Nr. 35944. Jahrgang
Beilage des Vorwärts
Ein schöner Sonntag.
Riefenverkehr auf allen Verkehrsmitteln- Rekordzahlen.
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Gestern hatten wir den ersten wirklich schönen Sonntag in diesem Sommer. Sogar der traditionelle Wolkenbruch blieb aus. Bom frühen Morgen bis zum späten Abend brannte die Sonne Dom wolfenlosen Himmel. Das hochsommerliche Wetter verfehlte daher auch nicht seine Wirkung auf die vielen Daheimgebliebenen, denen der Geldsäckel feine Erholungsreise erlaubt. Schon von 6 Uhr morgens an strömten die Scharen der Ausflügler den Borort. und Stadtbahnhöfen zu. Gegen die 10. Vormittagsstunde wurde der Andrang bereits beängstigend. Der Hauptstrom der pielen Tausende ergoß sich naturgemäß nach den Vororten mit ,, Badegelegenheit". Die Freibäder am Wannsee , Müggelsee, Tegel , Grünau , Oberschöne weide, Saatwinkel usw. waren schon in den Mittagsstunden über füllt. Aber auch überall an den Flußläufen und Seen, an den nichtoffiziellen Badestellen bildeten sich nach Tausenden zählende Badekolonien. Im Freibad Wannsee herrschte ein Massenandrang. Schäßungsweise 70 000 Badegäste eine Rekordziffer bevölkerten den schönen, langgestreckten Strand und suchten Abfühlung in den Fluten der Havel . Fast ausnahmslos haben auch die Gastwirte der Ausflugslotale ein gutes Geschäft gemacht. Die Lokale waren vielfach überfüllt. Wie die Reichsbahndirektion Berlin mitteilt, hat der gestrige Sonntag bisher den ftärksten Verkehr in diesem Jahre gebracht. Insgesamt wurden 2113 000 Personen auf der Ring. und Vorortbahn befördert. Man fann sich leicht ein Bild von der Verkehrsdichte und dem Andrang auf den einzelnen Bahnhöfen machen, wenn man einige Zahlen darüber erfährt. So steht an der Spike Nikolassee und Bannsee mit allein 123 000 Ausflüglern, die die Fahrt vom Potsdamer Bahnhof antraten, es folgt Grünau mit 78 000, Friedrichshagen mit 51 000, Rahnsdorf mit 35 000, Treptow mit 32 000, Erfner und Potsdam mit je 26 000 Fahrgästen. Die Schalterbeamten und die Bahnbeamten hatten den Maffen gegenüber oft feinen leichten Stand, dennoch ging alles reibungslos und gelassen vonstatten. Aber auch auf die Fernbahnhöfe hatte ein ungewöhnlich Starter Ansturm eingesetzt. 3wölf Vor- und Nachzüge mußten eingesetzt werden, um die Reisenden wohlverfrachtet an ihre Endziele zu bringen. Vom Stettiner Bahnhof gingen sechs, vom Anhalter Bahnhof vier und vom Potsdamer Bahnhof zwei Vor- und Nachzüge zu den planmäßigen Zügen ab. Für die nach Berlin zurück. flutenden Ferienreisenden mußten elf Vor- und Nachzüge eingesetzt werden. Alle Züge hatten eine durchschnittliche Besetzung von 100 Prozent aufzuweisen. Einen Massen verfehr hatte auch die Berliner Straßenbahn zu bewältigen. Insgesamt wurden über 1 Million Fahrgäste nach allen Himmelsrichtungen, so nach Tegel , Pichelsdorf, den östlichen Vororten usw. befördert. Den Schaffnern wird der geftrige Tag in nicht allzu guter Erinnerung bleiben. Er war ein Großkampftag im wahrsten
Sinne des Wortes.
Die Aboag hatte gleichfalls alle zur Verfügung stehenden Wagen für den Ausflugsverkehr in Betrieb gestellt. 110 Wagen haben allein auf diesen Strecken Dienst gemacht. Bom Bahnhof Nitolassee wurden etwa 15 000 Fahrgäste nach dem Freibad Wannsee befördert. Die Ausflugswagen nach dem Spree wald, Mellenfee, nach Rheinsberg , Freienwalde und Buckow waren besonders gesucht und voll besetzt.
