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Nr. 236.

Erscheint täglich außer Montags Breis pränumerando: Viertel­fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. fret tu's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illustr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 3,30 Mt. proQuartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Desterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3Mt. pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1895 unter Nr. 7128.

Vorwärts

12. Jahrg.

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Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Die Codifizirung

des Tendenz- Prozelles.

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L

Mittwoch, den 9. Oktober 1895.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

die Entrüftung der Zuhörer hervorrust und in etwas rapider| Charakter gewinnt aber der gleiche Ausdruck, wenn er gebraucht Entfernung des Redenden vom Schauplatz die genügende Sühne wird, um durch Angriffe auf die gesammte Transsubstanzion finden würde, die selbe Rede, die, als energischer Ausdruck des Lehre und deren gottesdienstliche Konsequenzen die christliche wissenschaftlichen oder des Glaubenseijers am entsprechenden Religion überhaupt herabzuwürdigen, den religiösen Sinn seiner Zur Vorbereitung einer fünftigen Umsturzvorlage" Orte gebraucht, kaum eine Rüge verdient, kann an anderen Hörer oder Leser zu untergraben. Allerdings trifft auch hierauf§ 166 ergreift ein Mitglied unseres höchsten Gerichtshofes, Herr Orten und in anderem Munde zum vergiftenden Schlagwort St.-G.-B. zu, wenn die Aeußerung, wie in dem gebrauchten Reichsgerichtsrath Melchior Stenglein, in der Zukunft" äußerlich das Gefährliche und das Ungefährliche unterscheiden ist voll berechtigt, wenn man findet, daß unter Umständen schon werden. Wie kann man dafür objektive Merkmale finden, die Beispiele, als beschimpfend bezeichnet werden kann; allein man das Wort. Zeitgemäß ist die Aufgabe sicherlich, die er sich laffen? Das Gefährliche ist die Tendenz, der die Worte das Erforderniß der Befchimpfung eine zu enge Schranke ziehe gestellt. Seit Wochen mühen sich die obrigkeitlich anerkannten dienen und die entsprechend gewählte Gelegenheit, und daß die Strafandrohung von Gefängniß bis zu drei Jahren, Patrioten aller Parteischattirungen ab, ein brauchbares fie auszusprechen. Deshalb lege man die Unterscheidung also von einem Tage an, zumal bei den milden Gewohn neues Zwing Uri   für den Sozialismus zusammen- in die subjektive Seite der Handlung. Täglich heiten unserer Richter beider Strafzumessung(!) zuzimmern. Jämmerliche Kartenhäuschen sind bisher hat der Strafrichter die Absicht des Thäters festzustellen und feinen genügenden Schuß für die religiösen Grundlagen des ha bei nur zustande gekommen, die jeder Hauch demnach das entsprechende Strafgesetz zu finden oder die Staates bilde. Eine Umsturzvorlage neuen Datums tönnte also der Kritik umpustete. Da ist es nur zu loben, daß Gefeße überhaupt unangewendet zu lassen. Ist der Straf  - wohl in der Lage sein, die Strafbestimmung des§ 266 St.-G.-B. ein erfahrener Mann, ein gewiegter Jurist, seine gesetzes- richter nicht mehr fähig, die inneren Vorgänge des Thäters zu dahin umzugestalten: fundige Hand ans Wert legt, um einen Bau zu begründen,& fann natürlich nicht Aufgabe einer Erörterung, wie dieser, ergründen, so ist er überhaupt unfähig, seines Amtes zu walten. der den schutzbedürftigen Institutionen der Religion und sein, den Entwurf eines Umfturzgesetzes aufzustellen. Ein der Monarchie, des Eigenthums und der Ehe, wie es die wirklichen Vorkommnissen entnommenes- Beispiel möge aber felige Umsturzvorlage bezweckte, Sicherheit vor den Mächten das Gesagte erläutern. des Umfturzes gewährt. Der Baustein, den Herr Melchior Stenglein herbei­geschleppt hat, ist seines Zweckes würdig. Justitia fundamentum regnorum Gerechtigkeit ist die Grundlage der Reiche. Herrn Stenglein's Baustein der Gerechtigkeit wird dem antisozialistischen Zwing Uri im Reiche der Gottesfurcht und frommen Sitte als geeigneter Grund- und Eckstein dienen.

