Nr. 36844.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntägliche Wanderziele.
Alt- Kremmen.
worden.
AURIAL
Das Luch sei das Ziel unserer heutigen Wanderung. Die| Umgebung anfteigt. Hier sind vorgeschichtliche Gefäßreste gefunden weite Talebene, die sich nördlich von Oranienburg und Kremmen erstreckt, wollen wir aufsuchen. Im Frühherbst, wenn die Sommerfäden ziehen, wenn das Sonnenlicht matter herabftrahlt, dann ist es schön, zum Luch zu wandern. Wir
wählen als Ausgangspunkt der Wanderung Oranienburg , das wir mit den Vorortzügen vom Stettiner Bahnhof erreichen.
Jom Bahnhof wandern wir durch das freundliche Havel. städtchen. Nach Ueberschreiten der Havel sind wir in der eigentlichen Altstadt, die aber garnichts Altertümliches mehr aufzuweisen hat. Zur Rechten liegt, von einem schönen Bart umgeben, das ehemalige Schloß, das lange Jahrzehnte, bis vor kurzem, ein Lehrerseminar beherbergte. Geradeaus, an dem kleinen Marktplatz, steht das bescheidene Rathaus, und am jenseitigen Ende der Straße sehen toir ein großes Haus im niederländischen Backsteinstil, ein Waisen haus. Dieses Haus erinnert an die Kolonisationszeit des Großen Kurfürsten, der Niederländer in das Land zog und in dem marsch ähnlichen Luch zwischen Oranienburg und Liebenwalde ansiedelte, wodurch die weitverzweigte, aus Einzelhöfen bestehende Gemeinde Neu Holland entstand. Auch die Stadt selbst hat ihren Namen Oranienburg in jener Zeit erhalten; bis dahin hieß sie Böhow. Um diesen Namen nicht erlöschen zu lassen, wurde er auf das Dorf Ropeband bei Belten übertragen, das von dieser Zeit an Böhow heißt.
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Zum Ruppiner Kanal.
Wir wandern an der Kirche vorüber und auf dem Germen dorfer Wege zum Oranienburger Ranal, der westlich von der Havel angelegt wurde, um eine bessere Schiffahrtsstraße an Stelle der auf dieser Strecke reich gewundenen Havel zu schaffen. Nach Ueberschreiten des Kanals haben wir bald die Obstbausiedelung Eden erreicht, die auf genossenschaft licher Grundlage aufgebaut ist. Gegenüber liegt das ehemalige Vorwerk Louisenhof, jetzt ein Erholungsheim der Nordöstlichen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaft. Deftlich davon führt unser Weg in nordwestlicher Richtung von der Chaussee ab zur Ruhbrüde über den Ruppiner Kanal. Das Gelände ist ziemlich eben, wir haben einen schönen Rückblick auf Oranienburg . Etwas vor dem Kanal liegt rechts abseits vom Wege der Kahle Berg, eine niedrige Bodenerhebung, die etwa drei Meter über ihre
Die Silberschwärme
23]
[ Nach brud verboten
Autoriflerte Ueberfegung aus dem Englischen von Jasia Koppel
,, Hier gibt es teine Eingeborenen, Uyat ist kein Dorf. Hier sind nur die beiden Fabriken, und ich und der andere Aufseher dürfen unsere Posten nicht verlassen."
Emerson richtete feine Augen auf den ausgezehrten Mann, der auf einem Stuhl ausgestreckt lag; und Fraser, der die flehende Bitte in seinem Blick las, antwortete tapfer mit einem gezwungenen Lächeln auf seinen verzerrten, blutlosen Lippen: Ja, ja, Kamerad, ich bin bereit, morgen früh weiter zu rudern!"
Das alte russische Dorf Rodiat liegt auf der anderen Seite der Insel, zu der sie gekommen waren; es ist noch ein Ueberbleibsel aus jener Zeit, als das Land zum erstenmal in Besiz genommen wurde, und obgleich es zum großen Teil von Eingeborenen und einigen Mischlingen bevölkert ist, leben hier auch etliche Weiße, für die Weihnachten eine feierliche und festliche Zeit ist. Darum war die Mannschaft der ,, Dora" sehr zufrieden, daß fie Weihnachten an einem Ort verbringen sollte, wo jeder herzlich willkommen war, und es schöne junge Mädchen gab.
