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lichen Nationalökonomie lediglich als Ausgeburt der Hetze, der Böswilligkeit und der Demagogie gilt. Dabei müssen die Unternehmer selbst die sehr verschiedene Klassenlage des Be- sitzes und der Arbeiterschaft zugeben. Sie müssen die be- stehenden Gegensätze anerkennen; sie müssen die Entpersön- lichung der Arbeitenden durch.die Besitzkonzentration und durch die moderne Technik eingestehen. Nur den letzten Schritt wagt man nicht: Anzuerkennen, daß der Profit aus Gewinninteresse die letzte Wurzel der falschen Organisation der Wirtschaft' und der Anlaß der Klassenscheidung ist, daß erst die Beseitigung des Profitprinzips und die Neuorgani- sation der Bedarfsdeckung die Voraussetzung für die Ueber- Windung der Klassengegensätze bietet. Und weil man das nicht sehen will, unterstellt man dem Gegner, der dieses Bekenntnis vertritt, Motive parteidogma- tischsr Verblödung oder engstirnigen Eigennutzes. Wir hängen derartige Entgleisungen niedriger. » Die Unternehmer spüren die ungeheure und ständig wachsende Spannung, die sich aus dem Verhältnis der zu Riesenkonzernen zusammengeballten Industrie zu den arbei- tenden und verbrauchenden Massen ganz zwangsläufig er- gibt. Das Auftreten des nichtsozialistischen Frankfurter Oberbürgermeisters, der sich warmherzig für eine tatkräftige kommunale Sozialpolitik einsetzte und die taktlose Erwiderung des Rsichsverbandsvorsitzenden waren ein Symptom dieser Spannung, die sich ständig verschärft und die den Unternehmern um so unheimlicher wird, je selbstbewußter ' und disziplinierter die organisierte Arbeiterbewegung auftritt. Daher die neue Wendung. Man will dem Arbeiter im Be- trieb, in der Fachschule, im persönlichen Umgang entgegen- kommen. Man will väterlich sein, wie es die früheren kapita- listischen Großhandwerksme+fter und Fabrikanten manchmal zu ihren Leuten waren. Man will eine neue Form des Patriarch alisrnus suchen, der hübsch, nett und human ist, ohne irgeudwie zu verpflichten. Auf die positive Forderung der Arbeiterschaft nach einer echten Wirtschaftsdemokratie jedoch gab es in Frankfurt keine Antwort. In manchen Bereichen hat man schon umgelernt. Muß j. ja doch Bücher zugeben, daß heute selbst Generaldirektoren nicht mehr Herren ihrer selbst noch ihrer Werke sind, sondern nur bessere Angestellte. Im großen Bogen schleuderte Bücher £ das manchesterliche Zitat von der Freiheit der Wirt- 1. sch a ft über Bord, mit dem das Dogma von der Privat- l initiative des Unternehmers so unlösbar verknüpft ist. Be- steht ein derartiger Unterschied zwischen einem solchen An- ! gestellten eines Privatbetriebes, wie ihn Bücher schilderte, und ! dem leitenden Führer eines staatlichen Gemeinde- oder : Genossenschaftsbetriebes? Wie kann man jetzt noch das Privateigentum an den P r o d u k t i o n s m i t- t e l n rechtfertigen? Roch will man nicht offen zugeben, daß wirtschaftliche Folgen sich zwangsläufig aus der modernen Unternehmer- Wirtschaft entwickeln, noch oersucht man es mit Kompromissen. Man anerkennt die Pflicht zum Dienst am Volke, die aber s theoretisch bleiben wird, so lange die Privatwirtschaft nicht überwunden ist. Man sucht die Freundschaft der Arbeiter- schaft und der Wissenschaft. Man sucht neue Stützen. Es knistert eben doch in dem Gebälk der gigantischen Trustwirt- ! schaft. Die Jndustriesührer sprachen über Qualitätsarbeit. Auf wichtige, damit zusammenhängende Fragen haben sie keine ; klare Antwort gefunden. Am klarsten waren sie in der S t e u e r p o l i t i k, wo die Forderung nach dem Abbau der Vesitzbelastung bleibt, unklarer bereits in der Sozialpolitik, geradezu widerspruchvoll jedoch in der Zollpolitik, wo ihnen die Wlehnung eines Abbaus der autonomen Zölle als selbst- verständlich erscheint. Farbe bekannten sie bei dem Thema der Qualitätsarbeit durch ihr Bekenntnis zu einem moderni- sierten Patriarchalismus. Sie werden die Macht Wirtschaft- Uchen Werdens nicht aufhalten können, denn diese drängt trotz allem zum Sozialismus!

