Abendausgabe
Nr. 33944. Jahrgang Ausgabe B Nr. 167
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10 Pfennig
Mittwoch
20. Juli 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Schwarze Trauerfahnen auf den Gemeindegebänden.
r. bn. Wien , 20. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Für die heutige| Leichenfeier im Zentralfriedhof wurden große Vorbereitungen getroffen. Es wurde ein großer Katafalt aufgestellt, der für 100 Särge Platz hat, der aber heute nicht voll ausgenutzt wird, da heute erst 60 Leichen gemeinsam bestattet werden. Bon allen Korporationen wurden reichlich Blumen und Kränze gebracht. In den Arbeiterbezirken haben die Arbeiter rote Fahnen mit Trauerflor herausgehängt. Auf allen Gemeindegebäuden wehen schwarze Trauer fahnen. Die Bestattung wird um 2 Uhr nachmittags stattfinden. Die Wiener „ Arbeiter 3eitung" bringt heute einen Leitartikel„ Das Bermächtnis der Toten". In dem Artikel wird gefragt, wofür diese Toten gefallen seien. Sie seien gefallen als Revolutionäre, in dem Gefühl, durch ihr vergoffenes Blut ein Opfer für die Zukunft gebracht zu haben. Aber das Tragische und Sinnlose sei, daß dieser Kampf tein revolutionärer Rampf cewesen sei, sondern eine Treibjagd, ein planloses Gemezel, in der Menschen zugrunde gingen. Das sei das schauerliche Gefühl, das alle erfülle. Das Bürgertum freilich denke auch in diesem AugenClick nur an sich, die Störung seiner geschäftlichen Transaktionen und die Sorge um den Fremdenverkehr seien ihm wichtiger als das Andenken der Toten.
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Streifabbruch eine Tat republikanischen Verantwortungsgefühls.
Verkehrsstreifs:
,, Wißt ihr, warum den Herren so völlig das Verantwor=
tungsgefühl fehlt, das uns leitet? Weil diese Republik , die sie regieren, ihnen einfach wurst ist! Was liegt denen daran, wenn die Republik zugrunde geht? Uns aber ist diese Republik , fo geschändet sie auch ist unter der Regierung derer, die sie im Herzen bassen, uns ist diese Republit troß alledem das fünftige Erbe der Arbeiterklasse. Darum machen wir uns Sorgen um ihren Bestand und ihre Sicherung. Darum denken wir selbst in den Stunden wildester Erregung daran, unseren Kampf mit Mitteln zu führen, die die Republit nicht in Gefahr bringen. Darum treiben wir nicht Prestigepolitik in ernsten Stunden. Darum leitet uns das Verantwortungsgefühl, das denen fehlt, die die Republik regieren, aber hassen.
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Der Abbruch des Verkehrsstreits er ist eine Tat republikanischen Verantwortungsgefühls. Und weil dieses republikanische Verantwortungsgefühl unsere breiten Massen erfüllt, darum werden sie den Beschluß des Parteivorstandes und der Gewerkschaftskommission in geschlossener Einheit vollziehen. Ein Zirkulartelegramm sie sind in den Streit getreten. Ein sie werden die Arbeit aufnehmen. So handelt ein von Berantwortungsgefühl und Disziplin erfülltes Heer! Und solange es so handelt, bleibt es unbesiegbar. Sein Verantwortungsgefühl wird uns die Republit erhalten."
anderes
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Bewaffnete Faschisten. Heimwehr - Putsch in Steiermark .
Der Berliner Lokal- Anzeiger" deckt die Bewaffnung der Faschisten in Steiermark und ihre putschistischen Absichten auf. Er läßt sich aus Graz berichten:
„ Die schwächliche Haltung des Landeshauptmanns gab zu einem schweren Ronflitt in der Landesregierung Anlaß. Der christlich- soziale Landeshauptmann- Stellvertreter, Riegler, und Landesrat Pfarrer Benz, verließen ihren Sig in der Landes
regierung in Graz und errichteten in Feldbach eine provisorische
bürgerliche Landesregierung, der auch von der Großdeutschen Partei Abg. Dr. Minarit und vom Landbund Nationalrat Bangel angehörten. Diese Nebenregierung erließ einen Aufruf der Heimwehren. Bis Sonntag vormittag war ganz untersteiermart, Mittel- und Weststeiermark bis auf die Industrieorte Boitsberg und Koeflach im Befige der Heimwehren.
