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Abendausgabe

Nr. 41144. Jahrgang Ausgabe B Nr. 203

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreife find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Tel.- Adresse: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts

Berliner Volksblatt

10 Pfennig

Mittwoch

31. August 1927

Berlag und Anzeigenabteilung: Geschäftszeit 8% bis 5 Uhr Berleger: Vorwärts- Berlag GmbH. Berlin   SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29T

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Die Wahl im Memelland  .

Sieg der deutschen   Parteien.

Memel  , 31. Auguſt. Gegen 1% Uhr lag das vorläufige Gesamtergebnis der Wahlen aus der Stadt Memel   vor. Wahlberechtigt waren 20 100( bei den Landtagswahlen im Oktober 1925: 19 778. Diese Ziffern vom Oftober 1925 sind auch weiterhin als Vergleichszahlen anzuwenden). Gewählt haben 14 591( 17 113), so daß die Wahlbeteiligung etwa 73 Pro 3.( 85 Proz.) beträgt. Von den 14 591 Stimmen ent­fallen auf die Memelländische Volkspartei 8548( 12 179), Landwirt schaftspartei 740( 209), Sozialdemokratische Partei 1349 ( 2948), Kommunisten 2292( 1143), Partei zur Abwehr des Auf­wertungsruins( Rembrint- Partei) 88( 0) und auf die litauischen Parteien zusammen 1230( 564). Bei der bedeutend ge­ringeren Wahlbeteiligung ist das Bild ungefähr das gleiche geblieben wie 1925. Was seit 1925 durch die Option verloren­gegangen ist, ist diesmal ersetzt worden durch die zugewander­ten litauischen Staatsbürger, die gemäß der Genfer  Bereinbarung mitwählen durften, obwohl sie noch nicht das Bürgerrecht des Memelgebiets besitzen. Der von der Landwirtschafts­partei unter der Barole Aufwertung" geführte Wahlkampf hat einige geringfügige Verschiebungen innerhalb der Einheitsfront­parteien gebracht. Während die Landwirtschaftspartei 1925 in der Stadt Memel   nur 209 Stimmen erhielt, fonnte sie diesmal 740 er­reichen dadurch, daß die Hausbesiger die Parole für die Land­wirtschaftspartei ausgegeben hatten. Der Bund zur Abwehr des Auf­wertungsruins hat auf dem Lande aber erheblich mehr Anhänger gefunden als in der Stadt, so daß diese Partei voraussichtlich einen Sitz im Landtag erhalten wird. Der Rückgang der volksparteilichen Stimmen ist auf die geringe Bahibeteiligung zurückzuführen und außerdem darauf, daß, wie erwähnt, die Hausbefizer die Landwirt­schaftspartei unterstützten. Die Sozialdemokratische Partei   hat Stim­

men an die Kommunisten abgegeben, die diesmal voraussichtlich mit zwei Abgeordneten in den Landtag einziehen werden, während sie früher dort nicht vertreten waren. Der Zuwachs der Groß­Litauischen Stimmen ist unbedeutend. Er ist sogar gegen die Wahlen zum litauischen Sejm   1926 um etwa 650 Stimmen zurück­gegangen. Die Wahlmüdigkeit hatte Platz gegriffen, als die mit

Mecklenburger Etat angenommen. Bertagung des Landtags bis Oktober. Schwerin  , 31. Auguft.

In der gestrigen Landtagssigung fiel die Entscheidung über den Etat. Der deutschnationale Antrag v. Derzen auf Steuersentung von 25 auf 22 Grundsteuereinheiten wurde unter Stimmenthaltung der Regierungsparteien angenommen.

Nach der zweiten Lesung des Haushaltsplans für 1927 begann die allgemeine Aussprache zur dritten Lesung. Die Deutsche Volkspartei   lehnte den Etat ab. Die Deutschnationalen erklärten, sie würden sich der Stimme enthalten, wenn die von ihnen be­antragte Steuerfenfung endgültig angenommen würde. Sie nähmen diese Haltung in Anbetracht der ganzen schweren Wirtschaftslage ein. Die Kommunisten lehnten den Etat ab. Die Völkischen sprachen ebenfalls gegen den Etat.

Bei der Abstimmung wurde dann der Etat durch die Mehrheit der Regierungsparteien unter Stimmenthaltung der Deutschnationalen angenommen. Um 20.45 Uhr vertagte sich das Haus bis zum Monat Ottober.

Monarchistische Zettelungen.