Der tägliche Reichtum. Von Dr. KurtLondon. Geld ist die Voraussetzung für die Höhe der Lebensführung. Nun gibt es ja im Verhältnis zur Gesamtheit der Menschen eine verhältnismäßig geringe Zahl derjenigen, dieGeld wie Heu" be- sitzen; die große Mehrzahl muß täglich die alte, neue Erfahrung machen, daß Geld recht teuer bleibt und sich entsprechend bescheiden. ; Aber man wird doch anspruchsvoller mit der Zeit, und je schönere . Dinge es gibt, desto mehr wünschen wir mit Recht daran teil- ' nehmen zu können, sie, je nach Geschmack und Anspruch, möglicher- weise auch zu besitzen. Und täglich müssen wir erkennen, daß wir I" das Herrlichste der Welt, wenn überhaupt, nur vom Hörensagen s kennen oder aus der Entfernung. Kommt es daher, daß man die Illusion des Reichtums liebt, um sich wenigstens in der Phantasie einen Ausgleich zu schaffen? Sicher wohl, sonst würde größerer Protest laut werden, wenn wir beobachten, wie die meisten Problem« darstellender Kunst, speziell im Film, von vornherein man möchte sagen: auf Basis finanzieller Sicherheit aufgebaut sind. Und wenn wir dagegen - Stellung nehmen, so nur aus künstlerischem Wahrheitsdrang, der in frir Kunst eine höhere Form des wirklichen Lebens sieht und das i Unwirkliche wohl auch gestattet, nicht aber zur Norm erheben will. Wir befinden uns. ohne Zweifel, in einer Periode starker Ueber- fchatzung des Geldes. Die Erkenntnis dieser Tatsache aber darf nicht zum Gegenteil führen. Denn bei allem Idealismus: wir leben immer noch in einer Zeit, da das Geld Barometer des Lebensstandards ist Und darum protestieren wir gegen die Unwahrheiten, die uns ständig vorgesetzt werden und uns unerreichbare Illusionen vorgaukeln. Wir protestieren gegen die Unsitte, das Geldverdienen als ein« so leichte Sache darzustellen. Wie oft müssen wir mit ansehen, wie Herr X, eben noch ein Schnorrer, einenCoup" landet und un- mittelbar darauf in seinem Lustschloß von Dienern in Livree betreut wird, Re viel seiner aussehen als er selbst. Wir sehen denEr- finder" auch ein Beruf, übrigens! wie er grübelnd den Finger an die Stirn hält und dann etwas erfindet, das ihn sofort zum(viel- fachen) Millionär macht. Oder den armen Schlucker, dem ein Los geschenkt wird, das sich später als das große entpuppt. Natürlich, das Leben ist mannigfaltig genug, warum sollte so etwas nicht vor- kommen? Man dürfte aber nicht dulden, aus der Ausnahme eine Regel zu machen, denn die Ausnahme bestätigt die Regel, nicht die Rege! die Ausnahme. Früher sagte man den Rekruten, jeder habe den Marschallstab im Tornister. Unsinn. Mit der Illusion einer phantastischen, sagen wir ruhig: utopischen Möglichkeit sollte eine größere Gefügigkeit erreicht werden. Genau so, nur vielleicht ohne direkte Absicht, wird das große Publikum mit dem Opium leerer Filmillusionen betäubt und vergißt schließlich, daß das wirtliche Leben sich ganz anders abspielt, als auf der Leinwand. Und endlich protestieren wir ganz allgemein gegen die Voraus- fetzung einer Wohlhabenheit, die in Wahrheit nur einen ganz geringen Teil der Menschheit betrifft. Es geht schon nicht mehr an, daß man den Eindruck gewinnt, als spietten sich die Probleme des Lebens n u r in den Sälen eines pompösen Schlosses, in den Ge- mächern einer Prachtvilla oder allenfalls in den hocheleganten

