übrigen„Mächte" zu diesem gigantischen deutsch-russisch- chinesischen Plan verhalten, ohne der Vorstellung zum Opfer zu fallen, es müsse dieserhalb doch unbedingt zu einem schreck- lichen Krieg kommen. Käme dieser Krieg aber nicht, dann bliebe diesen Herrschaften allerdings nichts weiter übrig, als endgültig abzudanken. Die Kehrseite. Das sind nun so meine Gründe, warum ich glaube, daß die Menschheit noch auf Jahrzehnte hinaus sich unfähig er- weisen wird, eines der herrlichsten Geschenke— das himmlische Glück des Fliegens— richtig anzuwenden. Anstatt zu fliegen, wie es einmal für jeden guten Kosmopoliten selbst- verständlich sein wird, werden wir als alte abgenutzte Pa- trioten auf der Erde weiter herumrutschen. Es hat durchaus den Anschein, als ob Luftfahrten zum Vergnügen und zur Erholung noch auf unbegrenzte Zeiten lediglich das Privileg der jeweiligen Luftfahrtminister und ihrer persönlichen Freunde bleiben soll. Uns gewöhnlichen Sterblichen soll allerdings vorbehalten bleiben, sich an ihren Freuden zu ergötzen. Aber dennoch wäre es ein Irrtum, zu glauben, die Reaktion innerhalb unserer vielgeliebten Einrichtungen sehe tatenlos zu. Im Gegenteil. Unsere patriotischen Leiden- schaften verlangen schon etwas mehr. Wenn nun schon ein- mal die Hüter unserer nationalen Absonderung sich berufen fühlen, die Entwicklung eines gefahrlosen internationalen Luftverkehrs abzuriegeln, so betätigen sie sich um so mehr auf dem Gebiete des mit höchster Lebensgefahr verbundenen Fliegens. Was immer auch dem zivilen Lufttransport zu- stoßen mag. Wie rückständig er auch sein mag. Es wird aber auch nichts unterlassen, um die K r i e g s f l i e g e r e i zur höchsten Potenz zu entwickeln. Das Jahr 1926, ein Jahr tiefen Friedens, brachte es mit sich, daß innerhalb der könig- lich britischen Luftflotte 83 junge Menschenleben zur höheren Ehre des Kriegsgottes getötet wurden. Eine Zahl, die die des Jahres 19ZS beträchtlich übersteigt. Frankreich , Italien und Zlmsrika reihen sich natürlich würdig an, Deutschland , das glückliche Land erscheint nicht in der Liste dieser Massenmorde. Es ist ihm verboten, sich hieran zu beteiligen, trotz oes hysterischen Geschreis der Patrioten. E s verwendet seine jungen Flieger im Luft- transportwesen, das trotz vieler Hinder- nisfe zum besten Europas gehört. Während nun du und ich uns feit dem sogenannten Friedensschluß mit mehr oder weniger nützlichen Dingen befaßt haben, sind des tech- nischen Fortschritte der Luftkriegsflotte wegen Taufende be- sonders ausgesuchte tapfere und gesunde junge Menschen zer- schmettert oder lebendig verbrannt, auf das nichts fehle, um zu neuen Morden loszuschlagen, wenn erst einmal die Ratio- nen den letzten großen Krieg vergessen haben werden. Diese hoffnungsvollen jungen Menschen werden ebenso getötet, wie einst die sorgfältig ausgewählten jungen Azteken zu Ehren ihres Rationalgottcs, der auch schon in Friedenszeiten nach ihrem Blute lechzte. Unsere tapferen Jungen haben in ge- fährlichster und leichtsinnigster Weise fliegen gelernt. Sie haben geübt, wie man in vollkommenster Weise zielsicher die Häuser und anderes Eigentum der„Feinde" bombardiert, um dann selbst ihr junges Leben einbüßen zu müssen. Immer wieder berichtet man uns über die gewaltigen Fortschritte, die hinsichtlich der Durchschlags- und Zerstörungskraft und der geradezu grandiosen Entwicklung der Luftkriegsflottenoffen- sive auf Kosten dieser Toten erzielt wurden. Wir verhüllen unser Antlitz! Was bisher gesagt wurde, rechtfertigt vollkommen die von uns aufgestellte These, daß seit einem Jahrhundert die technischen Wissenschaften sowohl unsere ökonomischen wie auch unsere politischen Ideale und Methoden bei weitem überflügelten. Das Beispiel der Zustände in der Luftfahrt lst nur eines der hervorragendsten Merkmale auf dem Leidenswege der Menschheit; auf vielen anderen Gebieten sieht es.ebenso finster aus! Die Regierungen denken gar nicht daran, zu helfen; sie haben gar nicht die Absicht, die so drin-
