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Str. 420 44. Jahrgang Ausgabe A nr. 214

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Dienstag, den 6. September 1927

10000 Mann ziehen ab.

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Breitscheid deutscher

Eine zweite Truppenverminderung nicht zu erwarten. Referent für die Weltwirtschaftskonferenz. Genf , 5. September. ( WIB.)| Aufnahme gefunden. In verschiedenen Blättern wird ein solcher Der französische Außenminister hat im Namen der bel- Batt angesichts des Bestehens des Böllerbundspaktes und der gischen, britischen, französischen, italienischen und japanischen Abkommen von Locarno als völlig überflüssig bezeichnet. japanischen Abkommen von Locarno als völlig überflüssig bezeichnet. Regierungen dem deutschen Reichsaußenminister eine offizielle Mitteilung über die lehthin beschlossene Ber - Die Arbeitsteilung der deutschen Delegation. minderung der Besahungstruppen im Rheinland zu­gehen laffen. Briand bestätigt darin die Herabsehung der gegen­wärtigen Truppenstärte um 10 000 Mann auf 60 000 Mann und fügt hinzu, daß diese Maßnahme in fürzester Frist durchgeführt werden soll. Ueber die Einzelheiten, insbesondere über die Er­leichterungen, die diese Maßnahme für die Bevölkerung des besetzten Gebietes mit sich bringen wird, ist eine weitere Mitteilung in Aussicht geftellt worden.

Ueber die Mitteilung der Truppenherabsehung erfährt unser Sonderberichterstatter V. Sch. in Genf :

Es ist schon bei den ersten Besprechungen Stresemanns mit Chamberlain und Briand zum Ausdruck gebracht worden, daß, so erfreulich diese Herabseßung auf 60 000 Mann auch sein mag, sie natürlich in den Augen der öffentlichen Meinung Deutschlands das Problem der besetzten Gebiete in feiner Weise löse und daß vielmehr dieses Problem als solches nach wie voroffen bleibt. Indessen betrachtet auch die Reichsregierung mit diesem Ergebnis ihre.

Affion zugunfien einer Reduzierung als abgefchloffen, Bon deutscher Seite wird demnach in absehbarer Zeit feine neue Attion mit dem Ziele einer weiteren teilweisen Reduzierung der Befagung mehr erfolgen: Da einstweilen und wohl mindestens bis zu den verschiedenen allgemeinen Neuwahlen von 1928 ein Ab­fommen über die Gesamträumung nicht zustandekommen dürfte, so bedeutet das wohl, daß sich nach der angekündigten Zurückziehung der 10 000 Mann auf längere Zeit am Be­stand der Besatzungsarmee nichts mehr ändern wird.

Was den Schlußsah der amtlichen Mitteilung betrifft, in dem von den Erleichterungen die Rede ist, so ist dies eine Anspielung auf die noch nicht endgültig feststehenden Einzelheiten über die Art der Truppenreduzierung. Indessen ist von fran­zöfifcher Seite in Aussicht gestellt worden, daß außer einigen tausend Mann tasernierter Truppen auch ein ganzer Armee sta b, nämlich eins von den drei Generalfommandos der Be fagungsarmee, zurüdgezogen merden wird. Das allein bedeutet die Zurückziehung von mehreren tausend Mann und insbesondere von mehreren hundert Offizieren. Dadurch sollen sehr viele Billen. und sonstige Privatquartiere sowie Garagen, öffent liche Gebäude für Offizierskafinos usw. geräumt werden. Die Franzosen haben gegenüber den deutschen Unterhändlern die Wichtig feit dieser Tatsache unterstrichen und erklärt, daß dadurch die Herab­fegung mirtlich, mie sie seinerzeit versprochen hatten, einen für die Bevölkerung fühlbaren Charakter erhalten werde.

Keine Paktbegeisterung in Paris .

Paris , 5. September. ( Eigenbricht.) Der polnische Borschlag eines neuen allgemeinen Sicher heitspaltes hat in der hiesigen Deffentlichkeit teine günstige

Ist Trajkowicz ermordet worden? Polnische Behauptung.

Warschau , 5. September. ( Eigenbericht.)