Koalitions-Krach. DieKrcuzzeitung" pfeift auf die Richtlinien das Zentrum fordert Erklärungen. Die Reichsminister und die Reichstags- fraktion des Zentrums.haben die deutschnationale Presse und andere Feinde der Verfassung und der Reichs- färben einen ganzen Sommer lang ungehindert einen Feld- zug der Sabotage und der Beschimpfung gegen die Republik und ihre Symbole führen lassen. Die Preußenregie- r u n g ist den Gegnern der Republik entschieden entgegen- getreten. Die Reichsregierung und ihre Aemter sind nach dem Prinzip verfahren: laissez faire laissez aller. Man konnte beinahe annehmen, daß sie nach dem Vorbild von Adlon , Aschinger und Co. Neutralität erklären wollte... Angesichts der Entrüstung, die sich darob bei den Re- publikanern des Z e n tr u m s erhob, hat Herr von Guörard sich erlaubt, an dieRichtlinie n" zu erinnern. Er hat darauf am Sonnabendmorgen eine Antwort von derKreuz- zeitung " erhalten, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Am Sonnabend abend bemüht sich die ,'K r e u z- z e i t u n g" noch einmal, dem Zentrum zu beweisen, daß sie auf die Verfassung, auf Schwarzrotgold, auf die Regierungs- richtlinien pfeift. Sie tut ihr möglichstes zur Beschimpfung der Reichsflagge man liest achtmal in achtzig Zeilen schwarzrotgelb" und hönht zum Schluß Herrn von Gu�rard noch einmal: Im übrigen machen wir darauf aufmerksam, daß nicht das sogenannteZentrumsmanife st", das Herr v. Guörard in seinem Artikel zitiert, Gegenstand der damaligen Verhandlungen mit den Deutschnationalen gewesen ist. DieRichtlinien" aber sprechen nur von der Vermeidunggesetzwidriger und ge- h ä s s i g e r" Angriffe auf die republikanische Staatsform. Auf die Grundanschauungen wurde also keineswegs verzichtet, ebenso- wenig auf die monarchistische Werbearbeit. Dieser Standpunkt ist ausdrücklich damals in der Programmrede des Grafen Westarp betont worden. So wie sich Herr v. GuSrard die Sache denkt, würde sie nichts anderes bedeuten, als Unterwerfung unserer Politik unter die des Zentrums. Auch empfehlen wir Herrn v. Guörard die Lektüre der Zentrumsblätter. Vielleicht findet er auch dort mancherlei, das nicht mit denRichtlinien" übereinstimmt." Das ist die Quittung für die Bürgerblockpolitik des Zen- trums: Das Organ des Grafen Westarp wirft dem Zentrums- führer v. E u 6 r a r d die Richtlinien zerrissen vor die Füße. Auf diesen Akt setzt der Parlamentsdienst des Zentrums die folgende Replik: Was wir uns verbitten müssen, ist zunächst einmal diese beleidigende und herabsetzende Sprache, die dieses deutschnationale Parteiorgan, das offizielle Sprachrohr des Führers der Deutschnationalen im Reichstag, des Grafen Westarp, an- schlägt. Wir oerbitten uns insbesondere diese hochfahrende Art, mit der dieKreuzzeitung " gegen einen unserer Führer vor- zugehen sich erdreistet. Im übrigen müssen wir die e r n st e Frage an die Deutsch - nationalen und ihre Führung richten, ob sie Form und Inhalt dieser Kundgebung der.Kreuzzeitung" billigen. Die Deutsch - nationalen mögen keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß wir vom Zentrum uns eine derartige Sprache unter gar keinen Umständen gefallen lassen. Darüber hinaus lassen wir uns erst recht nicht die S a b o t a g e bieten, die die.Kreuzzeiwng" gegen dieRichtlinien" als die Grundlage der politischen und parlamentarischen Zusammenarbeit des Zentrums mit den Deutschnationalen betreibt. Die offizielle Leitung der Deutschnationalen wird nicht darüber hinwegkommen, zu diesen Dingen verant- wortlich Stellung zu nehmen." Man ist also hart eaneinander. Es scheint uns aber, als fei die Stellung des Zentrums heute weniger stark als zur Zeit der Geburt der Richtlinien denn schließlich sind die Deutschnationalen in der Regierung, und das Zollgeschäft ist gemacht, während das Reichsschulgesetz nicht voran kommt. Zu-

