Einzelbild herunterladen
 

Nr. 414 44. Jahrgang Ausgabe Anr. 211

Bezugspreis.

Böchentlich 70 Pfennig, monatlich 8. Reichsmart voraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat.

-

Der Borwärts" mit der illustrier. ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit" fomie ben Beilagen Unterhaltung und Wissen"," Aus der Filmwelt". Frauenstimme", Der Kinder.

freund"." Jugend- Borwärts", Blid in die Bücherwelt" und Kultur. arbeit" erscheint wochentäglich zwei­mal, Gonntags und Montags einmal,

-

Telegramm- Adresse:

Sozialdemokrat Berlin "

Morgenausgabe

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

Groß- Berlin 10 Pig. Auswärts 15 Vig.

Anzeigenpreise:

Die einfaltige Ronanteille. Reile 80 Pfennia. Reflamezeile 5, Reichsmart. Kleine Unzen das fettgedruckte Wort 25 Pfennia ( zuläffia zwei fettgedruckte Worte). jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengefuche das erfie Bort 15 Bfennig, jedes weitere. Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buch­Haben zählen für zwei Wor. Arbeitsmarkt Reile 60 Bfent. Familienanzeigen für Abonneen Reile 40 Pfennia.

Anzeigenannahme im Hauptgeschäft, Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin GW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Freitag, den 2. September 1927

Schwarzrotgold in Potsdam .

Kundgebung des Reichsbanners gegen den Magistrat.

der Stahlhelmer.

=

-

Störungsversuche

Nachdem die Gegen demonstration der Deutsch -| çehézt und versucht, die vaterländischen Interessen hinter die Inter. nationalen und des Stahlhelms gegen die Kundgebung effen des Stahlhelms zu stellen. Die Ausführungen schlossen mit des Reichsbanners für die Reichsfarben ver- dem freudigen Bekenntnis zu den Farben Schwarzrotgold, zur R. boten worden war, ließen die Potsdamer Deutschnationalen publit und mit dem Ausdruck schärfsten Mißtrauens gegen den durch Hugenbergs Berliner . Lokalblatt auffordern, trotz Oberbürgermeister Rauscher. Eine Resolution, die zum Ausdruck dem zu der Kundgebung zu fommen, allerdings ohne brachte, wie die Potsdamer Bevölkerung über ihr städtisches Ober­Abzeichen! Hugenbergs Blatt machte sich dadurch zum haupt denkt, wurde unter lebhaften Zustimmungsrufen ange Mitschuldigen an der Störung der Ordnung, nommen. die gestern abend von Deutschnatoinalen und Stahlhelmern zu Potsdam in gemeinsamer Aktion versucht und wenigstens teilweise ausgeführt wurde.

Deutschynationaler Kriegsplan.

Aus Potsdam werden uns über die Vorbereitung diefer Störung folgende Einzelheiten gemeldet:

Rechtsanwalt 2verdunt, der Vorsitzende der Deutschnatio­ nalen Bolkspartei, hatte für seine Getreuen, nachdem die Gegen Demonstration verboten war. folgende Parole ausgegeben: Stahlhelmer nehmen vor dem Palast Barberini Aufstellung, durch­brechen sofort die Absperrungen, wenn der erste Redner des Reichs banners zu sprechen anfängt. Die Stahlhelmer dringen bis zur Rathaustreppe vor, wo unauffällig schon vor der Ansammlung der Menschenmaisen ein Wagen mit mehreren leeren Magarinefäffern ftand. Die Fässer sollten sofort abgerollt werden, um im gegebenen Moment als Rednerpodeste zu dienen. Rechtsanwalt Averbunk wollte dann mit Rechtsanwalt Held Reden halten. Jedoch verhinderte die Polizei diesen Durchbruchsplan".

Deutschnationale pfeifen auf das Verbot.

Nach der Kundgebung marschierte das Reichsbanner unter Vor­antritt einer Musikkapelle durch die Straßen Potsdams . Die Rechts: verbände benutzten die Gelegenheit, sich auf dem Plaz vor dem Rat: haus zu sammeln. Sie veranstalteten doch noch eine Gegen= und gebung, die ven etwa 150 Mann besucht war. Obwohl die Gauleitung des Reichsbammers sofort dagegen protestierte, daß eine verbotene Gegenfundgebung unter Aufsicht der Bolizei stattfände, griff der leitende Hauptmann nicht ein. Der Magistrat Potsdam hatte in einer gestern einberufenen Magistrats fizung befchloffen, die Freitreppe des Rathauses als Teil des Hauses zu erklären und zu verbieten, daß von dort aus politische Ansprachen gehalten werden können. Während der Reichsbannertundgebung standen auf der Freitreppe mehrere Schuß polizeibeamte, die das Betreten der Freitreppe verhinderten. Das Reichsbanner wurde offisiell durch den diensthabenden Polizeihaupt mann von diesem Beschluß des Magistrats verständigt. Die Rebuer des Reichsbanners mußten von einer impropisierten Rednertribüne

sprechen.

