Nr. 418 44.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 4. September 1927
Das Symbolder Nation
Uns Berlinern ist vielleicht die Frage der Bedeutung unserer Reichsfarben Schwarzrotgold für die Durchsehung des neuen republikanischen, demokratischen Staates nie so sehr offenbar geworden wie in den letzten Wochen, in denen die feudalen, von Reaktionären aller Länder aufgesuchten und ausgehaltenen Lugus= hotels der Reichshauptstadt sich zu einer offenen Fronde verstiegen und den traurigen Mut fanden, eine flare Sabotage der Farben des Deutschen Reiches auch auf Kosten unseres Ansehens in der Welt zu verfünden. Um den sogenannten Flaggenstreit" recht zu verstehen, muß man sich darüber klar fein und man hat diese Verpflichtung vielleicht in besonderem Maße gerade als internationaler Sozialdemokrat-, daß es sich bei der Fahne eines Volkes und Staates nicht um zusammengenähte bunte Zeuglappen, sondern um ein Symbol der Volts= und Staatsgesinnung handelt. Wenn heute die Reaktion den ,, Flaggenwechsel", den man zu Unrecht als solchen bezeichnet, als nationale Würdelosigkeit anzuprangern versucht, verkennt sie vielleicht gegen besseres Wissen und aus böswilliger Absicht heraus die grundsätzliche Wandlung, die fich in der Zeit vom Oktober/ November 1918 bis zum 11. August 1919 vollzogen hatte. Aus dem konstitutionell verbrämten, im Grunde aber abfolutistisch- monarchischen Preußen- Deutschland war die deutsche Republif geworden, die sich aufbaute auf dem Gedanken der Boltsherrschaft, auf dem Gedanken der De mo= tratie. Sie hatte, mit dem alten Staat nichts gemeinsam als eine Bergangenheit, die feines. wegs in allem ruhmvoll war. Mit vollem Recht griff deshalb das erneuerte Deutsche Reich" zu den alten Farben der Freiheit und Einhelt, zum Zeichen von Schwarz rotgold!
Ein Blick in die Umwelt.
Bevor wir aber auf die historische Bedeutung unserer National flagge eingehen, scheint es notwendig, fich anzfchauen in der Belt und zu erfunden, wie sich andere Bölter unter ähnlichen Umständen verhielten. Gerade der deutsche Sozialdemokrat wird im Gegensatz zu unseren deutschnationalen Patentpatrioten in allen Fragen von wahrhaft nationaler Bedeutung zuerst herüberblicken zu unseren Stammesbrüdern in Deutsch österreich . Es muß schon ein eingefleischter Feldmarschalleutnant 3. D. oder ein verflossener sehr hoher Funktionär der f. u. t. Administration sein, der heute noch im versteckten Winkel des Kleiderschrantes das schwarzgelbe Zeichen des schmählich davongejagten Hauses Habsburg verbirgt. Die Nationalflagge der deutschösterreichischen Republif ist rotmeißrot, darüber hinaus aber stehen unsere Freunde in Wien , Graz und Salzburg fest zur Fahne Schwarzrotgold, zum Symbol der einigen großdeutschen Republik !
Aber nicht nur unsere Nachbarn in der österreichischen Bruder republit geben uns ein Zeugnis dafür, daß ein Systemwechsel auch mit einem Flaggenwechsel oft fast naturnotwendig verbunden ist. Als das portugiesische Bolt im Herbst 1910 den letzten König aus dem Hause Braganza, Manuel, in einer Revolution von zwei Tagen aus dem Lande gejagt hatte, ersetzte es die blauweiße, mit monarchistischen Abzeichen verzierte Flagge durch eine grünrote Nationalfahne, die ein republikanisches Emblem zeigt. Als in
gestürzt und die Republik eingeführt war, verschwand die gelbe China nach ungeheuerlicher Mißwirtschaft die Mandschudynastie Drachenflagge gegenüber dem rotgelbblauweißschwarzen Zeichen des erneuerten Chinas . Und der Kuomnitang von Kanton schaffte sich sein eigenes dreifarbiges Banner. Allgemein ist bekannt, daß die russische Zarenflagge des blauen Andreaskreuzes dem roten RSFSR.Symbol weichen mußte und die südafrikanische Union bemüht sich, seit aus der englischen Kolonie ein Dominion ward, an die Stelle des Union- Jack den alten Bierständer zu setzen.
Die Geschichte der Trikolore.
