hält, müßte ja die Polen für das klügste und nobelste Volk der Welt halten! Oder glaubt man air eine diplomatische Kollek.tivaktion der Mächte, durch deren Druck Polen gezwungen werden könnte, einen Teil seines Gebiets ohne gewaltsamen Widerstand herauszugeben? Wer glaubt an die Möglichkeit einer solchen Einigung, an der ja auch Frankreich , Polens traditioneller Beschützer, beteiligt sein müßte? So bleibt nur die dritte Möglichkeit: der Ausbruch eines neuen europäischen Krieges— ohne Zutun Deutschlands —, nach dessen Abschluß.eine Revision der Grenzen erfolgen würde. Käme es jedoch zu einem solchen Krieg, so wäre nachher die Frage, zu welchem Staat dieses oder jenes Stück Land gehören soll, von sehr geringer Be- deutung, da stünden ganz andere Dinge auf dem Spiel! Nie- mand kann so gewissenlos sein, mit solchen Eventualitäten zu spielen, weil sie vielleicht auch die Möglichkeit einer polnisch- deutschen Grenzänderung nach sich ziehen könnten. Deutschland hat in Locarno den Franzosen Elsaß-Loth- ringen noch einmal garantiert. Einer gleichen Garantierung des Korridors und Oberschlesiens an Polen standen starke gefühlsmäßige Wider st ände entgegen. Diese Widerstände sind ebenso begreiflich, wie die Gefühle begreif- lich sind, die man in Polen angesichts dieser verschiedenartigen Behandlung der neufranzösischen und neupolnischen Gebiete empfindet. Aber Gefühle hüben und drüben können nichts an der Tatsache ändern, daß jene Gebiete im Besitze Polens sind und daß Deutschland durch freiwilligen Schiedsvertrag darauf verzichtet hat, ihre Wiedergewinnung mit kriegerischen Mitteln anzustreben. Wir haben also ein Recht zu sagen, daß ein„Ost-Lo- carno" zwischen Deutschland und Polen schon besteht, und daß dieses Ost-Locarno als Grundlage für gute nachbarliche Be- ziehungen durchaus genügen würde, wenn nicht Kräfte am Werke wären, die den polnisch-deutschen Streit immer aufs neue schüren. Solche Kräfte sind in Polen am Werke, aber auch in Deutschland , und hier sind es vor allem die Deutsch - nationalen, die sich mit dem Gedanken einer guten Nachbar- schaft mjt Polen durchaus nicht befreunden wollen. Und doch liegt diese gute Nachbarschaft, die natürlich nur durch guten Willen auf b e i d e n Seiten zu erreichen ist, ebenso im Jnter- esse des deutschen Vvltes wie des polnischen. Man kann die Borschläge Polens nicht schon verwerfen, wenn man sie noch nicht kennt. Diese Vorschläge, die neuer- dinas die Form eines allgemeinen Nichtangriffs- pakts anzunehmen scheinen, werden wahrscheinlich an ganz anderen Widerständen scheitern als am Widerstande Deutsch - lands. Ob ihr Scheitern für Deutschland ein Gewinn sein wird, steht dahin. Darum ist es dopp�t kindisch, gleich wenn man erfährt, daß Polen etwas will, in die Welt hinauszu- schreien:„Das wollen wir nicht!" Es gibt kein dringenderes Interesse Deutschlands als die Befestigung des Friedens. Alle Vorschläge, woher üe auch kommen mögen, müssen daher von der deutschen Delegation vorurteilsfrei nur aus dem einen Gesichtspunkt geprüft wer» den, ob sie der Befestigung des Friedens dienen öder nicht. Dabei wird ein etwaiger Versuch, im Sinne de Iouve-
nels eine Verladung zwischen solchen Vorschlägen und der d?t besetzten Gebiete zu schaffen, uw ist 1
Räumung d'?t besetzten Gebiete bedingt abzulehnen sein. Denn die Räumung ist eine Friedens- forderung an sich, und die bestehenden Verträge genügen zu ihrer Erfüllung vollauf.(Nach einer WTB.-Meldung ist es wisdxr fraglich geworden, ob der Verlauf der Genfer Ver- Handlungen die geplante Reise Stresemanns nach Berlin er- -Möglichen wird.)...... Acußcrungcn des polnischen Gesandten. Der Gesandte der Republik Polep in Berlin , Herr O l s z o w s k i, hat einem hier lebenden polnischen Journalisten Er- klärungen gegeben, in denen er sagte: Ich habe in Warschau bei den maßgebenden Regierungs- und Wirtschaftsstellen volles Verständnis für die Not- w e n d i g k e i t einer Regelung der deutsch -polnifchen Handels-