Die Rechtsradikalen fümmerten sich um diesen

Beschluß des Magistrats nicht. Sie besetzten mit ihren Anhängern die Freitreppe und hielten von dort Ansprachen an das ,, Bolt". Der diensthabende Polizeihauptmann wurde auf diesen Berstoß aufmerksam gemacht. Er schritt nicht ein, sondern erklärte, ihm fehlten weitere Instruktionen zum Eingreifen. Er fezte sich mit dem Polizeipräsidenten v. Zitzewitz in Verbindung und mußte von diesem erst belehrt werden, daß dem Stahlhelm keine Extravaganzen gestattet sind. Die deutschnationale Rundgebung" war in der Zwischenzeit aber beendet, so daß die Auflösungsversuche der Polizei mit Gelächter beantwortet wurden.

Berittene Polizei gegen Stahlhelm.

Die Kundgebung des Reichsbanners. Der Widerstand, den der Magistrat Potsdam und an seiner Epige Oberbürgermeister Rauscher gegen die Pflicht, die Reichs­farben zu zeigen, dauernd geübt hat, und der Umstand, daß Rauscher zuletzt vor amerikanischen Journalisten das Sternenbanner und die Preußenfahne, nicht aber die Reichsflagge zeigte, hat das Reichsbanner" Potsdams veranlaßt, gegen diese Herabsehung des deutschen Ansehens Stellung zu nehmen. Gestern abend um 20 Uhr demonstrierte die republika­nische Bevölkerung Potsdams auf dem Alten Markt . Der Platz war überfüllt, die Stimmung ausgezeichnet. Von den Nebenstraßen her versuchten Rechtsradikale im Bunde mit Rot­Fronttämpfern durch Johlen und Pfeifen zu stören, ver­mochten aber nicht durchzubringen. Die Polizei drängte die Stören friede zurück. Das Reichsbanner" zeigte vorbildliche Disziplin. Herr Rauscher hatte hinter der Rathaustür mehrere Stenotypistin nen verborgen, die ihm die Reden nachschreiben mußten. Die Kundgebung begann nach einem furzen Aufmarsch. As Redner waren die Kameraden Ohms, Dr. Müller und Dr. Mischler bestimmt. Die Redner gaben in ihren Ausführungen der Empörung Ausdruck über die Haltung des Potsdamer Ober­bürgermeisters. Herr Rauscher hat es für notwendig befunden, amerikanische Journaliſten zu empfangen, ohne die Reichsfarben zu zeigen. Er hat gegen die Verordnungen der preußischen Regierung| fonders radauluftige Angehörige des Stahlhelms.

Die englischen Ozeanflieger verloren?

Noch immer keine Nachrichten. London , 1. September. Nachts lagen noch keine Nachrichten über den Verbleib des Flugzeugs St. Raphael" und seiner drei Infaffen vor. Nach Meldungen aus Neufundland , Kanada und den Vereinigten Staaten ist dort ein Flugzeug nirgends gesichtet worden. Oberst Minchin hatte vor dem Verlaffen des Flugplatzes von Upavon erklärt, er gedenke Ottawa in 36 Stunden zu erreichen. Demnach hätte er gegen Mittag mitteleuropäischer Zeit in St. John auf Neufundland eintreffen müssen. Man muß damit rechnen, daß der St. Raphael" das Schicksal des Weißen Vogels" von Nungeffer und Coli geteilt hat.

