Str. 406 44.Jahrgang
3. Beilage des Vorwärts
Rückzug im Flaggenstreit.
Die Hotelbesitzer suchen nach Vermittlung.
Sonntag, 28. August 1927
Internationaler Jugendtag.
Den Berliner Hotelbesitzern wird es bei ihrem Kampi Zur Erinnerung an die Gründung der Jugendinternationale vor 20 Jahren.
gegen die Reichsflagge nicht mehr recht behaglich zumute. Offenbar aus Furcht vor dem Boytott der Berliner Bevölke rung und vor der Wirkung ihrer Schritte auf die breite Deffentlichkeit lassen sie Flugblätter verbreiten, die die bekannten Beschlüsse der Hotelbesitzervereinigung enthalten und die in großen Schlagzeilen die Ueberschrift zeigen: Achtung! Bir achten die Reichsflagge! Wir find nicht verfassungsfeindlich!" Demgegenüber ist festzustellen, daß die Reichsverfassung in ihrem Artikel 3 erklärt: Die Reichsfarben sind schwarzrotgold." Daran gibt es nichts zu deuteln. Die Hotelbefizer befinden sich also im Widerspruch zur Reichsverfassung, wenn sie sich weigern, die Reichsflagge zu ziehen. Dagegen helfen Die Hotelbesitzer hätten sich nicht erst durch die öffentliche Kritik belehren zu lassen brauchen, wenn sie nicht durch eine unglaublich leichtfertige und republiffeindliche Führung iregeleitet worden wären. Es ist fein Zufall, daß ihr Kampf lediglich in Organen der Rechten einige Ruftimmung gefunden hat, bei der gesamten übrigen Bevölkerung dagegen auf das schroffste abgelehnt wurde. Wozu Die Hotelbefizer mikbraucht werden sollten, das geht jetzt wieder aus einem Artikel der„ Kreuz- Zeitung " hervor, der öffentlich dazu auffordert, zum 80. Geburtstag Hindenburgs fchwarzweißrot zu flaggen. Sollten die Hotelbesiger dieser Parole folgen, so werden sie sich noch schwerer in Mißtredit bei den republikanisch gesinnten Kreisen
feine Flugblätter.
bringen.
Aber sie werden ihr nicht folgen, schon deswegen nicht, meil die Demonstration mit leeren Flaggenmasten weniger gefährlich aussieht als irgendwelche weithin fichtbare
Stellungnahme. Sie werden nicht gegen den Staat Stellung
nehmen, weil sie den Mut dazu nicht aufbringen.
Die Führung ist bereits unsicher geworden. Es ift außerordentlich bezeichnend, wenn die Aschinger- Gefellschaft nun doch auf ihrem Zentralgebäude schwarzrot gold flaggen will, ohne allerdings ihren Hotels die gleiche Weifung zu geben. Auch der Widerspruch aus den Reihen Der Hotelbefizer scheint sich verstärkt zu haben. Es verlautet jetzt, daß die Hotels den 80. Geburtstag Hinden burgs mit Beflaggung feiern wollen. Da ihre Führung angeblich nicht weiß, welches die Reichsfarben sind, auf die Hindenburg seinen Eid geleiftet hat, will man in der nächsten Woche an den Reichsaußenminister Stresemann appellieren und ihn vermitteln lassen. Die Antwort der Reichsregierung fann selbstverständlich nur lauten, daß die Flagge schwarzrotgold zu hiffen ist. Das aber hätten die Hotelbesitzer auch vorher wiffen
fönnen.
Immerhin wird das ein Anlaß für die Hotelbesiger fein. Darüber nechzudenken, ob sie dem deutschen Bolle, feinem Ansehen im Ausland und ihren eigenen Ge schäften mit einer Demonstration gedient haben, die von leichtfertigen nationalistischen Syndizi und von politisch unerfahrenen Direktoren angezettelt wurde. Weder die republiPanische Bevölkerung, noch auch die Behörden haben den geringsten Anlaß, in dieser Auseinandersehung vorläufig nach zugeben. folange die Hotelbesiker nicht den Willen befundet haben, sich der Verfassung zu fügen aber nicht mit Flugblättern, sondern mit wehenden Reichsfahnen! Geßler für Schwarzrotgold.