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Es ziemt sich, ihn auch jetzt schon, wo er noch im rohen, unbehauenen Zustande vor uns liegt, sorgfältig in Augenschein zu nehmen.

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Wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche, um den religiösen Sinn anderer zu untergraben oder zu vernichten, beschimpft oder herabwürdigt, wird zc."

Herr Stenglein erörtert darauf, daß ein Pastor eine des Gesetzes auf eine fonfeffionelle Polemit oder auf eine wiffen. Man wird nicht zu besorgen haben, daß eine solche Fassung verspottende Aeußerung über ein Prozessionsbild gethan schaftliche Kritik Anwendung finde, man kann daneben die Be­habe, eine Aeußerung, die mir vorsichtiger Weise hier nicht ftimmung des§ 266 Str.-G.-B. für geringere Fälle fortbestehen wiedergeben; denn was einem Reichsgerichtsrath in der laffen, wenn auch eine gewisse Verbesserung wünschenswerth Zukunft" erlaubt ist, könnte, wenn sein eigener angenehmer erscheint; man schafft endlich damit gemeines Recht im land­Plan in Erfüllung geht, uns als Gotteslästerung an- läufigen Sinne und trifft doch nur das, was die Umsturzvorlage gerechnet werden. treffen wollte. Die Ausdehnung des einen Beispiels auf alle jene Grundlagen der heutigen menschlichen Gesellschaft, die des billigen will, ergiebt sich von selbst, ohne daß eine breitere Aus­Schutzes bedürfen und denen der Gesetzgeber diesen Schutz zu= einandersetzung erforderlich erscheint."

Herr Stenglein meint nun, sofern diese Aeußerung nur innerhalb einer rein tonfessionellen, hier protestantischen, Gemeinschaft als Mittel der Auseinandersehung mit einer anderen, hier katholischen, Glaubensgemeinschaft angewandt Es lohnt sich der Anregung des Herrn Stenglein zu worden sei, könne man sie wohl als geschmackswidrig ver- folgen und das Schema des Rettungs Paragraphen auf werfen, aber sie verfiele nicht dem Strafgesetz. einige andere Einrichtungen der heutigen Gesellschafts­ordnung zu übertragen, z. B. die Monarchie. Dann würde

Dann fährt er fort:

er lauten:

Wer öffentlich die Monarchie oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche, um den monarchischen Sinn anderer zu untergraben oder zu vernichten, beschimpft oder herab­würdigt, wird 2c.

Herr Stenglein fehrt sich zunächst mit ernster Würde dagegen, daß so mauches reichstreue Gemüth unnöthigen An­stoß an dem Schlagwort Ausnahmegesetz" genommen habe; wendet ein, daß die Sozialdemokratie sich in einen Kriegs- Anders liegen die Verhältnisse, wenn derartige Ausdrücke zustand gegen die bürgerliche Gesellschaft gesetzt habe, der öffentlich in Echrift oder Wort gebraucht würden, also nicht be­Ausnahmegesetze gegen sie vollkommen rechtfertige; fommt schränkt auf tirchliche Zwecke und auf das Gehör gleich denkender dann aber doch mit der Offenbarung heraus, daß er den Glaubensgenossen; denn jeder ist den religiösen Gefühlen anderer Stein der Weisen gefunden hat, mit dem man alles vermag, Str.-G.-B. angewendet werden( Wer öffentlich die Einrichtungen Achtung schuldig. Hierauf könnte ohne Rechtsirrthum§ 266 was man von einem Ausnahmegesetz nur verlangen kann, oder Gebräuche einer der christlichen Kirchen beschimpft...); denn Und wie wir uns nun die möglichen Folgen der An­der sich aber doch in den festen Bau unserer ordentlichen man fann in jenem Ausdrucke sehr wohl eine Beschimpfung er- wendung dieses Paragraphen auf unser öffentliches Leben Gefeße einfügen lasse. Doch seine Entdeckung müssen wir blicken. Die Schwäche jener Gesezesstelle beruht darauf, vergegenwärtigen, da leuchtet es uns ein: Was Herr ihn mit seinen eigenen Worten einführen lassen: daß auch§ 266 zu wenig Rücksicht auf die subjettive Stenglein durch den weitläufigen Apparat der Reichsgesetz­Merkwürdiger Weise hat man bis jetzt die Unterscheidungs- Seite nimmt, und darauf, daß der Begriff der Deffentlich gebung erst ins Leben rufen will, die Verwendung der mertmale( für ftrafrechtliche Begriffe) stets nur auf objektivem teit auch auf den öffentlichen Gottesdienst paßt. Auf dem Boden Tendenz eines Angeklagten als ausschlaggebendes Moment Boden zu finden gesucht, während man doch subjektive Bestrebungen des geltenden Rechtes ist also das Verlangen einigermaßen Tendenz eines Angeklagten als ausschlaggebendes Moment treffen wollte und das Harmlose und Unverfängliche oder doch gerechtfertigt, Geifiliche zu strafen, die innerhalb der konsessionellen bei der Aburtheilung, das haben bahnbrechende Genies der minder Gefährliche sich nur subjektiv von dem Gefährlichen unter Schranken Glaubensfäße anderer Konfessionen oder Einrichtungen Praxis unlängst in unser Rechtsleben eingebürgert. scheidet. Die selbe Rede, die im Munde eines Betrunkenen anderer Kirchen mit einer gewissen Energie, die sich als Be: Der Staatsanwalt in Effen hat den Verdacht im Wirthshaus unschädlich verhallen wird oder höchstens schimpfung bezeichnen läßt, angreifen. Noch einen anderen des Meineids bei Schröder und Genossen mit deren