Leider auch viele Badeunfälle.
Im Tegeler Gee ertrant der 33jährige Diener Gustav Seß aus der Stiehlerstraße 14. Rettungsversuche blieben vergebens. Gleichfalls im Tegeler See , in der Nähe des Jagens 65, ertrant der 19jährige Hausdiener Bernhard Uste aus der AckerStraße 85. Seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Noch ein drittes Opfer forderte der Tegeler See in dem 43jährigen Arbeiter Paul Bogel aus der Erasmusstr. 16. B. konnte von der Freiwilligen Feuerwehr nur noch als Leiche geborgen werden. Im Teufelssee im Grunewald ertrant der 11jährige Schüler Gerhard Konrad aus der Kastanienallee 46. Im Freibad Bilhelmsstrand in Oberschöneweide ging der 48jährige Maurer Josef Pade aus der Kadiner Sraße plöglich unter. Der Berunglückte fonnte bald aus dem Wasser gezogen werden, doch blieben Wiederbelebungsversuche ohne Erfolg. Zwischen Gatom und Cladom ertranfen zwei junge Mädchen, die eine Paddelbootfahrt unternommen hatten. Aus unbekannter Ursache tenterte Das Boot, und die beiden Insafsinnen fanden den Tod. In der Havel bei Potsdam ertrant ein unbekannter 18-20jähriger junger Mann. Seine Leiche fonnte geborgen werden.
Beim Baden in der Have! ertranten gestern nachmittag die 25jährige Meta Pastwa aus der Wröhmännerstraße zu Spandau und die 30jährige Elisabeth Fischmann aus der lf naustraße 8 311 Charlottenburg. Rettungsversuche blieben ohne Erfolg. Dem Reichswasserschutz war es noch nicht möglich, die Leichen der Ertrunkenen zu bergen.
Wohl selten hat man eine solche Fülle von Kleidern aus Seide, Voile, Leinen mit Stickerei und Spigen in einem Zuge beisammen gesehen, als dies in dem gestrigen Warnemünder Sonder zuge der Fall gewesen ist. Es war eine Huldigung der Jugend an die Ostsee - und wer würde sich heute mit Bubitopf und furzem Rod nicht zur Jugend rechnen? Die Ostsee hatte dann auch ihr verführerischstes Gesicht aufgesteckt: spiegelglatt lag das„ Meeer" unter
Ein hoffnungsloser Fall. Folgen der Haftpsychose.
Ein hoffnungsloser Fall! 22 Jahre Gefängnis hat der Angetlagte S. hinter sich; vier bis fünf Jahre Gefängnis vor sich. Bier bis fünf Jahre?! Hält er diese durch, so werden es bestimmt noch mehr. Wie gesagt, ein hoffnungsloser Fall!
Trostlos dieser Angeklagte auf der Krankenbahre vor dem Richtertisch. Troftlos auch sein Schlußwort, in dem er seine Richter um Milde bittet. Glauben Sie mir, meine Herren Richter, im Innern der Seele bin ich nicht der rücksichtslose und verdorbene Verbrecher. Das Bewußtsein meines verfehlten Lebens hat mich feelisch ruiniert und nimmt mir die Kraft, mich von selbst wieder aufzurichten. Ich habe ein schrecklich schweres Leben hinter mir. Meine ersten Strafen haben mir die Möglichkeit genommen, mich journalistisch zu betätigen. So war ich widerstandslos dem Bösen ausgeliefert. Ich will nichts Schlechtes von meinen toten Eltern jagen; was fann ich aber dafür, daß ich meine unglückliche Konstitution mit ins Leben bekommen habe? Ich war dieses Mal ehrlich bestrebt, auf reblichem Wege weiterzutommen; der Tod meiner Mutter, die Beschlagnahme ihres Nachlasses haben mich rüdfällig werben laffen."
fennen.