beziehungen im gegenseitigen Interesse gefunden, vor allem den guten Willen zu einer Verständigung durch gegenseitige rationelle Konzessionen. Entgegen allem Anschein habe ich den Ein- druck, daß diese versöhnliche Stimmung auf beiden Seiten be- steht. Der seit zwei Jahren andauernde polnisch-deutsche Zoll- krieg ist für beide Teile drückend, meiner Meinung nach aber sind die Gegensätze nicht so stark, daß sie durch gegenseitiges Eni- gegenkommen nicht beigelegt werden könnten. Trotz Zollkrieg hat sich der deutsch -polnische Warenumsatz im laufenden Jahre gegen das Vorjahr vermehrt. Ich will nicht verhehlen, daß man in Warschau die Aussichten auf Abschluß eines polnisch-deutschen Handelsvertrages wegen der in Deutschland herrschenden Stimmung und Tendenz mit einiger Skepsis beurteilt. Die Ursache bildet vor allem die allgemein bekannte negative Stellungnahme der deutschen Agrarkreise. Ueberdies�ist der bisherige Verlauf der Ver- Handlungen zwischen beiden Staaten geeignet, diesen Skeptizismus zu nähren— dauern sie doch bereits über drei Jahre. Im Februar wurden sie auf Verlangen Deutschlands unterbrochen. Die persönliche Fühlungnahme zwischen Stresemann und Zaleski haben die Verhandlungen auf den diplomatischen Weg gebracht, wo- von man eine raschere und leichtere Klärung für etwa bestehende Kompromißmöglichkeiten erwartete. Als deutscherseits erklärt wurde, daß die deutsche Regierung grundsätzlich Wert darauf legt, zunächst die komplizierte und schwierige Siedlungsfrage zu lösen, hat sich die polnische Regierung bereit erklärt, zur Er- örterung dieser fsrage zu schreiten. Schon vor einigen Monaten wurde auch in Warschau in aller Form die Möglichkeit einer Ver- ständigung darüber festgelegt. Jedoch hat die deutsche Regierung trotz unausgesetztem Drängen Polens in den grundlegenden wirt- schaftlichen Fragen ihren Standpunkt bisher nicht präzisiert. Noch im März l. I. bat die polnische Regierung die Reichsregierung um Präzisierung des Standpunktes in der Frage der Kontingen- tierung der Kohlenmenge, die zum Verkauf auf dem deutschen Markte zugelassen werden könnte, wie auch in der Frage der o« t e- r i n S r e n Kontrolle. 3n den verflossenen sechs Monaten hat die polnische Regierung aus ihre Bitte keine Antwort erhalte«. Diese Tatsache erklärt in gewisser Hinsicht die Ungeduld, wie auch die Zweifel, denen ich hier und da in Warschau begegnet bin. Der Gesandte betonte dann, daß die polnische Höchftzollverordnung nicht ein Druckmittel gegen Deutschland sein soll: sie trage allgemeinen Charakter und beziehe sich auf alle Länder, die zu Polen ihre Handelsbeziehungen noch nicht geregelt haben. Es gibt eine ganze Reihe von solchen Staaten. Das Handelsministerium in Warschau beabsichtigt wesentliche Erleichterungen bzw. Auf- Hebung der Mehrheit der bestehenden Vorschriften in der Regle- mentierung der Einsuhr aus dem Auslande ohne Rücksicht auf die Herkunft. Die letzte polnische Maßnahme ist nichts anderes, als die Ausführung des schon lange vorher beschlossenen Planes der Ein- führung der Maximalzölle, wie sie in einer ganzen Reihe Länder bereits bestehen. Die vier Monate, die uns vom Inkrafttreten ves Gesetzes trennen, bieten reichlich Zeit zur Beendigung der zweiten Phase der diplomatischen Verhandlungen, die sich allein aus Fragen wirtschaftlicher Natur beziehen, da doch die Niederlassungsfragen geklärt sind.) Gesandter Olszowski schloß: Unter diesen Umständen erblicke ich keinen Grund zu pessimistischer Beurteilung der Aussichten für das Zustandekommen des deutsch -polnifchen Handels- Vertrages noch im laufenden