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Nr. 402 44. Jahta . Ausgabe A nr. 205

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292–297.

Freitag, den 26. August 1927

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Löbe spricht für Deutschland .

Er fordert Räumung des besetzten Gebiets.- Auf der Interparlamentarischen Konferenz in Paris . de Jouvenel antwortet ablehnend!

Paris , 25. Auguft.( Eigenbericht.)

Im Plenarsaal des Senats eröffnete heute mittag Senats präsident Doumer feierlich die Interparlamentarische Konferenz, die sehr stark besucht ist. Mit besonderer Spannung sah man der Rede des Ministerpräsidenten Poincaré entgegen; man war im Ungewissen darüber, ob er dem völkerversöhnenden Geiste der Ver­sammlung Konzessionen machen werde. Poincaré hat diese Hoff­nungen nicht enttäuscht. Seine Rede war in einem bei ihm ungewohnten versöhnlichen Tone gehalten. Mit Geschick ging er den politischen Tagesfragen aus dem Wege, um den festen Willen Frankreichs zu betonen, mit allen Kräften zur Ber söhnung der Völker und zum Erfolg der Arbeiten der Kon­ferenz beizutragen. Die Rede Poincarés hatte starken Erfolg. Zahl­reiche Delegierte erhoben sich, als er die Tribüne verließ, von ihren Sizen und flatschten dem Ministerpräsidenten Beifall.

Bar Poincaré der Diskussion der politischen Fragen aus dem Wege gegangen, jo hat mit um so größerer Entschiedenheit Reichstagspräsident Löbe fich darüber, speziell über die deutsch­franzöfifchen Beziehungen und Hoffnungen Deutschlands ausge [ prochen. Seine Rede hat außerordentlich starten Eindrud ge­macht. Er hat mit seltener Offenheit den gewiffen Still

ſt and" in der so hoffnungsvoll eingeleiteten Annäherungs, politik von Locarno festgestellt und rückhaltslos den Wunsch Deutschlands nach baldiger Räumung des Rheinlandes

Ausdruck verliehen.

Löbe

daß zwei Europa geschaffen worden seien: das Europa im| mehr eingingen und Frankreich plötzlich morgen seine neue Westen, wo das territoriale Statut von Deutschland anerkannt worden sei, und ein Europa im Osten, wo das nicht der Fall sei. Das einzige Mittel gegen den Krieg bestehe nur darin, dem Angreifer eine derartige Macht entgegenzustellen, daß dieser den Mut verliert. Löbe habe ebenfalls gesagt, man möge am 1. Ja­nuar 1928 die Rheinlande räumen, aber er scheine zu vergessen, daß die militärische Besetzung der Rheinlande die einzige Garantie für die Stabilität Ost- Europas

sei. Wenn Frankreich den Rhein räumte, wenn in 2 bis 3 Jahren die vom Dawes Blan vorgesehenen 3 ahlungen nicht

=

Gewerkschaftskundgebung

am 28. August 1927.

Arbeiter, Angestellte, Beamte Berlins ! Erneut sollt ihr am Sonntag durch eine machtvolle Kundgebung auf der Treptower Spielwiese für den gewerkschaftlichen Gedanken demonstrieren. Soll die Kundgebung Erfolg haben, muß Berlin im Beichen wuchtigsten Massenaufmarschs stehen, muß auch der Beßte, vom lebhaftesten Werbewillen durchglüht, erscheinen. Das Massenaufgebot foll unseren Gegnern

unsere Einigkeit, Geschlossenheit, unfere lebendige Kampftraft

führte aus, die Interparlamentarische Union sehe ihre Aufgabe be. sonders darin, den Gedanken der internationalen Schieds. gerichte immer mehr in die Praxis umzusetzen. Leider seien aber die großen Hoffnungen, die in den letzten beiden Jahren be- zeigen. Es soll den Indifferenten und Fernstehenden sonders die deutsche Deffentlichkeit beseelt haben, nicht erfüllt

eine Mahnung, ein Ruf

worden. Ein gewiffer Stillstand in der Annäherungssein, sich einzugliedera in die tätige Gemeinschaft der Gewert.

politif fei eingetreten. Die Gründe dafür lägen eher auf mo­ralischem als auf politischem Gebiete, Hier sei der Ausspruch des französischen Kriegsministers Painlevé am Blaze, daß nämlich das Mißtrauen zwischen den Völkern schlimmer sei als der Haß. Es gelte endlich, von Worten der Versöhnung zu Taten überzugehen.

Da der Kongreß gerade in Paris tage, erhebe sich die Frage, ob Frankreich nicht öffentlich erklären sollte, daß vom 1. Ja­nuar 1928 at fein französischer Soldat mehr auf deutschem Boden stehen werde.

Es miderspreche doch ohne Zweifel der Tatsache der deutsch­französischen Annäherung ebenso wie der Aufnahme Deutschlands als gleichberechtigtes Mitglied in den Bölkerbund, wie endlich dem Geifte von Locarno , daß die militärische Besetzung im Rheinlande

andauere.

