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2. Seilage Ses vorwärts
Soktttag, 7. �vguft 1927
Die Verteuerung öer Kleidung. Preiswillkür der Produzettieu.— Wirkungen der Schutzzölle.
Die deutsche Textilwirtschast befindet sich im Stadium a u z g e- prägte st er Hochkonjunktur. Der Auftragsbestand der Spinnereien und Webereien reicht bereits bis in das erste Quartal 1928. Der Produktionsmittelapparat wird ständig erweitert: nach dem Bericht des Reparationsagentcn hat sich die Zahl der Spindeln in Deutschland vom 31. Juli 1926 bis 31. Januar 1927 um 426 666 auf etwa 11 Millionen Spindeln, also um fast 4 Proz. der insgesamt arbeitenden, erhöht, und in der soeben abgelaufenen zweiten Hälfte des Baumwolljahres dürste eine noch stärkere Ver- mehrung eingetreten sein. Die Rohstosfzufuhren haben sich gegenüber dem Vorjahre verdoppelt. Die Textilarbciterschaft ist fast voll beschäftigt, seit Juni 1926 ging die Erwerbslosenzahl von 19,4 Proz. auf 3,3 Proz., die Kurzarbeiterzahl von 46 Proz. auf 2,6 Proz. der Verbandsmitglieder zurück. Der Verbrauch ergibt gleichfalls ein günstiges Bild: Die Umsätze des Bekleidung?- einzelhandels im Juni liegen um etwa 36 Proz. über dem Durch- schnittsumsatz des Vorjahres und überschreiten den Umsatz des ersten Halbjahres 192S der Menge nach um etwa 26 Proz. Preissteigerung und Rohstoffmarkt. Seit Anfang de- Jahres ist nun für alle Textilsabrikate eine außergewöhnliche Preissteigerung eingetreten, die von den Produ- zenten vorwiegend mit den erhöhten Roh st offpreisen begrün- det wird. Diese Erklärung erscheint auf den ersten Blick einleuchtend, denn tatsächlich befinden wir uns mitten im Zeichen stark gestiegener " n den letzten Monaten um I l p re i s e sind seit April hat ihren Preistiesstand am Ende des vergangenen Jahres um etwa 56 Proz. auf» bessern können. Bei der B a u m w o l l e, dem wichtigsten Textil- rohstoff. hat die Spekulation die beunruhigenden Momente, die durch die Mississippiüberschwemmungen eintraten, geschickt ausgenutzt. Die Baumwollpreise stiegen von Woche zu Woche. Später erwiesen sich die pessimistischen Berichte als weit übertrieben. Man rechnet jetzt in maßgebenden englischen Handelskreisen immerhin mit einer Ernte von etwa 15 Millionen Ballen. Außerdem sind aus dem Vorjahre noch Reste von 4,7 Millionen Ballen vorhanden. Trotzdem tonnte das von den Haussiers hochgetriebene Niveau aufrechterhalten werden. Saumwollwarenpreise. Die Preise für Baumwollwaren nahmen in Deutschland nun die folgende Entwicklung: von Mitte September bis Mitte Dezember 1926, während der Baumwollpreis infolge der Rekordernte von etwa 87 Pf. auf 55 Pf. für ein englisches Pfund, also fast um 4 6 Proz. siel, wurden die Garnpreise nur um etwa 16 Proz., die G-webepreis« überhaupt nicht zurückgesetzt. Als die Vaumwollpreise jedoch wieder anzogen, folgten die Produzenten bereitwilligst dem Roh st offpreis. Insgesamt ergibt sich die solgende Preis- bewegung:
oenn raiialyncy vefinoen wir uns minen im Rohstosfpreise. Der Flachspreis ist in fast 166 Proz. gestiegen. Die W o l l i im Anziehen, die Baumwolle hat
