Abendausgabe
Nr. 36744. Jahrgang Ausgabe B Nr. 181
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Vorwärts
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Berliner Volksblaff
10 Pfennig
Freitag
5. August 1927
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Briefe lebendig Toter.
Sacco und Vanzetti schreiben...
Junkers bricht den Weltrekord.
Sacco und Banzetti schrieben gestern aus der Totenzelle heraus Die Hauptprobe für den Ozeanflug erfolgreich beendet. Start zum Amerika
zwei Briefe, in denen sie nochmals ihre Unschuld be. feuern und den Gouverneur Fuller, den Richter und den Staatsanwalt als Mörder bezeichnen. Sie würden sterben, wie alle Anarchisten für die Anarchie. Die bisherige Verteidigung der beiden Berurteilten hat ihr Amt einem der bedeutendsten amerikanischen Rechtsanwälte abgetreten, der noch im letzten Augenblic versuchen wird, das Bundesgericht zu einer Intervention zu bewegen. Es besteht jedoch wenig Hoffnung, daß die Verurteilten gereffet werden. Die Wachen des Gefängnisses und in der Umgebung der Wohnung des Gouverneurs Fuller find verdoppelt worden. Jn Boston herrscht jedoch vollständige Ruhe. Frau Sacco hat gestern ihrem Mann einen anderthalbstündigen Besuch gemacht.
Die Berliner Gewerkschaffen an die USA. - Botschaft. Die gewerkschaftlichen Spitzenkörperschaften Berlins haben heute das nachstehende Telegramm an die nordamerikanische Botschaft in Berlin abgesandt:
Erhielten aus Boston die Nachricht, die inzwischen auch in der Presse ihre Bestätigung gefunden hat, daß Sacco und Banzeffi unwiderruflich verloren und Hinrichtung am 10. Auguft erfolgen soll. Wir tönnen nicht annehmen, daß das amerikanijoe Bolt diesen barbarischen atteiner Rachejustiz billigt mir appellieren an die Menschlichkeit der ameritanifchen Regierung, zugleich erheben wir im Namen von 400 000 organisierten Arbeitern und Angestellten Berlins gegen die Hinrichtung schärfften Protest und richten an die Regierung der Vereinigten Staaten in letzter Stunde noch einmal das dringende Ersuchen, den Justizmord zu ver hindern und eine Wiederaufnahme des Prozesses zu erwirken.
Allgem. Deutscher Gewerkschaftsbund, Ortsgr. Berlin . Sabath. Allgemeiner Freier Angestelltenbund, Ortskartell Berlin Flatau.
Der Proteststurm.
In Rosario ( Argentinien ) sind noch vor Bekanntwerden der Nichtbegnadigung die Arbeiter in einen Sympathie streit für Sacco und Vanzetti eingetreten; zwei Geschäftshäuser sollen von den Streifenden angegriffen worden fein; man erwarte die Ausrufung des Generalstreifs, der angedroht worden war, falls den beiden Anarchisten teine Gnade gewährt werde.
Die Stadtverordnetenversammlung von Rio de Janeiro hat im Namen der amerikanischen Kultur und der gesamten Zivisation" einen Protest gegen die Hinrichtung von Sacco und Banzetti beschlossen.
Eine Gewerkschaftsversammlung in Brooklyn New York nahm eine Entschießung an, in der der Präsident des amerikanischen Gewerkschaftsbundes, Green, aufge
fordert wird, den Generalstreit im ganze Lande zu er= Mären. Ein Redner erklärte, eine Reihe ähnlicher Versammlungen werde in den verschiedensten Landesteilen abgehalten werden.
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Die heutige Parifer Morgenpresse äußert sich in entrüfteten Artikeln über die Entschließung des Gouverneurs Fuller, Sacco und Vanzetti hinrichten zu lassen. Wenn die Beiden am 10. Auguft hingerichtet werden", sagt der Quotidien", wird ihr Begräbnis das Grab der Gerechtigkeit in den Ver. einigten Staaten bedeuten."" Der Gouverneur Fuller mag fich in acht nehmen", schreibt der Populaire" ,,, das Blut der beiden Unglüdlichen wird auf die Vereinigten Staaten zurückfallen und ihnen die Berachtung der ganzen Welt aufladen!" Die ,, Bolonté" hofft, daß sich die französische Regierung dem Protest der gesamten Welt anschließen und beim Präsidenten Coolidge intervenieren werde.
