selbstliebe, sondern als ein 3eichen der Entspannung. Es ist nicht allein die Vernunft, es ist nicht allein das Gefühl der Humanität, die uns raten, unsern Strei­tighten mit unfern Nachbarn ein Ende zu machen. Es iſt unſer wohlverstandenes Interesse, was in Frage steht, es ist die Sorge um unsere Zukunft, unsere Neigung zur Arbeit, unser Bedürf­nis nach Ruhe. Unser Friedenswille schließt weder den Willen nach Erhalt regelmäßiger Reparationen noch den der Gewähr leistung unserer Sicherheit aus. Unter Vorbehalt dieser beiden Bedingungen ist jedoch unser Friedenswille so stark und so beharr lich, daß er sich meder durch Unverständnis noch Mißtrauen noch durch persönliche Angriffe entmutigen läßt, und daß er sein Wert über alle Hindernisse hinweg hartnäckig und gelassen fortführen wird.

und privatem Hab und Gut angerichtet worden. Dazu tommt der Päpstliche Wünsche für die Faschistenflotte.

kaum berechenbare Schaben, der Wiens Bevölkerung durch die Stö­rung des Fremdenverkehrs und durch die Stillegung aller Betriebe erroächst. Durch solche Vorkommnisse wird nicht nur der wirtschafts liche Wiederaufbau Desterreichs, das ohnehin unter bitterer wirt­schaftlicher Not leidet, behindert, sondern werden auch zahlreiche Ar­beiter und Angestellte brotlos gemacht werden. Zu diesen bellagenswerten materiellen Schädigungen fritt die schwere Beein­trächtigung des Ansehens und guten Rufes der bisher in der ganzen Welt als friedliebend geachteten Wiener Bevölkerung.

Die Bundesregierung appelliert ohne Unterschied des Standes Die Bundesregierung appelliert ohne Unterschied des Standes und der Partei an alle Wiener und Wienerinnen, die ihre Bater stadt und die Ordnung im Staate lieben, die Behörden und deren Organe, namentlich unfere in gefährlichem Dienste stehen­den Sicherheitswachen und Wehrmachtabteilungen, bei der Wieder­herstellung der gesicherten Ordnung und Ruhe mit allen Kräften zu unterstüßen. Der Bundeskanzler.

Wien  , am 16. Juli 1927.

Poincaré  - ein Freund des Friedens.

Aber er kann es nicht ausdrücken.

Brüffel, 17. Juli.  ( Belgische Telegraphen- Agentur.) In Laeken  fand in Anwesenheit des Königs, des französischen   Ministerpräsi­denten Poincaré  , der Ziril- und Militärbehörden sowie großer Abordnungen der Kriegsteilnehmerverbände die Ein­weihung des Denkmals für den Unbekannten französi schen Soldaten statt. Der Festakt wurde durch eine Ansprache des Königs von Belgien   eröffnet, der u. a. ausführte: Die Ber­legung der Verträge ist die Ursache gewesen, daß Frankreich  und Belgien   in einem Kampf Schulter an Schulter gefochten haben, in dem die Freiheit und die Zivilisation auf dem Spiel fstanden. Weder Frankreich   noch Belgien   hatten die Möglichkeit einer solchen Berlegung des internationalen Rechtes ernstlich ins Auge gefaßt. Deswegen blieb rührend mehrerer Wochen nach Kriegsbeginn eine Bresche an der westlichen Front offen, was eine Gefahr darstellte, die vielleicht hätte tödlich wirken fönnen. Die Hoffnung Belgiens   auf die Mächte, die seine Neutralität garantiert hatten, war aber nicht vergeblich.

Ministerpräsident Poincaré   führte u. a. aus: Es ist kein Berrat an der Sache des Friedens, wenn man die langsame Entstellung der Wahrheit und die Erf: gung der Geschichte durch die Legende verhindert. Bor einigen Tagen hatte Bandervelde Ge legenheit, einige Behauptungen bes Untersuchungsausschusses des

Ein Kardinal gibt seinen Segen für noch größere Unternehmungen".

Hochverrats- Justiz in Bulgarien  . R

Sechs Angeklagte werden öffentlich gehängt. Sofia  , 18. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Nach zweiwöchiger Verhandlung wurde das Urteil im Hochperratsprozeß im Basardschik gefällt. Sechs Angeklagte wurden zum öffentlichen Balgentode, die meisten übrigen Angeklagten zu langjährigen Zuchthaus verurteilt.