gend notwendigen Reorganisationen vorzunehmen, um der Menschheit zu dienen. Die Politiker erhalten sich am Leben nur dadurch, daß sie ständig alte Fehden schüren und der Eifersucht und grundlosem Hassen immer neues Leben ein- flößen. Regierungen hängen nun einmal an althergebrachten Empfindungen und Traditionen. Auf der ganzen Welt gibt es auch nicht eine einzige fortschrittlich-schöpferische Regierung, die bereit und fähig wäre, von den schier unermeßlich reichen Geschenken zum Nutzen der Menschheit Gebrauch zu machen,« die ihnen Wissenschaft und Erfindung zugewiesen haben. Wo und wann immer die Regierungen den Fortschritt erkannten, dann haben sie noch stets die Geschenke des Fortschritts dazu benutzt, um den Fortschritt zu erwürgen. Das größte aller Rätsel aber, das der Menschheit aufgegeben wurde, um end- lich den ersehnten Weltfrieden zu erringen, um endlich ein glücklicheres Dasein hier auf Erden führen zu können, liegt in dem Rätsel, w i e erfüllen wir die Methoden- der Regie- rungen mit erweckenden Gedanken des Fortschritts, der.uns als Schlüssel dient zu jenen unermeßlichen Schätzen, um endlich und sicher die heutige nationalistische Engherzigkeit zu überwinden, auf das die große Weltgemeinschaft entstehe, die den fruchtbaren Boden hervorbringt, auf dem aller wahrer Fortschritt gedeiht. Gehalt unö Geist. Eine Antwort an AmtsgerichtSprässdent Lieber. In der„DAZ." erörtert der Berliner AmtsgerichtSprässdent Lieber unter dem Titel„Die Zukunft von Richter und Rechtspflege" die Besoldungsverhältnisse und Aufftiegsmöglich- keilen der deutschen Richtcischaft. Man kann Herrn Lieber durchaus darin zustimmen, daß angesichts der ungeheuren Berantwortung des Richters, der bald über Menschenschicksale, bald über die größten Vermögenswert« zu entscheiden hat, die heutige Besoldung außer- ordentlich kärglich und die Lusstiegsmöglichkeit als sehr gering zu bezeichnen ist. Es soll auch durchaus anerkannt werden, daß trotz dieser mißlichen Verhältnisse der Richterstand als Ganzes— von ein paar üblen Ausnahmen abgesehen— sich der Bestechung un- zugänglich gezeigt hat. Auch darin hat Herr Lieber recht, daß die Möglichkeit weit größerer Einnahmen durch Anwaltpraxis oder Stellungen im Wirtschaftsleben gerade eine Anzahl der befähigtesten Köpfe zur Abwanderung aus dem Richterberuf veranlaßt. Seine Vorschläge, durch Verminderung der Richterzahl bessere Beförderung?- Möglichkeiten zu schaffen, und aus diese Weise zu weniger, ober besser besoldeten Richtern zu gelangen, scheinen daher durchaus beachtlich. Auf der anderen Seite aber muß gerade Herrn Lieber gesagt werden, daß sehr vieles, was die Unzufriedenheit mit der heutigen Justiz erregt, aus der schlechten materiellen Lage der Richterschaft nicht erklärt werden kann. Herr Lieber möge ssch an einige Vor- kommnisse aus seinem eigenen Amtsgerichtsbezirk«rinnern, die bei früheren Iustizdcbatten im Preußischen Landtag ausgiebig er- örtert wurden. Da hatte z. B. ein polnischer Mieter seinen Hauswirt als„deutsches Schwein" tituliert. In dem folgenden