[ Machbruck verboten.

aus dem füdamerikanischen

Skizzen Hinterlande.

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sah ich einen Mann vor mir, einen Europäer, der bis zu hältnißmäßig kurzer Zeit, dank der sorgsamen Pflege den Hüften im Wasser stand, nicht weit von einem flachen des Doktors, wurde ich wieder hergestellt, und wir haben Ufer, und der eben damit beschäftigt war, mich mit vieler denn noch die ganze Zeit im Chaco verbracht, bis der Mühe aus dem moraftigen Wasser und den Wasserpflanzen Krieg zu Ende war, und die Brasilianer den Lopez in Cerro herauszuziehen, in denen er mich gefunden hatte. Später Corá erschossen hatten. habe ich dann von ihm gehört, daß er mich, meinen Ich will Ihnen jetzt gleich das nähere über den Doktor Der allererste, der fiel, war der kleine Sargento an Arm fest um ein Stück Holz geklammert, längs des Wilson anschließen, damit Sie verstehen, wie er nach dem meiner Seite, der eine Kugel gerade in die Stirn erhielt, Ufers treiben sah und daß er daraus schloß, daß ich noch Chaco kam. Wilson war ein englischer Arzt, den der alte daß er, ohne einen Laut von sich zu geben, niederstürzte. Leben besitzen müßte. Das Stück Holz, das im Fluß ge Lopez aus England hatte kommen lassen, damit er im Ich hatte gerade noch so viel Zeit, das zu sehen, als ich trieben, mußte ich instinktiv erfaßt haben, und der Strom paraguayischen Heere seine Dienste leiste. Wie er mir später selber einen furchtbaren Schlag empfand, ein Feuer vor hatte mich mit ihm entlang getrieben und am anderen vertraute, hatte er in seinem Vaterlande trübe Erfahrungen meinen Augen aufzucken sah, und dann war es aus. Das Ufer, dem Ufer des Chaco, abgesetzt. Das war die gemacht mit einer Frau, die er geliebt und die ihn hinter­Geheimniß des Lopez war gesichert. Aber wie Sie erste Gelegenheit, daß ich ich den den Dr. James Wilson her betrogen hatte, und so hatte er das Angebot von Lopez sehen, lebe ich noch, und deshalb kam ich wirklich zu Gesicht bekommen, einen Mann, der mich später angenommen, da er sich vornahm, nie wieder nach Europa  nach einiger Zeit zu mir. Die Kugel, die mich getroffen würdigte, sein Freund zu zu werden, dem ich mein zurückzukehren. Er war das einzige Kind eines wenig be­hatte, war nicht tödtlich gewesen; obwohl sie mir in die Leben verdanke und von dem ich alles gelernt mittelten Mannes gewesen, seine Eltern waren gestorben; Brust gedrungen war, nur einen Finger breit vom Herzen, habe, was ich weiß und kann. Ich muß sagen, daß dieses kurz, es fesselte ihn garnichts mehr an England, und so wie Sie noch heute sehen können an der alten Narbe. Als der einzige Europäer gewesen ist, den ich achten gekonnt war ihm sein Entschluß leicht geworden und er ist ich also wieder zur Besinnung kam, entdeckte ich, daß man habe in jeder nur denkbaren Hinsicht, und ich habe mich ihm trotz des Krieges nicht untreu geworden. Meines mich auf eine Ochsenhaut geworfen hatte und davon schleiste, stets bemüht, mich nach meinen Kräften ihm gegenüber Wissens hat er auch niemals Lust gespürt, zurück­ebenso wie die übrigen. Ich lag auf meinem Gesicht auf dankbar zu zeigen auf jede Art und wie es nur immer zugehen oder auch nur vorübergehend sein Vater­der Haut und vor mir ging ein Soldat, der dieselbe an möglich war. land wiederzusehen. Mit Lopez überwarf er sich