nis dieser Untersuchung mehr der Ansicht zu, daß die Beschädigungen des Mauerwerkes durch die große Hizeentwicklung so schwer sind, daß die Wiederherstellung mehr als fraglich erscheint. getragen werden muß. Nach der heutigen Untersuchung ist zuEs dürfte nunmehr damit zu rechnen sein, daß das Gebäude a b nächst angeordnet worden, daß innerhalb der nächsten 24 Stunden die Gebäudeteile, für die Einsturzgefahr besteht, abgerissen werden. Das gilt namentlich für die Giebelaufbauten und Gesimse, deren Verankerung und Stügung durch das Feuer vernichtet oder beschädigt ist. Auch die Schornsteine stehen vor dem Einsturz; an vielen Stellen hängen meterlange Blechstücke herab. Aus Gefahrgründen mußte die Absperrung des Justizpalastes und die Umleitung des Berkehrs weiter aufrecht erhalten werden.
Der Gemeinderat tagt morgen.
Wien , 20. Juli. ( WTB.) Bürgermeister Seiß hat den Wiener Gemeinderat für Donnerstag nachmittag zu einer Sigung einberufen. Diese Sigung wird die erste parlamentarische Aussprache über die Ereignisse der letzten Tage darstellen.
Schober über die Wiener Vorgänge.
Der Wiener Polizeipräsident Schober hat einem Wiener Journalisten eine Darstellung der Vorgänge gegeben, die in der ,, Bossischen Zeitung" wiedergegeben wird.
Schober führt den Angriff auf den Justizpalast darauf zurück, daß die Maffen, die sicher nur zu einer Demonstration gekommen waren, ohne Führung blieben; nicht einmal Ordner seien mitgegangen. So wurden die vielen Tausende in den Augenblicken, da sie dringend des Rates ihrer Führer bedurften, allein gelassen, und diese gefährliche Situation benutzten unverantmortliche tommunistische Clemente, um sich an die Spize der Be wegung zu stellen und die Menge zu jenem Ziel zu führen, das
ihnen erstrebenswert schien.
Der Befehl, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen, fei erst gegeben worden, nachdem Bürgermeister Seiß ihm mitgeteilt habe, daß seine Intervention zum Zwecke der Feuerwehraktion bei der zügellofen Menge fruchtlos gewesen sei. Der Bürgermeister habe ihm gesagt:„ Ich bitte Sie, Herr Polizeipräsident, versuchen Sie es noch einmal mit anderen Mitteln." Er habe erwidert: Jawohl, das verspreche ich Ihnen, aber wenn es nicht anders geht, dann muß ich die Kommandanten instruieren, von der Waffe Gebrauch zu machen. Es steht alles auf dem Spiel"
Die Schuld liege also nicht beider Wiener Arbeiterschaft. Die Erregung der Massen nach dem Urteil von Schatten dorf sei wohl sehr groß gewesen, aber die Menschen, die sich zu solchen Unruhen fortreißen ließen, Gebäude anzündeten, Wachtleute massafrierten usw., das waren feine Wiener, und das waren auch feine Wiener Arbeiter. Der Mob, die Hefe des Volkes, verantwortungslose Gefellen, hätten sich der Bewegung bemächtigt.
Zum Schluß fagte Schober, es sei gut und flug gewesen, den Verkehrsstreit rasch zu beenden; denn er hätte, wenn er auch nur kurze Zeit angedauert hätte, zu den schwersten politischen Folgen für Desterreich führen können.
Tod eines Hohenzollernkönigs. Ferdinand I. von Rumänien gestorben.
Am gleichen Tage, an dem das neugewählte rumänische Barlament sich endgültig konstituierte, starb König Ferdinand. Während eine allgemeine Nachrichtensperre über Rumänien verhängt wurde. berichtete die amtliche Nachrichtenagentur von seinem plötzlichen Ende Ferdinand entstammt der Sigmaringer Linie des Hohenzollernhauses. 1865 geboren, wurde er von seinem kinderlosen Onkel Karl von Rumänien schon 1889 zum Kronprinzen ernannt. Er trat die Regierung im Oktober 1924 an, erklärte Deutschland den Krieg und wurde im Frieden von Bufarest 1918 von den deutschen Hohenzollern Gebietsgewinn brachte: Bessarabien , Bukowina , Transsylvanien und das Banat wurden von Rußland , Desterreich und Ungarn losgerissen und dem Stammlande einverleibt. In sozialer Hinsicht war die Zeit seiner Regierung durch die Agrarreform bemerkenswert, die er durch führte, um seine Dynastie vor der Agrarrevolution zu retten. Das allgemeine Stimmrecht, das ebenfalls eingeführt wurde, ist nur eine Fassade, hinter der sich das faschistenähnliche Terrorregiment der herrschenden Großgrundbesigerflasse vergeblich verbirgt. Sein Name bleibt verknüpft mit fürchterlicher Klassenjustiz gegen Sozialisten und Kommunisten.