Streitoerfahren entschied jedoch ein Berliner Amtsrichter, daß dies nicht als Be- leidizung gelten könne, da der Hauswirt zwar deutscher Staatsange- höriger, aber— Jude sei, der infolge seiner jüdischen Abkunft nicht zum deutschen Volke gehöre und sich daher durch die Bezeichnung „deutsches Schwein" nicht oerletzt fühlen könnte! Eine Beschwerde an Herrn Lieber war erfolglos. Umgekehrt verhielt es sich mit einem Amtsrichter, der nicht nur Mitglied des Republikanischen Richterbundes ist, sondern ssch auch ehrlich bemüht, in einer dem Volksempsinden entsprechenden Weise Recht zu sprechen. Als sich ihm gegenüber eine sogenannte„bessere Dame" als Angeklagte außerordentlich arrogant benahm, entgegnete ihr der betreffende Richter, daß eine Arbeiterfrau sich schämen würde, vor Gericht derart aufzutreten. Diese Aeußerung genügte Herrn Lieber, um bei der nächsten Geschästsverteilung den betreffenden Richter aus der Schoffenabteilung herauszunehmen und in einer Ab- teilung für Vormundschaftssachen verschwinden zu lassen. Aber auch dort war seines Bleiben« nicht lange. Als Vormundschastsrichter
hatte er nkimkich übe? etnen Antrag zv entscheiden, durch ekarai Vater die Erziehungsgewalt über sein Kind genommen werden sollte, weil der von seiner Frau getrennte Mann mit einer anderen Frau im Konkubinat lebte. Der Richter entschied, daß es sich zwar nicht um eine standesamtliche Eh«, wohl aber um ein in den Lebens- formen durchaus eheähnliches Verhältnis handele, das bei den heu- tigen großstädtischen Zuständen durchaus nicht als unfitt- lich und unmoralisch angesehen werden könne; er sprach dem Vater deswegen die Erziehungsberechtigung weiter zu. Wegen dieser dem wirklichen Leben Rechnung tragenden Rechtsauffassung mußte der Richter auch die Vormundschastssachen abgeben und wurde in der Grundbuchabtcilung gänzlich kaltgestellt. Wiederum auf Veranlassung des Amtsgerichtspräsidcnten Lieber. Herr Lieber wird zugestehen, daß solche Vorkommnisse mit Be- soldungsfragen ebensowenig etwas zu tun haben, wie die Tatsache, daß die einstmals— unter dem alten System— von ihm geleitete Strafkammer sich durch besonders gehässige und scharfe Urteile gegen Sozialdemokraten auszeichnete. Meh» noch als auf das Ge- hall des Richters kommt es auf den inneren Gehalt der Recht. sprechung an.•_„ Gut und Richter. Zwek Kämpen für Schwarzwekhrot. Bei einem Feuerwehrfest in Hecksingen(Hohenzollern ) wurde, wie die Republikanische Beschwerdestelle mitteilt, ein« von der Stadt angebrachte schwarzrotgoldene Flagge nächtlich entwendet. Täter war ein gewisser Konrad Gut, Anstifter der Prokurist Paul Richter , in dessen Haus die gestohlene Flagge gefunden wurde. Interessant sst folgendes: Gut ist ein wegen Unterschlagung nnd Urkundenfälschung entlassener Beamter der Telegrnphenbauverwal- tung. Richter aber, der als fanatischer Antisemit bekannt ist und der in Freundeskressen die deutsche Flagge beharrlich als .Schwarzrosscheißdreck' bezeichnet, steht als Prokurist im Dienst bei einer Firma— Hermann L e vi. Offenbar die gründlichste Methode, um die Juden zu schädigen. Di« schwarzweihrote Ehre lag also auch diesmal in durchaus berufenen Händen._ Gin Erfolg öer Süöarmee. Borodins Erlebniffe. Nach einem Schanghaier Bericht des„Manchester Guardian" soll es den Südtruppen gelungen sein, die eingedrungenen Nord- trappen unter starken Verlusten über den Iangss« zurückzuwerfen. „Times" berichtet aus Schanghai , dos dortige Sowjetkonsulat teile mit, am Sonnabend habe sich H a n k a u in den Händen von 8000 Mann