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Für Sonntag hat das Komitee für Sacco und Banzetti die Bariser Bevölkerung ohne Unterschied der Parteirichtung zu einer Riesendemonstration auf den Boulevards aufgerufen. Die Regierung wird sich dieser Manifestation nicht widersetzen, um anzudeuten, daß sie mit dem Protest der gesamten Welt solidarisch ist.
Die Kommunistische Partei Nordamerikas fordert auf, am Dienstag um 12 Uhr in den Generalstreit einzutreten als Protest gegen die Hinrichtung von Sacco und Banzetti. Die Polizei schüßt die Banten gegen Bombenattentate. In Washington bewacht die Geheimpolizei die staatliche Schakammer und die anderen Staatsgebäude, ebenso das Haus Kelloggs wegen etwaiger Bombenattentate. Für Kellogg ist außerdem eine Spezialwache als Schuß gegen Meuchelmord gestellt worden.
John Dillon gestorben.
Der alte Vorkämpfer Irlands.
flug wahrscheinlich nächste Woche.
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Die Junters- Flieger Rifficz und Edzard haben die große Auf-| anderen wurde von der sie dicht umgebenden Menschenmenge ent
gabe, die fie fich gestellt, auf der Junkers- Ozeanmaschine L 33 glänzend gelöst. Sie find nach einer Flugdauer von 52 Stunden und 23 Minuten heute vormittag um 10 Uhr 13 Minuten auf dem Dessauer Flugplatz glatt gelandet.( 3wei Berliner Morgenblätter brachten voreilig die Falschmeldung, daß der Flug bereits nach 45 Stunden in der Nacht abgebrochen worden sei.) Der von Chamberlin aufgestellte Weltreford wurde um 9 2hr 1 minute gebrochen. Die Maschine hat bis zuletzt absolut gleichmäßig und zuverlässig gearbeitet. In der Theorie hätte das Flugzeug von Dessau aus glatt New York erreicht.
Die Landung.
Um 10 Uhr 10 Minuten hörte man plöglich, wie der Motor ab= gestellt wurde, die Maschine ging in einer furzen Schleife nieder und landete 10 Uhr 11 Minuten 8 Setunden nach einer Gesamtflugzeit von 52 Stunden 23 Minuten mitten auf dem Feld mit stehendem Motor.
Im nächsten Augenblid stürmte von allen Seiten die nach Tausenden zählende Menschenmenge über das Feld, aber schneller als sie war ein Auto, das die Piloten von der Maschine abholte und rasch zum Verwaltungsgebäude des Flughafens brachte. Vor dem Gebäude begrüßten dann Risticz und Edzard, die beide sehr frisch und vergnügt aussahen, ihre Frauen, Rifticz insbesondere seine beiden fleinen Söhne. Dann mußten die beiden Flieger von allen Seiten Glückwünsche und Händedrücke entgegennehmen, ein Hoch nach dem
Reichsfarben und Behörden.
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Die Notwendigkeit geseklicher Klarstellung. Wie wir bereits in unserer Morgenausgabe melden fonnten, beabsichtigt die preußische Staatsregierung durch eine Notverordnung mit Gefeßestraft die Rechtsun sicherheit zu beseitigen, die durch die Entscheidung des Oberficherheit zu beseitigen, die durch die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in der Flaggenfrage entstanden ist. Unter formaljuristischen Gründen wenn man nicht sagen will: Vorwänden hat diese höchste Spruchkammer den Gemeinden das Recht zugestanden, entgegen den Anordnungen der Landesregierung auf die Hiffung der Reichsfarben bei Staatsfeftlichkeiten zu verzichten. tungsgericht zuungunsten rebellierender Gemeindeinstanzen Es gibt nun auch Entscheidungen, in denen das Oberverwalentschieden hat. Eine davon set hier dargestellt:
gegengebracht, und minutenlang mußten die glückstrahlenden Piloten mit ihren Familien und mit Professor Junkers dem Kreuzfeuer der Photographen und Kinooperateure standhalten.