einem Riemen hinter sich her schleifte. Selbsterhaltungstrieb Dieser Mann also zog mich aufs Land, erquickte mich bald; denn er war ein edler und reiner Charakter und hat ein jeder; also ich auch, und der meldete sich auch in mit etwas Branntwein, den er bei sich führte, und schleppte paßte nicht zu den Dingen, für die man ihn benutzen wollte. der Lage, in der ich mich befand, und obwohl meine mich dann auf seinem Rücken eine Strecke weit in Als Lopez ihm eines Tages nahelegte, eine Person mit Gift Sinne schwach genug waren in dem Zustande. Ich den Chaco hinein, bis er einen Busch fand, in dem aus dem Wege zu räumen, kündigte er ihm den Dienst, hielt meine Augen geschlessen wie ein Todter und man er mich niederlegte und mich ermahnte, mich vorläufig ruhig und Lopez hatte dieses Mal nicht den Muth, ihm hielt mich dafür, gab sich auch nicht mehr die Mühe, zu verhalten. Die Hilfe, die er mir geleistet hatte, war deswegen nach dem Leben zu trachten. Er ist dann viel genau nachzusehen. In der Zeit machte man nicht viel nicht ungefährlich für ihn gewesen; denn die Kugeln der im ganzen Lande umhergestreift, suchte Pflanzen und Federlesens. Man schleifte mich und die Kadaver der paraguayischen Batterien sowohl, wie die der brasilianischen Thiere, behandelte Kranke und erwarb sich so den übrigen eine lange Strecke durch Gebüsch, über Steine Kriegsschiffe konnten uns bequem erreichen. Jedoch schien Lebensunterhalt. Als dann der Krieg unter Francisco wohl eine ganze Stunde lang. Endlich machte man an man uns nicht zu bemerken, wenigstens tamen wir ganz Solano ausbrach, hielt er es doch für gerathener, sich bei einem steilen Abhang Halt. Unter uns rauschte der Rio unangefochten davon. Der Doktor Wilson ging dann in Zeiten zu sichern; denn er ahnte es, daß Lopez bei uns Paraguay  . Je zwei Soldaten faßten nun ein Fell an, ein das Junere des Chaco hinein, nachdem er versprochen günstigem Ausgange seines Unternehmens seinem Haß gegen Schwung und unten lag man. Im nächsten Augenblick hatte, gegen Abend wiederzukommen. Das that er die Fremden freien Lauf lassen würde, und so begab er flog auch ich hinunter; ich fühlte die Kälte des Wassers denn auch, und mit ihm kami ein Duhend sich rechtzeitig genug geheim nach dem Chaco zu einem

und die Erschütterung meines Körpers, als ich platt auf Indianer, die mich auf ein großes Fell legten und mich Indianerstamme, den er von früher her kannte, und das Wasser auffiel; der rasche Strom nahm mich davon darauf mehrere Meilen landeinwärts schafften, wo sie einen der ihn willig bei sich aufnahm. Bei einer Streiferei und mir vergingen von neuem die Sinne. Hätte mich Toldo hatten, und wo der Doktor Wilson unter ihnen traf er so ganz zufällig auf mich und rettete mir dabei ein Krokodil gefaßt, so wäre ich bei lebte. Hier gelang es ihm, mir die Kugel herauszuziehen, das Leben. Nach dem Kriege siedelten wir dann wieder auf lebendigem Leibe gefressen geworden, wie die Leiber meiner die durch die ganze Brust gegangen war und die die andere Seite des Flusses über. Wir waren inzwischen Gefährten. Als ich sodann zum andern Male zu mir fam, er unter der Rückenhaut herausschnitt. Nach ver unzertrennlich geworden, da er eine große Zuneigung zu