Truppen befunden, die Fengjuhsiang unterstehen und von russischen Beratern begleitet waren. Der führende General der Hankau-Partei, Tanh Seng-Tschi, besinde sich in Ge- fahr. Sein Gefolge und seine Freunde seien alle erschossen worden. Eine drahtlos« Meldung besage, daß Wutschang(am Südufer des Iaagts«, gegenüber Hankau) sich ebenfalls in den Händen der Roten befinde. Der„Times'-Berichterstatter bemerkt: Für alle diese Berichte liegt in Schanghai noch keinerlei Bestäti- g u n g vor. Was die Berichte betreffe, daß B o r o d i u in Schensi von Fengjuhsiang zurückgehalten wurde, so melde ein von dort eingetroffener Reisender, daß sie den Tatsachen entsprächen. Bo- rodin oerNeß seinerzeit Hankau mit seinem Stab in eigens für schwierige Straßen gebguten Kraftwagen, die mit einer großen Aus- rüstung versehen waren. Fengjuhsiang habe die gesamte Reise- gesestlschaft zurückgehalten, die Kraftwagen und die mit- gefühtten 60 000 Goldrubel beschlagnahmt mid Borodin aus einem Kamel vorausgeschickt. Borodin sei während dieser Ge- fangenschaft gezwungen worden, ein Versprechen zu unterzeichnen, wonach er von Moskau aus für die weitere Unterstützung Fengs mit Geld, Munition und Milttärfachvesständigen sorgen werde. Feng Hab« Borodin jedoch gewarnt, daß er verantwort- lich gemacht werden würde, wenn die kommunistische Pro- paganda wieder im chinesischen Heer beginne. Als Geiseln habe Borodin wichtige Beamte bei Fengjuhsiang zurücklassen müssen.
Tanzkapelle S.G.S. Bon Karl Otto Windecker. Wer weiß, welcher von den langhaarigen, hemdärmeligen Iüng- lingen auf die Idee gekommen war, ihre Jazzband mit dem inter - nationalen Hilferuf S.O.S.,„Save cur Souls", zu bezeichnen. Ein toller Einfall, der Reflexionen herausforderte. Und der Anblick der johlenden, trommelnden und geigenden Musiker ließ die Lust dazu nicht verschwinden. Es war nicht eine Musikband in irgendeiner Bar oder Diel« eines mondainen Bades, diese S.O.S.-Band. Eines Abends, ais ich mit Freunden spazieren ging, sprang mir dieser frappierende Name entgegen. In dem langen, nüchternen, durch Reklameplakate bunten, typischen Tanzsaal einer Dorfwirtschaft vermittelte di« S.O.S.-Band den Gästen die letzten Schlager neuer Tanzmusik. Foxtrott, Charte- ston, Black-Bottom. Hin und wieder ein Tango oder ein Walzer. Kellner, im weißen Konditorsmoking, junge Burschen mit langem Haar. Lackschuhen und grellbuMen Krawatten und modischen An- ziigcn, aus der Konfektionsfabrik der nahen Großstadt,— junge Mädels in bunten Seidenröckchen, seidenen Strümpfen und Lock- schuhen,— das war dos Publikum. Es roch nach Creme und Eau de Cologne , vermischt mit dem Dunst billiger Zigaretten und dem Geruch abgestandenen Bieres— Bubikopf und Herrenschnitt regierten. Es war keine Freude, keine Ausgelassenheit, kein Tollen im Saal— das war früher sol Heut« sitzen sie ruhig, blasiert, diese jungen Menschen. Sie rauchen, wenn die Musik anfängt, verbeugen sie sich vor ihren Mädele— dann trinken sie. Zwei, vier, fünf Glas Bier. Nur die Hände verraten den Beruf. Sprechen von Ruß und Oel und schmutzigen Maschinen. Und doch ist noch gegenüber den Bars und eleganten Dielen und den reichlich gegebenen Beispielen des Films ein Unterschied. Was dort erlaubt, was dort zum„guten Ton" gehört, ist hier g«. mieden, ohne Zwang gemieden. Hier schwirren keine Zoten von Tisch zu Tisch— getrennt sitzen die Geschlechter, an einem Tisch die Mädels, am anderen die Burschen— wie in der Tanzstunde, die noch nicht lange vorbei ist. Hier hat nicht hochgezüchtete Dekadence