Hehe gegen Vandervelde. Wegen des Vorschlags unparteiischer Kriegsforschung Brüffel, 1. September. ( Eigenbericht.) Der bürgerliche Breffefeldzug gegen Bandervelde wegen des Vorschlages einer objektiven belgisch deutschen Unter­suchung der Franttireur Frage nimmt immer heftigere Formen an. Die Hege läßt sich einerseits unverkennbar Don Einflüfterungen französischer Reaktionäre leiten, anderer­feits bezwedt fie, womöglich eine Regierungstrife über diese Frage zu provozieren, weil man im bürgerlichen Lager annimmt, daß Der Bahltampf bann für die Sozialisten nicht besonders günstig

Die Stahlhelmer und andere Rechtsverbände sammelten nun ihre Mitglieder in den Nebenstraßen vom Marktplaß und dann überfielen diese Rowdys in Raubrittermanier einzelngehende Reichsbannerfameraden. Erst nachdem die Gauleitung bei dem Polizeipräsidenten energischen Proteft gegen das Verhalten der Polizeioffiziere einlegte, begann die Polizei die Straßen zu säubern. Trotzdem gelang es den Stahlhelmern, in einen zum Bahn­hof marschierenden Reichsbannerzug einzufallen und dort mit Tobschlägern und Gummitnüppeln um sich zu schlagen. Die Polizei, die sogar mit berittenen Kräften gegen die Stahlhelmer einschreiten mußte, verhaftete einige be­

wäre. Die Hege murde ausgerechnet in dem Zeitpunkt entfesselt, mo Vandervelde im Auslande auf einer Ferienreise war. Fest steht, daß im letzten Ministerrat der liberale Justizminister Hymans scharf gegen die beabsichtigte Untersuchung auftrat und dabei vom Ministerpräsidenten Jaspar unterstützt wurde. Der Beschluß wurde allerdings bis zur Rückkehr Banderveldes aus Genf verschoben. Bemerkenswert ist, daß der Vorschlag Vanderveldes bereits in dem Bericht enthalten ist, den er vor sechs Wochen dem Barlament unterbreitete. Damals wurde der Bericht wortgetreu Damals wurde der Bericht wortgetreu von der bürgerlichen Presse veröffentlicht, ohne daß diese oder die bürgerlichen Minister und ebenso wenig Pariser Organe das ge­ringste gegen den Vorschlag eingewendet hätten. Die Angriffe gegen Bandervelde begannen erst, als die deutsche Regierung den Vor­schlag aufnahm. Diejenigen, denen die Beteiligung der Sozialisten an der Regierung schon viel zu lange dauert, möchten Vandervelde von der Regierungsmehrheit verleugnen lassen; er hat aber nie wichtige außenpolitische Schritte unternommen, ohne sich vorher der Zustimmung der bürgerlichen Minister zu ver­gewissern. Er hatte auch in diesem Falle sicher nicht die Absicht, anders zu handeln. Falls die belgische Regierungsmehrheit schließlich die Untersuchung ablehnen sollte, und Belgien dadurch in eine schiefe Lage kommt, so wird Vandervelde dafür ebenso wenig per­sönlich verantwortlich gemacht werden können wie für die Reichs. wehrrede des Kriegsministers de Broqueville.

*

Nach Agenturmeldungen aus Genf ist der eben erst dort ein­getroffene Bandervelde schon wieder unterwegs nach Brüssel , da er drahtlich zu dem heute tagenden Ministerrat be­rufen worden ist, der über seinen Vorschlag entscheiden soll.

Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Boltschecktonto: Werlin 37 536 Bankkonto: Ban! der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Ballfte. 65: Diskonto- Gesellschaft. Devofitentaffe Sindenkr. 8.

Der Raubzug nach Sazawa.

Nur ein Schildbürgerstreich?

J. H. Prag , 31. August.

Wie ein Abenteuer aus Schilda mutet der faschistische Ueberfall auf den in Sazama die Urlaubsfreuden mit Aftenstudium verbindenden Ministerialrat Dr. Vorel an, und er hat auch einige Heiterfeit verursacht. Aber er hat auch die Aufmerksamkeit neuerlich auf den tschechischen Faschismus gelenkt und ihn als weniger harmlos gezeigt, als man ihn einzuschägen gewohnt war.

Für die tatendurstigen Jünglinge, die eine Sherlock­romantisch enden, als es begann. Sie sind verhaftet, und sie Holmes- Geschichte topierten, wird das Abenteuer meniger fönnen nun wehmütig Vergleiche zwischen Italien und der Tschechoslowakei anstellen, wo man mit überpatriotischen Ein brechern meniger freundlich verfährt als in Mussolinien. viele Faschisten bekamen es mit der Angst zu tun, besonder: Verhaftungen, Haussuchungen, stundenlange Verhöre,- Staatsbeamte, und verlassen die Faschistische Partei. Keine römischen Helden! Man ist geneigt, den tschechischen Faschis.

mus noch lächerlicher zu finden als bisher.