Jahre: ich bin fest überzeugt, daß eine Verständigung mit voller Befriedigung von der öffentlichen Meinung Polens begrüßt wird. Die Krise im Zentrum. Zentrum im Ghetto. — Das Schulgesetz unkatholisch. In der„Frankfurter Zeitung " setzt der bekannte Zen- trumspubtizist Dr. Teipel die Auseinandersetzungen über die innere Lage des Zentrums fort. Er wendet sich so- wohl gegen den Reichsarbeitsminister Dr. Brauns wie gegen den Zentrumsfraktionsführer o. G u 6 r a r d, die beide seine früheren Darstellungen über die Mitwirkung Brauns bei dem Werden der Bürgerblockreaierung be- stritten haben. Teipel hatte u. a. auf Brauns Unterhaltungen mit dem Reichspräsidenten und auf eine besondere Unter-
redung mit Marx hingewiesen. Die Andeutungen über diese letztere hat Brauns als„objektiv unwahr" bezeichnet. Dazu sagt Teipel jetzt: „Ich bin kein Moraltheologe, aber es wird wohl zutreffen, daß selbst nach der strengsten Kasuistik gestattet ist, daß auch richtig« Mitteilungen über„hochpolitische Staatsgeheimnisse" von den Verantwortlichen ohne Gewissensbedenken abgeleug- net werden. Da ich fest überzeugt bin, daß Herr Brauns persönlich sein von mir mitgeteiltes Gespräch mit Herrn Marx für ein„hoch- politisches Staatsgeheimnis" hält, muß ich ihm alle Rechte einer zu- lässigen Reservatio mentalis(geistiger Vorbehalt) zugestehen. Ich bin aber nun gezwungen, meine Behauptung trotz der Termino- logie des Braunsschon Dementis aufrechtzuerhalten. Mehr möchte ich dazu nicht sagen...." Das ist sehr vorsichtig ausgedrückt, wird jedoch Herrn Dr. Brauns sicher Veranlassung geben, eine neue Erklärung zu erlassen, ob er die Rsservatio mentalis wirtlich für sich in Anspruch nimmt. Das wäre die Beurteilung seiner Ge- samtpersönlichkeit nicht unwesentlich. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen kommt Dr. Teipel zu dem Schluß, daß das Zentrum durch den Keudellschen Schulgesetzentwurf politisch für die Deutschnationalen eingefangen sei. „Ja, dieser deutschnationale Gesetzentwurf hat für die nächste Zeit alles Selb st ändigkeits streben der Zentrums- Politik im Lebensnerv getroffen. Der deutsche Katholi- zismus wogt öffentlich nicht einmal, an dieses politische Gesetz die kritische Sonde anzulegen und doch ist das Gesetz für den Katholizsmus augenblicklich nicht nur unnötig, sondern in seinem Charakter obendrein bestem katholischen Wesen zuwider... Wer katholisches Wesen kennt, der darf die Kirche mit ihren Bildungskräften nicht inein Ghetto einschließen wollen... In urteilefähigen Zentrumskreisen herrscht bereits sichtliche Katzenjammerstimmung über das deutschnationale Gesetz." Es scheint fast, als wenn diese Katzenjammerstimmung durch um so stärkeres Herauskehren sogenannter Grundsätze auf dem Katholikentage verschleiert werden sollte. Man hat früher einmal das Wort geprägt, das Zentrum müsse aus dem Turm heraus. Wie es scheint, ist man i e tz t im Begriff, es in ein katholisches Ghetto einzusperren—! Die Demokratie im Kriegerverein. Erbauliches aus Zehlcndorf. Es gibt immer noch Leute, die nicht wissen, was wahre Demokratie ist. Wenn sie sich darüber unterrichten wollten, so hätten sie am Sonnabend und Sonntag an dem Slljährigen Jubiläum des Zehlendorfer Kriegervereins teilnehmen müssen. Hier wurde wieder einmal in urdeutschen Tönen die Treue zu— nicht dem Volke— sondern zu Gott, Vaterland und„Kameraden" gepriesen. Der Hohenzollernprinz Oskar verlieh durch seine Anwesenheit dem Feste einen besonderen Glanz, bei dem der Zehlendorfer Bürger- meister Dr. Schuhmacher namens der Verwaltung des 1l>. Be- zirks und angeblich sogar auch namens des Berliner Magistrats eine lichtvolle Rede hielt. Er sprach dabei— wir zitieren hier den in solchen Dingen als zuverlässig bekannten.Lokal-Anzeiger"— von einer„Scheindemokratie", die von manchen Kreisen als Erb- Pacht in Anspruch genommen werde. Wahre Demokratie, so fuhr der Bürgermeister fort, weise aber der Kriegeroerein auf, denn er vereinige in sich Mitglieder aller Volksschichten und aller Berufe im harmonischen Zusammenwirken für das Vaterland. Die braven Kriegervereinler werden nicht wenig erstaunt ge- wesen sein, als sie hörten, daß sie einmal im Dienste der Demokrat!