Nachdem sich dann die erste Aufregung gelegt hatte und allmählich Ruhe eingetreten war, begannen die offiziellen Ansprachen, und zwar sprach als erster der anhaltische Staatspräsident Deist , dann Professor Junters, der Oberbürgermeister der Stadt Dessau , Direttor Sachsenberg von den Junkers- Flugzeug- Werken, und schließlich dankten Risticz und Edzard für die ihnen zuteil gewordenen Ehrungen.
Die beiden Piloten haben mit der Junkers L 33 den Welt. reford Chamberlins um 1 Stunde 12 Minuten überboten.
Start nach New York nächste Woche.
Die Junkers- Werke werden nun mit größter Beschleunigung dte Borbereitungen für den wirklichen Ozeanflug treffen. Der Start Deffau- New York soll bereits in der nächsten Woche erfolgen. Leistung. Es wird versichert, daß die Maschine nicht voll ausgeflogen Der Probeflug der Junkers- Maschine ist eine glänzende technische worden sei, so daß beim Ozeanflug noch höhere Geschwindigkeit erreicht werden könnte. Die Zuverlässigkeitsprobe ist gelungen. Ob das Risiko des großen Fluges über den Ozean glücklich überwunden wird, muß die Tat beweisen.
( Siehe auch 3. Geite.)
liche und unzweifelhafte Rechtslage stattfinden. Ein Regieren aller gegen alle, unnnötige Kosten, Belastung des Verwaltungsapparats, Mißstimmung und Berärgerung unter Behörden und Beamten wäre die Folge.
So ist Preußens Plan, hier einmal völlige Klarheit zu schaffen, nicht nur politisch, sondern auch fachlich eine Notmendigkeit. Hoffentlich wehren sich gegen ihn nicht wieder gerade diejenigen Kreise, die sonst nicht genug nach einer starten Staatsautorität rufen können.
Im übrigen wird die Freude mancher Gemeinden an den verfassungswidrigen Farben bald nachlassen, wenn alle Re= publitaner am Berfassungstag fich treu zur Re publik bekennen, indem sie die Reichsfarben zeigen,
Nummer 15.
Die kommunistische Opposition erreicht Fraktionsstärke. Der nächstfällige Austritt aus der kommunistischen Reichstags
Der Magistrat in Stolp in Pommern hatte am 13. August 1925 einen Beschluß gefaßt, wonach den Inhabern städtischer Dienst und Mietwohnungen gestattet werden soll, auch in anderen Farben als den verfassungsmäßigen Farben fraktion ist erfolgt. Der Reichstagsabgeordnete Karl Vierath
des Reichs, des Landes, der Provinz oder der Gemeinde und auch an anderen Tagen als an solchen, an denen die Dienstgebäude selbst beflaggt werden, zu flaggen. Der Erste Bürgermeister in Stolp beanstandete diesen Beschluß, da er gejezwidrig fei; nach Ministerialerlassen vom 25. Juli und 30. Juli 1925 dürfen Inhaber von Dienstwohnungen oder fiskalischen Mietwohnungen nur dann, wenn das Dienstgebäude selbst geflaggt sei, und nur in den verfassungsmäßigen Farben des Reiches, des Landes, der Provinz oder der Gemeinde flaggen; es sei mit allen gesetzlichen Mitteln dafür zu sorgen, daß das Flaggen mit schwarzweiß= roten Fahnen auf sämtlichen Dienstgebäuden, auch denen der Gemeinden, unterbleibe. Den Beanstandungsbeschluß focht der Magistrat mit der Klage beim Bezirksausschuß an und be= tonte, es handle sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit; von den Gemeinden könne die Anwendung des Erlaſſes vom 25. Juli
1925 nicht verlangt werden.
