Donnerstag
4. August 1927
Wiſſen
Unterhaltung und Wissen
Am Waldessaume, Dom Wege ab, Wo flüstern gespenstische Träume, Erhebt sich einsam ein stilles Grab Im Schatten der uralten Bäume.
Hier grub man ihn ein, der frei und stolz
Sein Teil vom Glück wollte haschen.
Die Inschrift auf dem Kreuze von Holz
Hat längst der Regen verwaschen.
Der Wind, der harfend die Wipfel durchzieht,
Erbarmt fich des Schläfers indessen
Und singt in den Bäumen sein uraltes Lied
Bom Werden, Bergehen, Bergessen.
Huscht durch das üppig wuchernde Gras,
Daß nickend die Halme sich biegen,
Die morgens vom blinkenden Taue naß
Und abends im Schlafe sich wiegen.
Nicht schmückt die Ruhstatt die zärtliche Hand,
Die streichelnd ihn einst mochte fosen.
Doch liebend umfäumet des Hügels Rand
Ein Busch der verwilderten Rosen.
So hat die Natur das einsame Grab Vom Lärm der Welt abgeschieden. Nicht eine Träne fällt glitzernd herab, Rein Schluchzen durchzittert den Frieden. Und dennoch bringet der spielende Wind
Am Tag und zu nächtlicher Stunde
Aus ferner Heimat, vom Weib und vom Kind
Dem einsamen Schläfer die Kunde.
Es rauschen die Bäume im flandrischen Land,
Sie flagen in dunklen Akkorden,
Wie feiner Sehnsucht heißen Brand Erlösung nicht geworden
Der Reißnagel.
Bon Hasse Zetterström.
Ich wachte morgens auf, glücklich über das Leben und die Welt, knipfte das Licht an, jah, daß es 7 Uhr 15 Min. war, warf die Decke ab und stand auf, bereit zu einem neuen Tag. Ich machte ein paar Schritte auf die Balkontür zu, um die Jalousie aufzuziehen und die wundervolle Morgenluft hereinzulassen.
Plötzlich fühlte ich einen heftig stechenden Schmerz in der Ferse, und in demselben Augenblick verschwand mein Glücksgefühl und mein schönes Lächeln über das Leben und die Menschen.
Schnell hob ich den Fuß, und siehe da, mitten auf der Ferse faß ein Reißnagel, tief und fest. In der Sekunde darauf hatte ich ihn in der Hand, und nach zwei weiteren Sekunden hatte ich meine Frau, meine Dienstboten, alle meine Hunde und Kinder geweckt, und als sie um mich herumftanden, den Schlaf noch in den Augen, sagte ich hart und laut zu ihnen:
,, Wer von euch wirft Reißnägel herum, so daß man sie sich tief in die Ferse tritt, wenn man einen Schritt macht?"
„ Wie schrecklich!" sagte meine Frau, die am wachsten war. Aber es war doch nur einer."
„ Einer! Ist das etwa nicht genug? Tritt du mal rauf und fühle, ob das nicht genügt!"
„ Du glaubst doch nicht etwa, daß wir es mit Absicht getan haben? Wir gehen doch nicht herum und legen ausgerechnet Reißnägel hin, damit du darauf trittst."
,, Nein, aber das wäre besser gewesen. Wenn man müßte, daß man mit Menschen zusammenlebt, die einem in dieser Weise nach dem Leben trachten, dann würde man sich danach richten. Dann mürde man seine Maßnahmen treffen. Dann wüßte man, moran man wäre. So weiß man ja nicht, was geschehen kann. Es ist alles so unsicher."
,, Ein Reißnagel ist eigentlich nichts Schlimmes." „ Kleine Wunden und arme Eltern soll man nicht verachten. Es gibt Menschen, die schon an einem Stecknadelstich gestorben sind. Es tann Blutvergiftung und Eiterbildung entstehen. Denkt daran, wen die Verantwortung trifft, wenn etwas passieren sollte." „ Es ist am besten, daß du die Stelle mit Jod und essigsaurer Tonerde wäschst wie immer, dann wird es schon wieder gut werden. Und mache einen Verband herum."
Wie tomisch," sagte mein ältester Sohn. Ich muß an eine Geschichte denken, die ich vor ein paar Tagen gelesen habe. Da war ein Mann, der ganz allein in einem kleinen Schiff um die Welt fegelte, und als er an die Küste von Afrika kam und angelegt hatte, streute er nachts immer Reißnägel aufs Deck, um Ruhe vor den Negern zu haben, die auf nackten Füßen herumschlichen."
„ Ich bin kein Neger, und wir befinden uns Gott sei Dant nicht auf einer Weltumfegelung. Uebrigens ist die Geschichte Schwindel.
