Nr. 416 44. Jahrgang Ausgabe A nr. 212
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Sonnabend, den 3. September 1927
Kampf in einer Sowjetbotschaft.
Ein gewalttätiger Eindringling in der Warschauer Sowjetbotschaft erschossen.
Warschau , 2. September. ( Eigenbericht.)
Am Feritag vormittag wurde in der russischen Gesandt. schaft in Warschau ein unbekannter Mann erschossen. Es handelt sich um einen Besucher, der angeblich ein Einreifevifum nach Sowjetrußland verlangte und unbedingt zu dem Geschäftsfráger Uljanoff zugelaffen werden wollte. Da der Geschäftsträger nicht anwesend war, wurde der Uebekannte schließlich aufgefordert, das Gefandtschaftsgebäude zu verlassen. In diesem Augenblid 30g diefer einen finnischen Dolch, verwundete den diensthabenden Beamten Schleffer erheblich; darauf ergriff der Unbefannte ein Lineal und begann damit ein Porträt Lenins an der Wand zu zerstören. Auf die Hilferufe des verwundeten Beamten erschien ein Diener der Gesandtschaft, der Unbekannte versuchte zu fliehen, wurde jedoch noch rechtzeitig eingeholt und von einem weiteren Diener der Gesandtschaft durch fünf Revolverschüsse niedergeftredt. Der Tote soll der 20jährige Russe Josef Trajtowicz aus Wilna fein, wo er Vorsitzender der dortigen russischen monarchistischen Jugend gewesen sein soll.
Die polnisch- offiziöse Darstellung.
Warschau , 2. September. ( Poln. Telegr.- Agentur.) Heute um 11 Uhr vormittag tam es in der russischen Gesandt schaft zu einem Zusammenstoß zwischen einem russischen Emi granten, dessen Gesuch um die Erlaubnis zur Rückreise nach Ruß fano abschlägig beschieden worden war, und den Gesandtschaftsdienern. Der Emigrant, dessen Name noch nicht festgestellt werben tonnte, griff dabei einen der Gesandtschaftsdiener mit dem Meffer in der Hand an und wurde von dem Angegriffenen, der sich mit dem Revolver zur Behr setzte, auf der Steile getötet. Auf Berlangen der sowjetrussischen Gefandtschaft haben sich Vertreter der polnischen Gerichtsbehörden und des Auswärtigen Amts zur Einleitung einer Untersuchung an Ort und Stelle begeben,
Vor wenigen Wochen hat ein junger russischer Monarchist dem Sowjetgesandten Wojtoff auf dem Warschauer Hauptbahnhof aufgelauert und ihn heimtückisch abgeschossen. Da nach ist wohl zu verstehen, daß man einen jungen russischen Emigranten, dem die Rückreiseerlaubnis schon verweigert wurde, nicht zu dem Geschäftsträger vordringen läßt, der übrigens den Familiennamen Lenins trägt. Ob die Erfchießung in Notwehr erfolgte, wie ein Teil der Berichte aus feineswegs bolschemiſtenfreundlichen Quellen sagt, oder ob vielleicht das gewalttätige Auftreten des Besuchers einem der Sowjetleute Grund genug schien, loszufeuern das ist von hier aus und so schnell nicht zu entscheiden. Es scheint nicht gerade ein Schuldbekenntnis der Sowjetgefandtschaft zu sein, daß sie sofort die polnischen Behörden zur Feststellung des Tatbestandes in das erterritoriale Gebäude gerufen hat. Dieser Einladung sind außer der Polizei auch der Staatsanwalt und der Leiter der Oftabteilung im Außenministerium gefolgt.
Der Erschossene ein Irrer?
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Warschau , 2. September. ( Eigenbericht.) Josef Trajtowicz, der heute Bormittag in der hiesigen Sowjetgesandtschaft erschossen wurde, ist polnischer Staatsbürger und stammt aus Wilna . Da er zur orthodoxen Kirche gehörte, wird angenommen, daß er russischer bam weißrussischer er kunft ist. Es wird vermutet, daß Trajtowicz geistes gestört mar; sein Revolver war, wie sich bei der Untersuchung zeigte, mit einem Bonbon gefüllt Die Baffanten, die dabei waren, wie Trajtowicz von den Schüffen getroffen murbe, hatten einen Rettungswagen herbeigerufen. Die Sanitäter fonnten jedoch in das Gesandtschaftgebäude nicht Einlaß bekommen, da die Gesandtschaft sich vollständig absperrte und lediglich ein Vertreter des polnischen Außenministeriums sowie einige höhere Beamte der polnischen Sicherheitspolizei eingelassen wurden.
Allgemeiner Nichtangriffspakt.
noch nicht bekannt.