V. Sch. Genf , 5. September. ( Eigenbericht.) missionen wie folgt bestimmt: Die deutsche Delegation hat ihre Vertreter in den großen Kom.

Erste Kommission( politische): Stresemann : Zweite Kommiffion( technische Organisation): Breitscheid . Dritte Kommission( Abrüstung): Bernstorff . Bierte Kommission( Budgetfragen): Kaas. Fünfte Kommiffioa( humanitäre Fragen): v. Rheinbaben. Sechste Kommission( juristische): v. Schubert mit Prof.

Hoetsch als Stellvertreter.

Im vorigen Jahre hatte man den Genossen Breitscheid in die relativ minder wichtige fünfte Stommission entsandt. In diesem Jahre wird Rheinbaben seinen Platz einnehmen. Dafür wird Breit­ scheid in der zweiten Kommission vor interessanten Aufgaben stehen. Diese Kommission wird insbesondere über die Beschlüsse der Weltwirtschaftstonferenz zu beraten haben und ihrer seits der Bollversammlung darüber Bericht erstatten, wie man dieje Beschlüsse in die Tat umsetzen soll. Außerdem ist Breitscheid schon jezt zum Berichterstatter über die Frage der internationalen geistigen Zusammenarbeit bestimmt worden.

Der Aeltestenrat des Völkerbundes.

Genf , 5. September.

Zu Borsitzenden der sechs Kommissionen der Völkerbundsver­fammlung wurden gewählt: 1. Kommission: der japanische Gesandte in Brüssel Hadatschi, 2. Kommission: der tanadische Senator Dandurand( Präsident der 6. Völkerbundsversammlung), 3. Rommiffion: der tschechische Außenminister Dr. Benesch, das bisherige Ratsmitglied, der mit Ablauf der gegenwärtigen Rats periode aus dem Rat ausscheidet, 4. Kommission: der hollän bische Professor an der Universität Leyden, van Ensing, 5. Kom mission: der Präsident der norwegisch en Deputiertenkammer Hambro, 6. Kommission: der luxemburgische Staatsminister Bech. Diese sechs Kommissionspräsidenten find zugleich Bizepräsi­denten der Versammlung.

Die Wahl der zweiten Gruppe von Vizepräsidenten ergab: Scialoja( Italien ) mit 43 Stimmen, Briand , Chamber lain und Stresemann mit je 41 Stimmen und Lemone ( Haiti ) mit 28 Stimmen, alle im ersten Wahlgange gewählt. Als 6. Bizepräsident wurde im zweiten Wahlgang der österreichische Ver treter Graf Mensdorf mit 32 Stimmen gewählt. Ausnahms weise wurde der schweizerische Delegierte Motta in feiner Eigenschaft als schweizerischer Bundespräsident als Ehrenmitglied hineingewählt.

Die 6 Bizepräsidenten und die 6 Kommissionsvorsitzenden bilden zusammen die Tagesordnungstommission. 3u ihrem Borsigenden wurde Genoffe de Broudère gewählt.

Ernteschäden durch Auslandsmilitär. Im Rheinland .

Köln , 5. September.

jagung auf dem Dahlemer Binz werden am 17. September wieder beginnen und bis zum Monatsende dauern. Die Ortschaften Stadt­tyll, Dahlem und Glaag werden mit Truppen start belegt. Der Schießübungsplan ist folgender: Auf dem Dahlemer Schießplatz wird täglich werttags von Mittag bis Mitternacht geschossen. Montag, Mittwoch und Freitag wird von verschiedenen Bunkten der Stadtfyller Umgebung aus nach dem Dahlemer Schießplatz von 12 bis 17 Uhr geschossen, so daß eine Reihe von Straßen gesperrt wird. Durch diese Schießübungen werden die Erntearbeiten empfindlich gestört.