« vom preußischen Drill geschliffen wurden, und daß da? Strammstehen vor mehr oder minder durchlauchten Vorgesetzten ein Ausdruck der Selbstbestimmung ist. Im übrigen ist auch sonst die neue Staatsphilosophie des Bürgermeisters Schuhmacher höchst verdächtig. Wir können uns nicht vorstellen, daß der Berliner Magistrat und insbesondere der Oberbürgermeister Dr. B ö ß ihn beauftragt haben, der Demokratie diese neue, weniger sinnvolle als originelle Deutung zu geben. Dielleicht äußern sich diese Behörden einmal dazu.
das Feuilleton einer Reife. Von Gerdland. Als ich an einem lichten Sommervormittag auf dem Balkon der Villa draußen im Grunewald vor mich hindöste, stürzte meine über alles geliebte, blütengleiche Odette auf mich zu, schlang ihren weichen kosenden Arm um meinen Scheitel, stellte ihre niedlichen Füße auf meinen Schoß und wimmerte, frohlockte, lechzte:„Nun hast du gedöst, hast die Fingerlein dir wundgeschrieben, hast im Winter die großen Fest« gefeiert. Jetzt aber ist es Sommer, in Tunis reiten die Scheiks auf weißen Pferden durch die Straßen, gehen die verschleierten Frauen mit den britischen Dandys, die hell- häutigen Europäerinnen mit den afrikanischen Offizieren. Oh, Gerdi, ich möchte reisen."„Ja," machte ich,„und in Kolberg muh es jetzt auch ganz nett sein, da sitzen alle die wunderoffenbarenden Frauen, ihre Körper kredenzend im Sande, Amalie geht mit dem Gummi- kavalier..."„Ach werde nicht immer so profanierend," erklärte Odette, die holdselige, liebreizende,.denke dir, in Kairo spielt Prinz Amanoulla, der königliche, Ecarte, trinkt der Earl von Essex seine eigenen Mixturen, läßt Leila, die Königin der Nacht, ihren Bauch tanzen, sitzt die Fürstin von Dschuwentrin an der Bar des Atlantic, und wir könnten auch dabei fein."„Weißt du, Darling, Herr Seefeld und Frau sind in Krummhllbel, sie wollen durchaus die Schneekoppe besteigen, erholen sich und klettern nur bisweilen." „Und in Nizza blühen die Scharlachrosen, und in Monaco be- rauschen die Orchideen, in Marseille kauern und girren die Frau«n der Freude, in Paris hat Chäroux neueröffnet an der Place de la concorde . In Biaritz sind die Herzöge von Alba und Bourbon, ist Frau von Leydcn mit dem neuen Pyjama aus schwarzer Crepe de Chine mit orangefarbenem Schwanenflaum, in Lourdes beginnt die Prozessou zur Mutter Gottes und in Bourdeaux werden die Reben gepflückt."„Ja, Sweethard," streichelte ich Odettes seidene, schlanke Beine,„in Karlsbad soll Mrs. Mensendieck aus Boston sein und Carl Laemmle aus Hollywood , es gibt Oblaten, und es wird dauernd getanzt..." „Ach ja," meinte Odette,„auch da mag es ganz nett sein: aber ist es nicht vielleicht besser, du beendest erst dein Filmmanuskript?" Sie drückte mir einen Kuß auf den Mund und dann eilte sie in die Zimmer, wo Hausfrauenpflichten auf sie warteten: denn es wartete jemand, der Gerichtsvollzieher... Aeberpflanzungen bei krebs. Günstige Erfolge bei Krebs- kranken hat der Münchener Professor Teilhaber, wie in Reclams Universum berichtet wird, durch die Ueberpflanzung von Kaninchen- vrganen und Kälberthymus mit-milz erzielt. Die Schmerzen wurden geringer und die Geschwülste kleiner. Wenn diese Ueberpflanzunoen nach Operationen angewandt werden, dürfte sich die Häufigkeit der Rückfälle verringern. Bei Krebs, der nicht operiert werden kann, ist die Ueberpflanzung die beste Behandlungsmethode.