In Slimen wurde ebenfalls ein großer politischer Prozeß gegen 21 Angeklagte, die sich wegen Unterschlagungen von Geldern für Hinterbliebene der Opfer des Bürgerkrieges zu verantworten hatten, durchgeführt. 19 der Angeklagten wurden jedoch nach elfmonatiger Haft freigesprochen.

Hilfe für die Kleinrentner. das Versagen der Bürgerblockregierung.

Der Reichstag hat im Haushalt des Reichsarbeitsministeriums für 1927 für die Kleinrenter fürsorge einen Betrag von 25 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Die Kleinrentner find bisher nicht in den Genuß dieser Beträge gekommen. Reichsarbeits­ministerium und Reichsministerium des Innern haben jetzt über die

Berwendung der Mittel neue Bestimmungen getroffen. Danach er halten Kleinrentner, die bereits am 1. April 1927 in Fürsorge standen, Juli 1927 geltenden Kleinrentnergesezes, mindestens jedoch

alsbald eine einmalige Unterſtügung in Höhe des für den Monat

a) als Alleinstehende 30 Mart, b) als Ehepaar 50 Marf,

c) für zuschlagsberechtigte Kinder je 10 Mart.

Es wird höchste Zeit, daß die vom Reichstag bewilligten Mittel den Kleinrentnern ausgezahlt werden. Neue Bestimmungen allein tun es nicht, wenn sie nicht endlich auch die Auszahlung sicherstellen. Statt mit einem ungeheuren Aufwand von Zeit und Geld den ganzen Bürgerblockregierung lieber dafür sorgen, daß den Kleinrentnern Berwaltungs- und Kontrollapparat in Bewegung zu setzen, sollte die rasch geholfen wird. Diese haben es fatt, daß auf ihre Kosten ein Frosch mäusetrieg zwischen Reich, Ländern und Bezirksfürs forgeverbänden geführt wird, bei dem die Kleinrentner das Nach sehen haben.

Rom  , 18. Juli.  ( Agenzia Stefani.) Kardinal Vannutelli, der neunzigjährige Aelteste des Heiligen Kardinalkollegiums und Bischof von Dilia, ist in einem Motorboot an der im Hafen von Ostia   verankerten italienischen   Flotte vorbeigefahren und hat dabei feierlich jedes einzelne Kriegsschiff gejegnet. Aufklärungsgeschwaders, sämtliche Offiziere und schritt die Front Später empfing er an Bord der Bantera, des Führerschiffs des einer Ehrenfompagnie ab. Nach einer Ansprache, in der er feinen Stolz über den Besuch der in dem ruhmreichen Meer Roms verankerten, herrlichen Kriegsschiffen Italiens  " befundete, jeg nete er Schiffe und Besagung mit folgenden Worten: Ich grüße und jegne diese schönen Schiffe Italiens  . Ich grüße und segne jene, die diese Schiffe führen, verwalten, befehligen und sie zu noch größeren Unternehmungen in diesem Meere Roms an­eifern! Gie werten das Meer immer und überall mit dem göttlichung des Jahresberichts der Reichspost, deren Geschäftsjahr an lichen Segen zum wachsenden Wohl unseres Baterlandes befahren. Segne Cott alle, Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften!" Die Führer der Aufklärungsfd; iffe entboten dem Kardinal den Gruß ihrer Schiffe, worauf Kardinal Bennutelli unter den ihm ge= bührenden Ehren ans Land zurückkehrte.

Der Robotnik" beschlagnahmt. Scharfer Zusammenstoß mit Pilsudskis Arbeitsminister Warschau  , 18. Juli.  ( TU.) Die Sonnabendnummer des sozia­liftischen Robotnit" ist wegen eines scharfen, gegen die Regierung gerichteten Artikels fonfisziert worden.