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Da der Winter hier eine Ruhezeit ist, wo nur die Dummdreiften sich den Gefahren des Meeres aussehen, erweckte es großes Aufsehen, als am Nachmittag des ersten Weihnachtstages ein eisüberzogenes Kanu mit drei Weißen an Bord am Strande anlegte aber waren es wirklich Weiße? Ihre Gesichter waren so dunkel und von der Kälte aufgefprungen, daß sie blutenden Masken glichen. Ihre Hände waren in den Handschuhen erstarrt, sie waren hohläugig, und ihre Backen mager und eingefallen, sie fonnten nicht gehen, sondern frochen auf Händen und Füßen über den schneebedeckten Strand, und als sie die Straße erreichten und zu humpeln versuchten, brachen sie in den Knien zusammen, als ob ihre Beine lahm seien. Einer von ihnen war sogar so schwach, daß er das Kanu nicht verlassen konnte, und als zwei Seeleute hineilten und ihn heraushoben, plapperte er wirres Zeug.
Ein anderer, ein großer, ediger Riese taumelte auf den Dampfer zu. Sein Kopf wackelte von der einen Seite zur anberen und seine Schultern hingen schlaff herab.
Der dritte aber, der sich nur mit Mühe vorwärts
Nach Ueberschreiten der Kuhbrüde wenden wir uns links ,, am Kanal entlang. Bald find wir in der schönen Forst Neu Holland, einem Mischwald aus Kiefern, Eichen und Birken,
dessen Rand von Laubgebüsch eingerahmt wird. Der Ruppiner Kanal wurde in den Jahren 1786 bis 1791 angelegt. In 19 Kilometer langem Lauf führt er vom Rhin im Westen von Kremmen durch den die tiefste Stelle des Rhinluchs einnehmenden Kremmener See zur Havel nördlich Don Oranienburg. In der Hauptsache wurde er angelegt, um den im Rhinluch, besonders in der Gegend von Linum , gewonnenen Torf auf billigem Wege nach Berlin zu schaffen. Bis vor etwa 50 Jahren zogen die schwarzen Torftähne zur Reichshauptstadt hinab, wo sie in der Gegend des heutigen Bahnhofs Börse ihre Anlegestelle hatten. Nachdem der Torf in Berlin als Brennstoff von der Preßkohle verdrängt war, hatte der Ruppiner Kanal feine wesentlichste Bedeutung verloren. Nur selten noch gleitet heute eine schmale Bille durch die enge Fahrstraße. Schilf, Breitkraut, Froschlöffel und Wasserampfer besäumen heute die fast unbewegliche Wasserfläche, dessen dunkle Flut geheimnisvoll und schier unergründlich erscheint. In gerader Strede, immer durch den Wald, führt der Kanal nach Behrensbrüd, einer fleinen Siedlung.
Am Luch.
Wir fönnen nun weiterhin auf dem diesseitigen Ufer des Ranals bleiben, wir fönnen auch den Kanal überschreiten und auf dem jenseitigen Ufer weiter wandern. Hier bleiben wir länger im Schatten des Waldes. Bei der Schleuse Hohenbruch bleibt der Wald auf dem rechten Ufer zurück. Der Ausblick öffnet sich weit nach Norden. Wir überschauen hier das Eberswalder Urstromtal, von dem das Rhinluch nur ein Teil ist, in seiner mehrere Kilometer breiten. Ausdehnung. Berstreut auf der weiten Ebene liegen die einzelnen Anwesen, umgeben von ihren Aeckern und Wiesen. Bei Döringsbrück verläßt der Wald den Ruppiner Kanal gänzlich. Das Luch dehnt sich jetzt zu beiden Ufern aus. Nach rechts scheint es unabsehbar zu sein, nur ganz hinten, in weiter Ferne erblicken wir den Nordrand des Urstromtals, das Ruppiner Land , von dessen Dörfern nur die Kirchtürme zu erkennen sind. Links zieht sich in geringerer Entfernung der Wald hin. Am Waldrande liegt Verlorenort, eine nur aus wenigen Häusern bestehende Siedlung, die ihren Namen zu Recht trägt. Weit ab von allen anderen menschlichen Siedlungen führt sie ein traumverlorenes Dasein am Rande von Wald und Luch.
schleppte, sah am seltsamsten aus. Er hatte etwas unheimliches, schlug jede Hilfe aus, richtete seinen schwankenden Körper auf, stemmte seine erstarrten Beine gegen den Boden und starrte mit bösem Blick in die Richtung zurück, woher sie gekommen waren. Seine Augen glühten wie Kohlen in ihren tiefen Höhlen, während seine geschwollenen Lippen sich zu einer Grimasse verzogen. Er hob seine Arme und schüttelte feine geballten Fäufte troßig zum Polarhimmel, während er unverständliche Worte murmelte. Darauf folgte er schwankend seinem Kameraden. 8.