Die Sowjetgesandtschaft teilt mit, fie habe unverzüglich nach Zu den französischen Schießübungen, die im Rahmen der der Erschießung Trajkowicz die polnische Behörde gebeten, eine Herbstinanöver an der unteren Mosel stattfinden, wird der Untersuchung einzuleiten und habe alles getan, um diese Unter- ölnischen Zeitung" gemeldet: Die Schießübungen der Be. suchung zu ermöglichen, Zeugen zurückgehalten usw. Die Mitteilung schließt mit dem eigenartigen Hinweis, daß der Beamte, der ge­schossen hat, erterritorial sei und daher lediglich sich vor russischen Behörden zu verantworten habe. Die Untersuchung durch polnische Behörden sei also eigentlich gegenstandslos. Diese russische Erklärung hat Aufsehen erregt um so mehr, als sich inzwischen ein bisher unbekannter polnischer Zeuge gemeldet hat, der den Zwischenfal in einem ganz anderen Lichte darstellt. Danach habe der Erschossene einen Sowjetbeamten in feiner Beise be. droht, sondern er sei im Gegenteil von dem Beamten. hinter rüds überfallen und erschossen worden. Daraufhin habe sich einer der Beamten absichtlich eine unbedeutende Wunde zugefügt, um den angeblichen Ueberfall zu begründen. Es wird berichtet, daß seit der Ermordung des Gesandten Boj­toff die russische Gesandtschaft mißtrauisch gegenüber allen unbefann ten Besuchern geworden sei, zu den höheren Beamten der Gesandt­schaft werde überhaupt niemand mehr hinzugelassen. Auch seien sämtliche Beamten, auch die niedrigsten Funktionäre, mit Re­volvern bewaffnet worden. Der sozialistische Robotnit" schreibt, daß ein diplomatischer Konflikt zwischen Bolen und Ruß land im Zusammenhang mit dem tragischen Zwischenfall auf der Gesandtschaft nicht zu erwarten sei.

Polnisch - litauische Nachbarschaft.

Die Litauer haben einen zurückgehaltenen polnischen Grenz soldaten freigelaffen, womit einer der fast allwöchentlichen Grenz­konflikte beigelegt ist.

Die Angelegenheit des angeblich von litauischen Grenzsoldaten gewaltsam verschleppten polnischen Leutnants 3eligow. fti scheint eine recht seltsame Lösung zu finden. Wie nämlich die Wilnaer polnische Zeitung Slomo" mitteilt, ist der Leut nant feineswegs verschleppt worden, sondern freiwillig nach Litauen geflüchtet unter Mitnahme der Regimentstasse

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3 Boftscheeftonto: Berlin 37 536 Banktonts: Bant ber Arbeiter, Angeftelten unb Beamten, Balltr. 65; Distonto- Gesellschaft, Depotentaffe Bindenfte. 3.

Luftstümperei- auch bei uns?

Von Flugzeugführer Walter Binder, Reichsabteilungsleiter der Luftfahrtabteilung im Deutschen

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Verkehrsbund.

Die hier veröffentlichten Ausführungen von H. G. Wells werden gewiß bei vielen Organisatoren der Luft­fahrt unwilliges Kopfschütteln, ja Empörung auslösen. Wie? Wir Verwalter und Leiter der Luftfahrt, die mir es in wenigen Jahren so herrlich weit gebracht haben, sollen Stümper sein? Welche anmaßende Verkennung unserer Leistungen! Dann wird mit dem ganzen Rüstzeug des Fach­manns, der ,, Laie" Wells, widerlegt werden, Statistiken und Tabellen, Kurven und Zahlen werden alles beweisen, was bewiesen werden soll. Aber Hand aufs Herz, meine Herren Fachleute: auch Sie müssen zugeben, daß dieser Laie mit Härte an die mundesten Stellen der heutigen feinen Ausführungen trok mancher nicht ganz gerechten Fliegerei rührt. Die Luftfahrt von heute ist wirklich und von wirklich großzügiger internationaler Praris, sie ist noch meilenweit entfernt von fosmopolitischer Gesinnung durchsetzt von dem, was Wells alten abgenutzten Patriotis­

mus" nennt.