Der Bezirksausschuß und das Oberverwaltungsgericht entschieden zuungunsten des Magistrats, indem u. a. ausgeführt wurde, es sei zu prüfen, ob der in Frage kommende Magistratsbeschluß die Geseze verlege oder die Befugnisse über fchreite. Der Beschluß sei im Anschluß an die erwähnten mi nisterialer lasse gefaßt worden und gestatte ausdrücklich den Inhabern städtischer Dienst- und Mietwohnungen, auch andere als die verfassungsmäßigen Farben zu verwenden. Die Inhaber städtischer Dienst- und Mietwohnungen werden also durch den Magiftrat gedeckt, wenn sie Flaggen hiffen, welchen eine politische Be deutung innewohne. Der Magistrat fei nicht befugt, in dieser Weise für die städtischen Beamten einzutreten und sie zu einem gegen behördliche Maßnahmen gerichteten Ver. halten zu ermuntern. Der Magistrat überschreite mithin in seinem Beschluß die ihm zustehenden Befugnisse.
In dem vorliegenden Falle hat also der Magistrat eine 3urechtweisung einstecken müssen, an der besonders die Feststellung interessant ist, daß der Magistrat die Beamten nicht gegen behördliche Maßnahmen aufzuputschen hat. Im Falle Potsdam aber hat sich das Oberverwaltungsgericht hinter die Gemeinde gestellt, die gegen die Staatsregierung auftrat.
Condon, 5. Auguft. An den Folgen einer Operation ist in einer Londoner Klinik im Alter von 76 Jahren der Vorfämpfer für die irische UnabhängigDurch derartige widerspruchsvolle Entscheidungen wird die feit John Dillon gestorben. 45 Jahre hat Dillon dem englischen Recht sunsicherheit auf die Spize getrieben. Bleibt oder irischen Parlament angehört und ist 1925 gegen de Valera sie, dann wird man es erleben müssen, daß keiner sich mehr unterlegen. Dillon mar aus politischen Gründen mehrere Malel auskennt und daß daher Dugende von VerwalBu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Itungsstreitverfahren über eine an sich selbstverständ i
hat sich mit Bohla solidarisch und seinen Austritt aus der KPD. erklärt.
Die kommunistische Opposition hat nun Fraktionsstärke erreicht. Sie befißt 15 Mitglieder, die fommunistische Frattion nun nur noch 30 Mitglieder.
Die Prawda" triumphiert. Austritte aus der Opposition der KPR.
Mostau, 5. August.( DE.)
Im Zusammenhang mit dem Auftreten der Frau Krupjfaja, der Witwe Lenins , gegen die Opposition stellt die" Prawda" triumphierend fest, daß die Reihen der Opposition sich zu lichten beginnen:„ Die Opposition verliert nicht nur Mannschaften, sondern auch bedeutende der ganzen Partei bekannte Führer. Als einer der ersten hat der alte Leningrader Bolschewit Badaje w die Oppofition verlassen, ihm folgten die Genossen Nikolaje wa und Salugti, mit denen die Opposition sich gebrüstet und welche sie gegen die Parieimehrheit ausgespielt hatte. Jetzt ist auch die Genofsin Krupskaja von der Opposition abgerückt und gegen ihre Bühlarbeit aufgetreten. Ferner hat auch Genosse Sokolnikow den Bruch mit der Oposition vollzogen, weil er bei der Gründung einer Partei in der Partei nicht mitwirken will. Und endlich liegen auch schon Kollektiverklärungen von ganzen Gruppen vor, welche die Manifeste der Opposition unterzeichnet haben, jetzt aber ihre Unterschriften zurückziehen wollen."
Mekkapilger erzählen. Königsmordgeschichten aus Hedschas !
London , 5. August. ( TU.) Pilger, die soeben aus Mekka nach Basra zurückkehrten, berichten nach einer Times"-Meldung über einen Mordversuch an König Ibn Saud und seinen ältesten Sohn Emir Saud. Der Emir Khalid, ein Neffe des Königs, und sein Vater wurden beobachtet, wie sie mit Stlaven über die Mauern des Palastes Ibn Sauds stiegen. Die Wache eröffnete das Feuer und ver= wundete mehrere Personen. Khalid und sein Vater sind ge= fangen genommen worden und sollen hingerichtet oder in Taif eingeferfert merden. Zehn bezahlte Mörder, die den Gouverneur von Al Haja ermorden wollten, sind ergriffen und hingerichtet worden.