Geh und hole die Jodflasche!"
Meine Wunde wurde gewaschen und verbunden, und meine Frau, meine Kinder, meine Dienstboten und meine Hunde kehrten in ihre Betten zurüd. Ich selbst zog mich an und machte meinen üblichen Morgenspaziergang. Merkwürdig genug, daß ich gehen
fonnte.
Als ich nach Hause fam, war meine Frau mit ihrer Toilette, dem Frühstück und einer ganzen Menge Gedanken über ihren Mann fertig. Sie fagte:
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„ Ich werde dir eine kleine Geschichte erzählen, die vielleicht gut für dich zu hören ist. Sie ist ziemlich kurz. In China - die Geschichte ereignete sich in diesem Lande sind die Familien viel größer als hier. Da wohnt man mit Schwiegersöhnen, Kindern, Entein, Kusinen, Tanten, Schwiegermüttern und Halbfufinen zu sammen, und da lebte in grauen Zeiten eine Familie, die aus etwa taujend Mitgliedern bestand."
" Die werden wohl bei der Personenstandsaufnahme ihre liebe Not gehabt haben. Aber fahre bitte fort."
Also, die große Familie zeichnete sich vor allen anderen durch Frieden und Harmonie aus. Nie wurde ein unfreundliches Wort gesprochen. Stets begegneten sich die Mitglieder mit Berständnis und Güte, Teilnahme und offene Herzen für die allseitigen fleinen und großen Kümmernisse. Der Ruf dieser guten Familie verbreitete sich weit im Lande, und schließlich erfuhr auch der Kaiser von diesen guten Untertanen, die in ständiger Eintracht miteinander lebten. Einmal, als er sich auf Reisen befand, suchte er diese seltsame Ga milie auf, um sie aus nächster Nähe kennen zu lernen. Er traf den Familienvater an und bat ihn um den Schlüssel zu dem Rätsel. Wie
Gräfin Mahenau.
Das Reichsgericht hat die Ansprüche der„ Gräfin Magenau aus ihrem Liebesverhältnis mit Adolf V. von Mecklenburg- Strelik für berechtigt erklärt.
1000
Anten
Diese hat viel geliebt, darum wird ihr viel gegeben!
fonnten sie in so ständigem Frieden miteinander leben? Der Haus vater lächelte glücklich, nahm ein Stück Papier und schrieb hundert mal ein und dasselbe Wort darauf. Der Kaiser nahm das Papier
und las:
,, Verträglichkeit, Verträglichkeit..."
,, Was für eine hübsche Geschichte," sagte ich. Sie beweist etwas, worüber ich vorher nie ganz sicher war: daß man in China keine Reißnägel hat. Hätte es die gegeben, so wären die Familien fleiner gewesen und die Verträglichkeit auch, zum Nuzen und Frommen für den Kaiser, der nicht nötig gehabt hätte, sich in die Privatangelegenheiten feiner Untertanen zit mischen."
Da sprang die Tür auf, und meine Tochter fam aus der Schule nach Hause. Die kannte die Geschichte mit dem Reißnagel nicht, denn sie hat den festesten Schlaf in der Familie. Sie blieb stehen und fah uns mit den aufdringlich neugierigen und überlegenen Augen der modernen Jugend an, und dann erzählte ich ihr alles, von Anfang bis zu Ende, mit allen Einzelheiten. Als ich fertig war, sagte sie:
„ Sigt der Reißnagel noch drin, oder hast du ihn heraus. gezogen?" „ Ich habe ihn herausgezogen."
,, Na, dann brauchst du doch keine Geschichte daraus zu machen!" Da ging ich hin und weinte. Wie einsam ist doch ein Mann unter Frauen!
( Autorisierte Uebersetzung aus dem Schwedischen von Elisabeth Treitel.)
Radio und Ueberseeflug.
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Bon Jfarus bis Nungesser welch ein Weg durch die Jahrtausende! Die Hilfsmittel zeigen riesige Fortschritte und übertreffen alle fühnen Träume. Und doch ist das Schicksal des Ikarus noch immer das des modernen Fliegers, in deren langer Reihe im Augenblic Nungesser der letzte ist, der erdgebunden seine Kühnheit mit dem Leben bezahlte. Wenn nicht alles täuscht, versant er in den Wellen, und die Meerestiefen hüten ihre Geheimnisse.
Sein Schicksal hätte vielleicht niemand abwenden können, wäre jedoch wahrscheinlich kein Geheimnis, hätte Nungesser nicht auf die Funfeinrichtung verzichtet, um das Gewicht des Flugzeuges zu erleichtern. Es ist nicht leicht einzusehen, wie Nungesser bei seinem Wagnis auf diese so wertvolle und wunderbare Hilfe in Not verzichten konnte, die von ihrem ersten großen Triumphe bei der Titanic- Ratastrophe bis in die Gegenwart in zahllosen Fällen von Seenot Rettung ermöglichte.