Aber das Interessante ist nicht, daß Staatsbeamte, so gar hohe Staatsbeamte, die Faschistische Partei nur Derlaffen, sondern daß diese Staatsbeamten Faschister waren und es innerlich noch sind! Der Einbrud in Sazawa hat erst gezeigt, daß der Faschismus in dei Tschechoslowakei eine sehr ernste Gefahr war. fpöttelt, wie man ja immer Nadhaffungen als etwas Lächer Man hat diesen Faschismus gerne belächelt und be fpöttelt, wie man ja immer Nachäffungen als etwas Lächer liches ansieht. Die Faschisten machten Krawall aber es patriotisch betätigten! Wer nimmt solche Jünglinge ernst waren doch meist nur unreife Burschen, die sich auf solche Ar Die Faschisten riefen zu großen, gewaltigen Rundgebunger patriotisch betätigten! Wer nimmt solche Jünglinge ernst auf, aber Besuch und Berlauf waren fläglich. Mas hattı man von dieser Bewegung zu fürchten? Und dann: durch di Affäre Gajda schien die faschistische Bewegung so kompro mittiert, daß man annehmen mußte, fein ernster und an ständiger Mensch tönne mehr mit ihr zu tun haben wollen

Der im Banfräuberstile ausgeführte Ueberfall in Sazawe hat sie noch mehr kompromittiert, aber er hat auch gelehrt den tschechischen Faschismus anders zu sehen, als bisher. Di Mitgliederlisten, die bei der Haussuchung im Generalsekreta riat gefunden wurden, offenbarten. daß der Faschismus in Moldaustaat weniger auf Quantität als auf Qualität seine Anhänger Wert legte. Er hatte Anhänger gefunden, gerad bei der Staatsbeamtenschaft und beim Militär Es waren nicht die Amtsdiener und nicht die Feldwebel, au die er sich stüßte, sondern hohe Beamte und hoh Offiziere. Vierzig Mitglieder bei der Staatspolizei Drei Generäle! Verbindungen mit den wichtigsten Steller in den Ministerien! Wie gut mußten die Faichisten sich aus kennen in der Gesetzgebungsabteilung des Ministeriums für nationale Berteidigung, menn fie mußten, wem fie inter essierende Alten zugewiesen waren, wenn sie wußten, dak Dr. Borel sich solche Akten mit in die Sommerfrische genom men hatte! Wie gut es den Faschisten gelungen war, sich ar den wichtigsten Staatsstellen einzunisten das ist durch den politischen Raubzug nach Sazawa sichtba geworden.

Dieser Heldenzug aufs Land, der den Faschisten wohl als ein Unternehmen ganz besonderer Art erschienen war, de ihnen vielleicht notwendig schien, um gefährliche Entdeckunger zu verhüten, wurde für sie zum Verhängnis. Die Behörder haben sich zu energischem Zugreifen aufgerafft. Anhänger des Faschismus, die um ihre Karriere fürchten, fehren ihm der vielleicht schor Rücken, der Faschismus wurde als eine- Gefahr erkannt.

-

-

überwundene Eine ernste Gefahr! Man weiß nicht, wie viel Offiziere hinter den faschistischen Generalen stehen man weiß aber nun, daß es den Faschisten darum zu tur war, auf dem Weg über die Offiziere die Arme zu gewinnen. Hohe Offiziere, hohe Beamte der Staatspolizei hohe Beamte in den Ministerien der tschechische Faschis mus plante den Umsturz von oben. Daß dieser Plar nicht aussichtslos war, zeigen die im Sekretariat gefundener Mitgliederlisten. Gerade die ,, Entpolitisierung" des Militärs durch Abschaffung des Soldatenwahlrechts und Verschärfung der Disziplin mußte die Hoffnungen der Faschisten stärken. Der Soldat muž ja marschieren, went der General befiehlt! Jetzt, da die Gefahr überwunder scheint, erfennt man erst, wie groß fie mar!

Die Faschisten konnten auch damit rechnen, daß sich ihner im Bedarfsfalle die Gunst politischer Parteien zumender werde, vor allem die der Nationaldemokraten, di über großen Anhang unter der höheren Bureaukratie ver fügen und die aus ihren Sympathien für der Faschismus nie ein Hehl machten. Derzeit brauchen fi feinen attiven Faschismus, denn sie herrschen mit Hilf des tschechisch- deutschen Bürgerblocks, der ihnen die Erfül lung fast aller politischen und wirtschaftlichen Wünsche er möglicht. Eine Aenderung der politischen Konstellation