Mussolini  - Ungarn  .

großer Energie im Februar geführten Wahlvorbereitungen plötzlich abgebrochen werden mußten. Außerdem war es infolge der Breffezensur nicht möglich, die Wähler hinreichend aufzuklären. In 90 von den 200 ländlichen Stimmbezirken haben erhalten: Bolkspartei 6100, Landwirtschaftspartei 8700, Sozialdemo­fraten 2400, Kommunisten 700, Kembrink- Bund 800, großlitau­ische Parteien 3000. Die Volkspartei hat, soweit es sich bis jetzt beurteilen läßt, auf dem Lande gewonnen, während die Landwirtschaftspartei einige Einbußen erlitten hat zugunsten der Volkspartei und zum Teil auch der großlitauuischen Parteien. Offen­bar hat das Eintreten der Volkspartei für eine Aufwertung wie in Deutschland   ihr auch auf dem Lande Wähler zugeführt. Bor­aussichtlich wird die Volkspartei ihren Besitzstand gut behaupten und im Landtag wiederum mit elf Abgeordneten vertreten sein.

Ort Heydekrug  . Vorläufiges Ergebnis: Volkspartei 1052, Landwirtschaftspartei 249, Sozialdemokraten 485, Rom­munisten 19, litauische Parteien zusammen 129.

Vorläufiges Wahlergebnis.

Gegen Mittag lagen die Wahlergebnisse aus 123 von 208 Stimmbezirken vor. Danach erhielten: 13 647

Volkspartei

Landwirtschaftspartei.

Sozialdemokraten

Kommunisten

Großlitauer.

Litauische Splitterparteien

Litauische Sozialdemokraten

12 260

3.895

1902

4615

1088 95

Obwohl diesmal die lifauischen Beamten wahlberechtigt waren, während andererseits die Optanten in Fortfall kamen, haben die Großlitauer nur wenige Stimmen mehr erhalten als im Oftober 1925. Soweit sich bisher übersehen läßt, dürften die Großlitauer von den 29 Sihen im Landtag 3( bisher 2) Size erhalten.

Pariser   Genf  - Prophezeiungen. Chamberlain in Paris   eingetroffen.

Der Unsinn der Grenzen.

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Die Nutlosigkeit der Flugmaschine und ihre Gefahren in der Gegenwart. Ein Organisationsproblem. Von H. G. Wells.

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Copyright by H. G. Wells  . Übersetzungsrechte vorbehalten. Der Kern des bisherigen Mißerfolges im Luftfahrwesen liegt in der Unfähigkeit der finanziellen, geschäftlichen und politischen Welt, die ungeahnten Ausdehnungsfähigkeiten technischer und wirtschaftlicher Natur zu erfassen. Wir reden heutzutage so viel tonfuses Zeug über Big Busineß"( Riesen­geschäft). Und dabei gibt es in Wirklichkeit gar kein Big Busineß" in der Welt. Kein Geschäft big enough", groß genug. Da gibt es eine Anzahl Banken und Industrie­Konzerne, die heute größer sind als ihre Vorgänger. Und allein diese Tatsache, daß sie größer sind als bisher, machi uns glauben, sie seien nicht groß genug für ihre 3wede. Die Schiffahrt, der Welthandel vieler Haupt­produkte sind reif zur Konzentrierung. Doch lassen wir das einmal beiseite und befassen wir uns nur mit dem Luftwesen. Geschäft ist verbunden mit Finanz. Die Finanz wiederum mit Politik. Und wenn wir einmal versuchen, tiefer in die Dinge zu schauen, um feststellen zu können, warum denn dieser gewaltige Zivilluftflotten- Konzern nicht zustandekommt, warum er Konzessionen und Wegerechte sich nicht sichern kann, um einen wirklich erfolgreichen inter­nationalen Luftverkehrsdienst einzurichten, dann müssen wir zu unserem tiefsten Bedauern erkennen, daß es vor allem die nationalen Grenzen sind, die sich hier als schier un­überwindlich dem gewaltigsten aller Fortschritte entgegen­stellen. Wir müssen es immer wieder erleben, wie jedes ein­zelne Land im europäischen   Flickwerk in oft geradezu zwerg­hafter Weise in ,, nationaler" Luftfahrt wütet, und der Ent­wicklung des fremden, oder gar erst ausländischen Luftwesens jede auch nur erdenkliche Schwierigkeit in den Weg legt.

Nationalismus als höchster Unsinn.