Im Nordosten von Graz waren die Heimwehren im Raume tief gedemütigt, bis der Sieg der Entente auch seinem Lande mächtigen
von Kainbach , zwei Kilometer von Graz , versammelt. Alle waren bewaffnet und mit Maschinengewehren versehen.
Gegen Abteilungen des Republikanischen Schutzbundes im republikanischen Industriegebiet errangen die Heimwehren großen Erfolg. Heimwehrführer Dr. Pfriemer sammelte im oberen Murtal 7000 Mann mit 200 Maschinengewehren und besetzte Sonntag früh
Die Heimwehr kontrolliert heute in ganz Steiermark die Durchführung der vollständigen Arbeitsaufnahme und wird morgen abrüften. Insgesamt waren 17 000 Heimwehrmänner unter den Waffen." Selbstverständlich beschuldigt der Lokal- Anzeiger" nicht die bewaffnete Heimwehr, sondern den unbewaffneten Schuhbund des Putschismus. Frage: Wieviel Waffen besitzt der Stahlheim in Deutschland ?
Untersuchung der Justizpalast- Ruine. Wien , 20. Juli. ( WTB.) Der Justizpalast wurde durch eine Rommission besichtigt, die aus Vertretern der städtischen Baupolizei, des Ministeriums für Handel und Verkehr und des Bundeskanzleramtes bestand. Während man ursprünglich angenommen hatte, daß die Grund- und die Außenmauern noch so gut erhalten seien, daß das Gebäude restauriert werden könnte, neigt man nach dem Ergeb
Die teure Post.
Schäzels Politik, das Parlament und die Arbeiterschaft.
Uebermorgen, Freitag, findet die Sitzung des Verwaltungsrats der Reichsost statt, die über die hart umfämpfte Gebührenvorlage des Herrn Schäßel zu entscheiden hat. Der Arbeitsausschuß, dem die Vorbereitung der Beschlußfassung oblag, hat die Erhöhung der Porti gebilligt; die ganz unwesentlich. Ueberreichlich ausgeglichen werden sie Abstriche, die dabei am Entwurf vorgenommen wurden, find durch die Verdoppelung des Posttarifs für den Ortsver= kehr, die sogar im Widerspruch zu den früheren Beschlüssen desselben Verwaltungsrats steht. Weder die Proteste aus der Wirtschaft, noch der Einspruch des Barlaments vermochten Herrn Schäßel zu bestimmen, seine Forderungen zu revidieren. Mit bajuvarischer Hartnäckigkeit hielt er an der Vorlage fest, die in diesen Tagen zur Entscheidung steht.
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Nichts wäre verfehlter als der Glaube, daß die Portoerhöhung ja nur eine Angelegenheit derjenigen sei, die viel Briefe schreiben, Geld, Pakete, Telegramme und Drucksachen versenden. Banfier, Kaufmann, Fabrikant Landwirte, die Behörden feiner von ihnen zahlt den Aufwand für die nun einmal notwendige Inanspruchnahme der Post aus irgendwelchen Reserven oder Sondereinnahmen. Sie alle bezahlen sie mit dem Geld, das ihr Kunde für Spesen und Leistungen hergeben muß. Die 208 Millionen Mark, die selbst nach dem Eingeständnis Schäzels der Post neu zufließen sollen, belasten den Verbrauch, werden von ihm in erhöhten Preisen getragen, ganz gleichgültig, wer zufällig die Brief= marke klebt. Aber in Wirklichkeit sind es nicht nur 208 Millionen, es sind weit mehr. Man wird das Richtige treffen, Portoerhöhung auf 250 millionen Mart schäßt. wenn man die Neubelastung der Wirtschaft durch die
Eine Viertelmilliarde Mark, zu deren Tragung das ganze Bolt herangezogen wird, das ist keine Kleinigkeit. Bei jedem Pfennig Lohnerhöhungen, bei jeder Neuregelung der sozialen Abgaben, bei jeder Steuerdebatte schallt es aus allen Kreisen der Wirtschaft, daß die Unternehmungen teine Neubelastung mehr vertragen. Auch bei dieser Vorlage hat eine große Zahl von Berbänden ihren Einspruch gegen das Postgesetz mit diesem Hinweis begründet. Deshalb muß einmal flargestellt werden, wen die politische Berantwortung für eine Aftion trifft, deren Schädlichkeit von allen Bevölkerungsfreisen, von Arbeitnehmern wie Arbeitgebern, von Bars lamentariern aller politischen Richtungen und von unabhän gigen Sachverständigen erkannt wird.