Noch deutlicher aber zeigt uns die Wichtigkeit des nationalen Symbols ein Blick auf das benachbarte Frankreich . Es war in den Sturmtagen der großen Revolution, als die Vertreter des sou verän gewordenen französischen Volkes dem Lilienbanner der Dynastie Bourbon absagten und statt deffen das blaurote Banner der Stadt Paris unter Hinzufügung der weißen Farbe zur Nationalflagge der Republit erhoben. Diese blauweißrote Trifolore erhielt sich allen Wechselfällen der Geschichte zum Troß. Sie mehte den franzö: fischen Armeen in den ersten monarchistischen Koalitionsfriegen gegen die Republik voran, sie begleitete die Trouppiers, deren Aufrufe an die Bevölkerungen Belgiens , Deutschlands , Staliens und der Schweiz die Botschaft verkündeten: Friede den Hütten, Krieg den Palästen! Der Thermidor tam, und es fam der Brumaire; das Regierungs system wechselte, aber die Flagge blieb. Selbst als Napoleon fich zum Kaiser der Franzosen frönte, wagte der große und damals über alles Maß hinaus populäre Mann es nicht, die Trikolore der Revolution durch das Bienenbanner seines Hauses zu ersetzen wiewohl et nicht überlegen genug war, bei seiner Thronerhebung auf ein unendliches, in vergilbten Atten hervorgesuchtes Beremoniell aus der Capetingerzeit verzichten zu können. Der Umstand, daß die blauweißrote Trifolore das Hoheitszeichen eines Ludmig XV., eines Ludwig XVI . und einer Marie Antoinette , die dem Bolte Kuchen statt Brot empfohlen hatte, ablöste und deshalb ein sichtbares Zeichen der Befreiung war, hatte etwas für das Volk schlechtweg. Faszinierendes und zwang sogar den Sieger von Marengo und Wahlkaiser der Franzosen , wider seinen Willen, So dieser unwiderstehlichen Voltsstimmung nachzugeben. wehte denn die Trikolore der Republik von 1792 bei Austerlig und wehte denn die Trikolore der Republik von 1792 bei Austerlitz und Jena , bei Wagram und Borodino!
mußte. Er fah ein, daß er die Schlauheit seines Feindes unterschätzt hatte, und daß Marsh seinen Vorteil bis aufs äußerste ausnühen würde.
Die Silberschwärme here she murde
48]
[ Nachdrud verboten
Von Rex Beach Autorisierte Uebersegung aus dem Englischen von Julia Roppel
Obgleich der Lärm der Orientalen nichts zu wünschen übrig ließ, war er doch nichts im Vergleich zu dem Höllenlärm, als die Fischer sich jetzt zu verfammein begannen. Sie waren allesamt betrunken, kriegerisch, und brüllten aus vollem
Halse.
Natürlich war die ,, Bedford Castle" im letzten Augenblic ein Opfer der unvermeidlichen Berspätung. Und je mehr die Zeit verstrich, um so schwerer war es, die Fischer an Bord zurückzuhalten, denn draußen auf der Straße sammelte sich eine Schar, die von der Absicht besessen schien, die Streitigfeiten noch im letzten Augenblick auszutragen. Schließlich wurde die Lage so kritisch, daß Boyd zu Kapitän Peasley fagte: ,, Lichten Sie die Anker, Kapitän und halten Sie den Dampfer zum jofortigen Abgang bereit." Darauf ging er an Land und begab sich in das Kontor des Docks, denn er hatte noch eine wichtige Sache zu erledigen. Konnte er doch nicht abfahren, ohne Mildred eine letzte triumphierende Nach richt zu senden. Er schrieb hastig und fast unleserlich, den sich her vergessend, von Zärtlichkeit zu ihr und pon der Begeisterung, die ihn erfüllte, beseelt. Bor dem Gebäude," so schloß er ,,, drängt sich eine wütende Menge, die mich vernichten möchte. Aber wir haben sie überwunden, wir haben gefiegt!" Er war gerade im Begriff, den Brief zu versiegeln, als plöklich Fraser neben ihm stand, mit einem ganz verzerrten Gesicht.
Lärm um
Es ist Polizei an Bord gekommen," stieß er atemlos hervor ,,, man will dich verhaften." ,, Himmel!"
Marsh hatte seinen Schlag also bis zuletzt aufgespart. Bond wußte, daß er vor Gericht einen schweren Stand haben würde, wenn er sich gegen all die Zeugen, die sein Gegner ficher aufbieten würde, verteidigen sollte, und die Abreise würde sich leicht um Wochen verzögern. Einen Augenblid überlegte er, ob er Balt allein mit dem Dampfer vorausschiden follte, aber er jah gleich ein, daß es Torheit sein würde; anderseits tonnte die Bedford Castle" und das wütende Heer der Fischer nicht am Rai liegen bleiben, während er sich durch die Phasen eines langsamen Rechtsverfahrens hindurchkämpfen
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3wei zivilgefleidete Beamte sind an Bord gefommen, ich fab fie, als sie mit Kapitän Peasley sprachen. Du mußt fliehen," flüsterte Fraser.