Es ist sehr zu begrüßen, daß solche offenen Worte frei­mütiger Kritit den langsam gefährlich werdenden Dunst un­fritischer Bewunderung unserer gar zu verwöhnten Luftfahrt durchbrechen. Jeder, dem eine gesunde Entwidlung des Luftverkehrs am Herzen liegt, weiß, wie nötig hier eine unabhängige Rritif ist, eine Kritik, melche fich nicht mit den von offiziellen Stellen sehr geschickt aus­gegebenen Klischees begnügt, sondern dem etwas unmoder­nen Grundjag folgt, daß man mit der Wahrheit einer Sache auch da mußt, wo diese Wahrheit etwas unangenehm in den Ohren flingt. Es ist angebracht, daß wir als Deutsche untersuchen, inwieweit Wells allgemeine Borwürfe mangel­hafter Organisation und nationalistischer Kirchturmpolitik speziell auf die deutschen Luftfahrtfreise und ihre Orgeni­fatoren zutreffen. los durch die Tatsache des Militärfliegereiverbets sehr ge­Deutschlands Luft perfehrs organisation ist zweifel­fördert worden. friegsgläubigen Gemütern nur als Entwicklungshemmung Dies erzwungene Berbot, das unsern erscheint, hatte das eine Gute, daß sich viele unserer Kon= strukteure und Fachleute dem Problem des Luft­verfehrs gewidmet. Biele, längst nicht alle! Andere gingen ins Ausland und bauten dort auch weiterhin unsere modern­sten Mordwerkzeuge für fremde Länder. Von da aus werden fie vielleicht eines Tages wie einst im Weltkrieg unsere Kruppschen Kanonen uns Grüße in Form von Granaten und Giftgasen herübersenden! Bekanntlich bauen alle greßen deutschen Fabriken( Junters, Rohrbach, Heintel, Dornier usw.) Kriegsflugzeuge im Ausland und verkaufen sie an das Aus­land ohne Rücksicht auf völkische Belarge!

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Aber auch die Organisatoren des friedlichen Luft­perfehrs, die ja fast alle faiserliche Offiziere gewesen find, tönnen sich nur widerstrebend in die Rolle des Zivilisten hineinfinden. Das prägt sich im Berkehrston auf den meisten Flugplägen und in den Amtsstuben des Lufifahrwesens oft bis zur Komit aus. Da wird im schnarrenden Ton fom= mandiert, da werden die Hände an die Hosennaht gelegt, Hacken geklappt, Schneidigkeit markiert und ein militärischer Sportgeist gepflegt, so daß der stille Beobachter manchmal die Passagiere als eine recht ftillose und unpassende Begleit­erscheinung dieser Gestrigkeiten empfindet.

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Gefährlich wirkt sich dieser stramme Trontgeist" jedoch den Verkehrsfliegerschulen aus, die das Monopol der Heranbildung des Pilotennachwuchses haben. Safety first"( vor allem Sicherheit) steht in jeder Lon­doner Straße als Verkehrsmahnung zu lesen. Dieser Leit­Spruch gilt in ganz besonderem Maße für den Luftverkehr. Es ist darum aufs strengste die Erziehung zum schneidigen Sport- und Kunstflieger alias Militärflieger von der zum Biloten des öffentlichen Befehrs zu trennen. Das genaue Gegenteil geschieht auf unseren heutigen Verkehrsfliegerschulen. Junge Leute von 18 bis 20 Jahren mit Primareife und Sportabzeichen" werden zuerst förperlich, dann nicht minder vorsichtig gefinnungs­mäßig auf nationale" Zuverlässigkeit bis ins dritte und vierte Glied geprüft. Nach ihrer Aufnahme werden sie zu­nächst im Bogen, Ringen, Fechten, Klein= faliberschießen und Gott meiß was für lebenswichtigen Betätigungen ausgebildet, um erst nach ziemlich langer Zeit zum Fliegen zu kommen. Der streng republikanische ,, Lokal­anzeiger" wird ihnen täglich fostenlos verabreicht, die strenge Rajernierung( Urlaub nach außerhalb muß ganz wie beim Militär mit Begründung eingereicht werden!) schützt vor Verseuchung durch andere böse Einflüsse der Außenwelt.

Bei der fliegerischen Ausbildung selbst herrscht die gleiche Tendenz der Erziehung zu jenem Schneid, der für die schwierigsten Kunstflugübungen sein Leben einzu­feßen bereit ist, der für Trubeln, Loopings, Rückenflug und ähnliche Kriegsübungen schwärmt und an alfa­