Nach dem Postfinanzgesetz trägt die Verantwortung in erster Linie der Verwaltungsrat der Reichspost. In ihm sind neben den Behörden das Personal und die führenden Unternehmergruppen vertreten. Die Haltung dieser Wirtschaftsführer trägt die Hauptschuld daran, daß Schäßel mit seinen Plänen nicht schon in seinem eigenen Hause scheiterte. Entgegen der öffentlich bekundeten Auffassung ihrer Berbände haben diese Unternehmer den Mut gefunden, den Poſtminister zur Einbringung der neuen Vorlage geradezu anzuflehen. Man fragt vergeblich nach den Gründen für dieses Berhalten, das die Mitwirkung der Wirtschaft an der Verwaltung der Reichsbetriebe zu einer jämmerlichen Groteste herabwürdigt. Verstehen kann man es, wenn die Interessenten an den Aufträgen der Post, von eigenem Profitstreben beherrscht, die Sache feines Unternehmens für für die Sache des Volkes ansehen. Man kann es verstehen, obwohl man diese Ver= quidung von Politit und Geschäft als eine Quelle übelster Korruption großen Stiles eher heute als morgen unmöglich machen sollte. Unverständlich aber ist es, wenn ein führender Vertreter des Einzelhandels sogar entgegen den Wünschen der von ihm geführten Verbände sich seine Berufsgenossen und die volkswirtschaftlichen Interessen im entscheidenden Augenblick hinter den Postminister stellt, preisgibt. Man muß gespannt sein, ob diese famosen Wirtschaftsführer auch am Freitag den Mut zu einer solchen Kowirtschaftlichen Gutachten in Zukunft werten müssen als das, mödie finden. Tun sie es, so wird man ihre politischen und was sie sind, als eine leere Geste, für die im Augenblick der Tat niemand, sie selbst am wenigsten, einzustehen wagt. Die Post ist aber ein Betrieb des Reiches. Niemals könnte der noch immer dem Parlament verantwortliche Minifter sich zu derartig einschneidenden Maßnahmen bekennen, die Gefolgschaft versagt. Die Koalitionsparteien des Rechtswenn ihm auch nur eine der Regierungsparteien blocks trifft also die volle politische Verantwortung dafür, wenn die Postgebührenerhöhung erfolgt. Die Verantwortung ist doppelt schwer. da ja der Reichstag selbst in seinem Plenum die Regierung ersucht hat, von er Portofteigerung Abstand zu nehmen. Es ist also eine leere Ausflucht, wenn der Postminister sich auf eine Stimmung im Haushaltsausschuß, die er obendrein nach seiner Art falsch gedeutet hat, oder auf Besprechungen der Koalitionsparteien beruft. Vertrauliche Barlamentarierunterredungen entbinden die Regierungen nicht von der Pflicht, sich an Beschlüsse des Reichstags zu halten. Im Haushaltsausschuß aber lagen die Dinge so, daß die Opposition mit ihren Argumenten starken Einbrud gemacht hat. Ein Beschluß war überflüssig, nachdem das
Ob de Tod Ferdinands sofort ernste politische Folgen auslöft, steht noch dahin. Da er seit Jahren frebsleidend war, hatte man fich auf sein Ende vorbereitet. Ein Regentschaftsrat ist bereits ein gesetzt, der für seinen unmündigen Entel die formelle Herrschaft ausüben soll. Die eigentliche Machtausübung bleibt in der Hand der Liberalen Partei ", also Bratianus. Schwerste Komplikationen tönnen allerdings fofort einfegen, wenn der wegen seiner Liebesabenteuer und unsauberen Lieferungsgeschäfte gefchaßte Ex- Plenum in gleichem Sinne geurteilt hatte. Ein Antrag hätte Kronprinz Carol den Einfall haben sollte, Paris mit Bukarest zu tauschen. Da die Diftatur ihm mehr liegt als unfruchtbare parlamentarische Kämpfe", hat Bratianu zunächst einmal den Be= lagerungszustand erklärt:„ Das Land hat Ruhe, Einigkeit und Eintracht notwendig.
nur dann einen 3wed gehabt, wenn der Haushaltsausschuß das Parlament in letter Stunde hätte umstimmen wollen. Das war nicht der Fall. Weder die Regierungsparteien, noch auch die Opposition hatten einen Anlaß dazu, da man nach dem Berlauf der Debatte annehmen müßte, daß Schäzel, gea