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Die
Das hamburger Fremdenblatt" teilt mit: Reichsregierung hat ihrerseits schon aus dem Grunde feine Stellung zu dem Flaggentonflitt nehmen können, weil die Mehrzahl der Mi nifter nicht in Berlin ist. Reichswehrminister Dr. Geßler, der als dienstältefter Minister den Reichskanzler vertritt, hat dies dem preußischen Ministerpräsidenten zur Kenntnis gegeben, wobei er für feine Berson hinzugefügt hat, daß er selbstver ständlich auch ein Hotel, das sich weigere, die amtliche deutsche Reichsflagge zu zeigen, nicht be= treten würde.
L. R. Stuttgart , 27. Auguft.( Eigenbericht.) Die schöne Gartenstadt Stuttgart , umgeben von grünen Abhängen, empfängt heute Gäste aus den verschiedenen Ländern. Jugend und Partei der Hauptstadt Württembergs haben sich aufs beste gerüftet, um den internationalen Gedenktag an die Gründung der Jugendinternationale zu feiern. mehr als tausend junger Menschen, die seit heute früh in fleinen und größeren Trupps einzutreffen begannen, werden auf dem und größeren Trupps einzutreffen begannen, werden auf dem Bahnhof von der Stuttgarter Jugend herzlich in Empfang genommen. Aus vielen deutschen Ländern sind Jugendtrupps erschienen, So hat Thüringen 100 Jugendliche entsandt, Sachsen 35, Franten 139, Hessen 95, die Pfalz 192, die Oberpfalz 23, das Saargebiet ist mit 80 Burschen und Mädels vertreten. der Niederrhein mit 25, der Oberrhein mit 38, Baden mit 161, und aus Württemberg find es etwa 1400, die herbeigeeilt find, um zusammen mit ihren Stuttgarter Jugendgenossen festlich die Feier zu begehen und gegen den Krieg, für Jugendschutz und gegen den Faschismus zu demonstrieren.
Der internationale Charakter dieser Kundgebung wird durch die Anwesenheit österreichischer, holländischer, schwedischer und franzöfischer Genossen, auch solcher aus der Tschechoslowakei , gekennzeichnet. Als Vertreter der sozialistischen Arbeiterinternationale und des deutschen Parteivorstandes ist Genosse Crispien anwesend.
Heute abend um 8 Uhr findet ein Fackelzug, am Sonntag um 11 Uhr eine Rundgebung in der Liederhalle statt, bei der Genosse Boogd Amsterdam und der internationale Jugendsekretär, Ge, noffe Ollenhauer Berlin , sprechen werden. Am Nachmittag folgt ein Demonstrationszug durch die Stadt, an den fich die internationale Kundgebung auf dem Marktplatz anschließt. die Mitgliederversammlung der Stuttgarter sozialistischen Arbeiter Gewissermaßen den Auftakt zu der Feier bildete gestern abend jugend im großen Saal des Gewerkschaftshauses. Ihr wohnten auch verschiedene auswärtige Genossen bei, die bereits gestern abend eingetroffen waren, darunter Leipziger, Thüringer , Nürnberger Jugendgenossen und auch ein Berliner aus der Gruppe Bantow, der gewissermaßen als einziger Vertreter der Berliner Arbeiterjugend anwesend ist.
Konferenz beglückwünschte. 3mei Referate des Genossen Severing und des Genossen Hermann Wendel , die 1. das Thema„ Volk und Staat" und 2. das Rheinproblem" behandelten, fanden die stürmischste Zustimmung der Versammlung.