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den scharf sengenden und rotbraun brennenden Sonnenstrahlen da: es war zum„ See" geworden, wie wir ihn in der Mark allenthalben Wer durchaus Seeluft haben wollte, mußte diese während der Dämmerfahrt der eleganten Fähre Schwerin " einatmen: da der Aufenthalt in dem dänischen Gjeöser nur ein wenige Minuten Teilnehmer der umfassendes Betreien des Landes ermöglicht irgend welche dänischen Eindrücke" ausgeschlossen. Wenn der geftrigen Fahrt berichten von zwanzig Minuten fo find natürlich so sind natürlich Landwind weht, ist die Ostsee fein Tummelplag aufgeregter Badeepisoden: das Auge hat Gelegenheit genug, anderweite Eindrücke aufzunehmen. Und da sieht es, daß in dem Burgenlande", zu dem fich der ganze Sandstrand umgewandelt hat, schwarzweißrote Fahnen Trumpf sind vielfach wohl aus Gedankenlosigkeit, weil eben der Warnemünder Laden diese bietet. Die unter der Monarchistenfahne am Boden schlummernde Zeitung ist meist Berliner demokratisches Gemächs! Freilich dort, wo am Strom" der Großherzogliche" Jachtklub sein Heim hat und die Motor- und Segelboote anfern, ist die Abwanderung von der republikanischen Standarte schon eine bewußte. Die Hotels find flüger: nur eins zeigt durch Hissung von Schwarz- Weiß- Rot an, daß es auf ,, republikanisches" Geld verzichtet. Im übrigen: viel hat sich in Warnemünde nicht geändert: es ist immer noch einer derjenigen Seebadeorte, wo für das gern genommene Geld auch etwas gebeten wird. Schließlich sei noch einer leberraschung gedacht: der Eonderzug vierter Klasse wies meht Wagen dritter als vierter Klasse auf. Bernünftige Leute ziehen den weiten Raum der vierten dem Kasten der dritten vor.
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Siedlers Sommerfeste.
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Auf dem Gelände der ehemaligen Flughalle in Biesdorf , nicht weit von Karlshorst , hat sich seit Jahren eine ausgedehnte Siedlung entwickelt, die als Biesenhorst bereits bekanntgeworden ist; sie ist gelagert um eine riesengroße Grasebene als Kern, die nach dem Willen des Bezirksamtes Lichtenberg einmal ein Stadion werden soll. Dieser machtvolle Plan war am Sonntag der Schauplah eines echten und wahrhaft schönen Boltsfestes, wie es, mit Ausnahme des Falkenberger Festes, in der Ferne kam, daß ein unerhört schönes Wetter das ganze Programm zum und Nähe Berlins wohl noch taum gefeiert worden ist. Hinzu vollen Gelingen verhalf. Um 215 Uhr setzte sich ein Festzug in Marsch, der eine Fülle grotesker Motive mit fich führte. Dem Lichtenberger Bezirksamt sagt man die nicht ganz glaubhafte Abficht nach, es wolle diese wirklich prächtige und mit unendlichen Mühen und Arbeiten geschaffene Siedlung glatt vernichten, um daraus einen Wald zu machen, eine Art Stadtpark. Dafür mußten nun die Lichtenberger die lebendig gewordene Satire der Biefenhorster einstecken. Man führte den Amtsschimmel in vierbeiniger Person mit, man zeigte- es waren erschreckend dürre und magere Steden den kommenden Wald, man zeigte die kommenden Wochenendhäuser. Ein gräßlicher Drache, das Bezirksamt, schickt sich an, ganz Biesenhorst zu verschlingen. Die Baubureaukratie, die bekanntlich in Berlin über etwa 30 Instanzen verfügt und den Siedlern das Leben schwer macht, wurde arg und mit Recht gezauft. Nach dem mit großem Beifall aufgenommenen Umzug entlub sich in einer sehr ulligen und mit vielen zugkräftigen Anspielungen gepickten dramatisierten Borstandssigung unter freiem Himmel der Unmut der Siedler über die bezirksamtlichen Bernichtungspläne, die felbstverständlich in dem befürchteten Radikalismus gar nicht zur Ausführung fommen tönnen. Dann gab es prächtige turnerische Borführungen der Freien Turnerschaft Lichtenberg Friedrichsfelde . Der Niedermärkische Boltstanzfreis, unterſtügt von einer geradezu entzückenden WandervogelDorfkapelle, in der selbst der Brummbaß nicht fehlte, bot Volkstänze in seltener Vollendung. In diesen jungen Menschen steckt tänzerische Begabung. Erich Beinert sprach, von Beifall unterbrochen, seine spitzen politischen Satiren und Grotesken. Kinderfreise führten reizende Liedertänzchen vor, Kasperle hatte volle Häuser und die Tanzdiele im Freien konnte die Tanzluftigen nicht fassen. Als der Abend hereindämmerte, entfalte fich ein wunderbares märchenhaftes Bild. Im ungeheuren Kreis glühten Tausende von farbigen Lämpchen in der Nacht. Dann praffelte ein FeuerDann praffelte ein Feuerwert auf und die Flammen eines Holzstoßes loderten machtvoll zum nächtlichen Himmel. Ansprache, Lieder, Tänze, Musik, fröhliche Rufe, so ging das bis tief in die Nacht. Das ganze ein einzigartiges Erlebnis.