Ich kann nicht durch den Haufen draußen kommen! man fennt mich!"
lendes Gelächter als Antwort auf die Herausforderungen, die Bon der Straße ertönte im selben Augenblick ein schaldie Fischer, die hoch oben in der Tafelung faßen, auf die Menge herabriefen. Ich kann unmöglich entfommen. Wenn die Beamten mich aber verhaften, haben wir unsere Sache verloren." Boyd ballte die Fäuste. Man hat mich überrumpelt," jagte er bitter ,,, ich sehe feinen Ausweg."
Sein Blick fiel auf den Brief in seiner Hand, der den prahlenden Bericht von ihrem Sieg enthielt. Welche Ironie!
,, Die Beamten schienen dich nicht zu fennen," wandte
Fraser ein, jedenfalls hörte ich, wie sie den Kapitän auf forderten, ihnen einen Mann namens Emerson zu bezeichnen. Wenn sie von Bord gehen, kannst du vielleicht an ihnen vorbei. schlüpfen."
Aber wie?" Bond ging eifrig auf den Vorschlag ein. Das Dock ist fast menschenleer, und ich bin gezwungen, quer über den Platz gerade an ihrer Nase vorbeizugehen."
Durch die hinfere Tür des Kontors sahen sie den großen Ladeplag, der fast leer war, nur einige Tonnen Stücgut beschäftigt waren; der Plaz bot nicht die geringste Möglichkeit standen noch herum, mit denen ein Paar von Georges Leuten eines Versteckes, ebensowenig wie das kleine Kontor mit den Glastüren, an deffen entfernteftem Ende ein Kontorist über feine Arbeit gebeugt faß. Nach der anderen Seite führte eine Tür zum Kai hinaus, wo der Dampfer lag, und von dort fonnten sie jeden Augenblick die Polizeibeamten erwarten. Als Emerson sich noch mit einem letzten verzweifelten Blick umfah, flüsterte Frafer: Da tommen fie!" Und sie sahen zwei Männer auf das Kontor zugehen.
,, Gib mir deinen Rod und Hut! Schnell!" flüsterte Fraser, dessen Augen in einem plötzlichen Einfall aufleuchteten, und in fieberhafter Eile entledigte er sich selbst seines Rodes. Bir tauschen, du siehst meinen Rod an. Wenn die beiden Beamten mich verhaften, benutzt du die Gelegenheit, um schnell an Bord zu entweichen Berstehst du?"
,, Jeder kennt mich!" Bond warf einen bedenklichen Blid auf den gebeugten Rücken des Kontoristen. Fraser aber zwang
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Im Februar 1814, nach Beendigung des sogenannten„ Befreiungstrieges", verkündeten die Monarchen der späteren Heiligen Allianz , Alexander, Franz und Friedrich Wilhelm, deren höchstes Ziel die Unterdrückung jeder Befreiung war, in Paris , daß„ der Usurpator Napoleon Bonaparte gestürzt sei". Die Dynastie Bourbon hielt mit Ludwig XVIII. ihren Einzug, und auch nach den hundert Tagen von 1815 fehrte sie trotz schimpflicher Flucht, gestützt und gehalten von Talleyrand , Metternich und Alexander, nach Baris zurüd. Ein reaktionärer Kurs segte ein. Der lächerliche „ Lilien- Orden" für Verdienste um das Haus Bourbon wurde gestiftet, und das Lilienbanner wurde wieder eingeführt. Doch schon 1830 jagte das empörte französische Bolt- Karl X ., der reaktionär bis auf die Knochen war, in der Julirevolution 1830 außer Landes. erneut Nationalfahne, sie blieb es unter Napoleon dem Kleineren, Die Trikolore wurde unter Ludwig Philipp, dem Bürgerfönig, und sie ist noch heute. das Wahrzeichen der Nation. Nur Komödianten wie Herr Daudet bekennen sich zum Lilienbanner der Bour bonen
. Sonst weiß man in Frankreich nichts mehr davon...
Unsere Reichsfarben Schwarzrotgold.