Räumen einer 12- bis 1S-Zimm«r°Wohnung ab. Es genügt nicht, ab und zu als Gegensatz dazu Clendsauartiere zu zeigen, es gibt doch schließlich noch ein Mittelding. Im Sprechtheater gehts doch anders und geht gut. Das Leben ist, wie selbst die größten Optimisten zugestehen, voll von Schwierigkeiten. Aufgabe der Mensckien bleibt es, mit ihnen so oder so fertig zu werden. Ohne eine gewisse Härte, will sagen: Festigkeit der Natur erscheint aber der Sieg über diese Schwierig- leiten fraglich, denn es gibt mehr Pechvögel als Glückspilze. Es kann und darf also nicht die Aufgabe sein, das Ziel des Lebens, das Glück als eine Fata Morgan« darzustellen, weil die Enttäuschung hinterher viel schwerer wiegt als vorher. Die Phantasie soll in den Dienst des Geistes gestellt wgden, soll das Auge für Schönheit empfänglicher machen und zu neuen Ideen anregen, nicht aber lügenhafter Romantik Vorschub leisten und falsch« Tatsachen vorspiegeln. Möchten dies endlich die Filmproduzenten und-autoren bedenken!

Das Kciegsöenkmal. Auf dem Fischmarkt m Bergen liegt auf einem Sockel eine Mine, ruhig und harmlos. Als sie noch gefüllt auf dem Meere schwamm, war sie ein gefährliches Ungeheuer. Den ahnungslosen Schiffen, die dieses Ungeheuer nicht bemerkten, drohte sie Tod und Verderben. Der Sockel, auf dem die Mine ruht, trägt außer einer Jahreszahl keine weitere Inschrift. Eine um so deutlichere Sprache reden zwei Reliefbilder, die an dem Sockel angebracht sind. Auf dem einen strecken mehrere Tote anklagend die Fäuste empor, wäh- rend auf dem anderen eine Mutter ihr Kind krampfhaft an sich drückt. Ein deutscher Nordlanddampfer hat im Hafen angelegt. Seine Passagiere, darunter viele typische Scherlanbeter, überfluten die Stadt, um die Sehenswürdigkeiten zu schlucken. Um das Denk- mal fammell sich«in Häuflein Menschen. So recht wissen sie nichts mit ihm anzufangen wenn doch wenigstens eine bombastische In- schrift daran stände. Aber nur die Mutter und die Toten. Eine Stimme sagt:Die Bilder sollen ausdrücken: Nie wieder Krieg." Entsetzen und entrüstete Blicke zeigen der vorlauten Stimme, daß diese Bemerkung doch entschieden nicht hierher gehört. Ein Ein- heimischer gibt Aufklärung über das eigenartig« Denkmal. Eine angeschwemmte Mine wurde als riesige Sammelbüchse aufgestellt. Sie soll Gaben aufnehmen für die Hinterbliebenen der Besatzun- gen von torpedierten oder auf Minen aufgelaufenen Schissen. Große Enttäuschung über diese bedeutungslose Sehenswürdigkeit und dann schnell weiter, um wirklich« Sensationen zu finden. Dr.

Nenai/sance-Theater:poliche�. Pölich« ist die französische Ausgabe des deutschen Spaßvogels, des Luftibus und Luftikus. Henri Bataille gibt uns in seiner Komödie, mit der er uns zwei Stunden unterhalten und uns außer- dem auch noch Zeit lassen will, die schöne Holztäfelung des reizen- den Theaters und die Feststellung zu ermöglichen, daß die Oxford - hose immer noch kein« große Mode und die gebräunte Haut bereits aus der Mode ist, eine besondere Abart dieses Typus. Es oer- melancholisiert ihn, er gibt ihm einige tragische Untertöne und macht aus ihm ein« gallische Ausgabe des Bajazzo. Sein Poliche ist aus

dem kann selbst die zornigste Tonart die Tassache nicht aus der Welt schaffen, daß das Zentrum sich mit M 0 n a r ch i- st e n koaliert hat, deren Minister wohl vor einem halben Jahre den Eid auf die republikanische Verfassung geleistet haben, deren Führer jedoch heyte erklären: wir sind und bleiben Monarchisten. Auch nicht die andere Tassache, daß das Zentrum diese Monarchisten einen ganzen Sommer lang ungehindert gegen die Republik hat arbeiten lassen.