/Udert Sassermann. Zu seinem sechzigsten Geburtstage. Von Max Hochdors. Deutschlands größter Schauspieler, Albert Bassermann , begann als Episodenspieler. Episodenspieler ist der Künstler, der innerhalb des ganzen Dramas«ine Viertelstunde lang das Parkett mit kuriosen Mitteln an sich zu reißen hat. Der Episodenspieler muß beweisen, daß die Welt häufig wie«in Raritäten- oder wie ein Lachkabinett oder auch wie eine«chreckenskainmer aussieht. Soll man sagen, daß Bassermann sich bei der Darstellung solcher Ausnahmenaturen nur selber spielte? Es waren genügend Eigenschaften vorhanden, um ihn vor den zwanzitztausend Männern und Frauen, die in Deutsch - land noch auf ver Bühne standen, auszuzeichnen. Der Künstler war, soweit das Äeußere in Betracht kam, sportlich ausgebildet, und er legte großen Wert auf diese Geschmeidigkeit. Geschah es doch erst vor wenigen Iahren, daß Bassermann den genialen Komödianten Kean charakterisiert«, indem er sich auf die Hände stellte und so über die Bühne hüpfte. Der Schauspieler Bassermann gebraucht eben alle Mittel, über die er verfügt, um die Leidenschaft der ungewöhn- lichen Natur zu zeigen. Er überzeugt die Zuschauer durch die Akra- batik seines Körpers davon, daß in ihm ein unverlöfchlicher Vulkan brodelt. Bassermann besitzt eine eigentümliche Art. durch lang- gezogene, manchmal ruckweise abgebrochene Gesten das gesprochene Wort zu begleiten. Man hört ihn und spürt die innere Unruhe durch das äußere Rumoren seiner Glieder. Man merkt, daß er sich jedes Wort gewaltsam aus dem Gemüte reißt. Er gebraucht die Stimme, um das Mystische des Menscheninnern in das Bewußtsein des Hörers wie«ine gefährliche Waffe hineinzustoßen. Diese Stimme Bassermanns ist unvergeßlich. Cr redet ebenso ruckweise, wie er sich bewegt. Dabei vokalisiert er dialektisch, wie man es eigentlich nur bei Leuten des Volkes hört. Trotzdem wird inan gezwungen, diese Manier als erbaulich und aufregend zu schätzen. Die Stimme Bassermanns vibriert wie ein webklagendes Instrument. Es ist die Stimme des merkwürdigen Menschen, dem man nur an besonderen Glücks- oder Unglückstagen begegnet und abergläubisch verfällt. Das sind die äußeren Darstellungsmittel Albert Bassermanns. Alles ist bei ihm überbetont, auch seine Grazie gefällt sich in kost- barer Uebertreibung. Wir haben Wassermann einen überheblichen Aristokraten spielen sehen, einen Sonderling und Stutzer, wie sie eigentlich nur noch in der Barocknovelle oder im gezierten Theater- stück leben dürfen. Während man den Darsteller dieser Menschen- kuriosttät bewunderte, erinnerte man sich, schon einmal in grauer Vergangenheit solchem Meister der zopfigen Verschnörkelung begegnet zu sein. Wir erinnerten uns an Friedrich Hasse, der ein außer- artientlicher Techniker und Virtuose war. Doch der Schauspieler, der auf der Höhe seines Ruhmes solche Ueberlegenheit besitzt, muß auch einmal die Glut des Gefühls verspürt habe». Diesen Urgrund entdecken wir immer wieder in der Natur Bassermanns. Er ver- stcinert niemals in seiner Virtuosität. Er zerlegt und zergliedert die Nolle» in tausend Einzelheiten, doch er setzt hernach das Mosaik der Empfindung und der Gedanken wieder so kunstvoll zusammen, daß ein vollkommenes Menfchengeschöpf entsteht.