Eine Woche später sahen Boyd und George die Lichter von Port Townsendachtern durch die Dunkelheit schimmern. In Juneau hatten sie einen schnelleren Dampfer bekommen, der sie instand gesetzt hatte, den letzten Teil ihrer Reise in fürzerer Zeit zurückzulegen, als fie gehofft hatten, und die Fahrt, die sie von den arktischen Winden zu milderem Klima führte, hatte die Leiden, die die Kälte ihnen zugefügt hatte, fast vermischt.
Das nachdenkliche Schweigen, das zwischen beiden geherrscht hatte, wurde jezt von George unterbrochen, der, je mehr sie sich zivilisierten Gegenden näherten, um so unruhiger wurde.
Wie lange wollen wir in Seattle bleiben," fragte er. ,, Nur so lange, bis ich mich mit einer Bank in Berbindung gesetzt habe. Vielleicht nur einen Tag," antwortete Emerson. In Chitago muß man sich wohl fein anziehen," fragte George vorsichtig.
,, Einige fun es."
Frad, nicht wahr?" ,, Auch das."
" Hast du schon mal einen angehabt?" Freilich."
,, Einen ganzen Tag lang."
Bond lachte. Am Tage habe ich feinen angehabt, seit mein Gramen an der Universität bestanden habe. Den Frad trägt man nur des Abends."
ich
George dachte über das Gehörte nach, während Emerson durch die sammelartige Dunkelheit starrte, um nach einem Augenblick wieder gestört zu werden.
,, Jemand hat mir mal erzählt, daß es in Chifago reiche Leute gibt, die zu Frauen gehen, um sich die Nägel reinigen zu lassen, bis sie ganz blant schimmern. Ist das wahr?"
Sonnabend, 6. August 1927
Wir setzen die Luchwanderung an der Seite des Ruppiner Ranals fort bis zum Kremmer Dam m. Er bildete einst die einzige Uebergangsstelle auf weite Entfernungen hin über das in früheren Zeiten noch unwegsamere Luch. Schon in vorgeschichtlicher Zeit soll hier ein Knüppeldamm durch das Luch geführt haben, wie man aus verschiedenen Funden und Beobachtungen schließt. Am Ausgang des Mittelalters entspann sich am Kremmer Damm mehrmals ein heftiges Ringen feindlicher Heerhaufen. In südlicher Richtung wandern wir auf dem Kremmer Damm, der jetzt nichts mehr von einem vor- und frühgeschichtlichen Knüppelwege zeigt, sondern schon lange zu einer festen Chaussee ausgebaut ist, nach Kremmen . Die Stadt hat bereits als wendische Siedlung bestanden. Noch heute ist ein Kiez vorhanden, ein Stadtteil, der für die Behausungen der wendischen Fischer bestimmt war. Nach der deutschen Rückeroberung wurde in Kremmen eine Burg angelegt, um den wichtigen Uebergang über das Luch zu schüßen. Eine Urfunde vom 8. Mai 1298 berichtet von der Umwandlung des Burgfleckens Kremmen in eine Stadt. In Kremmen wurde auch am 20. Juni 1236 der wichtige Vertrag zwischen den Marfgrafen Johann I. und Otto II. und dem Herzog Wratislaw von Bommern geschlossen, worin dieser das Land Stargard an die Mart abtrat. Auf sonderbare Berhältnisse laffen einige Nachrichten aus früherer Zeit schließen: so war zur Entfernung der Hunde während der Predigt ein Hundepeitscher angenommen, und 1724 wird ein Kirchenweder genannt. An mittelalterlichen Baulichkeiten ist in Kremmen nichts mehr erhalten geblieben. Mehrere große Brände( der letzte um 1840 legte über die Hälfte der Stadt in Asche) haben alles vernichtet. Der Turm der Nikolaikirche ist vor einigen Jahren vom Blitz getroffen worden. Er mußte abgetragen werden. Einige alte Fachwerkhäuser mit recht verzogenem Gebält in der Dammstraße bilden wohl die ältesten erhalten gebliebenen Wohnhäuser der Stadt. können wir bis Velten mit dem Fernzug und dann mit dem Der Bahnof liegt südlich der Stadt. Um Fahrgeld zu sparen, Vorortzug fahren. Länge der Wanderung etwa 24 Kilometer.
Die Jannowitzbrücke wird abgerissen.
Umleitung des gesamten Wagenverkehrs.