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meisten der bisherigen Kleingärtnerfefte im strömenden Regen vor Den Lichtenbergern scheint Petrus wohlgefinnt; während die fich gingen, schien am Sonntag eine richtige Feft- Sonne. Um 2 Uhr nachmittags versammelten sich die Festteilnehmer Arbeitergärten vom Roten Kreuz, Bezirk Lichtenberg Pächter der in Lichtenberg , formierten fich zu einem Propaganda- Umzug am Rathaus Dann ging's nach dem Saalbau Friedrichshain zur Kaffeeund marschierten mit Mufit rund um die nächste Nachbarschaft. tafel, Musik und Tanz. Den Höhepunkt des Festes bildete die Bekanntgabe und Prämiierung der aus dem Parzellenwett bewerb hervorgegangenen Sieger. Die Freude all dieser Kleingärtner an ihrem Streifchen Grünland, das ihnen Erholung und neue Kräfte zu tätigem Schaffen vermittelt, ist groß und tief; der heftige Kampf, den sie um die Erhaltung ihres Plätzchens an der Sonne führen, ist ein gerechter und wenn man all die frohen Gesichter und lachenden Mienen sah, wurde man sich dessen richtig bewußt. Die fröhliche, zahlreiche Gesellschaft vergnügte fich bis zum späten Abend. Die Großen tanzten, die Kleinen spielten, jeder fam auf seine Rechnung. Im fröhlichen Fackelzug ging's dann wieder heimwärts.
Der Angeklagte weint. Es ist nicht Theater, das er hier dem Gericht vormacht; er empfindet es wirklich fo, er trauert um sein verfahrenes Leben und weiß, daß es vielleicht doch auch anders hätte tommen können. Sein Vater hatte eine Konzertagentur, die feine Mutter nach dessen Tode fortführte. In der Schule tam er bis zur Unterprima. Er verließ sie aber, da er in sich schriftstellerische Talente vermutete. Er will an der„ Neuen Züricher Zeitung" und an manchen anderen Blättern journalistisch tätig gewesen sein. Dann glaubte er sich zu einer fünstlerischen Laufbahn ausersehen und hielt Vortragsabende. wie er behauptet, nicht ohne Erfolg. Dann fam er in schlechte Gesellschaft. Seit 1903 folgte eine Strafe auf die andere: Einbruchshiebstähle, Warenhausdiebstähle, 22 Jahre Gefängnis! Die Freiheitsberaubung vertragen aber verschiedene Leute verschieden. Es gibt Menschen, die in der Haft feelisch zu sammenbrechen. Vielleicht weil in ihnen das Bewußtsein ihres verfehlten Lebens besonders start ist. Es sind dies in der Regel psychopathische, nicht felten schmer hysterische Personen. Diefer Angeklagte vertrug die Haft überhaupt nicht. Schon im Jahre 1914 mußte er zum ersten Male in die Jrcenabteilung des Gefängnisses übergeführt werden. Im Jahre 1926 magerte er plöglich ab. Er fonnte nicht mehr gehen. Ein weiteres Berbleiben in der Unfreiheit bedeutete Lebensgefahr. Er wurde aus der Haft entlassen.
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Sofort nahm er an Gewicht zu, tonnte wieder gehen und...