V. Sch. Genf , 2. September. ( Eigenbericht.) Ein zunächst in der französischen Bresse veröffentlichtes Gerücht, wonach die polnische Regierung auf der bevorstehenden Tagung einen Borstoß für die Schaffung eines allgemeinen nicht angriffpattes unternehmen werde, scheint sich zu bestäti= gen. Bestimmtes über den Inhalt dieses polnischen Projektes ist Das Genfer Sicherheitsprotokoll von 1924 wird, solange eine konservative Regierung in England am Ruder ist, und angesichts der starken Widerstände in den verschiedenen Dominions ebenfalls nicht wieder aufleben können. Indeffen bildet in diesem Protokoll die Bestimmung über die gegenseitige Hilfeleistung zugunsten des Angegriffenen das Haupthindernis für seine Annahme durch die angelsächsischen Länder. Es scheint, daß der neue polnische Entwurf lediglich die Verpflich tung aller Bölferbundsstaaten, sich nicht anzugreifen, enthalten soll, nicht aber irgendwelche Klaufeln über gegenseitige Hilfeleistung.
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angriffpattes geschehen. Vielleicht würde das sogar ein zweckmäßiges Mittel sein, die Diskussion der Regierungen über die Räumung des Rheinlandes, die seit nahezu einem Jahre vollständig stockt, wieder in Gang zu bringen.
Stresemann hat heute abend zum ersten Male seit seiner Anfunft in Genf eine lange Aussprache mit einem fremden Minister gehabt, und zwar mit Chamberlain. Bei dieser Gelegenheit dürfte ihm unter u. a. die oben erwähnte Absicht der polnischen Regierung bestätigt worden sein. Berbindliche Unterhaltungen über diese Fragen werden aber erst nach der Ankunft Briands am Sonnabend vormittag geführt werden. Die polnische Regierung scheint bisher ausschließlich mit der französischen über ihren Blan beraten zu haben.
( Siehe auch 3. Seite.).
Elf Arbeiter tot!
Explosionsunglück im Steinbruch. Kaffel, 2. September.
Die Meinung der deutschen Abordnung. An führender Stelle der deutschen Delegation wird mit Nachdrud betont, daß man feineswegs beabsichtige, von vornherein und grundsäglich den Vorschlag abzulehnen. Man erklärt, daß es Nach dem„ Kaffeler Tageblatt" wurden in einem ein schwerer Fehler wäre, wenn man in der deutschen Deffentlichkeit, Bajalisteinbruch in der Nähe von Zimmersrode durch nur weil der Vorschlag von Bolen fäme, ihn ablehnen wolle. Ob vorzeitige Explosion eines Sprengschuffes eine Zahl dieser vernünftige Standpunkt der Delegation viel Gegenliebe bei Arbeiter von den umherfliegenden Gefteinsmaffen tödlich der Bresse der stärksten Regierungspartei in Deutschland verletzt. Elf Arbeiter, meist Familienväter aus dem finden wird, ist allerdings zu bezweifeln. Die Deutschnationalen nahen Michelsberg, haben nach den bisher vorliegenden Melleiden am Bolen foller und sie werden natürlich in diesem dungen den Tod gefunden. polnischen Borstoß die Vorbereitung eines Locarnos des Ostens dungen den Tod gefunden.
erblicken.
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Boftichedfonte: Berlin 37 536 Bankkonto: Bank der Arbeiter. Angeftelten unb Beamten, Ballte. 65: Diskonto- Gesellschaft. Devontentafe Lindenstr. 3.
Noch immer Haß!
Vandervelde verzichtet auf die Franktireur untersuchung.
Brüssel , 2. September. ( Eigenbericht.) Außenminister Vandervelde ist am Freitag vormittag um 11 Uhr aus Genf in Brüssel eingetroffen. Er hatte sofort eine Unterredung mit seinem sozialistischen Ministerfollegen und nachmittags um 3 Uhr fand der Ministerrat statt. Dieser dauerte taum eine Stunde. Daraus ergibt sich schon von selbst, daß von irgendeiner eingehenden Aussprache oder vom Auftauchen irgendwelcher Meinungsverschiedenheiten feine Rede sein konnte. Am Schluß des Ministerrats wurde folgende amtliche Mitteilung ausgegeben:
„ Der Ministerrat nahm Kenntnis von der Erklärung, die der minister des Auswärtigen am 13. Juli über die Zustimmung Belgiens zu einer allerdings verspäteten internationalen Untersuchung über den angeblichen Frankfireurfrieg gemacht hat. Die deutsche Regierung hat seinen Gesandten in Brüffel am 22. August beauftragt, der belgischen Regierung mitzuteilen, daß sie die Untersuchung annehme und daß fie vorschlage, diese Untersuchung auf alle auf den Krieg bezüglichen Tatsachen auszudehnen. Der Gesandte hat dabei nicht verschwiegen, daß dieselbe Methode der Untersuchung auch auf andere Länder ausgedehnt werden könnte. Der belgische Minister des Auswärtigen hat die Mitteilung des deutschen Gesandten zur Kenntnis genommen und ihm mitgeteilt, daß er sie in einer der nächsten Sihungen dem kabinett unterbreiten würde. Der Ministerrat war in feiner Sigung am Freitag jedoch ein ffimmig der Ansicht, daß diese Borschläge nicht angenommen werden könnten, obschon sie den Zweck einer Befriedung verfolgen. Es scheint nicht zweifelhaft, daß unter den gegenwärtigen Umständen eine Untersuchung die Gefahr mit sich bringen würde, die Leidenschaffen wieder aufzupeitschen und Folgen nach fich zöge, die dem gemeinsamen Wunsche der beiden Regierungen, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu verbessern, völlig entgegengesetzt wären. Der Minister des Auswärtigen wird diese Erwägungen den Vertretern der Locarno - Mächte in Genf mitteilen."