Der Artikel ist symptomatisch für die Stimmung, die in parla­mentarischen Kreifen gegenüber der Regierung herrscht. Wie man heute erfährt, ist es gestern nachmittag zwischen einem sozialistischen  Abgeordneten, der als Führer einer Arbeiterbelegation bei dem Verkehrsminister Romocki vorgesprochen hatte, und dem Minister zu einem scharfen Zusammenstoß gekommen, ter beinahe zu Tätlichkeiten ausartete. Der Minister hatte das An­suchen der Delegation, von einer Denfschrift über Umgestaltungs­pläne der Eisenbahn Kenntnis zu erhalten, in schroffer Weise ab­gelehnt. Aus diesem Grunde richtete heute das sozialistische Organ scharfe Angriffe gegen den Minister. In den Massen beginne es zu gären und es werde in furzem eine Zeit neuer Kämpfe be= ginnen, deren Ende nicht vorherzusehen sei.

Wo bleibt der Jahresbericht der Reichspost? Wie in unter+ richteten Kreisen verlautet, ist erst im Oktober mit der Veröffent⭑ 31. März abschließt, zu rechnen. Diese Verschleppung muß außer ordentlich merkwürdig berühren angesichts der Schnelligkeit, mit der die verfchiedenen Borlagen zur Gebührenerhöhung eingebracht worden sind. Während die Reichsbahn als weitaus größerer Betrieb bereits vor längerer Zeit ihren Jahresbericht veröffentlicht hat, bleibt die Post im Rückstand. Der Reichspostminister wird seine Gründe dafür haben.

Die Wahl zum Heidelberger   Studentenausschuß. Die Wahlen zum allgemeinen Studentenausschuß an der Universität Heidelberg  ergaben, daß 16 Großdeutsche, 4 Finken, 6 Freie Hochschulgruppe 4 Katholiken und zwei Sozialisten in den Ausschuß gewählt wurden. Die Rechte verfügt über 20 Size, die Linke über 12. Im alten Ausschuß war das Verhältnis 9:20. Da die Rechte die Zwei brittelmehrheit nicht wieder erreicht hat, so kann der von ihr beabsichtigte Wiedereintritt in die Deutsche Studentenschaft   nicht durchgeführt werden.

des Sowjetbotschafters wurden zwei Fälscher verhaftet, die versucht Antisowjetistische Fälscherzentrale in Paris  . Auf Beranlassung hatten, gefälschte Dokumente, aus denen revolutionäre Umtriebe der russischen Auslandsvertretungen hervorgehen sollten, bei einer An­zahl Pariser   Botschaften und Gesandtschaften zu verkaufen. Eine Reihe von Auslandsvertretungen in Paris   soll auch hohe Preise für diese Dokumente gezahlt haben.

18 000 amerikanische Legionäre besuchen Frankreich  . Der in Cherbourg   angekommene Generalsekretär der Amerikanischen Legion  erklärte, daß im September 18 000 amerikanische Legionäre zu einer Besuchsreise nach Frankreich   kommen würden.

Juden haben keinen Zutritt" sagt, was nicht gesagt werden darf:| mit den Augen und verkörpert schwere Tragit durch übermensch

Puslappen oder Rollkommando? daß ione aucy Menſchen find. Wer bei Antiſemiten nach seiner liches Brüllen. Maria Fein   und Hermann Ballentin dagegen

Von Erich Gottgetreu

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man

Das Juliheft der Zeitschrift Deutsches Volfstum" beschäftigt fich mit einem mißlungenen Träger eines schönen Namens", den wir ganz gut tennen, und man, freut sich ja immer, wenn etwas über Bekannte liest ber Mann heißt Erich Gctigetreu. Der sei zwar durch seine pazifistischen Cochonnerien im Vorwärts" hinreichend legitimiert", aber was er da jüngst im Montag Morgen" über den Berliner   Stahlhelmtag geschrieben habe, über­steige denn doch alle Grenzen. Was wäre gewesen, wenn dieser Bursche gewagt hätte, durch den Lautsprecher den hunderttausend mehrhaften Mänern im Lustgarten" feine Meinung zu bekunden? ,, Anstatt Zeilenhonorar zu erhalten, wäre er zu Buzlappen zer­rissen worden, chne mehr mit einem Bein zur Erde zu fönnen." Nun, zur Strafe wird ihm hinterher von diesem Deutsch schlecht.