Verteilung öer Nothilfe. Am 2. September trat unter dem Vorsitz des Wohlfahrtsministers Hirtsiefer dsr Preußische Landesausschuß der Deutschen N 0 t h i l f e zusammen, um über die V e r t e i l u n g der Mittel Beschluß zu fassen, die aus dem Reichsausgleichsfonds der Nothilfe Sur dos preußische Staatsgebiet zur Verfügung gestellt worden sind. is wurden insgesamt rund 1 S 9 0 0 0 M. auf die Provinzialausschüsse der Deutschen Nothilse verteilt. Die Mittel entstammen dem Ertrage aus dem Vertrieb der Wohlfahrtsbriefmarken und dienen der Linde- rung leiblicher Not in Ergänzung der öffentlichen Fürsorgeeinrich- tungen. Im Anschluß daran wurden die Richtlinien erörtert, nach denen der Vertrieb der aus Anlaß des 80. Geburtstages des Herrn Reichspräsidenten von der Deutschen Reichspost heraus- gegebenen Hindenburg - Wohlfahrtsbriefmarken durchgeführt werden soll._ Kleines Porträt. Der Feuilletonist Rudolf Franz, ehemals Redakteur der sozialdemokratischen Presse, dann Kommunist, jetzt aus der KPD. ausgeschlossen, veröffentlicht in derAktiv n" einenLeitfaden für Parteipolitikanten", den Kommunisten gewidmet, dem wir das folgende klein« Porträt entnehmen: Wenn sich aber augenscheinlich mit Opposition nichts machen läßt, so verzichte rechtzeitig daraus und versuche es mit der M e- thode des Hineinkriechen s. Ja, entäußere dich selbst und nimm Zknechtsgestalt an, wie es in der Bibel heißt. Laß dich nicht beirren durch häßliche Benennungen dieser Methode, wie: um Gunst buhlen, Speichel lecken, oder noch schlimmeres. Das sagen nur die unfähigen Burschen, die keinen Ehrgeiz haben, die keine Rolle spielen wollen. Wie ging es in dem berühmten Falle jener drei p 0 l i t i- schen Führer? Nennen wir sie Ruth, Wilhelm und Werner, dann kennt sie jedes politische Kind. Ruth sagte von Wilhelm(der einen großen Bart hat), er sei dem Werner so weit hineingekrochen(Ruih sagte es noch deutlicher), daß nur noch der Schnurrbart herausschaue. Große Heiterkeit bei den Freunden von Ruth und Werner sowie bei den sonstigen Gegnern Wilhelms. Aber was war sechs Monate später? Ruth war ausgeschlossen, Werner war ausgeschlossen, aber Wilhelm(mit dem Bart) war noch drin in der Partei, und sogar obenauf, und blieb es. Wilhelm war eben auf dem rechten Wege trotz alledem und alledem! Bedenke aber, daß es in jeder besseren Partei zwei Richtungen gibt, die um die Macht kämpfen: eine kriecht den Führern hinein, die ander« den Massen. Hier gilt es, den richtigen Instinkt zu haben für das, war gerade opportun ist." Di« politischen Gegner dassst du öffentllch kräftig beschimpfen. das gefällt deinen Parteifreunden, wird von den Gegnern nicht ernst genommen und außerdem mit gleicher Herzlichkeit erwidert. Aber man beobachte im persönlichen Verkehr, in den Ausschüssen, den Wandelgängen im Abteil erster Klasse, vor allem aber in den Erfrischungsräumen der Parlamente, eine busschikvs-kordial« Rote. Man weiß nie, ob man nicht mal übertritt!"

Aegyplisches Gesuch an Deulschland. Die ägyptische Regierung hat die deutsche Regierung gebeten. Ermftllungen darüber anzu- stellen, was aus dem Kapitän und den Mannschaften des Schisses Costi" geworden ist, das in Rußland beschlagnahmt wurde, und eventuell für deren Heimschaffung Sorge tragen zu wollen. Zn Budapest hat man wieder einmal ein«Verschwörung" ent- deckt und zahlreicheKommunisten" verhastet. Man staunt bloß, wo nach all den Massenverhastungen und-Verurteilungen in Ungarn , Polen , Rumänien , Bulgarien , Südslawieu, Italien usw. immer noch Kommunisten herkommen.