Zu dieser amtlichen Mitteilung glaubt der Brüsseler Berichterstatter des Sozialdemokratischen Pressedienst" bemerten zu können, daß sie von Vandervelde selbst ent= worfen worden ist und unverändert vom Ministerrat einstimmig angenommen wurde. Das darin gegen eine Untersuchung der Franttireurfrage vorgebrachte Argument, daß diese Untersuchung unter den gegenwärtigen Umständen nicht den von beiden Regierungen gewünschten Zweck der Befriedung erreichen, sondern umgekehrt alte Leidenschaften und Haßgefühle wieder erwecken könnte, ist durchaus feine Ausflucht, sondern sehr ernst zunehmen. Wir glauben zu wissen, daß Vandervelde auch von englischer Seite auf diese Gefahr einer Untersuchung aufmerksam gemacht worden ist. Aber wir haben auch feststellen müssen, daß die Ankündigung einer Untersuchung in manchen belgischen Kreisen diese unerwünschte Wirkung gehabt hat. Gewiß ist die Hezze natio nalistischer Blätter großenteils dafür verantwortlich; aber Tatsache ist, daß viele, die unter den Gewaltmaßnahmen der deutschen Besazungsbehörden schwer gelitten hatten, mit größter Ungeduld darauf warten, ihre Klagen bei der Untersuchung vorzubringen. Infolgedessen ist in sehr weiten Kreisen die Erinnerung an das erduldete Unrecht aufgefrischt und der bereits eingeschlafene Haß wieder aufgepeitscht worden. Unter diesen Umständen konnte Bandervelde sich fragen, ob die Zeit schon jetzt für eine ruhige, leidenschaftslose Untersuchung, die allein volle Klarheit und im Gefolge wirkliche Befriedung bringen fönnte, gekommen ist. Dies wäre vielleicht der Fall gewesen, wenn auch die bürgerlichen Barteien und Presse die Untersuchung in demselben verantwortlichen Geiste wie Bandervelde gewünscht und gutgeheißen hätten. Aber nach der von den Chauvinisten größtenteils mit innerpolitischen Hintergedanken entfachten eße ist das sehr fragwürdig geworden. Bandervelde fam daher selbst zu dem Schlusse, daß es weder im Interesse Belgiens noch Deutschlands liegt, die Untersuchung gegenwärtig vorzunehmen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Stresemann derselben Meinung ist. Vandervelde will sich mit diesem sofort nach seiner Ankunft in Genf , wohin er noch am Freitagabend wieder abgereist ist, unterhalten. Wir glauben, nicht fehlzugehen in der Annahme, daß auch der englische Außenminister Chamberlain bereits in der Zwischenzeit in ähnlichem Sinne auf Stresemann ein
Die Arbeiter waren damit beschäftigt, zwei SprengDavon fann aber feine Rede fein, da Deutschland ohne Unter- ftollen, die bereits mit dem für eine größere Sprengung vorgemirft hat schied der Partei es ablehnen muß, diefelbe feierliche und frei gefehenen Sprengmaterial gefüllt waren, zuzumauern, als aus noch willige Anerkennung der Versailler Ostgrenzen auszusprechen, wie nicht geklärter Ursache sich die Sprengladung entzündete. Die in das in Locarno für Elsaß- Lothringen geschehen ist. Andererseits dem Stollen befindlichen Arbeiter wurden durch den ungeheuren wünscht Bolen und wird darin von Frantreich unterstützt, Cuffdruck weit fortgeschleudert und fofort getötet daß die Berpflichtung, feinen Krieg zu führen, deutlicher ausge. Die durch den vorzeitig losgegangenen Schuß gelöften ungesprochen werde als dies im Schiedsgerichtsvertrag geschehen ist. heuren Steinmaffen stürzten auf andere vor dem Stollen Wenn das der 3wed der neuen polnischen Anregung ist, so wäre arbeitende Männer und begruben diefe unter fich. Ein von sozialistischer Seite dagegen Grundsägliches nicht ein Teil der Leichen liegt noch unter den herabgestürzten Gefteinszumenben. Es tann im Rahmen eines allgemeinen Nicht- I maffen, und fann voraussichtlich nicht so bald geborgen werden.
Das innerpolitische Manöver der belgischen Reaktion, die bei diesem Anlasse eine Regierungsfrise und Neuwahlen herbeiführen wollte, weil sie sich davon einen Vorteil versprach, ist gründlich mißlungen. Grundfalsch wäre es aber auch, wenn die deutsche nationalistische Presse aus der Ablehnung der Untersuchung etwa schließen wollte, daß Belgien ein schlechtes Gewissen hat und seine Anschuldigungen gegen die deutschen Besagungsbehörden nicht zu beweisen vermöchte. Es zeigt sich im Gegenteil, daß diese Beschuldigungen aus der