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Immerhin, das ist ein lieblicher Ton, da müssen wir noch weiter lesen: Solche Dreistigfeit tann sich ja nur dank der Mittel­barkeit unserer Welt entwickeln, die die Gegner nicht persönlich. Auge in Auge, zusammentreffen läßt. Diese groteske Verschiebung des Kräfteverhältnisses, die bei einer anschaulichen Gegenüberstellung offenbar wird, kann aber durch feine Zwischenschaltung und teine Paragraphensicherung aufrechterhalten werden. Der Rechtsstaat", der solche Infamie der siegreichen Feuilletonistentaste ungefühnt lassen muß, beschwört damit die Selbsthilfe herauf. Dem auto­fratischen Monarchen, der als Verkörperung des konkreten Staates aller Verantwortung glaubte ledig zu sein, drohte das Attentat. Der autokratischen Journaille, die als Berkörperung des fontreten Staates aller Verantwortung glaubt ledig zu sein, droht das Roll­tommando."

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Was sich da dokumentiert, fagte ich schon. Es ist das Deutsche Volkstum". Wer das tatsächlich geschrieben hat, ist indessen un­bannt; der Autor zeichnet mit G., und wenn auch nicht an­zurhmen ist, daß viel an diesem Autor dran ist mehr als ein Buabe wird es wohl sein. Herrn G. fehlt der persönliche Kontakt mit seinen Gegnern. Es tommt nicht mehr zur offenen, ehrlichen Aussprache mit den anderen, er bedauert das; ich tu's mit ihm. Fragt sich nur, wo die Schuld liegt. Schließlich ist die Aussicht. in ein Sortiment von Buzlappen verwandelt zu werden, selbst wenn die Möglichkeit be­steht, später in den Gebrauch von Stahlhelmern zu kommen, nicht so rosig, daß fie aufgewogen merden fann durch die Freude, auf dem Schlachtfeld der völkischen Ehre ausgebreitet zu werden. Uns fann so etwas das Leben kosten, also nicht der Güter höchstes. Wir müssen ja schreiben, wenn wir etwas gegen euch jagen mollen. Selbst wenn die fünffach objektive Leitung einer zehnfach schraarzweißroten Versammlung dem Gegner zum Wort verhelfen will, die Anhänger verhelfen ihm zu Prügeln. Das häufige Plakat

leberzeugung redet, verstößt gegen die Spielregeln und fliegt. Wir lehnen ab. Wir sind zu feige, um Idioten zu sein. Wir wollen uns mit den Herrschaften nicht mehr in einen Saal sezen. Wir wollen nicht, daß auf unsere Kosten der Lustgarten zum Luft­mordgarten wird. Wir schreiben lieber, was wir pon jenen halten.

Da kommt die Antwort: Rollkommando". Völlig hysterisch. Deutschnationale Richter und ihre Sachverständigen sind sicher ganz derselben Meinung. Und während auf Sozialisten Blize nieder­sausen, lassen diese Richter in eben diesem Glauben an die historische Sendung des Hysterischen ihren Lieblingen eine goldene 51 aus den Wolken leuchten.

Und über Deutschland   bleibt es Nacht.

Der französische   Sudermann.

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Henry Bernstein bricht in seinem Schauspiel ,, fra e I" für die Juden eine Lanze. Es ist aber eine sehr morsche Lanze, die eingehender Prüfung nicht standhält. Das Stück, dem am Sonnabend papierne, von fnalligen Effekten künstlich belebte Konstruktion, die im Leffingtheater begeisterter Beifall befchieden war, ist eine geeignet ist, den guten Geschmack zu verwirren. Ein jüdischer Bankier, der von feudalen Aristokraten unter Führung des jungen Prinzen Thibaul aus dem vornehmen Klub ausgeschlossen werden soll, nur weil er Jude ist, geht den übrigen moralisch um mehrere Pferde­längen voraus. Henry Bernstein stellt im ersten Akt einen Vertreter des blindwütigen Antisemitismus auf die Bühne, den man nicht anders als idictisch bezeichnet hat. Damit hat er zwar den Tnp des Judenfressers gezeichnet. Der Antisemitismus ist ja an fich idiotisch. Der Autor und der einzige Jude des Stückes ebenfalls - halten aber diesen Flegel für einen hochedlen Menschen. An solchen psychologischen Irrtümern ist im Stüd fein Mangel. Der erste Aft, der geschickt und mit dramatischer Steigerung in das Problem ein­führt, scheint den Auftakt zu einem starken künstlerischen Erzeugnis zu bilden. Aber bereits im zweiten verquickt der Autor das Problem Er hat nicht den Schneid, den Anti­femitismus für sich zu behandeln, sondern versucht die Sache dadurch intereffanter zu gestalten, daß er den jungen Judenfresser einen Sohn des jüdischen Banfiers sein läßt. Damit leitet er das Drama in das Fahrwasser des üblen Familientitsches. Fragen, die feinen ver­nünftigen Menschen heute noch etwas angehen Aristokratenehre, Duell behandelt der Autor höchst ernsthaft, und im Parkett fließen die Tränen. Ihre Sorgen möcht ich haben, Herr Bernstein! Der antisemitische Prinz ist von dem Unglück, ein Bastard(!) zu sein, so gefniɗt, daß er sich nicht anders zu helfen weiß, als sich eine Rugel vor den Kopf zu schießen. Henry Bernstein hat also zuerst Mäßchen von vorgestern versehen und läßt sie zum Schluß unbe­eine heutige, drängende Frage mit Berve angepackt, hat sie dann mit arbeitet liegen.