Jede erfolgreiche Entwicklung auf dem Gebiete der Luft­reisen muß von erster Stunde an internationalisiert werden. Das Flugzeug macht gewissermaßen doch nur Sprünge von einigen drei- und vierhundert Meilen, so daß es sich kaum lohnt, eine Maschine zu besteigen wenigstens soweit es Europa   betrifft, es sei denn, man hat die Absicht, in einem anderen Lande niederzugehen. Ebensowenig aber, wie man ein zwischen zwei Weltmeeren liegendes Eisenbahn­netz nach den kleinen und fleinsten Wünschen nur eines Landes, oder gar der Dörfer dieser Strecke, bauen kann, eben­sowenig fann man hoffen, das Luftfahrwesen lediglich nach der Menschheit entwickeln zu können. Ich habe wirklich nicht die Absicht, den Nationalismus meiner Leser irgendwie zu reizen, indem ich ein verdammendes Urteil spreche. Aber eines steht doch fest. Wollen wir wirklich ein erfolgreiches Luftfahrtwesen, wollen wir wirklich heraus aus all dem Kleinen, in dem wir wie in einem tiefen Sumpf stecken, dann fann es nur heißen: hier ist Nationalismus am unangebrachtesten.

Paris  , 31. Auguft.( Eigenbericht.) Der englische   Außenminister Chamberlain ist am Dienstag in Paris   eingetroffen und wird am Mittwoch im Stadthaus feierlich empfangen werden. Im Zusammenhang damit schreiben die Blätternationalen" Gesichtspunkten wirklich erfolgreich im Intereffe mit der bevorstehenden Tagung des Völkerbundes, daß die Er­örterung der Fragen, die nicht auf der Tagesordnung stehen, aber die internationale Lage beherrschen, von größter Bedeutung sein werde. Dies gelte in erster Linie von der Räumung des Rheinlandes. Es sei nicht ausgeschlossen, daß Deutschland   in Genf   die Festsetzung eines endgültigen Datums oder die Festlegung genauer, von ihm zu erfüllender Bedingungen verlangen werde. Dazu komme die Frage eines Ost- Locarno, an dem sämtliche Staaten Zentral- Europas wie Frankreich   inter­effiert seien und endlich die außerordentlich aktuelle Frage der Abrüstung, die soeben den Rücktritt Lord Robert Cecils herbeigeführt hat. Es sei auch da möglich, daß Deutschland  gewisse sofortig: cßnahmen verlangen werte. So meint der Excelsior", daß man in Genf   Ueberraschungen erleben fönne. Die internationale Lage sei ziemlich fieberhaft und die Kund­gebungen des Interparlamentarischen Kongresses, die Aufwerfung der Frage einer neuen Untersuchung über die Ber legung der Neutralität Belgiens   und der eventuellen

In einem Artifel des New Yort American", den die Boffifche Räumung der Rheinlande seien die beste Illustration für eine ge Amerika   stellt eine gewaltige Eisenbahneinheit dar, mit einem

Zeitung" auszugsweise wiedergibt, wird behauptet, der Herzog von Aosta  , Better des Königs von Italien  , sei der ungarische Thronkandidat jener höchst einflußreichen, royalistischen Kreise in Europa  , welche gegen die Rückkehr der Habsburger   nach Ungarn   sind". Der Herzog würde als König von Ungarn   die stärkste Militärgewalt Zentral- Europas, das faschistische Italien  , hinter sich haben. Um die Wiedereinsegung der Habsburger   in Un­ garn   zu verhindern, habe Mussolini   den ungarischen Monarchisten seine Hilfe angeboten, um ein starkes nationales Königtum unter Führung eines italienischen   Prinzen zu errichten". Der Herzog von Aosta   sei nicht nur ein eifriger Anhänger des Faschismus, sondern habe auch ausgezeich nete Verbindungen mit der englischen Aristokratie. Einem Bündnis zwischen Ungarn   und Italien   stünden die Tschechoslowakei  , Rumänien   und Südslawien vollkommen machtlos gegenüber. Schließlich wird in dem Artikel versichert, daß, um diese ungarischen Ziele zu verwirklichen, Berhandlungen über ein Rom  = promiß schweben, das Mussolini   ermöglichen soll, seine Zustim mung zum Zusammenschluß Deutschösterreichs und Deutschlands   zu geben. Gelinge der Plan, so werde Frankreich   isoliert und Italien   zum militärischen und politischen Führer auf bem europäischen   Kontinent, welcher mit Großbritannien  im Westen und Ungarn   im Osten kooperieren würde".

*

Es ist nicht schwer, den Zusammenhang diefer Absichten mit dem großen Pressefeldzug des reaktionären Lord Rother mere für eine Befriedigung der territorialen Forderungen Ungarns   auf Koften des Gebietsbestandes der tschechoslowakischen Republik zu

erfennen.

die die internationale Lage beherrsche.