Während die Rohbaumwolle heule um 5 Proz. unter dem Preise des Vorjahres liegt, sind die Garnpreise um mehr als 10 Proz., die Gewebepreife im Durchschnitt um mehr als 25 Proz. erhöht worden. Die Steigerung, die, am Preisstand des Rohstoffes gemessen, bei Garnen etwa 15 Proz., bei Geweben 36 Proz. beträgt, ist absolut ungerechtfertigt. Tatsächlich haben sich die Fabrikationsgewinne der Spinnereien und Webereien noch in viel stärkerem Umfange erhöht. als es die angegebenen Prozentzahlen zeigen. In der Baumwoll- inidustri« ist der Rohstoff der weit überwiegende Kostenfattor, die eigentlichen Derarbeitungskosten(Löhne, Betriebsausgaben, Steuern, Anlageamortisation) betragen nur einen Bruchteil des R o h st o f f a n te i l s. Man nennt die Differenz zwischen Garnpreis und Rohbaumwollpreis„S p i n n m a r g e", die Differenz zwischen Garn- und Gewebepreis die„W e b m a r g e". Beide zusammen geben erst einen Anhaltspunkt für die eigentlichen Produktions- gewinne. Die Spinnmarg« ist seit dem Vorjahr um mehr als 7 6 P r o z., die W e b m a r g e um fast 6 6 Proz. gestiegen. Die erster? beträgt heute fast das Dretfache der Vorkriegszeit! Die Auswendungen für Löhne und Gehälter, di« bei den gangbarsten, gröberen Garnsorten etwa die Hälfte der Fabrikationskosten betragen, sind seit der Vorkriegszeit nur um höchsten» 66 Proz. gestiegen. Seit dem Vorjahre sind die Textil- arbeiterlöhne nach schweren Taristämpfen in den einzelnen
Bezirken nur um etwa 6 bis 16 Proz. erhöht worden, die Spinn- Marge des Fabrikanten aber um mehr als 76 Proz., also etwa um das Sieben- bisZwölffache. Ferner haben die Spinner in der Zeit des Preistiefstandes im voraus Rohstoffe gekaust. Spekulationsgewinne. Zollschuh und Auslandskonkurrenz. In den fünf Monaten Oktober 1926 bis Februar 1927 mit niedrigen Baumwollkursen sind etwa 2,8 Millionen Doppelzentner- ballen Baumwolle, das sind fast vier Fünftel des ganzen Vorjahres- bedarfs, importiert worden. So haben die Spinner neben den Gewinnen aus der laufenden Produttion noch sehr beträchtliche Preisdisserenzgewinne erzielt. Die außer- ordentliche Steigerung der Preise für Baumwollwaren ist nur durch den hohen Zollschutz ermöglicht worden. Die Garn- und Gewebe- preise der ausländischen Fabrikation liegen bereits beträchtlich unter den deutschen Preisen. Das hochgeschraubte deutsche Preisniveau er- möglicht den englischen, elsässischen und tschechischen Fabritanten, trotz der hohen Zollabgaben zu auskömmlichen Preisen den deutschen Markt beliefern zu können. pceiswillkür überall. Die Preiswillkür beschränkt sich nicht nur auf die Baumwoll- industrie, sondern greift auf alle Textilzweige über. So hat erst vor acht Tagen der führende Tuchfabrikantenver- band seinen Abnehmern in gemeinsamer Aktion eine 1 6- bis löprozentige Preiserhöhung mitgeteilt, nachdem er genau vor dr ei Monaten schon einmal ein« Erhöhung von 5 b i s 8 Proz. vorgenommen hatte. Bei reinen Wollstoffen schießt die Steigerung ganz offenkundig weit über dag Ziel hinaus. Die Wollpreise sind nach der Wollindexzisfer des englischen Wollzentrums Bradford (die Wolle, Kammzüge und Garne umfaßt), in den letzten zwölf Monaten nur um etwa 4 Proz. ge- st i e g e n. Für die Preisstellung der halbwollenen Stoffe und Mischgewebe ist die durchschnittliche Steigerung um 26 Proz. innerhalb der letzten drei Monate genau so wenig berechtigt, da in der Zeit der fallenden Rohmaterialpreise auch keine Preisermäßi- gung vorgenommen wurde. Zu einem Teil wendet sich die Preis- erhöhung gegen die Versuche der Abnehmer, die K a r t e l l w i l l- kür abzuwehren. Die deutsche Tuchkonvention hat nach langen Kämpfen mit den Abnehmerverbänden, die schließlich vor dem Kartellgericht beigelegt wurden, diesen einige geringe Vergünstigungen einräumen müssen. Sie q u i t t i e- ren diese Schlappe mit einer viel ausgiebigeren Preis- erhöhung. Ihre Politik wird gleichfalls zum großen Teil durch die hohen S t o f