mit Gartenlaubenromantik.

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Dem Regisseur Dr. Brud bleibt nichts anderes übrig, als auch den Bühnenstil von vorgestern anzuwenden. Der Prinz Egon von Jordan   mimt dauernd großes Spiel. Er rollt entsetzlich

gelingt es, das did aufgetragene Pathos zu vermenschlichen. Ihr schmerzlicher Aufschrei flingt leise und verhalten und greift gerade dadurch ans Herz. Ernst Degner.

Babylon.

Die Abendzeit zog näher schon. Der Richter Knorfs sprach voller Hohn: Heut' hatt' ich vor der Kammer 6 Mal wieder so' nen roten Fer. Ich hab' den Keri nicht schlecht verknackt. .Acht Jahre hab' ich aufgepackt. Dann stand auch eine Sache an: Totschlag durch einen Stahlhelmmann. Da hat sich aber rausgestellt, Daß Schuld nur auf den Toten fällt. Es schlug der Knorts sich auf das Knie: Ja, die Justiz, die pendelt nie, Da weiß der Bürger, was er hat. Da bringt Frau Knorks das Abendblatt. Darinnen sieht, groß aufgemacht: Aufruhr in Wien  ! Die Straßenschlacht! ..! Großfeuer im Justizpalast Herr Knorks war darauf nicht gefaßt. Er liest die Spalten drei-, viermal. Die Knorffen sagt: du wirst recht fahl? Ob ihm nicht wohl im Magen sei? Es lächelt Knorfs: Das geht vorbei! Tags drauf geht er dann zum Termin. Ein Murr'n im Kopf begleitet ihn: Mene tekel upharsin.

Hans Bauer.

Käte- Kollwih- Feier in Flottstelle. Im idyllisch gelegenen Flott­stelle bei Kaputh am Schwielowsee   brachte auf die Nachricht von der Anwesenheit von Käte Kollwig der Arbeitergesangverein Eintracht" Kaputh   am Sonnabend bei eintretender Dunkelheit ein Ständchen. Es war eine unvergeßliche ergreifende Feier des Landvolkes, das seiner unmittelbaren Verehrung für eine der Ihren und Großen mit Herz und Stimme Ausdruck verleihen wollte. Obstzüchter, Land­arbeiter und Arbeiterfinder überbrachten die frischgepflückten Blumen und Früchte, und als die vielen halbumschatteten Köpfe, welche den ganzen Hof des Hauses ausfüllten, ihre schönen Lieder in die Stille der Nacht und des Sees hinausfangen, war es eine feierliche Stimmung.

Mag Immanuel feierte in einer Ansprache den Menschen und die Künstlerin Räte Kollwig, welche ihre 3eit in zeitlofen Werken gestaltet hat. Karl und Käte Rollwig stellte er als ein leuchtendes Beispiel der Hilfe für ihre Mitmenschen hin.

Richard Dehmels Muffer 95 Jahre. Am 18. Juli begeht die Mutter Richard Dehmels, Frau Luise Debmel, die in Bad Flinsberg   bei ihrem zweiten Sohn wohnt, in voller geistiger und förperlicher Frische ihren 95. Geburtstag. Sie ist am 18. Juli 1832 in Bingen   geboren.