Der Jugendtag in Wien  . Polizeipöbelei gegen die abziehenden Teilnehmer. Die Organisationen der Wiener   Arbeiter befizen mehrere große Saalgebäude, eins davon ist das Verbandshaus der Krankenkassen. Dort feierte am Sonntag die sozialistische Arbeiterjugend das zwanzigjährige Bestehen der Jugendinternationale, deren Sekretär Heinz die Festrede hielt. Natürlich gedachte er auch der Blutopfer des 15. und 16. Juli. Dann ertönte der Trauerchor: Unsterbliche Opfer, ihr fanket dahin". Auf der Galerie des hohen Saales fentten sich die Fahnen und Wimpel der Arbeiterjugend und der Roten Falten", Josef Luitpold Stern   sprach über die Ermordung Saccos  und Banzettis.

"

das Verbandsheim liegt, sahen fie fich mehreren Dugend Polizisten Als nun die Teilnehmer auf die schmale Straße traten, an der gegenüber, die sofort unter dem rohesten Geschimpfe die Jugendlichen auseinandertrieben. Dowohl der Polizei versichert wurde, daß ein auseinandertrieben. Obwohl der Polizei versichert wurde, daß ein Demonstrationszug nicht beabsichtigt jei welche Absicht übrigens dem Gefeß der Republik   nicht zuwiderlaufen würde, schlugen und traten sie auf die jungen Menschen, selbst auf die Roten Falken" im findlichen Alter cin, die paarweise in einem furzen Zug abmarschieren findlichen Alter cin, die paarweise in einem furzen Zug abmarschieren wollten. Noch lange nach diesem Sieg hielt die Polizei den er­oberten Blat triumphierend besetzt.

Wenige Tage vorher hatte die chrichlich soziale Jugend ungehindert einen Umzug über die Ringstraße ausführen können.

Die einzigen Luftstrecken, die gegenwärtig international unter eine Kontrolle gebracht werden fönnten, sind zunächst die europäischen; dann die asiatischen, soweit sie zur Sowjet­regierung gehören, resp. soweit ihre Einflußsphäre reicht. Ferner die Vereinigten Staaten von Amerita und ihr ge­famter Kontinent. Und drittens die Territorien, Protektorate, Alliierten und sonstige Abhängige des britischen   Weltreiches östlich und südlich von Palästina bis zu den malanischen Inseln, Australien   und dem Kapland. Das Flugwesen Sowjetruß­lands ist zurückgeblieben durch die verhältnismäßige Armut und der mangelhaften Entwicklung riesiger Strecken Landes; hervorragend organisierten Transportnet und einem gewal­tigen Einfluß im Kampfe gegen die Luftfahrzeuge. Sie haben allerdings auch nicht die vielen trennenden Seen und Kanäle, die das Fliegen im westlichen Teil der alten Welt so wünschenswert machen. Und was den dritten großen Luft­distrikt betrifft, nämlich das aus der Schiffahrtsschöpfung her­vorgegangene britische   Weltreich, so gleicht dieses, lufttechnisch gesprochen, einem enthaupteten Körper. Ist es doch unmög­lich, von England aus die gewaltigen Dominions rund um den Indischen Ozean mittels eines Luftfahrzeuges aufzusuchen, ohne widerrechtlich fremdes Land zu überqueren. Ich sehe augenblicklich tatsächlich keinen Ausweg, wie es möglich sein sollte, diese drei riesigen Luftdistrikte dem all­gemeinen Luftverkehr zugänglich zu machen. Und das um so mehr nicht, weil ich bei den jeweiligen Regierungen nicht die Einsicht voraussetze, sich der Entwicklung der internationalen aber, es geschehen doch noch under. Luftfahrt wegen mit dem Nachbarn zu einigen. Das hieße doch einfach den ,, Nationalstolz" untergraben. Angenommen aber, es geschehen doch noch Wunder. vereinigen, und es würden Hauptstrecken geschaffen, die von deutsche, russische und chinesische Luftinteressen ließen sich der Nordsee bis zum stillen Ozean reichten, bis Beling und Anatolien  , denen sich alle anderen Linien der Alten Welt wirklich erreichen lassen, ein solch gewaltiges Unternehmen einfach anzuschließen hätten. Angenommen, es hätte sich im Interesse der gesamten Menschheit lebensfähig zu machen. Es bliebe dann aber immer noch eine Frage offen: wie würden sich die Kanzleien der Auswärtigen Aemter, und wie die Kriegsministerien der

Angenommen,