Genosse Ollenhauer sprach über die Bedeutung des bevorstehenden Festes und gab in gedrängten Säßen einen furzen Ueberblid über die Entstehungsgeschichte der sozialistischen Jugendinternationale. Die Gründung einer internationalen Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Jugendorganisationen erfolgte in Wirklichkeit erst am 26. Auguft des Jahres 1907 in Stutt gart, wo sich Vertreter sozialistischer Jugendverbände aus Bel gien, Deutschösterreich, Ungarn , Böhmen , Schweiz , Italien , Spa nien , Großbritannien , Holland , Deutschland , Schweden , Dänemart, Australien und Frankreich zusammenfanden. Hier wurde ein Arbeitsprogramm aufgestellt, das noch heute wie damals Inhalt und Ziel der sozialistischen Jugendinternationale bilden: Bildungs- und Erziehungsarbeit, Kampf für Jugendschuk, Kampf gegen den Militarismus und die politische Reaktion. Das Gefretariat der Internationale wurde nach Wien verlegt, ihre Leitung dem Genoisen Robert Dannenberg anvertraut, der heute in den ersten Reihen der österreichischen Sozialdemokratie steht. Im Jahre 1914 gab es sozialistische Jugendverbände in 17 Ländern, die insgesamt 182 000 Mitglieder zählten. Der vielversprechende Aufschwung der sozialistischen Jugendbewegung fand aber am Weltkrieg seine Schranken. Die Internationale war in die Brüche gesozialistischen Arbeiter- Internationale die sozialistische Jugangen. Erst 1923, in Hamburg , entstand zugleich mit der gend Internationale. Im Augenblick find ihr 28 Länder mit 194 975 Mitgliedern angeschlossen.
Am Schluß seiner Ausführungen setzte sich Ollenhauer kurz und überlegen mit der fommunistischen Jugend auseinander, die den Gründungstag der sozialistischen Jugend- Internationale im Jahre 1907 auch als Ausgangspunkt der kommunistischen JugendInternationale betrachten will. Dllenhauer meinte, ein Streit darüber, wer das Anrecht auf das festliche Begehen dieses Tages be. size sei ganz überflüssig. Im erfreulichsten Gegensatz zu dem Niedergang der kommunistischen Jugendorganisationen in den fie fei ganz überflüssig.
europäischen Ländern steht der stetige Aufschwung der sozialistischen Jugendorganisationen.
Mit dem begeisterten Gesang der Internationale schloß die Versammlung. Sie war eine würdige Borbereitung der großen Rundgebung vom Sonntag.
Gegen die Verkirchlichung der Schule.
Der Berliner Lehrerverein hatte am Freitag die Berliner Lehrer zu einer Versammlung geladen, in der er 1. Vorsitzende über„ Deutsche Bildungseinheit und Reichsschulgefegentwurf" sprach. Eindringlich und flar zeigte der Redner
In geistig außerordentlich hochstehenden Ausführungen be des Deutschen Lehrervereins, Kreisschulrat Georg Wolff gründete
Genoffe Severing
die Notwendigkeit der sozialistischen Arbeiterbewegung, sich der Mitarbeit am Staate nicht zu versagen und daß nur durch diese Mitarbeit am Staate und im Staate die Republik nach unseren Wünschen ausgebaut werden könnte.
warf die Frage auf: der Rhein , Deutschlands Strom oder Europas Strom? und fam nach seinen historischen, politischen und mirtfchaftlichen Ausführungen zu dem selbstverständlichen Schluß, daß der Rhein ein Bindeglied zwischen den Völkern sein müsse. Während der Tagung war auch der
preußische Ministerpräsident Genoffe Otto Braun erschienen, ber, mit lebhaftem Beifall begrüßt, eine Schlußansprache
hielt, die darin gipfelte, daß sich die Arbeiterschaft nie mehr von der Mitarbeit am Staate zurüddrängen laffen dürfe, und daß nur durch diese Mitarbeit und durch die Gleichberechtigung der Arbeiterschaft im Staatsleben Deutschland als Republik und Nation erhalten werden fönne. Die Ausführungen des Genossen Braun wurden stürmisch begrüßt.