Lustspielhaus.(„F i l m r o m a n t i k" von Ludwig Fulda .) Eine burleske Satire auf den Filmunsinn und auf alle Sen- fation sollte geschrieben werden. Fulda ist so gut bei der Sache. daß er nur einen Schwank zusammenbringt, der all« guten alten Mittel der Kolportag« verbraucht. Da diese Antiquitäten be- liebter sind als gut« Gedanken, fand der gefeierte Dichter unge- Heuren Beifall. Fulda wird nachgesagt, daß er ein Feind der Ausländer sei, die Deutschland mit Stücken oersorgen und den deutschen Dramatikern Brot und Ruhm wegnehmen. Es ist zweifelhaft, ob fein deutsches Lustspiel dies« himmelschreienden Mißstände ändern wird. Die Komödie wurde faustdick herunter- gespielt mit Charlotte Anders, Ida Perry , Herrn S a b o und Herrn B a l l o t. Diese vier Künstler drückten ihre Rollen mächtig in das Gelächter des Parketts hinein, sie erdrückten aber auch die wenigen Pointen, die hier und da aufgepickt werden. M. H. Die Suche nach dem Riesenmeleor. Die Expedition der russischen Akademie der Wissenschaften, die zum zweitenmal nach Sibirien reiste, um den Meteorstein, der bereits im Jahr« 1908 im Jcnissei- Gouvernement niedergegangen ist, zu ermitteln, ist nunmehr nach Leningrad zurückgekehrt. Die Expedition wurde von dem Geologen L. Kulik geleitet. Das Niedergehen des Meteorsteins wurde auf einer Fläche mtt einem Radius von über 800 Kilometern wahrgenommen und war von starken Erderschlltterungen, die von den Seismographen der Jrkutsker Erdbebenwarte verzeichnet wurden, begleitet. Ver- mutlich wies der Meteorstein einige hundert Meter im Durchmesser auf. In den Städten Kirensk und Jlimsk, die von der Stelle, an der der Meteorit herabsiel. 400 Kilometer entfernt sind, wurde mehr- maliges donnerähnliches Getöse vernommen und beobachtet, wie am Horfzont eine Flammensäul« und gewaltige Rauchwolken, wie sie be! einer Eruption wahrgenommen werden, entstanden Der Urwald wurde auf einer Strecke von 600 Kilometer wahrscheinlich durch einen Wirbelsturm umgelegt. Die erste Erpedition, die im Jahre 1921 die Nachforschungen nach dem Meteorstein au'nohm. konnte die betreffende Stelle nicht erreichen. Die Gegend, die durch das Nieder- gehen des Meteoriten in Mitleidenschaft gezogen ist. nimmt, wie die nunmehr zurückgekehrte zweite Expedition festgestellt hat. eine Fläche von einigen hundert Kilometern im Durchmesser ein und ist mit zahllosen Lochern in Form riesiger Trichter übersät. Jedes Loch hat einige Dutzend Meter im Durchmesser und ist einige Meter swi- der ganzen Gegend ist der Wald vollkommen vernichtet. Alle Baum« sind entwurzelt und in regelmäßigen Radiuslinien, die vom Orte des Meteoritfalles ouseinanderftreben. umgelegt. Der Wald ist uberall angesengt. Die nächste Ausgabe ist ein« Flug- aufnähme dieser unzugänglichen Gegend und die Ausgrabung des Metorsteins, der annähernden Berechnungen zufolge etwa 50 Mil- Honen Pud wiegen und vermutlich aus Eisen, Nickel und Platin bestehen soll. Galerie Z.Cosper. Kursürslcndamm 233, eröffnet am 11. September eine Kollectiv-.luSitellung von Aribnr Trimm, Baden-Baden , weihe SSerfe von 1607— 1627 cntbält; aufferdem zciqt Trna Krüger, Offerodc zum cistenmal eine ilnzah! fZolträtS und r'andschaiten. vir Premiere von„Troilus und Trejsida* im Deutschen Theater ist oui den 13. September feggesept worden. Da« Stück kommt in der lieber. ietznng von Hm,« Rothe zur Aufführung. Regie Hein» Hilperi, Bühnen- bilder Arthur Pohl , Musik Woljgang Zell«.