f z ö l l e erst ermöglicht. Die Wirkung auf die öekleiöung. Die hohen Preisforderungen der Lieseranten haben in der Be- kleidung noch nicht gewirkt. Das Bekleidungsgewerbe konnte seinen Bedarf noch zu relativ niedrigen Preisen eindecken. Vor der dies- jährigen Reisezeit lagen so die Preise für tonfektio- nierte Ware nur wenig über denen des Vorjahres. Seitdem sind sie von Woche zu Woche gestiegen und lagen Ende Juli schon mit 16 Proz., für Berufskleidung sogar mit mehr als 16 Proz. über dem Vorjahrsnioeau. Die neuen Preislisten der Fabrikanten müssen noch eine weitere Verteuerung der Beklei- dungsartikel nach sich ziehen. Der jetzige Preisauftrieb hemmt nicht nur den Export(im Juni dieses Jahres ging die Textilausfuhr um 26 Millionen zurück), son- der» muß auch schließlich zu Absatzschwierigkeiten auf dem Binnenmarkt führen, da die Kaufkraft der Bevölkerung mit solchen Preiserhöhungen nicht Schritt halten kann. Der gehobene Inlandskonsum der letzten Monate ist nicht, wie es jüngst der Vorsitzende der Fachgruppe der Textilindustrie darstellte,„e i n Luxus, den das verarmte Deutschland sich auf di« Dauer nicht leisten kann�, sondern vielmehr überhaupt erst die Grundlage für eine Gesundung der deutschen Textilwirt- s ch a f t und eine vollere Ausnutzung ihrer produktiven Kräfte. Die jetzige Zoll-, Preis- und Lohnpolitik der Produzenten tut jedoch das ihrige dazu, um der Textilkonjunktur die gesunde Grundlage zu rauben und, Tagesgcwinnen zuliebe, die gesamte deutsche Kon- junkturcntwicklung zu gefährden.
Großhandelspreise. Leichter Rückgang der Lebensmittelpreise. Der reichsamtliche Index der Großhandelspreise weist am 3. August gegenüber der Vorwoche«inen Rückgang um 6,6 Proz., nämlich von 138 auf 137,2, auf. Diese Bewegung wurde bestimmt durch die Ermäßigung der Nahrung?- und Futter- m i t t e l p r e i s« um 3,1 bzw. 2,3 Proz. Industriewaren, und zwar sowohl Rohstoffe wie Fertigfabrikate, zeigen kein« Veränderung.
Weiter langsame Belebung am flrbeitsmarkt In Berlin sind 7800 Erwerbslose weniger als vor einer Woche. Die Besserung auf dem Berliner Arbeitsmarkt schreitet in ziemlich gleichmäßigem Tempo fort. In der letzten Woche ist ein weiterer Rückgang der Arbeitslosigkeit von rund 7866 Personen zu verzeichnen, so daß die Zahl der gegen- wärtig Arbeitsuchenden 16 8 4 6 8 beträgt. Im allgemeinen hat sich gegen die Vorwoche die Nachfrage gesteigert, was ganz besonders für die Landwirtschaft in Erscheinung tritt, da diese für die einzubringende Ernte einen bedeutenden Kräftebedarf hat. Hier- bei ist es auch möglich, großstädtische Arbeitskräste vorübergehend unterzubringen. Eine Entlastung des weiblichen Arbeitsmarktes brachte auch die verstärkte Inangriffnahme von Aufforstungs- arbeiten. Die Besserung des Slrbeitsmarktes in der Metall- i n d u st r i e macht im allgemeinen weitere Fortschritte, was be- sonders auf eine fortschreitende Belebung im Werkzeug-, Groß- Maschinen-, Autobau und in der Elektroindustrie zurückzuführen ist. Auch das Bekleidungsgewerbe zeigt mit fortschreitender Saison erhöhte Ausnahmefähigkeit. Die gebesserten Vermtttlungs- ergebnisse für Handels- und Vureauangestellte dürften mit im Be- darf für Urlaubsvertretungen begründet fein. Von der allgemeinen Belebung der Beschäftigungsverhältnisse haben nunmehr auch die ungelernten Arbeiter Vorteil, da der Kräftebedarf nament- lich im Baugewerbe und in der Metallindustrie ja nicht auf Fach- arbeiter beschränkt bleibt. Es waren 16S40S Personen bei den Arbeitsnachweisen eingetragen