In der Tat ist ein Flieger in Seenot ohne Funkeinrichtung hilflos wie ein Taubstummer, der im Dunkel der Nacht ertrinkt und seine Retter in der Nähe vermutet, sie jedoch nicht rufen kann. Ein Funtapparat jedoch ermöglicht es ihm, von irgendeiner Stelle des Weltmeeres Botschaften zum Festlande zu senden, denn mit einfachen furzwelligen Einrichtungen funken Liebhaber um die Erde. Und dann sind drei fühne Pfadfinder: Lindbergh, Chamberlin und Byrd im Flugzeug über den Ozean geflogen teils mit teils ohne Funkanlage. Ja, der Flug glückte auch ohne Empfangs gerät. Doch trotzdem bleibt es ein unerhörtes Bagnis, einsam ohne Verbindungsmöglichkeit mit den Menschen über dem Ozean zu schweben.
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Gleich beim ersten Versuch eines Ueberseefluges wies fich das Radio als Retter. Das Marineflugzeug NC. 4 war mit zwei Begleitfiugzeugen in Rodaway bei New York aufgestiegen. Es hatte jedoch Boston faum passiert, als es Maschinenschaden erlitt. Man fing die Meldung am Lande auf, und bald verstummte das Flugzeug. Die beiden Begleiter meldeten auf Anfrage, das Flugzeug wäre nicht mehr zu sehen. Der Marinestation zu Otter Cliffs im Staate Maine hatte seit dem Abfluge Berbindung mit dem Flugzeug gehabt. Berechnungen nach ihrem Radiokompaß ergaben, daß das letzte Zeichen vor Chatam in Massachusetts gefunkt wurde. Auf drahtlose Anweisung machten sich Zerstörer auf die Suche in dem angegebenen Bezirt, und am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang wurde das Flugzeug gefunden.
Den ersten Flug über den Atlantischen Ozean ohne ZwischenBiders- Bimy- Bombenflugzeug aus, indem sie von Neufundland landung führten Alcod und Brown am 14. Juni 1919 in einem nach Clifden in Irland flogen. Sie legten diese Strecke von 1980 Meilen in 16 Stunden 20 Minuten zurüd.
Das Flugzeug besaß einen Radiorichtungsfinder. Auf Befragen, wo sie zu landen gedächten, soll Alcock geantwortet haben: Wir hängen unsern Hut auf die Sendetürme zu Clifden!" Das Flug zeug stieg auf und verschwand in der Ferne. Während die Welt gespannt auf Nachricht wartete, orientierten sich die Flieger nach den Wellen des kraftvollen Senders in Irland . Dieses Verfahren bewährte sich so verblüffend, daß das Flugzeug direkt über die Türme zu Clifden flog und nur mit fnapper Not einem Zusammen. stoß entging.
Einen Monat später versuchten der Engländer Hawken und
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Beilage des Vorwärts
| Leutnant Grieve das Wagnis. Wie Nungeffer verzichteten auch sie im letzten Augenblick auf die Funkausrüstung, um das Gewicht zu sparen. Länger als eine Woche waren sie verschollen und wurden für tot gehalten. Sie hatten jedoch Glück, denn ein dänischer Dampfer ohne Radio hatte sie 850 Meilen von Irland gerettet. land nach Long Island , New York . Ueber der Fundy- Bucht schickte Ende Juni 1919 flog das britische Luftschiff R 34 von Schottes dringende Notrufe, der Betriebsstoff ginge aus und es müsse vielleicht eine Notlandung vornehmen. Die Marinestation zu Otter Cliffs fing die Botschaft auf, und ein Schiff mit Brennstoff ging hundert Meilen von Bar Harbor ab. Als es das Luftschiff erreichte, meldete dieses, man hoffe die Chatam- Luftstation zu erreichen oder gar das Mineola- Flugfeld auf Long- Island , was auch gelang.
hurst im Staate New Jersey flog, blieb er in beständiger Ber= Als 1924 der Zeppelin 3R 3 von Friedrichshafen nach Lakebindung mit europäischen Landstationen und Schiffen auf See. Auf der zweiten Hälfte der Fahrt fingen amerikanische Küstenstationen die Botschaften auf.
Seit 1912 verlangt das Gefeß eine Funkausrüstung für alle Ueberseeschiffe. Einen gewaltigen Anstoß gab das Unglück der " Titanic ", bei dem die drahtlose Telegraphie ihren größten Triumph feierte, denn ohne diese Hilfe waren außer den 1600 Opfern die 800 Ueberlebenden wahrscheinlich auch noch umgefommen.