Montag, 1. August 1927
mußte wieder stehlen. Bier Stoffdiebstähle hintereinander beging er bei Wertheim , obgleich ihm der Zutritt zu diesen Warenhäusern schon seit langem verboten war. So fehrte er ins Gefängnis zurück, verlor wieder an Gewicht und konnte wieder nicht gehen. Prof. Dr. Leppmann fennt den Angeklagten bereits seit 13 Jahren. Er hält ihn nicht für geistestrant; ein intelligenter hochstehender Mensch, aber erblich belastet und schwer hysterisch. Auf Dr. Leppmans Beranlaffung hin wurde er feinerzeit aus der Haft entlassen. Seine Abmagerung sei psychischen ursprungs; wenn er sich ein wenig mehr in der Gewalt hätte, so würde er vielleicht die Haft besser vertragen. Ein schwieriger Mensch, der auch vor Selbstbeschädigungen nicht zurückschreckt. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu sechs Monaten Gefängnis. Er hat aber noch eine Reststrafe von vier bis fünf Jahren zu verbüßen. Ob er fie ertragen wird, ist schwer zu sagen. Gibt man ihm aber die Freiheit zurück, so stiehlt er ganz bestimmt wieder. Für ihn gibt es feinen Ausweg- ein hoffnungsloser Fall!
An den Gräbern der Weltkriegsopfer.
Nie wieder Krieg!
Der Garnisonfriedhof in der Hasenheide glüh: in der Mittagsonne. Hier sind die Gräber von zahlreichen Opfern des Völkermordens, das die Welt fünfzig Monate hindurch verwüstete. 31. Juli: Zum dreizehnten Male hat sich der Tag des Kriegsbeginns gejährt. Wie alljährlich haben die republika= Kriegsbeginns gejährt. nischen und pazifistischen Verbände auch diesmal wieder an den Gräbern der Deutschen ebenso wie der Franzosen , Engländer und Russen, kurz, der vormals, feindlichen" Kriegsteilnehmer Kränze niedergelegt und aufgerufen zum Kampf wider den Krieg.
Weihevoll ertönt Gesang des Arbeiterfängerbundes. Dann nimmt Genosse Pfarrer France das Wort. Angesichts der Toten", ruft er aus, laßt uns geloben zu kämpfen gegen den Krieg. Kein nationaler Verband hat heute eine Totengedenkfeier. Wenn die Toten sprechen könnten, würden sie uns zurufen: Nie wieder Krieg!" Genosse Polizeioberst a. D. Schüßinger, selbst alter Frontsoldat, spricht: Rein großes Erlebnis war der Krieg, nein, er war eine traurige Begebenheit. Wir verzichten heute auf jeden Haß, und es ist traurig, daß durch Dinge wie den Fall Orchies alte Wunden wieder aufgewühlt werden. Aber die Kämpfer für den Frieden stehen in erhöhter Bereitschaft. Es wird mir unvergeßlich sein, wie mir der Führer der französischen Kriegsteilnehmer, Cassin , vor einigen Monaten zurief: Wir müssen dem Krieg seine Ehre nehmen! So ist es; der Krieg ist ein Verbrechen. Aber so wie wir heute feinen Unterschied fennen zwischen gefallenen deutschen und nichtdeutschen Brüdern, so werden wir die Grenzpfähle hinwegräumen und allen denen die Hand reichen, die sich mit uns als Kämpfer für den Frieden bekennen und mit uns geloben: Nie wieder Krieg!" Zwei Redner lassen es fich dann freilich nicht nehmen, in tommunistische Phrasen zu verfallen. Kein Ort scheint hierzu weniger geeignet, als gerade die Grabstätte von Opfern des Weltkriegs. Wieder erflingt Gesang. Mit ernsten Gedanken verläßt man den Friedhof.
In der Hochzeitsnacht vergiftet.
Der falsche Arzt als Gattenmörder.