Bann werden wir in Deutschland so weit sein, daß, von menigen törichten Rückwärtsern abgesehen, Schwarzrotgold, das alte Zeichen der Nation, zu allgemeiner Anerkennung gekommen ist? Gewiß unterliegt feinem Zweifel, daß schon heute, einer fast fünfzigjährigen Irreführung zum Troz, sich das deutsche Volk in seiner Mehrheit zum alten Zeichen Deutschlands bekennt. Die Republik hat feinen Flaggenwechsel vollzogen, wir haben keine neue Fahne, die ursprüngliche Fahne ist wieder aufgenommen worden! Schon unter Kaiser Otto II ., im zehnten Jahrhundert, zeigte das Reichswappen einen schwarzen Adler auf goldenem Feld, der rote Klauen und eine rote Bunge hatte. Die schwarzgoldene Fahne murde an einer roten Stange befestigt. Rot war auch der lange Wimpel, der dem schwarzrotgoldenen Banner seit 1336 vorangetragen wurde. Die andern Fahnen, die in Deutschland in den Territorialherrschaften der Hohenzollern , der Zähringer, der Wet tiner , der Wittelsbacher auftamen, waren dynastische Fahnen. die mit dem Reich gedanken nichts zu tun hatten. Je mehr die Idee des einigen deutschen Reiches an Bedeutung verlor, um so mehr entwickelte sich der verderbliche Partikularismus der Dynaftien. Als dann am 6. August 1806 Franz II . aus dem Hause Habsburg seiner Würde als Deutscher Kaiser entsagte, zugleich aber deutsche Fürsten durch Napoleon von Reichsfürsten zu Königen erwie man es auffassen will degradiert worden hoben oder waren, schien jede Hoffnung für die Wiederbelebung des Reichsgedankens für die Auferstehung der Farben Schwarzrotgold erloschen.
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Aber das Gegenteil mar der Fall! Alle deutschen Patrioten, die auf dem Grunde der Volksherrschaft auch gegen die Dynastien ein einiges und freies Deutschland schaffen wollten, bekannten sich zu Schwarzrotgold. Die schwarzrotgoldenen Farben wurden das Wahrzeichen fortschrittlichen Geistes und eines echten Idealismus. Schon während der Kriege von 1813 bis 1815 wurden die alten Farben getragen. Es ist historisch bestätigt, daß der
ihm seinen Rod und Hut auf und sagte:„ Es bleibt uns fein anderer Ausweg. Stell dich dort hin!" Er zeigte auf einen Plaz hinter der Tür. Ich werde durch die andere Tür hinausgehen, damit die Beamten mich sehen. Wenn sie mich verhaften, dann lauf, verliere feine Minute!"
,, Was aber wird aus dir?" Schon konnte man die Schritte der Polizeibeamten hören.
,, Ich werde mich schon durchbeißen, es ist nicht das erstemal.
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Sie hatfen nicht mehr Zeit, sich die Hand zu drücken. Fraser ging schnell zur Tür und trat dann ruhig auf den Blaz hinaus, so daß die beiden Bolizeibeamten ihn sehen konnten. Im nächsten Augenblic traten sie an ihn heran. ,, Sind Sie Herr Boyd Emerson?"
Der Abenteurer antwortete barsch: Der bin ich. Aber ich habe jetzt keine Zeit für Sie."
Im Namen des Gesezes verhaften wir Sie, Herr Emerson!"
Inzwischen hatte Boyd lautlos die andere Tür geöffnet und trat in dem Augenblick auf den Kai hinaus, als der und trat in dem Augenblick auf den Rai hinaus, als der Kontorist von seiner Arbeit aufblickte, durch den Wortwechsel vor seinem Fenster aufmerksam gemacht, denn Fraser hatte feine Stimme erhoben, als er antwortete: ,, Mich verhaften, was soll das heißen? Machen Sie augenblicklich Play!" ,, Wenn Sie nicht gutwillig mitgehen, müssen wir Gewalt anwenden!"
Bond hörte noch einen lauten Ausruf: Greift ihn! Haltet ihn!" Darauf den Lärm von Kämpfenden. Während der Streifenden, mit dem sie Frasers Zusammenstoß mit der er über den Kai zur Schiffbrüde lief, hörte er das Geschrei Polizei begleiteten. Als er sich umdrehte, sah er, daß Fraser seinen Berfolgern entschlüpft war und jetzt in die Richtung der Straße weglief. Diese Wendung war günstig für Emerson, weil die Aufmerksamkeit von ihm abaelenkt wurde, und Der Haufe draußen Gelegenheit betam, sich auszutoben.
Im nächsten Augenblick war es der Polizei nicht mehr möglich, den Eingang zum Doc zu bewachen, sie mußte das Leben ihres Gefangenen schüßen. Boyd war faum an Bord gelangt, als er fah, wie das Tor gesprengt wurde, und die Menge fich wie eine Lamine über den Platz ergoß.
,, Laßt alles stehen und liegen und kommt an Bord!" schrie Boyd den Fischern, die noch auf dem Plaz arbeiteten, zu, und zu Kapitän Beasley, der auf der Kommandobrücke stand, rief er hinauf: Lassen Sie sofort die Maschine in Gang sehen!"
( Fortsetzung folgt.)