Der Sender ist einem Flieger in Seenot nüßlicher als ein Empfangsapparat. Daß der Flieger Botschaften auffängt, ist weniger wichtig, doch bedeutet es eine große Erleichterung, von der oft der Erfolg abhängt, wenn die zur Hilfe Eilenden Notzeichen vernehmen und die Position erfahren. Auch läßt sich ein Richtungsfinder auf die Wellen einstellen, ganz gleich, ob sie verständliche Botschaften übermitteln oder nicht. In Zwischenräumen gefuntte Zeichen ermöglichen es einem Rettungsschiff, die Richtung auf den Sender einzuhalten und seinen Standort schließlich zu erreichen. So ist es denn nur eine Frage der Zeit, und Fernflugzeuge werden gefeßlich gehalten sein, eine Funtausrüstung mitzuführen.
Rote Blätter.
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Die Erscheinung, daß sich grüne Blätter rot umfärben, wird im Pflanzenreich oft beobachtet. Um nun die Natur dieser Farbstoffe, durch deren Auftreten diese Umfärbung zustande tommt, zu ergründen, hat neuerdings der Forscher Lippmaa eingehende Untersuchungen vorgenommen. Hierbei hat sich vor allem gezeigt, daß die Rötung durch einen neu auftretenden also nicht durch Umwandlung entstehenden Farbstoff bedingt wird. Nach dem Bericht in den ,, Naturmissenschaften" wurde die Rotfärbung hauptsächlich an der Reseda Zuckerlösung zugeführt wurde, stets sehr viel roter Farbstoff bildete, ( Reseda odorata) studiert, in deren Zellen sich, sobald der Pflanze der fich bei entsprechender Behandlung auch isolieren ließ. Der Borgang der Rötung geht in der Weise vor sich, daß sich das in den betreffenden Pflanzenteilen enthaltene Chlorophyll, d. h. der grüne Blattfarbstoff, vermindert, während gleichzeitig der neue rote Farbstoff, das Rhodoranthin, auftritt. Die Bildung des Rhodoranthins erfolgt jedoch feineswegs aus den bereits vorhandenen oder sich vermindernden Farbstoffen der Zellen, sondern verläuft vielmehr ganz selbständig, so daß der rote Blattfarbstoff in diesem Falle, wie bereits erwähnt, nicht als Umwandlungsprodukt zu betrachten ist. Es scheint, daß das Rhodoranthin in zahlreichen Pflanzen gebildet werden kann; nachgewiesen wurde es und zwar schon im Verlauf früherer Untersuchungen z. B. in Eibe, Wacholder, Selaginellen und Schachtelhalmen.
Besonders bedeutsam war die Beobachtung, daß die Gewächse, die die Fähigkeit befizen, Rhodoranthin zu bilden, kein Anthofyan, d. h. einen ebenfalls in den Zellen enthaltenen flüssigen roten Farbstoff, aufwiesen. In bezug auf die Berteilung der beiden Farbstoffe in den Zellen wie überhaupt auf ihre Bildung bestehen indes große Aehnlichkeiten, indem sie übereinstimmend infolge großer Kälte oder Trockenheit wie auch bei starker Belichtung oder nach Verlegungen in den Pflanzenteilen auftreten. Andererseits wird die Bildung der beiden roten Farbstoffe besonders auch durch Zuckerzufuhr erheblich gesteigert, so daß man tatsächlich für beide Stoffe die gleiche Funktion annehmen tönnte. Sichere Angaben laffen sich über diese Funktion allerdings bis jetzt nicht machen, wenn man auch vermutet, daß die Rotfärbung, durch die in der Zelle rotes Licht entsteht, eine„, optische der grünen Blattfarbstoffe am besten verläuft. Gleichzeitig werden Schuhwirkung" darstellt, zumal da unter roter Belichtung die Bildung auf diese Weise auch die die Bellen schädigenden zu starken Lichtstrahlen absorbiert, weshalb denn die Rötung sehr häufig unter dem Einfluß starker Lichtbestrahlung eintritt.
Wenn nun auch die Rotfärbung zum großen Teil in jungen, noch besonders empfindlichen Pflanzenteilen auftritt wie auch dann, wenn durch Kälte oder Trockenheit die normale Weiterentwicklung der Pflanze gehemmt ist, so fann man sie gleichwohl nicht nur allein als Schutzvorrichtung ansehen. Denn ebensogut wie die Anthokyane mit der Assimilation der Pflanzen zufammenhängen, so fönnte auch das Rhodoranthin auf die Bildung organischer Substanzen in der Zelle Einfluß befizen, und die Rotfärbung nur in zweiter Linie als Schußeinrichtung in Betracht kommen.