gegen 175 211 der Vorwoche. Darunter befanden sich 113312 (117 238) männliche und 56 696(57 973) weibliche Personen. Er- werbslosenunterstützung bezogen 51 687(53 541) männliche und 24 898(26 916) weibliche, insgesamt 76585(86457) Personen. Außerdem wurden noch 27 632(27 295) Personen durch die Erwerbs- l o s e n h i l f e der Stadtgemeinde Berlin und 27 418(28 496) Per- fönen durch die Krisenfürsorge unterstützt. Bei N o t st a n d s- arbeiten wurden 4584(4625) Personen beschäftigt. Die Nachfrage nach Arbeitskräften in der M e t a l l I n d u st r i e von Spezialisten im Großmaschinen-, Werkzeugmaschinen- und Auto- bau ist unverändert groß, so daß die offenen Stellen nicht immer mit den gewünschten Kräften besetzt werden können. Auch die Elektro- industrie hat weiter starten Bedarf an Spezialarbeitern und -arbeiterinnen. Infolgedessen macht sich bereits eine ziemlich starke Fluktuation bemerkbar. Gut aufnahmefähig zeigten sich auch die Eisengießereien, während die Gelbmetallindustrie, beson- ders in den Berufen der Gürtler und Drücker, nur wenig Belebung erkennen läßt. Die Edelmetallindustrie weist recht un- günstige Veschäftigungsoerhältnisse auf, die erfahrungsgemäß um diese Jahreszeit immer wiederkehren. Bei den Kupferschmieden steht den gemeldeten offenen Stellen ein ebenso großer Kräftezugang gegenüber. Der Beschäftigungsgrad im Rohrlegergewerbe gestaltet sich weiter günstig, besonders in der Heizungsbranche. Im allgemeinen ist eine weitere Senkung der Arbeitslosenziffer von ungefähr 966 Personen eingetreten. Schwankungen öer Schweinepreise. Eine unzulängliche halbamtliche Untersuchung. Das„Institut für Konjunkturforschung" veröffentlicht soeben eine Arbeit von A. Hanau über„Die Prognose der S ch w e i n e p r e i s e". Bei der großen Bedeutung der Schweine- zucht für die V a u e r n p o l i t i k hätte man von einer solchen Untersuchung unter Heranziehung der Vorkriegserfahrungen mancherlei erwarten können. Tatsächlich bringt die Arbeit nichts wesentlich Neues zu dem, was man bereits weiß: Sind die Preise für Schweinesutter günstig, sind vor allem Kartoffeln, Gerste und Mais billig, so verstärken die Landwirte die Zucht und Mast von Schweinen. Das zeigt sich bei der Viehzählung am deutlichsten in der Bewegung des Anteils der jungen Tiere und der Zuchtsauen am Schweinebestand. Steigen jedoch die Futter- preise infolge ungünstigen Ernteausfalls, so wird die Mast unrentabel, die Zucht eingeschränkt, und die Zahl der zur Mast aufgestellten Schweine nimmt ab. Gleichzeitig aber kommen die in der günstigen Zeit aufgestellten Mastschweine überstürzt zum Verkauf, und die Schweinepreise sinken. Die zeitweilige Ueberproduktion ist ein typisches Merkmal der M a r k t w i r t- s ch a f t, der freien Konkurrenz, und ebenso typisch ist die Krise» die sich aus ihr ergibt. Diese Zusammenhänge sind längst bekannt. Auf ihnen versucht die Arbeit von Hanau eine Voraussage der Schweinepreise für die nächste Zukunft aufzubauen. Vergleiche ergeben, daß die Preife in Wirklichkeit neuerdings g ü n st i g e r waren, als sie nach der Berechnung hätten sein dürfen. Doch findet sich nirgends ein Ver- such, diese auffallende Tatsache zu erklären. Dabei ist das nicht schwer. Tatsächlich ist die Nachfrage des Konsums von größerer Bedeutung, als Hanau annimmt. Der Rückgang der Arbeitslosig- keit hat die Zahl derer, denen das Schweinefleisch erschwinglich ist, um Millionen vermehrt. Diese Verbreiterung des Mark-
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