Auf der anderen Seite freilich müsse auch Deutschland erklären und durch Tatsachen beweisen, daß es teine geheimen Rüstungen betreibt, daß es ehrlich und loyal die Ab­rüstung im Rahmen des Friedens von Versailles auf 100 000 Mann Reichswehr durchgeführt habe und daß es vor allem die moralische Entwaffnung des deutschen Volkes auf dem Gebiete der Jugenderziehung und der Schule in die Tat umzu setzen gedenke. Nach Staatsmännern mit solchen Taten rufen die Völker. Diese Rede hat in der Nachmittagssitzung eine eigenartige Antwort des Senators de Jouvenel erfahren, der jüngst fein Amt als französischer Delegierter beim Völkerbund niedergelegt hat. Die Rede de Jouvenels hat den ersten Mißtlang in die Konferenz getragen.

De Jouvenel

erklärte, daß die Konferenz zusammengetreten sei, um sich so ehr lich wie möglich auszusprechen und der Verständigung der Völker zu dienen. Löbe habe gesagt, man müsse zuerst, wenn man der Berständigung dienen wolle, die Vergangenheit ver. geffen. Frankreich fönne darauf nicht ohne weiteres eingehen, es wolle mindestens die Lehren aus der Vergangen­heit ziehen; seine Blide müßten auf die Zukunft gerichtet sein, Bo­litiker müßten sich weniger mit den Gründen, als mit den Folgen Don Handlungen beschäftigen. Die gegenwärtige Generation sei noch nicht imstande, unparteiisch die Ereignisse zu betrachten, die sich in den letzten Jahren abgespielt haben. Um am Friedenswert zu arbeiten, müsse man sich bemühen,

der wirtschaftlichen Auffaffung zum Siege über die territoriale Auffassung zu verhelfen,

sonst wäre ein Konflikt unvermeidlich. Man müsse den ersten Brand, der ausbreche, löschen, wenn man nicht wolle, daß er die die ganze menschliche Gemeinschaft vernichte. Man müsse Friedens solidarität herstellen und zu organisieren ver fuchen, wenn man nicht der Kriegssolidarität unterliegen wolle. Lobe habe gesagt, es sei ein gewiffer Stillstand in der Friedens­bewegung eingetreten. Das rührt nach Ansicht des Redners daher,

schaften.

Die Rundgebung soll werben für die gewerkschaftliche Idee. In ihr ist eingeschlossen die Fülle der besonderen gewerkschaftlichen Forderungen:

Ausreichende Entlohnung Achtstundentag/ Fünf­undvierzigftundenwoche Wochenend- Frühschluß/ Beseitigung aller Ueberstunden Ausbau des Arbeiter­rechtes und Jugendschutes Ausbau der Sozialpolitit. Jeder einzelne muß an seinem Plaz rastlos wirken. Die lebensvolle Anteilnahme an der Arbeit der Organisationen wird und muß uns den Erfolg sichern. Die bewußt und tätig um die Berbesserung der Lebensbedingungen ringenden Kolleginnen und Kollegen soll die Bucht der Demonstration eindringlich mahnen:

Hinein in die gewerkschaftliche Klassenfront! Die Gewerkschaften sind die Hüter der Interessen der Arbeit­nehmerschaft. Ohne starte Gewerkschaften würden die Arbeiter rettungslos der Willkür des Unternehmertums preisgegeben sein. Wer hieran zweifelte, dem hat es die Zeit während und nach der Inflation bewiesen, die das brutale und eigenwillige Machtstreben der Arbeitgeber rückhaltlos offenbarte. Damals waren die Gewerk­schaften durch Geldentwertung finanziell geschwächt; die Ungeschulten und Wankelmütigen wandten sich von ihnen ab.

Jetzt geht es wieder aufwärts! Die Reihen füllen fich wieder!

Noch genügt aber der bisherige Zugang nicht. Die Gedanken­losen und Verblendeten, die noch immer abseits stehen, müssen auf geklärt werden, auf daß sie begreifen, daß sie als Unorganisierte Schädlinge ihrer eigenen Klaffe, Hilfstruppen der Gegner find. Ruft ihnen zu: Hinein in die Gewerkschaften! Zeigt durch eure wuchtige Geschlossenheit: Kampf unseren Gegnern.

Arbeiter, Angestellte, Beamte Berlins ! Der Sonntag, der 28. August, ist der Tag der freien Gewerk­schaften! Der Zweck, der Sinn des Tages seien zusammengefaßt in die Parole:

deutsche Freundin in Konflikt mit seinen früheren Alliierten jähe, was würde dann von der deutschen Freundschaft übrigbleiben? Wenn man in langer Feindschaft gelebt hat, so müsse man nur langsam die Freundschaftsbande anknüpfen, sonst gehe man nur einem neuen Bruch entgegen. Frankreich will den Frieden, schloß de Jouvenel, aber es ist feineswegs gewillt, seinen Frieden von dem der anderen zu trennen. Ein Europa ein Frieden! Das ist unsere Auffassung!