letzt« Hemmungen überwunden. Und vielleicht fühlen diese jungen Menschen doch, daß dieses Kavalierspielen nicht das Ersehnte ist? Wie steif werden die Be- wegungen in den engen Anzügen— erst wenn das fünfte Glas Bier getrunken ist, fangen ein paar zu singen an, lochen und johlen— und nun vergessen auch die anderen die blasierte Haltung— zwischen gespreizten Knien hängen di« groben Hände— es ist leichter, den schweren Hebel einer Maschine zu dirigieren, als die Zigarette zu halten— wie Harry Piel --- Dann hat einer vom Fußball angefangen. Viele stehen mit einem Male um ihn herum— er weiß di« letzten Ereignisse de« Tages, Rufen und heftiges Debattieren übertönt die Musik— un-
beachtet sitzen di« Mädels, tanzen untereinaiü>er.— Und haben jetzt nicht alle schon de» müden, resignierten Zug in den Gesichtern mit dem kurzen Haar— wie ihre Mütter? Tango, Walzer, Foxtrott, Walzer, Walzer. Die Kapell« S.O.S. hat ein feines Empfinden für ihr Publikum. Fast unbemerkt hat sie ihr Programm geändert. Und nun tanzen sie wieder alle. Und johlen und singen--- Die Straße ist kaum beleuchtet als wir gehen. Ein paar Burschen drängeln sich an eine Gruppe Mädels heran Auch das geht ohne galante Witze und kultivierte Cochonerien. Als ich mich noch ein- mal umdrehe, leuchtet matt das große Plakat:„Heilte Tanzkapelle S.O.S. I" Save our Souls. Rettet unsere Seelen! Tut es not. Ich glaube nicht. Kleines Theater: Marechal-Nil-Rose. Menschenfreunde wollen das Femezeremoniell der Ehe- schcidungen durch die künftige Gesetzgebung veredeln. Ee sollen nicht mehr all die schmierigen Geschichten ausgekramt werden, mit denen sich die ooneinandertrachtenden Eheleute nach Iahrehunderte altem Brauch zu erniedrigen pflegen. Dann wäre den Dramatikern, die von der Skandalgewohnheit leben, ein dankbarer, wenn auch ziemlich dreckiger Stoff genommen. Dann hätte sich auch Herr Bern stein- Sawersky feine Komödie erspart. Es dreht sich nämlich um die Frage, ob der Liebhaber seinen Ehebruch einge- stehen oder einen Kavaliermeineid schwören soll. In dem Stück gesteht der Liebhaber durch Verweigerung der Aussage di« Tat ein und gehorcht so seiner braven Mama, di« Ihn von dem ziemlich bösartigen Weibchen losketten will. Das Milieu ist Pariser Leben , wie es sich das deutsche Genie vorstellt: Falles Bergeres, Maler- ateliers, Hauptpersonen der Boheme und der schlaue Millionär. Der Dramatiker, der sein Stück nach Paris schiebt, will sich ver- stecken und nicht merken lassen, daß er nicht einmal kleine deutsche Menschlein formen kann. Was er kann, ist die Anwendung längst verbrauchter Künste. Er ist ein kindlicher Herr, dem man ohne Erregung die Quittung über einen dürftigen Mißerfolg ausstellt. Und so geht es nun, trotzdem die Staubsauger in den sommerlich verdumpften Theatern die Winterzeit vorbereiteten, mit aller heil- losen Stumpfheit weiter. Man spekuliert darauf, daß die Leute im Parkett es nicht besser haben wollen. Man begnügt sich mit dem Kassenrapport, der vielleicht die Pleite um einige Wochen verzögert. Kunst, Gedanken, gesunde Moral, selbst aufregenden Kissch, alles das umgeht man. Warum spielen eigentlich noch solche Theater? Warum finden die Hausherren solcher Theater noch immer Pächter, die ihr schweres Geld riskieren? Das ist rätselhaft. Im Kleinen Theater ließ man die sonst fröhliche Operettenspielerin L e u x die liebende und gemeingefährliche Pariser Messalina tragieren. Alles fehlt dieser Dame, damit sie solche Figur darstellt. Durch die Operette war sie jahrelang gezwungen, mit verdrehtem Mäulchen zu reden und mit gezierten Bewegungen zu tänzeln. Sie ist ihren alten Künsten treu geblieben und wirkt komisch, wo sie rühren oder dramatisch reizen soll. Frau Rosa B a l e t t i will durchaus nicht ihr Spezialfach der getretenen und heulenden Boheme-Mütter auf- geben. Seit Jahren sucht sie sich nun immer wicker irgendeinen