Am späten Nachmittag fand in dem gegenüberliegenden Bingen auf dem freien Marktplatz eine Massent undgebung statt, bei der
Genoffe Scheidemann
auf die aktuelle Politit einging. U. a. fagte er, ohne die Politit Poincarés wären die Deutschnationalen niemals wieder in die Regierung der Republit gekommen. Nichts hat die Festigung der Republit so erschwert wie die französische Politit der Santtionen und Besagungen. Wie schon vor dem Kriege, fo arbeiten sich die Reaktionäre in Deutschland und in Frankreich gegenseitig in die Hände. Wir können leider Herrn Poincaré nicht zwingen, eine verständigere Politik Deutschland gegenüber zu machen. Sorgen wir dafür, daß Poincaré sich nicht mehr lange auf die Deutschnatio nalen berufen tann. Beseitigung der Besagungen im Rheinland hieße auch Zusammenbruch der Deutschnationalen, denn sie leben
Rüdesheim , 27. Auguft.( Eigenbericht.) Der Vorabend der großen republitanischen Rhein . Der Vorabend der großen republitanischen Rhein landfundgebung brachte eine Tagung des politischen Arbeiterseminars, das von den sozialdemokratischen Bertrauensleuten des gesamten Rhein- Main - Gebietes und seiner Umgebung beschickt war. Die Konferenz wurde von dem Bezirkssekretär, von der franzöfifchen Bedrückungspolitit. Röhle Frankfurt a. M., eröffnet und geleitet. Begrüßungsansprachen hielten der Oberpräsident der Provinz Hessen- Nassau , Dr. Schwander, und Ministerialrat Profit im Auftrage des Ministeriums für besetzte Gebiete sowie der verschiedensten staatlichen und städtischen Behörden. Von Desterreich war Nationalrat Genosse Leuthner erschienen, der ebenfalls unter stürmischem Beifall die
eine Massen versammlung um die Aschenurnen der Das New Yorfer Sacco- Vanzetti- Komitee fündigt für Montag tommissar Warner diese Rundgebung als„ unnötig" verboten beiden Hingerichteten auf dem Union- Square an, obwohl Polizeiauch als ihm versichert wurde, daß die Ordnung nicht gefährdet oder gestört werden würde.
hat
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die großen Gefahren auf, die dem deutschen Volke, der deutschen
Schule und der deutschen Lehrerschaft aus dem Keudellschen Entmurf erwachsen. Stürmischer, sich wiederholender Beifall dankte dem Redner, der nachstehende Entschließung vorlegte, die ein. ftimmig angenommen wurde:
Der Berliner Lehrerverein erhebt gegen den neuen ReichsSchulgefeßentwurf scharfsten Einspruch und wird seine Gefeßwerdung mit aller Kraft bekämpfen.
Dieser Entwurf nimmt dem Staate das Recht der Schulhoheit und gibt es an nichtstaatliche Mächte ab.
Dieser Entwurf ist teine wort und sinngemäße Ausführung der Reichsverfassung, er zerstört die Einheit unseres Schulwesens.
Dieser Entwurf verhindert die staatsbürgerliche Erziehung der Jugend und sentt die Bildungshöhe unserer Bolksschule.
Dieser Entwurf gefährdet die pädagogischen und staatsbürgerlichen Rechte der Volksschullehrer und stellt diese im Religionsunterricht unter eine dreifache Ueberwachung.
Dieser Entwurf trägt den Unfrieden in Staat, Gemeinden und Familien und führt zu einem ewigen Kulturkampf. Dieser Reichsschulgeseßentwurf darf nicht Gesez
werden.
In der Debatte begründete unter reichem Beifall der Versammelten, die den großen Saal des Lehrervereinshauses bis auf den letzten Platz füllten, Rettor Schröter einen von ihm einLehrervereins beauftragt, eine Erklärung aller Mitglieder herbeizu gebrachten 3usagantrag, der dem Vorstand des Berliner führen, daß sie bereit sind, von ihrem ihnen nach der Reichsverfaffung zustehenden Recht Gebrauch zu machen und
den Religionsunterricht niederzulegen, wenn ein Reichsschulgesetz zustandekommt, das die Schule verkirchlicht und nicht einwandfrei die Regelschule der Reichsverfassung fichert. Gegen wenige Stimmen wurde dieser Antrag angenommen. Einen tiefen Eindrud machte es auf die Versammlung, als ein alter Lehrer im weißen Haar sich diesem Antrage anschloß und
erklärte:
Bierzig Jahre habe ich treu meinem Gotte und Gewissen den Religionsunterricht erteilt. Wenn aber dieser Entwurf Gesetz wird, dann kann ich einfach den Religionsunter= richt nicht mehr erteilen."
Ein weiterer Antrag, eine Unterschriftensammlung gegen den Gesezentwurf unter Lehrern und Eltern zu veranstalten, wurde einstimmig angenommen.
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