Der Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, die Zweiglinie der Gesundbrunnen Neukölln- Bahn durch die Alexanderstraße und Brückenstraße, anstatt durch die Neue Friedrichstraße zu verlegen, bedingt den Abbruch der Janno. wigbrücke. Noch in diesem Jahre wird daher die alte Brücke vollständig abgerissen. Für den Fußgängerverkehr wird eine Notbrücke errichtet. Der gesamte Wagenverkehr wird umgeleitet. Der Abbruch der alten Brücke wird besonders von der Schiffahrt begrüßt, die zur Verkehrserleichterung und mit Rücksicht auf den später zu erwartenden 1000- Tonnen- Berkehr den Strom in seiner ganzen Breite zur Verfügung zu haben wünscht. Dieser Wunsch wird beim Bau der neuen Brücke berüc sichtigt, die als moderne Eisenkonstruktion in einem Bogen ohne jeglichen Strompfeiler die Spree überspannt. Die Schifffahrt braucht sich dann nicht, wie bei der alten Brücke, an die drei schmalen Durchfahrtstore zu halten. Mit Rücksicht auf den zu erwartenden starten Straßenverkehr wird die neue Brücke ungefähr 36 Meter breit sein, die beiden Fahrdämme haben eine Breite von je 8 meter. In der Mitte wird ein besonderer Gleisförper für die Straßenbahn errichtet. Mit dem Bau wird im nächsten Jahr begonnen werden.
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Gleichzeitig wird der Stadtbahn- Viadukt, an dem zur zeit bereits Verstärkungsarbeiten im Gange find, auf eine Länge von 150 Meter umgebaut, und zwar zwischen dem Bahnhof Jannowigbrücke und der Straßenunterführung" An der Stralauer Brücke". Zweck dieses Umbaues ist, den Berkehr von der Dircksenstrabe her in die Brüdenstraße in schlanker Linie einleiten zu können. Dies erfordert den Abbruch mehrerer Häuser; der Häuserblock zwischen der Jannowizbücke und dem Südende der Dircksenstraße muß gang verschwinden. Die Dircksenstraße wird dann in Richtung NordSüd und die Alexanderstraße in Richtung Süd- Nord Einbahnftraße. Die Uferanlagen zwischen der Waisenbrücke und der Jannowizbrüde erfahren bedeutende Verbesserungen.
,, Ja, das ist wahr."
Wieder eine Pause, darauf räusperte Balt sich und sagte mit gemachter Gleichgültigkeit: Du hast dir deine Nägel wohl nicht blant machen laffen?"
,, Doch."
Der große Mann öffnete den Mund, um zu sprechen, befann sich dann aber und bemerkte: Ich glaube, es ist besser, daß ich in Seattle bleibe und auf dich warte."
,, Nein, nein," sagte Emerson eifrig ,,, ich brauche deinen Beistand als Fachmann, um das Geld für unser Unternehmen zu verschaffen. Es wird dir in Chikago schon gefallen," fügte er lächelnd hinzu.
Jetzt trat Fraser zu ihnen, er war wieder ganz hergestellt und sah vergnügt aus. Während des größten Teils der Reise hatte er sich, zu Boyds großer Erleichterung, den anderen Baffagieren angeschlossen, so daß Balt und Emerson in Ruhe ihre Pläne miteinander besprechen konnten.
,, Wann wollen wir nach Chikago weiterreisen?" fragte er Emerson. ,, Wir?" fagte Emerson. Ich habe dir versprochen dich bis Seattle mitzunehmen, weiter nicht."
,, Na, wir werden sehen," bemerkte Fraser gleichgültig, fagte gute Nacht und verschwand. Als der Dampfer aber am nächsten Morgen im Dod anlegte, stieg er unaufgefordert in ihren Wagen, fuhr mit ihnen zum Hotel und schrieb seinen Namen unter den ihren im Fremdenbuch ein. Sie verloren ihn indessen bald aus den Augen, denn ihr erster Gang galt einem Schneidergeschäft. Die Kleider, in denen fie angefommen waren, zeigten, moher fie tamen. Und dennoch weckte ihre merkwürdige Erscheinung wenig Aufsehen, denn Seattle ist das Eingangstor zu dem großen nördlichen Land, und alle, die von dort fommen und dorthin abreifen, treffen in Seattle zusammen. Auf unsere Reisenden aber wirkte die Stadt sehr seltsam und erregend. Die Parfüme der Zivilisation widerten ihren Geruchssinn an, die bichte Menschenmenge ging ihnen, die sie aus der Einsamkeit und Stille tamen, auf die Nerven, George lief über die Fahrdämme, als ob er verfolgt würde.
Es dauerte mehrere Stunden, bevor sie passende Kleidungsstücke für Georges riesigen Körper gefunden hatten, und als sie ins Hotel zurückkehrten, fanden sie dort den Bertreter einer Zeitung, der schon ungeduldig auf Emerson wartete.
( Fortfehung folgt.)