Gerichtsakt aus, in dem sie ein Häuflein Unglück mit einem goldü- nen Herzen zu sein hat. Ach, sie mißbraucht ihr Talent I Herr Schröder-Schrom findet sich noch am gelassensten mit der Rolle eines kaltblütigen Geld- und Ehemannes ab. Auch Herr D u f ch i n s k y mildert alles, was der von den Musen verlassene Dramatiker einem schweren Liebhaber zumutet. Max Hochdorf . Ein Musikprofessor, der die Violine haßt. Der jüngste Musik- Professor Frankreichs , der achtundzwanziajährige Andrü Sarnette, ist soeben zum Lehrer des Orgelspiels am Staatlichen Konservatorium zu Paris ernannt worden. Sarnette hegt über die Enttvicklungs- Möglichkeiten der modernen Musik sehr persönliche und fortschritt- liche Anschauungen und hat erklärt, daß er alles daran setzen werde, als Hochschullehrer diesen neuen Entwicklungsmöglichkeiten die Wege zu ebnen.„Ich hasse die Violine", erklärte er,„und ich verstehe nicht, warum man sie die Königin der Instrumente genannt hat. Mir erscheint die Zeit nicht mehr fern, da man die spielenden Musiker entbehren kann und das Gesamtorchester nur noch eine große Maschine darstellen wird. Esst dann wird uns die beruhigende Gewißheit gegeben sein, die Partituren unserer Meisterkomponisten in vollkommener, sinngetteuer Wiedergabe zu hören." Im Munde eines Organisten sind das besonders bemerkenswerte Anschauungen, die seiner Lehrtätigkeit mit berechtigten Bedenken entgegensehen lassen. Ein Tizian und ein Holbein für die Rakionolgalerie. Der vor kurzem vesstorbenc Earl von Effinghnm hat den Londoner Museen einige kostbare Gemälde vermacht. Die Nationalgalerie erhält u. a. das Bildms des Connetable von Bourbon von Tizian und das Possrät des Thomas Howard , 3. Herzogs von Nossolk, von Holbein d. I. Es sind dies zwei Meisterwerke der Bildnismalerei, die einen außerordentlichen Wert darstellen: man schätzt ihn für beide Bilder auf mindestens 800 000 M. Ein signiertes Bildnis Tizians bringt heutzutage auf einer Versteigerung zwischen 100 000 und 400 000 M., und erstklassige Bildnisse Holbeins sind noch viel seltener und daher viel teurer. So wurde Holbeins Werk„Die Ge- sandten" 1891 für 1 100 000 M. für die Nationalgalerie angekauft. Auch der Tategalerie hat der Earl einige vorzügliche Porträts eng- lischer Maler vermacht. Zum Plan einer deutschen Monek-Ausstellnng erfahren wir. daß der Gedanke einer repräsentativen Monet -Ausstellung in Deutschland schon seit längerer Zeit von rein privaten Kreisen der Berliner Kunst. weit gefördert wird. Er ist«sst nachträglich mit der Frage einer französischen Liebermann-Ausstellung in Verbindung gebracht worden, ohne daß eine dieser beiden Ausstellungen von der anderen abhängig wäre. Amtliche Kreise haben sich jedenfalls mit der Monet - Ausstellung noch nicht beschäftigt. Die Geschichte einer Koloniegründung aus Grönland . Der Ver- fasser des bekannten Buches„Ein arktischer Robinson", Ejnar Mikkelsen , läßt soeben ein neues Werk im Verlag van Philipp Reclam jun., Leipzig , erscheinen,„Nachbarn des Nordpols". Das Buch berichtet, unterstützt von zahlreichen Abbildungen, von dem schwierigen Versuch, eine Kolonie von Eskimos an der unbe- wohnten Ostküste Grönlands anzusiedeln.