Ein mit feltener Rohheit ausgeführter Gattenmord, der vor einiger Zeit in Innsbruck aufgeflärt wurde, hat seine Kreise jetzt auch nach Berlin gezogen. Die Borgeschichte dieses fast einzig dastehenden Berbrechens ist folgende:
Im Januar d. I. lernte auf einer Reise von Innsbruck nach Hall ein Fräulein Ottilie Stöhr aus Innsbruck in der Eisenbahnits einen jungen Mann kennen, der sich ihr als Dr. med. Mogele, Assistenzarzt eines bekannten Schweizer Chirurgen, vorstellte. Die beiden jungen Leute fanden Gefallen aneinander; Nageie verkehrte in der Familie des Mädchens, hielt schon Ende Januar bei dem Bater um ihre Hand an und vermählte sich mit ihr am 10. Mai. Als Mitgift erhielt das junge Paar 11 000 Schweizer Franken und 61 000 schechotronen ausgezahlt. Die Sochzeitsreise sollte über Marienbad nach Ungarn gehen. Schon in der ersten Nacht erfrankte die junge Frau und starb trotz aller Bemühungen des Arztes" am 19. Mai in Marienbad . Bald nach der Beisetzung stiegen den schwer betroffenen Eltern Bedenken auf, fie fonnten sich den plöglichen Tod der sonst ferngesunden Tochter nicht erklären. Die Innsbrucker Kriminalpolizei fab sich den jugendlichen Witwer etwas genauer an und stellte fest, daß er sich den Arzt- und Asistententiiel zu Unrecht beigelegt hatte. Er war in Wirklichtelt Kaufmann und hatte nur einige Alaffen der Handelsschule abfolviert. Bei feiner Bernehmung beftritt er zunächst jedes Verschulden, gab dann aber zu, daß er seiner Frau mehrere Algopaninjeftionen gemacht hatte. Die Leiche der jungen Frau wurde eg humiert und festgestellt, daß kein organisches Leiden den Tod verursacht hatte. Die chemischen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Später fand man auch Briefe des Nagele, die ein eigentümliches Licht auf seinen Charakter werfen. Schon wenige Tage nach dem Begräbnis seiner Frau hatte er sich an verschiedene Heiratsvermittlungsbureaus ge wandi, u. a. auch an eines in Berlin . Er fandte ein Lichtbild ein und erwähnte in dem Begleitschreiben, daß er 25 Jahre alt, beruflich und gesellschaftlich gut gebildet, im Befiz ansehnlichen Vermögens und von gutmütigem Charakter" fei. Einer diefer Briefe wurde in Berlin beschlagnahmt und der Innsbruder Polizei übersandt. Man vermutet aber, daß der gutmütige Charakter", der sich so rasch über den Tod seiner Frau tröstete, noch andere Schreiben, vielleicht auch direkt an heiratslustige Frauen und Mädchen, geschickt hat. Zur Beurteilung seines Wesens wäre es vielleicht aufklärend, zu erfahren, was für Pläne er in diesen Briefen entwickelt hat. Alle Personen, die von Eduard Nagele aus Innsbruck Zuschriften dieser Art erhalten haben, werden ersucht, fich bei der Morbinspection, Kriminalrat Gennat , im Zimmer 104 des Berliner Polizei: präsidiums zu melden.
Streckenarbeiter von einem Zuge überfahren.
3mmendingen, 1. August. ( WTB.) Heute früh zwischen 6 und 7 1hr wurde auf der Strecke Immendingen - hintschingen 0011 dem Berfonanzug 1742 Immendingen- Waldshut eine Rotte Eisenbahnarbeiter überfahren, die infolge Nebels das Herannahen des Zuges nicht bemerkt hatten. Während ein Arbeiter ge= tötet wurde, wurden drei andere schwer verleßt. Folgenschwerer Zugzufammenstoß in Amerika .
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Die Chicago Triuüne" meldet aus Rio de Janeiro , daß vergangene Nacht zwischen Delcastillaue und Terranova ein D 3ug und ein Güterzug infolge falscher Weichenstellung zusammengestoßen seien. 25 Personen wurden getötet und eine große Anzahl verlegt. Die beiden ersten Wagen des D- Zuges find pöllig zerstört.
Bom Blizz erschlagen. Nach Blättermeldungen aus Bozen wurde ein Kapuziner Pater, der mit zwei Knaben eine Partie auf den Marmolata unternommen hatte, auf dem Rückwege Dom Blig getötet. Der Blizz war in die Drahtseilsicherung bes Weges gefahren, an der der Pater sich festgehalten hatte. Die beiden Knaben haben nur leichte Verlegungen davongetragen.