Lyon , guter Leute Kind und von Haus aus«in ernster, moralsscher, sentimentaler Mensch. Um die groß« und unabhängige Dame zu erobern, die ihn entflammt hat, muß er den Poliche spielen. Er kommt dadurch in Mode und macht sich seiner Holden unentbehrlich. Aber als ihr Herz für einen anderen zu sprechen beginnt ihn hat sie ja nie ernst genommen da verfällt er in Melancholie. Erst sein Freund muß die Augen darüber öffnen, wie er in Wirk- lichkeit beschaffen ist und wie alles nur Maske war. Da die groß« Liebe ihr inzwischen untreu geworden ist, hat sie Mitleid mft ihm und glaubt, ihn vielleicht auch zu lieben. Aber es ist nur eine Episode. Ihr Herz sehnt sich von neuem nach dem anderen und Poliche wird seine Rolle wieder aufgeben, In sein« Provinz zurück- kehren, ein braver Mann werden und manchmal daran denken, was er einmal in Paris gewesen. Curt B 0 i s ist dazu berufen, den melancholischen Spaßvogel zu verkörpern. Die ernste, sentimentale Seit« gelingt ihm besser als di« ausgelassene, wie denn überhaupt der ganze erst« Akt nicht die fröhliche Ausgelassenheit einer gallischen Szene hat. Sehr gefühl- voll und mit wirklichem Charme charakterisiert Hilde W ö r n e r die lebende Frau. Ausgezeichnet ist Ludmilla Hell als klatsch- süchtige Freundin und die ganze Szene, in der die beiden Freundinnen sich in liebenswürdiger Form die stärksten Bosheiten sagen, ist voll köstlichen Reizes. Zu erwähnen wäre noch Werner P i t t s ch a u als der große ungetreue Eroberer. Das Publikum, etwas erstaunt über den philosophisch resignierten Ausgang, nahm das nette Stückchen mft Wohlwollen auf. r.

Eröffnung der Piscalorbühne. Sonnabendabend hat Erwin P i s c a t 0 r seine Bühne am Nollendorfplatz geweiht. Begeisterte Freunde des viel umstrillenen Mannes und andere Neugierige fülllen das Haus. Tollers Stück.Hoppla, wir leben" wurde auf- «eführt. Revolution und Untergang des Revolutionärs ist der In- alt des Stückes. Ein Minister, der einstmals ein roter Soldaten- rat war, wird gekillt. Eine Revolution der Kunst? Aufgang oder Niedergang der Kunst? Alle Leute fragen den Verfasser Die Polizei verbot vor Beginn der Vorstellung das Stehenbleiben auf der Straße, als man den sehr schick uniformierten Boy bewundern wollte, der zum Oeffnen der zahlreich heranrollenden Autos engagiert ist. In der großen Pause war keine Schupo mehr sichtbar. Man trennte sich auch nach der Vorstellung in Frieden. Warum das olles geschah, ist am Montag zu berichten. M. H. Freiligralhs Sohn 80 Iahre all. Wolfgang Freiligrath, der letzt« noch lebende Sohn des großen Frciheitsdichters. begeht am 8. September in Külz bei Simmern(Hunsrück ) seinen 80. Geburtstag. Als vor etwa zwei Jahren der Kampf um die Enteignung der Fürsten tobte, erregte die Nachricht, daß der Sohn Ferdinand Freftigraths als greiser Landarbeiter in kümmerlichen Verhältnissen lebt, großes Aussehen. Es lag nahe, die Schicksale der Erben von hüben und drüben untereinander zu vergleickxn. Inzwischen erhielten die Fürsten ihre Millionen und Walfgang Freiligrath einige Unter- stützungen, die an der Tatsache seiner Armut nichts änderten. Cr ist ein armer Mann geblieben, der Sohn des große« Dichters, der am Donnerstag in einem verlorenen Rest des Hunsrück seinen 80. Geburtstag begeht,..