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Die Rede de Jouvenels fand, besonders bei den französischen Delegierten, brausenden Beifall.

Senator Karl Heller- Deutschböhmen( Soz.) erflärte, es sei für jeden Deutschen schmerzlich gewesen, die Aeußerungen de Jouvenels anzuhören, die sicherlich der Gemein­schaftsarbeit in der Interparlamentarischen Union nicht nützlich sein merden.

*

Löbe hat in Paris als der Redner der deutschen Nation gesprochen. Er hat einem Wunsch Ausdruck ge­geben, der vom ganzen deutschen Volt getragen wird, und er hat sich zu seiner Begründung einer Argumentation bedient, die jedem Deutschen unwiderleglich erscheint. Aber dieser Redner der deutschen Nation war nicht der Wortführer der deutschen Reichsregierung. Nicht ein Vertreter dieser deutsch­national durchsetzten Reichsregierung, die mit soviel Miß­trauen belastet ist, nur ein Sozialdemokrat fonnte so sprechen, wie Löbe gesprochen hat, nur er konnte vor der Welt als der Redner der Nation auftreten.

Auf der anderen Seite ist auch Herr de Jouvenel ein Mann der Opposition. Er ist von der Vertretung Frank­ reichs im Völkerbund zurückgetreten, um gegen die Außen­politit Briands zu demonstrieren. Diese außenpolitische Opposition gegen Briand , die Jouvenel vertritt, ist sehr start. Sie sißt mit in der französischen Regierung und ist imstande, die auf Verständigung gerichtete Politik Briands zu hemmen.

Ein Wortführer Frankreichs in dem Sinne, in dem Löbe als Wortführer Deutschlands auftreten konnte, ist Jouvenel trotzdem nicht. Sein Widerstand gegen die Räumung des besegten Gebiets findet schärfste Gegnerschaft in Frankreich selbst, vor allem bei unseren französischen Genossen, die sich längst für die Räumung ausgesprochen haben.

Löbe hat das Wort des französischen Kriegsministers Painlevé zitiert, daß Mißtrauen zwischen den Völkern schlimmer als Haß ist. Jouvenels Antwort ist geradezu ein Beweis für die Wahrheit dieses Wortes. Diese Antwort ist angefüllt mit Mißtrauen von oben bis unten. Mißtrauen ist das einzige Argument, das sie der Forderung Löbes nach Räumung der besetzten Gebiete entgegenzuhalten vermag. Die Besetzung soll, nach Jouvenel, die einzige Garantie für die Stabilität Osteuropas sein! Aber in wenig mehr als zwei Jahren soll vertragsmäßig die Besetzung auf die Hälfte ihres gegenwärtigen territorialen Standes vermin­dert werden, in sieben Jahren soll sie ganz aufhören. Wird bis dahin die Stabilität Osteuropas " nach den Auffassungen Jouvenels und der ihm nahestehenden Kreise gesichert sein? Und wenn nicht dann bleibt das politische Argument für die Fortdauer der Besetzung bestehen, während auch der letzte Schein einer vertragsmäßigen Begründung wegfällt. Was dann?

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aus der Rede Jouvenels den Wunsch herauslesen, die Mißtrauen gebiert Mißtrauen. In Deutschland wird man Besetzung zu verewigen. Und damit soll dem Frieden gedient sein? Wem will man das einreden?

Welchen Sinn hat die Phrase von der gefährdeten Sta­bilität Osteuropas ? Sie fann nur einen Sinn haben: Jouvenel fürchtet, daß Deutschland nach dem Aufhören der Besetzung gegen Polen losschlagen fönnte, um sich den Korridor und Ostoberschlesien wiederzuholen. Deutsch­ land würde jedoch durch ein solches Verhalten in mehr als einer Beziehung vertragsbrüchig werden, sowohl als Werbung für die gewerkschaftliche Organisation! Mitglied des Völkerbundes wie auch als Locarnomacht. Sollte es Herrn Jouvenel unbekannt sein, daß sowohl das Völker­Pflicht zur gewerkschaftlichen Mitarbeit! bundsstatut als auch der Locarnovertrag gegen einen deut­Beweist durch euren Massenaufmarsch euren Willen und die schen Angriff auf Polen die stärksten Sicherungen geben, die Stärke der Gewerkschaften, die machtvoll vorwärts drängen.

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund , Ortsausichuß Berlin .

Allgemeiner freier Angestelltenbund, Ortsfartell Berlin . Allgemeiner Deutscher Beamtenbund, Ortsausschuß Groß- Berlin

durch Verträge überhaupt gegeben werden können?

Wohl ist es richtig, daß niemand in Deutschland die öst­liche Grenzziehung für gerecht und praktisch hält, aber es ist

genau ebenso richtig, daß die erdrückende Mehrheit des deutschen Bolles den Frieden will und jeden Krieg zum